Der Pflegeberuf in Deutschland. Eine Attraktivitätsanalyse und mögliche Handlungsstrategien im Umgang mit Personalmangel


Tesis (Bachelor), 2021

62 Páginas, Calificación: 1,5


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Der Pflegeberuf und seine Situation
2.1. Gesetzliche Rahmenbedingungen
2.2. Differenzierung Pflegekräfte
2.2.1. Pflegefachkräfte
2.2.2. Pflegekräfte
2.3. Demografischer Wandel
2.4. Pflegerische Tätigkeiten
2.4.1. Delegation
2.4.2. Erhöhter Pflegebedarf
2.4.3. allgemeine Herausforderungen des Pflegeberufes
2.5. Image der Pflege

3 Personalmangel in der Pflege
3.1. Ursachen
3.1.1. DRG
3.1.2. Bezahlung
3.1.3. Work-Life-Balance
3.1.4. Image des Pflegeberufes
3.1.5. fehlender Nachwuchs
3.2. Rolle der Politik
3.3. Rolle der Unternehmen
3.4. Führungskräfte

4 Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufes
4.1. Handlungsmöglichkeiten der Politik
4.2. Handlungsmöglichkeiten der Unternehmen
4.3. Handlungsmöglichkeiten der Führungskräfte

5 Ausblick
5.1. Einfluss der Pandemie 2020
5.2. Der Pflegeberuf in der Zukunft

6 Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1 - Pflegebedürftige Menschen

Abb. 2 - Ausübung Heilkunde

Abb. 3 - Pflegeprozess

Abb. 4 - Fachkräfteengpassanalyse 2019

Abb. 5 - Stellenbesetzungsprobleme 2011 – 2019

Abb. 6 - Altersstruktur Pflegekräfte

Abb. 7 - Altersstruktur Pflegeeinrichtungen 2015

Abb. 8 - Beschäftigte Altenpflege

Abb. 9 - Bruttoverdienst Fachkräfte

Abb. 10 - Einspringen

Abb. 11 - Einfluss auf Attraktivität

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

In Deutschland waren 2019 etwa 1,7 Millionen Menschen im Pflegeberuf sozialversicherungspflichtig beschäftigt. Wie auch in den vergangenen Jahren ist der Großteil der Pflegenden1 weiblich. Auch die Teilzeitbeschäftigung im Pflegesektor nimmt weiter zu. Der stetig rückläufigen Arbeitslosigkeit im Pflegebereich steht eine hohe und steigende Nachfrage an Fachkräften durch die Betriebe gegenüber. Im Großteil der Bundesrepublik herrscht ein anhaltender Fachkräftemangel in der Alten- wie auch in der Krankenpflege (Statistik der Bundesagentur für Arbeit, 2020, S. 4). Im Schnitt waren im Jahr 2019 etwa 39.000 Stellen im Pflegesektor unbesetzt (BibliomedPflege, 2019, Abs. 1). Der Fachkräftemangel in der Pflege wurde in den letzten Jahren aus verschiedenen Richtungen beleuchtet und analysiert. Um herauszufinden, wo die genauen Ursachen des Fachkräftemangels liegen, muss zunächst ein Blick auf die Situation des Pflegesektors erfolgen.

Der Pflegebereich ist ein wichtiger Teil des deutschen Gesundheitssystems, welches einen erheblichen Anteil am Bruttoinlandsprodukt aus­macht. Mit den stetig steigenden prozentualen Anteilen des Gesundheitssystems am BIP von zuletzt 11,7% im Jahr 2018, ist die wirtschaftliche Relevanz dieses Sektors unumstritten.

Auch aufgrund der DRG-Einführung im Jahr 2004 stehen die Kliniken einem immer stärker werdenden Kostendruck gegenüber. Pflegerische Leistungen sind in den DRG´s nicht dargestellt und können somit nicht abgerechnet werden. Das Personal der Pflege wird demnach im kostentreibenden Faktor der Kliniken nicht abgebildet und fällt etwaigen Einsparungen somit primär zum Opfer. Im Umkehrschluss könnte man behaupten, der Pflegebereich erzeuge Personalkosten, bringe aber keine Erlöse zutage. Dies ist nur ein Teil der stetig steigenden Arbeitsbelastungen im Pflegebereich.

Neben den alltäglichen und berufsspezifischen Arbeitsbelastungen wie Schichtarbeit und psychisch belastender Arbeit gehört auch der demografische Wandel zu den stärker werdenden Arbeitsbelastungen im Pflegebereich. Die Patienten werden zunehmend älter und bringen eine Vielzahl an Begleiterkrankungen mit. Aber auch im personellen Bereich hält die Demographie Einzug. So steigt der Altersdurchschnitt des Personals im Pflegebereich rasant an. Dies hat u.a. auch einen Ursprung in der rückläufigen Nachwuchsgewinnung. Immer weniger junge Menschen können sich vorstellen einen Beruf im Pflegebereich anzutreten und sich dazu ausbilden zu lassen.

Um die Attraktivität des Pflegeberufes zu analysieren, muss zunächst die Frage beantwortet werden, was einen Beruf attraktiv macht. Welche Berufe gelten zur heutigen Zeit als attraktiv und erstrebenswert. Hierzu wird der Pflegeberuf aus verschiedenen Sichtweisen beleuchtet. Es wird analysiert wie Beschäftigte sich in ihrem Beruf sehen und wie zufrieden sie mit ihrer Berufswahl und der Ausübung ihrer Tätigkeit sind. Weiter wird herausgearbeitet, wie die Gesellschaft den Beruf der Pflegekraft einschätzt und welches Bild der Pflege in der Gesellschaft kursiert. In diesem Zusammenhang wird ebenfalls die mediale Berichterstattung des Pflegesektors betrachtet. Inwieweit hat eine bestimmte Berichterstattung Einfluss auf die Wir­kung eines Berufes in der Gesellschaft, und zu welcher Attraktivität führt eine entsprechende Berichterstattung der Medien. Es wird der zentralen Frage nachgegangen, wie die Attraktivität des Pflegeberufs gesteigert werden kann. Die Grundannahme dieser wissenschaftlichen Arbeit ist, dass die geringe Attraktivität des Pflegeberufes ausschlaggebend für den vor­herrschenden Personalmangel ist. Demnach kann durch eine Attraktivitätssteigerung eine Verringerung des Personalmangels erreicht werden.

Auf Grundlage der Erhöhung der Attraktivität des Pflegeberufes werden mögliche Handlungsstrategien zur Reduzierung der Personalknappheit heraus­gearbeitet. Es wird nach Möglichkeiten für Führungskräfte gesucht, vakante Stellen attraktiv zu gestalten und die vorhandenen Mitarbeiter zu halten. Ebenfalls wird aufgezeigt wie Führungs­kräfte, Unternehmen und auch die Politik Handlungsstrategien an­streben können, um dem Personalmangel Einhalt zu gebieten.

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieser wissenschaftlichen Arbeit befindet sich die Welt mitten in der Pandemie durch das SARS-CoV-2. Aus diesem Grund können zum ge­gebenen Zeitpunkt nur mögliche Einflüsse dieser Ausnahmesituation auf die Personalsituation in der Pflege analysiert und diskutiert werden. Valide Daten zur Personalsituation werden vermutlich erst im Laufe der Jahre 2021/2022 zur Verfügung stehen.

Ein Ausblick auf die Zukunft des Pflegesektors soll wichtige Meilensteine in der Entwicklung des Pflegeberufes aufzeigen und eine mögliche Tendenz der Personalsituation skizzieren.

2 Der Pflegeberuf und seine Situation

Der Pflegeberuf hat eine sehr alte Geschichte, die ihre Ursprünge bei den Benediktiner- und Johanniterorden im 8. Jahrhundert hat. Die ersten Schriften über Pflege reichen aber bis in das 4. und 5. Jahrhundert zurück. „Sich selbstlos um Arme, Kranke und Behinderte zu bemühen, war lange Ausdruck einer christlich geprägten Lebenshaltung (Berufung).“ (Mürbe & Stadler, 2004, S. 33). Beschäftigt man sich mit der Geschichte der Pflege, kommt man an einigen Persönlichkeiten nicht vorbei. So gründete Vincent von Paul 1634 den Orden der Barmherzigen Schwestern. Er begann Bewerberinnen für den Orden auf soziale Kompetenzen zu prüfen. Schon in der Industrialisierung kristallisierte sich ein steigender Bedarf an qualifizierten Pflegerinnen heraus. Theodor Flieder hat diesen Bedarf erkannt und gründete 1836 eine Krankenanstalt, in der er Bewerberinnen fünf Jahre lang mit hohen Ansprüchen ausbildete. Die wohl bekannteste Absolventin war Florence Nightingale. Nach dem sie im Krieg Soldaten behandelte, entwickelte sie den pflegetheoretischen Ansatz. Am Londoner St.-Thomas-Hospital gründete sie schließlich 1903 eine Krankenpflegeschule. Neben Bismarck mit seinem 1883 verabschiedeten „Gesetz betreffend die Krankenversicherung der Arbeiter“ hatte auch Agnes Karll die Idee der Absicherung gegen Krankheit. Mit der Rot-Kreuz-Schwester nahmen die dreijährige Ausbildung und das Recht auf Bezahlung ihren Ursprung. 1903 gründete Karll die Berufsorganisation der Krankenpflegerinnen Deutschlands, welche dem heutigen DBfK (Deutscher Berufsverband für Pflegeberufe) entspricht. Aufgrund ihrer Courage und berufspolitischen Weltsicht nennt man sie auch die deutsche Florence Nightingale, so der DBfK über seine Gründerin.

2.1. Gesetzliche Rahmenbedingungen

In den vergangenen Jahren gab es eine Reihe von Gesetzen, die die Krankenpflege und auch den gesamten Pflegeberuf erneuern und stärken sollte. Nach der Gründung des DBfK 1903, wurden drei Jahre später die ersten Vorschriften über die staatliche Prüfung von Krankenpflegepersonen entwickelt. Es folgten Krankenpflegegesetze2 1938, 1957, 1965 und 1985. Diese Gesetze sollten hauptsächlich die Ausbildung der Krankenpflege und das Führen der Berufsbezeichnung regeln. Mit den dann folgenden Gesetzen hat man hauptsächlich die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen und -inhalte angepasst. Mit der im Gesetz von 2004 enthaltenen Änderung der Berufsbezeichnung, wollte man dem Präventionsgedanken, dem Erhalt der Gesundheit, Nachdruck verleihen. Die examinierten Pflegefachkräfte durften sich von nun an Gesundheits- und Krankenpfleger nennen. Die Prüfung der Krankenpflege ist seit 1906 bundeseinheitlich geregelt (hierbei wurde die DDR nicht berücksichtigt), denn hier wurde eine staatliche Prüfung abverlangt. Die Altenpflegeausbildung hingegen, ist erst mit dem im Jahr 2003 in Kraft getretenen Altenpflegegesetz, bundeseinheitlich geregelt. Zahlreiche vorangegangene Versuche die Altenpflegeausbildung bundeseinheitlich zu gestalten, scheiterten seit 1980, nicht zuletzt am Widerstand Bayerns, mehrfach.

In der Chronologie der Anpassung der Ausbildungsinhalte und Prüfungsordnungen folgte 2017 das Pflegeberufegesetz, welches aber komplett erst 2020 in Kraft getreten ist. Mit der Einführung des Gesetzes 2020 wurde die Ausbildung von Alten- und Krankenpflege zusammengefasst. Seitdem schließt man die Ausbildung mit der Berufsbezeichnung „Pflegefachfrau“ und „Pflegefachmann“ ab. „Die Ausbildung zur Pflegefachfrau oder zum Pflegefachmann vermittelt die für die selbstständige, umfassende und prozessorientierte Pflege von Menschen aller Altersgruppen in akut und dauerhaft stationären wie ambulanten Pflegesituationen…“ (PflBrefG, 2017, Teil I, Nr. 49, Art. 1, Teil 2, Abschnitt 1, §5, Abs. 1).

Mit dem Pflegepersonal-Stärkungsgesetz (PpSG) im Jahr 2018 wollte der Gesetzgeber eine „…spürbare Verbesserung im Alltag der Pflegekräfte durch eine bessere Personalausstattung und bessere Arbeitsbedingungen…“ (BMG, Sofortprogramm Pflege, 2019) erreichen. Dieses Gesetz beinhaltet u.a. eine Finanzierung jeder aufgestockten Pflegestelle, eine krankenhausindividuelle Vergütung von Pflegepersonal unabhängig vom DRG-System, eine vollständige Refinanzierung der Tarifsteigerungen, mehr Ausbildungsplätze in der Pflege, bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf u.v.m. Schon im PpSG wurden die Pflegepersonaluntergrenzen erfasst und eine Weiterentwicklung der Selbstverwaltungspartner gefordert. Man hat schon mit dem PpSG und dann auch mit PpUGV erkannt, dass in bestimmten Bereichen (Intensiv, Geriatrie und allg. Chirurgie) Untergrenzen für Personal geschaffen werden müssen. Mit der Neufassung der Pflegepersonaluntergrenzen-Verordnung aus dem Jahr 2020 hat man weitere Bereiche hinzugefügt. (BMG, Pflegepersonaluntergrenzen, 2020). Die Pflegestärkungsgesetze I – III werden hier nicht betrachtet, da diese Gesetze keinen Fokus auf die Pflegefachkräfte und die Ausübung des Berufes nehmen, sondern vielmehr die zu Pflegenden und den Begriff der Pflegebedürftigkeit stärken.

2.2. Differenzierung Pflegekräfte

In Kliniken und Pflegeheimen lassen sich eine Vielzahl verschiedener Berufsgruppen und Berufsangehöriger finden. In Pflege- und Altenheimen sind im Allgemeinen Pflegefachkräfte, Pflegekräfte und Hilfskräfte beschäftigt. Ärztliches Personal hingegen, ist in dieser Art von Einrichtungen nicht regulär vorhanden. Meist werden, wenn benötigt, die entsprechenden Bereitschaftsärzte telefonisch hinzugezogen bzw. in Notfallsituationen der Rettungsdienst mit Notarzt gerufen. In deutschen Kliniken lassen sich aber viele verschiedene medizinische Berufe finden. Neben Ärzten und ärztlichem Assistenzpersonal3, sind in Krankenhäusern der Bundesrepublik vor allem pflegerische Berufe vertreten. Diese Berufsgruppe stellt den größten Teil (in den meisten Kliniken) an medizinischem Personal dar. Beschäftigt werden Pflegefachkräfte, Pflegekräfte und Hilfskräfte.

2.2.1. Pflegefachkräfte

Wenn in dieser wissenschaftlichen Arbeit von Pflegefachkräften oder von Fachkräften im Pflegebereich gesprochen wird, sind damit alle Altenpflegekräfte, (Kinder-)Krankenpflegekräfte, Krankenschwestern sowie Gesundheits- und (Kinder-)Krankenpfleger, Pflegefachmänner und Pflegefachfrauen gemeint, die eine dreijährige Ausbildung absolviert haben, und die eine Erlaubnis zum Führen der Berufsbezeichnung vorweisen können. Pflegefachkräfte mit gesonderter Fachweiterbildung, z.B. Fachkrankenpfleger für Intensivmedizin, werden hier nicht gesondert benannt, sie werden ebenfalls als Pflegefachkräfte bezeichnet. „Nach Artikel 74 Absatz 1 Nummer 19 Grundgesetz darf der Bund die Zulassung zu den ärztlichen einschließlich tierärztlichen und anderen Heilberufen regeln. Zu den Heilberufen zählen diejenigen Berufe, deren Tätigkeit die Heilung von Krankheiten und die medizinisch-helfende Behandlung und Betreuung von Patienten erfasst […] Allen Heilberufen gemeinsam ist, dass das Führen der Berufsbezeichnung geschützt ist. Das heißt, dass die Berufsbezeichnung nur mit einer Approbation oder Berufserlaubnis geführt werden darf und ein Verstoß als Straftat oder Ordnungswidrigkeit geahndet wird. […] Die Heilberufe zählen zu den sogenannten reglementierten Berufen im Sinne der Europäischen Richtlinie 2005/36/EG über die gegenseitige Anerkennung von Berufsqualifikationen.“ (BMG, Gesundheitsberufe - Allgemein, 2021)

2.2.2. Pflegekräfte

Pflegekräfte in Altenheimen wie auch Krankenhäusern können aufgeteilt werden in Pflegehilfskräfte und (pflegerische) Hilfskräfte. Wobei Pflegehelfer bzw. Pflegehilfskräfte eine einjährige Ausbildung nach Landesrecht absolvieren müssen. Für Hilfskräfte im pflegerischen Bereich gibt es keine gesetzlichen Vorgaben für Mindestanforderungen, d.h. Hilfskräfte können ohne pflegerisches Wissen die Fachkräfte unterstützen. Zu diesen Hilfskräften können sowohl Freiwillige eines freien sozialen Jahres, als auch Teilnehmer des Bundesfreiwilligendienstes, oder andere gezählt werden.

2.3. Demografischer Wandel

Der demografische Wandel beeinflusst die Tätigkeit im Pflegesektor durch mehrere Aspekte. In erster Linie führt der demografische Wandel zur Überalterung der Gesellschaft. Bedingt durch den medizinischen Fortschritt und die ausgiebige Forschung werden die Menschen immer älter und bleiben bis ins hohe Alter hinein erwerbstätig und mobil. Zum anderen führt der demografische Wandel zu einem Anstieg an Menschen, die medizinische Pflege und Unterstützung benötigen, was zu einem stetigen Anstieg an Pflegebedürftigen führt. Dieser Anstieg an älter werdenden Menschen bringt allerdings auch eine Vielzahl an Erkrankungen mit – neben den sogenannten Volkskrankheiten wie Rückenschmerzen, Diabetes mellitus und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, steigt die Anzahl an Patienten mit einer Fülle an Begleiterkrankungen. Die Patienten werden also nicht nur älter, sie sind auch zunehmend multimorbide. Diese Erkrankungen müssen vom medizinischen Personal beachtet, berücksichtigt und ggf. neben der Haupterkrankung ebenso behandelt werden. Dies erfordert geschultes und routiniertes Fachpersonal in allen Einrichtungen und Bereichen. Dementsprechend steigt die Nachfrage an versiertem Pflegefachpersonal ähnlich wie die Anzahl an pflegebedürftigen Patienten. „Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) mitteilte, wurden Ende 2019 hierzulande 2,1 Millionen Menschen mit Pflegegrad 2 bis 5 und damit mehr als die Hälfte aller 4,1 Millionen Pflegebedürftigen (51,3%) allein durch Angehörige zu Hause versorgt. 72.700 von ihnen hatten den höchsten Pflegegrad (5) und wiesen damit schwerste Beeinträchtigungen mit besonderen Anforderungen an die pflegerische Versorgung auf.“ (Destatis, Pressemitteilung Nr. N083, 2020).

Abb. 1 - Pflegebedürftige Menschen (Destatis, Pressemitteilung N 083, 2020)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Es ist davon auszugehen, dass sich der Anstieg der Kurve der Pflegebedürftigkeit, wie in Abbildung eins zu erkennen, weiter fortsetzt. Aufgrund der zunehmenden Erwerbstätigkeit der Bevölkerung und der zunehmenden Pflegeintensität der zu versorgenden Patienten, wird es weiterhin zu einer stetig steigenden Nachfrage an Heimplätzen und ambulanten Pflegediensten geben. „Die Zahlen der Pflegestatistik zeigen: Der Anteil der zu Hause versorgten Pflegebedürftigen sinkt mit deren zunehmendem Alter. Während Pflegebedürftige von 65 bis unter 70 Jahren im vergangenen Jahr bis zu 84,5 % zu Hause versorgt wurden, lag der Anteil der zu Hause betreuten über 90-jährigen bei 64,6 %. Hierbei spielt auch eine Rolle, dass im hohen Alter die Pflegebedürftigkeit steigt. Ende 2019 waren 16,4 % der 65 bis unter 70-jährigen Pflegebedürftigen in den beiden höchsten Pflegegraden, bei den 90-jährigen liegt der Anteil der Pflegegrade 4 und 5 bei 26,0 %.“ (Destatis, Pressemitteilung Nr. N083, 2020).

Der demographische Wandel macht aber nicht beim Pflegepersonal Halt. Auch hier werden die Mitarbeiter immer älter und bringen Erkrankungen in den Arbeitsalltag mit. Dies hat zur Folge, dass zum einen der Altersdurchschnitt in der Pflege bei ausbleibendem Nachwuchs stark ansteigt. Zum anderen haben immer mehr Pflegefachkräfte Begleiterkrankungen. Hier sei die klassische `Berufskrankheit` der Rückenschmerzen zu nennen: „Pflegekräfte leiden darunter wesentlich häufiger als Angehörige aller anderen Berufsgruppen. Je nach Studie schwanken die Angaben zwischen 40 und 76 Prozent aller Pflegekräfte, die unter Rückenschmerzen leiden.“ (Gesundheitsstadt Berlin GmbH, 2013). Die Gründe für den demografischen Wandel sind vielseitig und sollen hier nicht näher betrachtet werden.

2.4. Pflegerische Tätigkeiten

„Pflege umfasst die eigenverantwortliche Versorgung und Betreuung, allein oder in Kooperation mit anderen Berufsangehörigen, von Menschen aller Altersgruppen, von Familien oder Lebensgemeinschaften, sowie von Gruppen und sozialen Gemeinschaften, ob krank oder gesund, in allen Lebenssituationen (Settings). Pflege schließt die Förderung der Gesundheit, Verhütung von Krankheiten und die Versorgung und Betreuung kranker, behinderter und sterbender Menschen ein. Weitere Schlüsselaufgaben der Pflege sind Wahrnehmung der Interessen und Bedürfnisse (Advocacy), Förderung einer sicheren Umgebung, Forschung, Mitwirkung in der Gestaltung der Gesundheitspolitik sowie im Management des Gesundheitswesens und in der Bildung.“ (DBfK, Sammelband, 2019, S. 06). Neben dieser Definition zeigt auch der ICN-Kodex wie vielseitig der Pflegeberuf ist. Im Kodex werden vier Grundaufgaben benannt: Gesundheit zu fördern und wiederherzustellen, Krankheiten und Leiden zu lindern und zu verhüten. Weiter wird ein universeller Bedarf an Pflege benannt. „Die Pflegende übt ihre berufliche Tätigkeit zum Wohle des Einzelnen, der Familie und der sozialen Gemeinschaft aus; sie koordiniert ihre Dienstleistungen mit denen anderer beteiligter Gruppen.“ (DBfK, ICN-Ethikkodex, 2013, Präambel).

Die Vielseitigkeit des Pflegeberufes setzt eine Betrachtung seiner Situation aus verschiedenen Perspektiven voraus. Wie der ICN-Berufs-Definition und dem Berufs-Kodex zu entnehmen ist, hat die professionell pflegerische Tätigkeit viele Gesichter. Es werden im Folgenden lediglich Bereiche des pflegerischen Handelns beleuchtet, die einen eindeutigen Einfluss auf die Attraktivität des Berufsfeldes haben könnten. Weitere pflegerische Tätigkeiten, die keinen eindeutigen und/oder augenscheinlichen Einfluss auf die Attraktivität nehmen könnten, werden aufgrund der Tiefe des Themas in dieser wissenschaftlichen Arbeit vernachlässigt.

Die Betrachtung der Tätigkeiten im medizinischen Bereich muss differenziert erfolgen. Das Arbeitsfeld und die Zusammenarbeit der medizinischen Berufe im Gesundheitswesen sind durch verschiedene rechtliche Rahmenbedingungen geregelt. Zu den Rechtsgrundlagen im medizinischen Sektor gehören u.a. das SGB, GG, BGB, StGB, MPG, MPBetreibV, MPAV und das BtMG, um nur einige wenige zu nennen.

2.4.1. Delegation

Ganz allgemein ist festzuhalten, dass sowohl Ärzte wie auch Pflegefachkräfte Tätigkeiten innehaben, die ausschließlich ihrer Berufsgruppe vorbehalten sind. Im engeren Sinne also nicht delegierbare Tätigkeiten. Des Weiteren gibt es aber eine Vielzahl an medizinischen Handlungen, die zwar einem Beruf zugeordnet werden können, aber durchaus delegierbar sind. Dokumentationen, Essensausgaben und -bestellungen, sowie Reinigungstätigkeiten gehören u.a. zu den pflegerischen Tätigkeiten, welche sich an z.B. Hilfs-, respektive Pflegehilfspersonal, delegieren lassen.

Zu den nicht delegierbaren Tätigkeiten bekräftigte der DBfK 2007 auch die entwickelten Grundsätze der American Nurses Association (ANA) und des National Council of State Boards of Nursing (NCSBN), in denen die Verantwortung der Pflegemaßnahmen klar beim Pflegefachpersonal liegen. Das Fachpersonal muss sich von der Eignung, Durchführung und dem Ergebnis der delegierten Tätigkeiten überzeugen. Ob eine Delegation an Assistenzpersonal stattfinden kann, muss die Pfk entscheiden. Dies erfolgt unter Abwägung des Zustandes des Patienten, der Qualifikation und Fähigkeit der Assistenz und der jeweils vorausgesetzten Kompetenzen (DBfK, Positionspapier, 2010, S. 2f). Hieraus lassen sich folgende Pflichten der Pflegefachkraft ableiten und zusammenfassen: Die delegierende Pflegende hat die Auswahl-, Anleitungs- und Überwachungspflicht, diese sind zu vergleichen mit den Pflichten des ärztlichen Personals.

Der ärztliche Bereich regelt die Delegierbarkeit seiner Tätigkeiten in einer Empfehlung der Bundesärztekammer gemeinsam mit der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (Abb. 2, S. 16). Pflegefachkräfte sind im Bereich „Angehörige nichtärztlicher Fachberufe“ anzusiedeln. Die Empfehlung sieht vor, dass der Arzt sich vor einer Delegation von der Qualifikation des Mitarbeiters überzeugen muss.

Abb. 2 - Ausübung Heilkunde (BÄK & KBV 2008)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dies kann allgemein am Anfang der Zusammenarbeit geschehen, z.B. durch Sichtung des Arbeitszeugnisses. Die Haftung und Strafbarkeit (geregelt durch §823 BGB und §229, §222 StGB) bleibt auch bei einer delegierten Tätigkeit beim Arzt. „Der […] Arzt […] haften [sic!] dem Patienten aus dem Behandlungsvertrag nicht nur für eigene Behandlungsfehler und sonstige Pflichtverletzungen, sondern auch für Pflichtverletzungen, derer sich ihre Mitarbeiter bei der Durchführung delegierter Leistungen schuldig machen.“ (BÄK & KBV, 2008, Abs. VI, S. 5). Wird an nichtärztliches Personal delegiert, so kommen u.a. Medizinische Fachangestellte und Pflegefachkräfte in Frage. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass der Arzt die Auswahlpflicht, Anleitungs- und Überwachungspflicht bei delegierten Tätigkeiten hat, wie es in den Empfehlungen der Bundesärztekammer festgehalten ist. Weiterhin ist geregelt „Sofern die Qualität der Leistungen des Mitarbeiters nicht ausreichend ist, muss der Arzt den Mitarbeiter ggf. nachschulen, ihn eingehender überwachen und, wenn er die Anforderungen an eine Delegation nicht erfüllt, hierauf verzichten.“ (BÄK & KBV, 2008, Abs. V, S. 4).

Nicht delegierbare Tätigkeiten werden in der Empfehlung klar beschrieben, zu ihnen gehören „… Leistungen oder Teilleistungen, die der Arzt wegen ihrer Schwierigkeit, ihrer Gefährlichkeit für den Patienten oder wegen der Unvorhersehbarkeit etwaiger Reaktionen […] höchstpersönlich erbringen muss.“ (BÄK & KBV, 2008, Abs. III, S. 3). Ebenfalls gibt es pflegerische Tätigkeiten, welche nicht delegierbar sind. Hierbei muss zunächst der Pflegeprozess genannt werden, dieser obliegt ausschließlich der Pflegefachkraft.

Abb. 3 - Pflegeprozess (Thieme, I care Pflege, 10.3 Arbeitsblatt, 2015)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„In der professionellen Pflege ist der Pflegeprozess ein systematischer und zielgerichteter Arbeitsablauf, mit dem Pflegende Probleme beim Patienten erkennen und adäquate pflegerische Maßnahmen planen, organisieren, durchführen und evaluieren, um diese Probleme zu beheben. Der Pflegeprozess wird individuell für jeden Patienten durchgeführt und setzt sich aus verschiedenen Bausteinen zusammen, z.B. Pflegeanamnese, Pflegeplanung und Pflegedokumentation.“ (Thieme.de, 2021, III. 10.) Dem Pflegeprozess untergeordnete Tätigkeiten, gelten ebenfalls als nicht delegierbar. „Untrennbar mit der Pflegepraxis verbundene Aufgaben wie Bewertung, Planung, Evaluation und Pflegebeurteilung können nicht delegiert werden.“ (DBfK, 2010, S. 3).

In den letzten Jahren wurden, je nach Einrichtung, sukzessive mehr ärztliche Tätigkeiten an das Pflegefachpersonal delegiert (wie z.B. Blutentnahmen). Hierbei handelt es sich nahezu ausschließlich um Tätigkeiten, welche Bestandteil der Pflegeausbildung sind. D.h. die Durchführung und auch die möglichen Gefahren dieser Tätigkeit sind der Pflegefachkraft geläufig.

Sie hat die Durchführungsverantwortung der delegierten Tätigkeit, d.h. sie muss die ihr angetragene Tätigkeit nach allen geltenden Vorschriften (z.B. Hygienevorschriften) ordnungsgemäß durchführen. Ebenso muss die Pflegefachkraft sich aktiv hinterfragen, ob sie die delegierte Tätigkeit entsprechend den geltenden Vorgaben und ihres eigenen Fachwissens ordnungsgemäß durchführen kann. Diese Selbsteinschätzung ist durch die Remonstration4 geregelt. Bei Zweifeln kann die Pfk die Delegation ablehnen. In Bezug auf die fortschreitende Professionalität und Ganzheitlichkeit der Pflege, sind diese Delegationen auch sinnhaft und nicht von großem Nachteil. Da es im pflegerischen Handeln ebenfalls einfache, zu delegierende Tätigkeiten gibt, können diese an Pflegehilfskräfte oder andere Assistenzkräfte weitergegeben werden. Fehlt es aber an diesen Hilfskräften so erweitert sich das berufsspezifische Tätigkeitsfeld der Pflegefachkraft, ohne Entlastung, um die ärztlich delegierten Tätigkeiten. Dies führt ohne Einschreiten zwangsläufig zu einer Erhöhung des Arbeitsaufwandes. Eine Erweiterung der pflegerischen Kompetenzen, in Bezug auf die Tätigkeiten, hat eine Steigerung der Attraktivität zur Folge. Die Erhöhung des Arbeitsaufwandes, durch neu gewonnene Tätigkeiten, ohne entsprechende Entlastung an anderer Stelle, hat allerdings einen negativen Einfluss auf die Attraktivität des Pflegeberufes.

2.4.2. Erhöhter Pflegebedarf

Wie in Kapitel 2.4 beschrieben, hat der demografische Wandel auch einen Einfluss auf die Pflegebedürftigkeit der Patienten. Durch einen höheren Altersdurchschnitt und einen erhöhten Anteil an Begleiterkrankungen sind die zu betreuenden Personen zunehmend pflegeintensiver. Im Durchschnitt kann festgehalten werden, dass die Patienten einen stetig höheren Bedarf an grundpflegerischer Versorgung mitbringen, als noch vor einigen Jahren. „Grundpflege bezeichnet in der modernen Pflegewissenschaft, grundlegende, in der Regel wiederholt notwendige Pflegeleistungen, die die Bereiche Körperpflege, Ernährung, Mobilität und andere nicht-medizinische Leistungen betreffen, die im Rahmen der Pflege anfallen.“ (Körl, 2021).

Nicht nur in den Altenheimen und Seniorenresidenzen hat sich der Anteil an grundpflegerischen Tätigkeiten gesteigert, auch in Akutkliniken ist ein solcher Anstieg zu verzeichnen. Aber nicht nur der Anteil der Grundpflege hat zugenommen, auch der Anteil und die Notwendigkeit an beratenden und unterstützenden Gesprächen steigt rapide. Diese Gespräche können rein fachlich informativer Natur sein, sie können aber auch einen psychologischen Aspekt beinhalten. Wird bei Patienten ein psychologisch erhöhter Gesprächsbedarf festgestellt, wird folglich ein Psychologe involviert. Bis dieser Facharzt allerdings ein Gespräch mit dem Patienten führt, ist für den Betroffenen meist die Pflegefachkraft der erste Ansprechpartner.

[...]


1 Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird, in dieser wissenschaftlichen Arbeit, bei der Bezeichnung von Personen stets die männliche Form angewandt, dies schließt die weibliche Form stets mit ein.

2 Es werden, zur besseren Lesbarkeit, an dieser Stelle nur die Daten des Inkrafttretens der Gesetze genannt.

3 Wie z.B. Medizinische Fachangestellte, Rettungssanitäter, -assistenten u.a.

4 Unter Remonstration versteht man das Recht und die Pflicht, eine gefahrengeneigte Versorgung schriftlich und damit nachweislich anzuzeigen (Höfert, 2011, S. 247)

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Detalles

Título
Der Pflegeberuf in Deutschland. Eine Attraktivitätsanalyse und mögliche Handlungsstrategien im Umgang mit Personalmangel
Universidad
University of Applied Sciences Hamburg
Calificación
1,5
Autor
Año
2021
Páginas
62
No. de catálogo
V1156333
ISBN (Ebook)
9783346551160
ISBN (Libro)
9783346551177
Idioma
Alemán
Palabras clave
Pflege, Pfllegemangel, Personalmangel, Attraktivität, Pflegeberuf, Pflegebranche, Pflegesektor
Citar trabajo
Justus Pohle (Autor), 2021, Der Pflegeberuf in Deutschland. Eine Attraktivitätsanalyse und mögliche Handlungsstrategien im Umgang mit Personalmangel, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1156333

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