Die Zeit des „langen 19. Jahrhunderts“1 war in Europa geprägt durch umfassende grundlegende Reformen, Kriege und ein Wirtschaftswachstum, das in solchem Umfang bisher noch nicht in der Alten Welt vorkam. Während Ritter und Kocka die Entwicklungen in der Zeit der Industrialisierung als einen Wandel ansahen, das „radikaler revolutionierte, als es irgendeine Veränderung in der Menschheitsgeschichte seit der Sesshaftigkeit im Neolithikum getan hat“2, vertrat Hahn die These, dass es „ein alle bisherigen Vorstellungen sprengendes Wirtschaftswachstum“3 gab, wobei nicht außer acht gelassen werden soll, dass auch in der „vorindustriellen Wirtschaftsgesellschaft Wachstum“4 stattfand. Der Prozess der Industrialisierung, oder auch der industriellen Revolution, beide Begriffe werden in der Forschung diskutiert, bedeutete für Deutschland grundlegende Veränderungen, nicht nur im wirtschaftlichen, sondern in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens. Die Länder, die an der Industrialisierung teilnahmen, mussten erkennen, dass ihre Wirtschaftsschwankungen nun nicht mehr am schlechten Wetter, oder einer Klimakatastrophe lagen, sondern durch erheblich sensiblere, politische oder auch internationale Entscheidungen beeinflusst wurden. Die industrielle Entwicklung war eine einschneidende Entwicklung für Deutschland, die letztendlich in einer Wirtschaftskrise endete. Wie es zu dieser Wirtschaftskrise kam und was die Folgen eines solchen Einschnittes waren, soll in dieser Hausarbeit untersucht werden. Zuvor müssen aber die Grundzüge der Industrialisierung geklärt werden.
1 Lenger, Friedrich, Industrielle Revolution und Nationalstaatengründung (1849 – 1870er Jahre), Gebhardt, Handbuch der Geschichte, Band 15, 10. Aufl., Stuttgart 2003, Seite XIII.
2 Ritter, Gerhard A., Kocka, Jürgen, Deutsche Sozialgeschichte – Dokumente und Skizzen Band II: 1870 – 1914, Verlag C. H. Beck, München, 1974, S. 11
3 Hahn, Hans-Werner, Die industrielle Revolution in Deutschland, R. Oldenbourg Verlag, München, 1998, S. 1
4 ebenda
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Die Vorbedingungen der Industrialisierung Deutschlands
Der Beginn der Industrialisierung
Die Gründerzeit
Die Gründerkrise
Die Auswirkungen der Gründerkrise
Fazit
Literaturliste
Einleitung
Die Zeit des „langen 19. Jahrhunderts“1 war in Europa geprägt durch umfassende grundlegende Reformen, Kriege und ein Wirtschaftswachstum, das in solchem Umfang bisher noch nicht in der Alten Welt vorkam. Während Ritter und Kocka die Entwicklungen in der Zeit der Industrialisierung als einen Wandel ansahen, das „radikaler revolutionierte, als es irgendeine Veränderung in der Menschheitsgeschichte seit der Sesshaftigkeit im Neolithikum getan hat“2, vertrat Hahn die These, dass es „ein alle bisherigen Vorstellungen sprengendes
Wirtschaftswachstum“3 gab, wobei nicht außer acht gelassen werden soll, dass auch in der
„vorindustriellen Wirtschaftsgesellschaft Wachstum“4 stattfand.
Der Prozess der Industrialisierung, oder auch der industriellen Revolution, beide Begriffe werden in der Forschung diskutiert, bedeutete für Deutschland grundlegende Veränderungen, nicht nur im wirtschaftlichen, sondern in nahezu allen Bereichen des täglichen Lebens. Die Länder, die an der Industrialisierung teilnahmen, mussten erkennen, dass ihre Wirtschaftsschwankungen nun nicht mehr am schlechten Wetter, oder einer Klimakatastrophe lagen, sondern durch erheblich sensiblere, politische oder auch internationale Entscheidungen beeinflusst wurden.
Die industrielle Entwicklung war eine einschneidende Entwicklung für Deutschland, die letztendlich in einer Wirtschaftskrise endete. Wie es zu dieser Wirtschaftskrise kam und was die Folgen eines solchen Einschnittes waren, soll in dieser Hausarbeit untersucht werden.
Zuvor müssen aber die Grundzüge der Industrialisierung geklärt werden.
Die Vorbedingungen der Industrialisierung Deutschlands
Zu Beginn der Industrialisierung war Deutschland ein zerrütteter Bund von ca. 300 Staaten, die allesamt nur unterschiedliche Gewichst-, Maß- und Münzsysteme besaßen, sowie eine unterschiedliche Politik. Zudem war die Infrastruktur noch weitgehend unausgebaut. Auch war der Kontinent von Kriegen erschüttert, zuletzt durch die napoleonischen Eroberungskriege Anfang des 19. Jahrhunderts, wodurch ganze Landstriche zerstört und
„große Teile des Sozialprodukts aufgezehrt“5 wurden. Zu Beginn der Industrialisierungsphase in Deutschland war der überwiegende Teil der Bevölkerung noch im primären Sektor, der Landwirtschaft, beschäftigt, meist bei Kleinstbetrieben. Zudem gab es regionale strukturelle Unterschiede. Die Ständeordnung erlebte in Deutschland eine „schroffe Scheidung“6, die eine soziale Starre in der Gesellschaft auslöste. Dies wurde durch die „merkantilistische und absolutistische Wirtschaftspolitik“, vom Landadel bis zum König, noch verstärkt, so dass die
Weiterentwicklung der Gesellschaft in Deutschland noch bis ins 19. Jahrhundert gebremst wurde.
Die Ausgangslage in Deutschland war also wesentlich schlechter als im, von den meisten großen Kriegen verschont gebliebenen Großbritannien, dem „Pionierland“7 der industriellen Entwicklung, dessen gesellschaftliche Strukturen aufgeweichter, dessen Staat geeint und dessen Verkehrswege gut ausgebaut waren. Dennoch profitierte Deutschland von seiner Ausgangslage. Denn das „vergleichsweise fortschrittliche Schul- und Universitätswesen, die gut ausgebildeten Verwaltungsapparate und ein hohes Maß an Rechtssicherheit,“ sowie das
„Salinen- und Montanwesen“, das auch über die Landesgrenzen hinaus auf einem
„beachtlichen Niveau“ war, sorgten für eine gute Ausgangsposition Deutschlands.8 Ferner hatten die Nachfolger Großbritanniens den Vorteil, dass sie bereits auf vorhandenes Wissen zurückgreifen konnten, zum Teil auch durch Spionage, sowie Erfindungen und Strukturen im industriellen Gebiet verwenden konnten, ohne Zeit und Mühe in die Forschung zu legen. Es gab allerdings regional begrenzt Innovationen, die als Vorbereitung der Industrialisierung angesehen werden konnten.
Toni Pierenkemper zitiert dabei aus H. Mottek, Einleitende Bemerkungen – Zum Verlauf und zu einigen Hauptproblemen der industriellen Revolution in Deutschland, wonach es bereits
(unter anderem) 1784 in Ratingen die erste mechanische Baumwollspinnerei gab und 1785 die erste Dampfmaschine in Hettstedt.9
Während und nach dem Krieg gegen Napoleon, leitete man in Preußen grundlegende Reformen in die Wege, wie die Gewerbefreiheit und die Befreiung der Bauern, so dass eine
„ökonomische, militärische und geistige Erneuerung“10 möglich wurde.
Zu bemerken ist auch, dass die verschiedenen Staaten, die den Prozess der Industrialisierung durchlaufen, unterschiedliche Voraussetzungen aufwiesen. So ist, zum Beispiel, die geographische Lage des Staates wichtig, die soziokulturellen Voraussetzungen können stark voneinander abweichen und jedes Land kann von den Entwicklungen der vor ihm am Prozess teilnehmenden Länder profitieren. Dennoch sind die Grundzüge in allen Ländern gleich und unterscheiden sich nur durch Länge und Umsetzung der Entwicklungsstufen. Walt Whitman Rostow, amerikanischer Ökonom und Wirtschaftshistoriker, teilte diese Wachstumsstadien in fünf Phasen ein:
1. Die Traditionale Gesellschaft
2. Die Schaffung der Voraussetzung des Take-off
3. Die Take-off-Phase
4. Der Weg zur wirtschaftlichen Reife
5. Das Zeitalter des Massenkonsums.11
Dieses Modell verstand sich als „Alternative zur marxistischen Wirtschaftstheorie“,12 hatte auch einen politischen Charakter, der zur Zeit des Kalten Krieges „Lösungsmöglichkeiten für den heutigen Konflikt zwischen der westlichen und der kommunistischen Welt“13 bieten sollte und deswegen nicht ohne Wertung ist. Dennoch ist vor allem die dritte Phase, der Take-off, die Rostow mit der industriellen Revolution gleich setzt14, ein Zeitraum, der von einem enormen Wachstum gekennzeichnet ist. Ebenso wie das Fünf-Phasen-Modell von Rostow, das nicht den „evolutionären Charakter“15 hervorhob, ist auch der Begriff der industriellen Revolution in der Forschung umstritten, da er einerseits, wie Hahne D. C. North zitiert, „nicht der radikale Bruch der Vergangenheit“16 ist, zwar einige Prozesse sprunghaft aufgetreten sind, andere sich allerdings erst entwickeln mussten, andererseits aber diese Phase einen „klar abgrenzbaren, komprimierten“17 Beschleunigungsprozess aufweist, der von den Forschern lediglich in unterschiedlichen Zeiträumen eingeteilt wird.
Auch andere Teile Europas und in den Vereinigten Staaten nahmen an der industriellen Entwicklung teil und „hatten um die Mitte des 19. Jahrhunderts eine solche Dynamik erreicht, daß sie die modernen Volkswirtschaften immer enger zusammenschweißte und für eine wechselseitige Stimulation der Wachstumsprozesse sorgte.“18
Zwischen 1854 und 1856 erlebte Deutschland eine Phase der Hochkonjunktur, die teilweise auch durch den Krimkrieg ausgelöst wurde, an dem die Staaten des Deutschen Bundes zwar nicht aktiv teilnahmen, aber die Nachfrage, u. a. Waffen und Nahrungsmittel stillten. In dem darauf folgendem Jahr kam es durch eine internationale Wirtschaftskrise, die sich auf den Handel und die Börsen konzentrierte, auch im Deutschen Bund zu einer Krise, die teilweise durch eine Überproduktion ausgelöst wurde. Der Anstieg des Wirtschaftswachstums wurde nur geringfügig gebremst und so war ab 1860 wieder ein Wachstum zu verzeichnen. Diese Wirtschaftskrise traf vor allem Österreich, das auch an den „finanzpolitischen Folgen der österreichischen Gewehr-bei-Fuß-Politik“19 durch den Krimkrieg litt. Das in den 1860er
Jahren wieder einsetzende Wachstum der Wirtschaft nutzte Preußen, um eine Vormachtstellung in Deutschland zu erlangen, da der größte Kontrahent, Österreich, geschwächt war.
Festzuhalten ist, dass die gesellschaftliche, politische und wirtschaftliche Situation in Deutschland radikal geändert wurde, wobei der Zeitraum nicht genau definiert werden kann.
Der Beginn der Industrialisierung
Durch die Bauernbefreiung wurden viele Kleinstbetriebe aufgegeben, da die Bauern den Aufkauf ihres Hofes nicht verhindern konnten. Dies führte zu einer „Verstärkung“ der
„landlosen und landarmen Gruppen“20, die so dem industriellen Sektor und in der
Landwirtschaft als Arbeitskräfte zur Verfügung standen. Da die Lohnzahlungen vor allem bis 1855 aber noch so gering waren, dass ein arbeitendes Mitglied in einer Familie nicht ausreichte, mussten oft Frauen und auch Kinder arbeiteten.
[...]
1 Lenger, Friedrich, Industrielle Revolution und Nationalstaatengründung (1849 – 1870er Jahre), Gebhardt, Handbuch der Geschichte, Band 15, 10. Aufl., Stuttgart 2003, Seite XIII.
2 Ritter, Gerhard A., Kocka, Jürgen, Deutsche Sozialgeschichte – Dokumente und Skizzen Band II: 1870 – 1914, Verlag C. H. Beck, München, 1974, S. 11
3 Hahn, Hans-Werner, Die industrielle Revolution in Deutschland, R. Oldenbourg Verlag, München, 1998, S. 1
4 ebenda
5 Ebenda S. 4.
6 Hahn, S. 6.
7 Hahn, S. 4.
8 Vgl. Hahn, S. 7.
9 Vgl. Pierenkemper, Toni, Gewerbe und Industrie im 19. und 20. Jahrhundert, R. Oldenbourg Verlag, München, 1994.
10 Gutjahr, Hans, Joachim (Hrsg.), Duden – Basiswissen Schule Geschichte, PAETEC Gesellschaft für Bildung und Technik mbH, Berlin, 2003, S. 306.
11 http://www.uni-bonn.de/~hevers/courses/Paper%20Entwicklungstheorien.pdf vom 22.11.2007
12 Hahne, S. 53.
13 Fischer, Wolfram, Wirtschaft und Gesellschaft im Zeitalter der Industrialisierung, Aufsätze - Studien - Vorträge, aus der Reihe: Kritische Studien zur Geschichtswissenschaft, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen, 1972, S. 28.
14 vgl. Hahne, S. 54.
15 Hahne, S. 55.
16 ebenda, S. 55.
17 ebenda, S. 38.
18 Hahn, S. 30.
19 Hahn, S. 35.
20 Henning, Friedrich-Wilhelm, Die Industrialisierung in Deutschland 1800 bis 1914 (7. Auflage), Verlag Ferdinand Schöningh, Paderborn, 1989, S. 50.
- Quote paper
- Silke Peters (Author), 2007, Die Gründerkrise von 1873 und ihre Auswirkungen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/115465
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