Der Gerichtsbarkeit stellt sich in immer häufigeren Verfahren die Frage nach der Rechtmäßigkeit der Cum/Ex-Geschäfte, die der Gesetzgeber bis 2012 kaum unterband. Konkret muss bei Leerverkäufen von Aktienpaketen rund um den Dividendenstichtag geklärt werden, ob eine Zurechnung der Dividendenerträge beim Käufer rechtmäßig war. Eine solche Zuordnung mündete regelmäßig in der charakteristischen doppelten Berechtigung zur Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer. Inwiefern diese Charakteristik einen rechtmäßigen Platz im System der Kapitalertragsteuer einnimmt oder ein Gestaltungsmissbrauch vorliegt, ist Thema dieser Arbeit.
Zunächst wird auf Basis des Dualismus der Steuersubjekte die Besteuerung von Kapitaleinkünften im Rahmen der Abgeltungsteuer, des Teileinkünfteverfahrens und des
§ 8b KStG erläutert. Im Anschluss werden die Börsenbedingungen und Handelsgestaltungen vorgestellt, die den Rahmen des Dividendenstrippings bilden, um in der Folge auf ein simplifiziertes Basismodell der Cum/Ex-Gestaltungen überzuleiten.
Den Kern dieses Kapitels stellt die Vorstellung eines Cum/Ex-Modells dar, das den real aufgetretenen Gestaltungen gerecht wird.
Anschließend wird sich detailliert mit der Frage der Rechtmäßigkeit und Systemgerechtigkeit der Gestaltungsmodelle beschäftigt. Zentral ist der Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, der unter den gegebenen Voraussetzungen des BFH analysiert wird. Beachtlich für Cum/Ex-Geschäfte sind dabei die Zeiträume bis zur Einführung des § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 4 EStG im Jahr 2007 und ab 2007 bis zum Inkrafttreten des OGAW-IV-Umsetzungsgesetz (UmsG) im Jahr 2011, welches die Cum/Ex-Geschäfte mehrheitlich verhinderte.
Zur Veranschaulichung und Vergleichbarkeit wird neben der für Cum/Ex-Modelle typischen Leerverkaufsgestaltung auch der Inhaberverkauf dargestellt.
Unabhängig vom Übergang wirtschaftlichen Eigentums könnten ein abgesprochenes Zusammenwirken der am Cum/Ex-Geschäft beteiligten Akteure auf einen Gestaltungsmissbrauch i. S. d. § 42 AO hindeuten. Insbesondere die Frage der Anwendbarkeit dieser Generalnorm und die potenzielle Unangemessenheit der Cum/Ex-Gestaltungen aus der Perspektive der involvierten Akteure sollen deshalb untersucht werden, ehe zuletzt die Wirkungsweise des OGAW-IV-UmsG dargestellt wird.
Inhaltsverzeichnis
- 1 Einleitung
- 2 Dualismus der Steuersubjekte
- 2.1 Personengesellschaften
- 2.2 Kapitalgesellschaften
- 3 Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen
- 3.1 Überblick
- 3.2 Abgeltungsteuer
- 3.3 Teileinkünfteverfahren
- 3.4 Schachtelprivileg des § 8b KStG
- 3.5 Kapitalertragsteuer
- 3.6 Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer
- 4 Cum/Ex-Gestaltungen
- 4.1 Wertpapierhandel
- 4.1.1 Einführung
- 4.1.2 Verwahrung von Aktien
- 4.1.3 Regulierung der Dividendenausschüttung
- 4.1.4 Inhaberverkauf
- 4.1.5 Leerverkauf
- 4.1.5.1 Einführung in Leerverkäufe
- 4.1.5.2 Leerverkauf über inländische Bank
- 4.1.5.3 Leerverkauf über ausländische Bank
- 4.1.6 Zentraler Kontrahent
- 4.2 Cum/Ex-Modelle
- 4.2.1 Basismodell
- 4.2.2 Realistische Modelle
- 4.3 Rechtsauffassung des Gesetzgebers zu Cum/Ex-Modellen
- 4.1 Wertpapierhandel
- 5 Übergang wirtschaftlichen Eigentums
- 5.1 Einführung
- 5.2 Definition: Wirtschaftliches Eigentum
- 5.3 Wirtschaftliches Eigentum an Aktien
- 5.4 Übergang wirtschaftlichen Eigentums beim Inhaberverkauf
- 5.5 Übergang wirtschaftlichen Eigentums beim Leerverkauf
- 5.5.1 Einführung
- 5.5.1.1 Überblick
- 5.5.1.2 Doppeltes wirtschaftliches Eigentum
- 5.5.1.3 Überlegungen zum Kaufvertrag
- 5.5.2 Ausgehen vom Übergang des Eigentums
- 5.5.2.1 Einführung
- 5.5.2.2 Netting-Verfahren
- 5.5.2.3 Rolle der CCP
- 5.5.3 Übergang des wirtschaftlichen Eigentums bei OTC-Geschäften
- 5.5.4 Vom Verkäufer initiiertes, modellhaftes Gesamtvertragskonzept
- 5.6 Zwischenfazit
- 6 Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO
- 6.1 Überleitung
- 6.2 Einführung
- 6.3 Die Generalnorm § 42 AO
- 6.4 Rechtsfolgen aus § 42 AO
- 6.5 Gestaltungsmissbrauch bei Cum/Ex-Modellen
- 6.5.1 Einführung
- 6.5.2 Anwendbarkeit der Generalnorm
- 6.5.3 Unangemessenheit der Gestaltung
- 6.5.4 Betrachtung der Erwerberseite
- 6.5.4.1 Missbräuchliche Absprache oder Marktirregularität – eine Einführung
- 6.5.4.2 Analyse der Marktirregularität
- 6.5.5 Betrachtung der Verkäuferseite
- 6.5.5.1 Inhaberverkauf
- 6.5.5.2 Leerverkauf
- 6.6 Zwischenfazit
- 7 Finale Gegenmaßnahme des Gesetzgebers - OGAW-IV-UmsG
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Masterarbeit untersucht die steuerlichen und rechtlichen Aspekte von Cum/Ex-Transaktionen. Ziel ist es, die zugrundeliegenden Mechanismen zu analysieren und die Frage zu beantworten, ob diese Gestaltung den Anforderungen an eine systemgerechte Anrechnung von Kapitalertragsteuer gerecht werden oder ob sie als missbräuchliche Steuergestaltung zu qualifizieren sind.
- Dualismus der Steuersubjekte (Personengesellschaften vs. Kapitalgesellschaften)
- Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen (Abgeltungsteuer, Teileinkünfteverfahren)
- Mechanismen von Cum/Ex-Transaktionen (Inhaberverkauf, Leerverkauf)
- Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Aktien
- Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO
Zusammenfassung der Kapitel
1 Einleitung: Die Einleitung führt in die Thematik der Cum/Ex-Transaktionen ein und skizziert den Forschungsansatz der Arbeit. Sie beschreibt den Dualismus der Steuersubjekte und deren Relevanz für die Cum/Ex-Problematik.
2 Dualismus der Steuersubjekte: Dieses Kapitel beleuchtet den Unterschied in der steuerlichen Behandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften im Kontext der Kapitalertragssteuer. Es legt die Grundlagen für das Verständnis der unterschiedlichen Möglichkeiten, Cum/Ex-Strukturen zu gestalten und auszunutzen.
3 Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen: Dieses Kapitel beschreibt detailliert die verschiedenen Besteuerungsmethoden von Einkünften aus Kapitalvermögen in Deutschland, darunter die Abgeltungsteuer und das Teileinkünfteverfahren. Es erläutert das Schachtelprivileg und die Bedeutung der Kapitalertragsteuer für das Verständnis der Cum/Ex-Problematik. Die verschiedenen Möglichkeiten der Anrechnung oder Erstattung der Kapitalertragsteuer werden ausführlich dargestellt.
4 Cum/Ex-Gestaltungen: Das Kapitel analysiert die verschiedenen Modelle von Cum/Ex-Transaktionen. Es beschreibt den Wertpapierhandel, insbesondere die Mechanismen des Inhaberverkaufs und des Leerverkaufs, und deren Rolle bei der Gestaltung von Cum/Ex-Geschäften. Der Einfluss von zentralen Kontrahenten (CCP) wird ebenfalls erörtert. Es werden sowohl Basismodelle als auch realistischere Modelle vorgestellt, um die Komplexität der Transaktionen zu verdeutlichen. Die Rechtsauffassung des Gesetzgebers zu Cum/Ex-Modellen wird ebenfalls diskutiert.
5 Übergang wirtschaftlichen Eigentums: Dieses Kapitel befasst sich eingehend mit dem Thema des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums an Aktien im Kontext von Cum/Ex-Transaktionen. Es definiert das wirtschaftliche Eigentum und analysiert dessen Übergang beim Inhaberverkauf und Leerverkauf. Es werden unterschiedliche Szenarien und Ansätze diskutiert, wie z.B. das doppelte wirtschaftliche Eigentum und die Rolle von Netting-Verfahren und CCPs. Die Problematik wird anhand von Beispielen aus dem OTC-Handel veranschaulicht und ein modellhaftes Gesamtvertragskonzept vorgestellt.
6 Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO: Das Kapitel analysiert die Anwendbarkeit der Gestaltungsmissbrauchsregelung des § 42 AO auf Cum/Ex-Transaktionen. Es wird die Generalnorm des § 42 AO erläutert und die Rechtsfolgen seines Anwendungsbereichs aufgezeigt. Es wird detailliert untersucht, ob und unter welchen Bedingungen die Cum/Ex-Gestaltung als missbräuchlich anzusehen ist. Die Perspektive sowohl der Erwerber- als auch der Verkäuferseite wird berücksichtigt, wobei insbesondere die Frage nach missbräuchlichen Absprachen und Marktirregularitäten analysiert wird.
Schlüsselwörter
Cum/Ex, Kapitalertragsteuer, Abgeltungsteuer, Teileinkünfteverfahren, Gestaltungsmissbrauch, § 42 AO, wirtschaftliches Eigentum, Inhaberverkauf, Leerverkauf, Wertpapierhandel, Zentraler Kontrahent (CCP), Marktirregularität, Steuergestaltung, Steueroptimierung, Rechtsprechung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Masterarbeit: Steuerliche und rechtliche Aspekte von Cum/Ex-Transaktionen
Was ist der Gegenstand dieser Masterarbeit?
Die Masterarbeit untersucht die steuerlichen und rechtlichen Aspekte von Cum/Ex-Transaktionen. Sie analysiert die zugrundeliegenden Mechanismen und bewertet, ob diese Gestaltung einer systemgerechten Anrechnung von Kapitalertragsteuer entspricht oder als missbräuchliche Steuergestaltung einzustufen ist.
Welche Themen werden in der Arbeit behandelt?
Die Arbeit behandelt den Dualismus der Steuersubjekte (Personengesellschaften vs. Kapitalgesellschaften), die Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen (Abgeltungsteuer, Teileinkünfteverfahren), die Mechanismen von Cum/Ex-Transaktionen (Inhaberverkauf, Leerverkauf), den Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Aktien und den Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit umfasst sieben Kapitel: Einleitung, Dualismus der Steuersubjekte, Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen, Cum/Ex-Gestaltungen, Übergang wirtschaftlichen Eigentums, Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO und abschließend die finale Gegenmaßnahme des Gesetzgebers (OGAW-IV-UmsG). Jedes Kapitel behandelt einen spezifischen Aspekt der Cum/Ex-Problematik.
Was wird im Kapitel "Dualismus der Steuersubjekte" behandelt?
Dieses Kapitel beleuchtet den Unterschied in der steuerlichen Behandlung von Personengesellschaften und Kapitalgesellschaften im Kontext der Kapitalertragssteuer. Es erklärt, wie diese Unterschiede die Gestaltung und Ausnutzung von Cum/Ex-Strukturen beeinflussen.
Was wird im Kapitel "Besteuerung von Einkünften aus Kapitalvermögen" behandelt?
Dieses Kapitel beschreibt detailliert die verschiedenen Besteuerungsmethoden von Einkünften aus Kapitalvermögen in Deutschland (Abgeltungsteuer, Teileinkünfteverfahren, Schachtelprivileg, Kapitalertragsteuer) und deren Relevanz für Cum/Ex-Transaktionen.
Was wird im Kapitel "Cum/Ex-Gestaltungen" behandelt?
Dieses Kapitel analysiert verschiedene Cum/Ex-Modelle, den Wertpapierhandel (Inhaberverkauf, Leerverkauf), die Rolle zentraler Kontrahenten (CCP) und die Rechtsauffassung des Gesetzgebers zu diesen Modellen.
Was wird im Kapitel "Übergang wirtschaftlichen Eigentums" behandelt?
Dieses Kapitel befasst sich mit dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums an Aktien bei Cum/Ex-Transaktionen, definiert wirtschaftliches Eigentum und analysiert dessen Übergang beim Inhaberverkauf und Leerverkauf. Es betrachtet Szenarien wie doppeltes wirtschaftliches Eigentum, Netting-Verfahren und die Rolle von CCPs im OTC-Handel.
Was wird im Kapitel "Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO" behandelt?
Dieses Kapitel analysiert die Anwendbarkeit von § 42 AO auf Cum/Ex-Transaktionen. Es erläutert die Generalnorm, die Rechtsfolgen und untersucht detailliert, unter welchen Bedingungen die Cum/Ex-Gestaltung als missbräuchlich einzustufen ist. Die Perspektive von Erwerber- und Verkäuferseite wird berücksichtigt.
Welche Schlüsselwörter sind relevant für die Arbeit?
Wichtige Schlüsselwörter sind: Cum/Ex, Kapitalertragsteuer, Abgeltungsteuer, Teileinkünfteverfahren, Gestaltungsmissbrauch, § 42 AO, wirtschaftliches Eigentum, Inhaberverkauf, Leerverkauf, Wertpapierhandel, Zentraler Kontrahent (CCP), Marktirregularität, Steuergestaltung, Steueroptimierung, Rechtsprechung.
- Quote paper
- Nico Waldmann (Author), 2021, Cum Ex Dividendenstripping. Missbräuchliche Steuergestaltung oder systemgerechte Anrechnung von Kapitalertragsteuer?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1156679