Ich werde in meiner Arbeit einen Deutungsversuch zu den ambivalenten Kausalitätszusammenhängen in Thüring von Ringoltingens Melusine unternehmen.
Dafür werde ich zunächst darstellen, welche Schicksalskräfte in welchem Kontext Erwähnung finden. Anschließend werde ich anhand von zwei Textstellen herausarbeiten, wie der Erzähler das Handeln der Figuren und den Lauf der Ereignisse erklärt. Dabei werde ich mich auf Reymunds ersten und zweiten Tabubruch beziehen, weil diese Textstellen wichtige Parallelen in Hinblick auf Reymunds Absichten und Gefühle aufweisen und außerdem Wendepunkte im Handlungsverlauf markieren beziehungsweise markieren sollen: Antizipiert der Leser nach Reymunds erstem Bruch des Sichtverbots eine Peripetie, bleibt sie zunächst aus, tritt dann jedoch verzögert mit seinem zweiten Tabubruch ein.
Dadurch wird die Zwangsläufigkeit der Ereigniskette infrage gestellt, welche das Erzählschema bis dato vorzugeben schien, und damit die übergeordnete Rolle des Erzählschemas selbst. Das wirft wiederum die Möglichkeit auf, dass die Entscheidungen der Figuren darüber hinaus gehen könnten, reines Mittel zum Zweck der Umsetzung eines Erzählschemas oder zum Zweck der Spannungssteigerung zu sein. Diese Hypothese werde ich anhand der Erzählerkommentare herleiten und belegen.
Ich bin der Ansicht, dass die dominante Ursache für die Ereignisse im den Tabubruch betreffenden Erzählstrang die Entscheidungen sind, die die Figuren frei treffen.
In meiner Argumentation für diese These werde ich mich auf die Unterscheidung zwischen kausaler, finaler und kompositorischer Motivierung nach Matías Martinez und Michael Scheffler stützen. Ich werde zeigen, dass in Thürings Melusine alle drei Motivierungen zusammenfließen und auf den zweiten Blick ein widerspruchsfreies Zusammenspiel ergeben, hinter dem sich eine implizite Intention vermuten lässt: Die Vermittlung christlicher Werte und ein Plädoyer für Loyalität und frommes, selbstbestimmtes Handeln vor dem Hintergrund der Möglichkeit, das eigene Schicksal selbst zu steuern.
Inhalt
Einleitung
Hinführung zum Gegenstand
Vorgehensweise
Hauptteil
Darstellung der Schicksalskräfte in der Melusine
Fortuna
Gott
Individuelles Handeln
Melusines Fluch
Das Erzählschema der gestörten Mahrtenehe
Analyse der Erzählerkommentare
Erster Tabubruch
Zweiter Tabubruch
Der Sinn hinter der verzögerten Katastrophe
Hypothese zu Persines Absicht
Hypothese zu Melusines Willen
Deutung des Spannungsverhältnisses interner und externer Kräfte
Moralische Implikationen
Schluss
Zusammenfassung
Fazit
Literaturverzeichnis
- Quote paper
- Milena Reinecke (Author), 2021, Wie lässt sich das Spannungsverhältnis der verschiedenen Schicksalskräfte in Thürings von Ringoltingens "Melusine" deuten?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1156950
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