Im Mittelpunkt dieser Untersuchung, die an einem Fahrsimulator mit Bewegungssystem durchgeführt wurde, steht die Ermittlung psychophysikalischer Zusammenhänge zwischen objektiven Maßen zur Charakterisierung von Annäherungs- und Folgevorgängen auf Autobahnen und der subjektiven Wahrnehmung der Abstände zu nachfolgenden und vorausfahrenden Fahrzeugen während dieser Vorgänge.
Dabei werden die Auswirkungen der gefahrenen Geschwindigkeit, der Differenzgeschwindigkeit zu den Fahrzeugen auf der anderen Fahrspur und der Folgecharakteristik des nachfolgenden Fahrzeugs auf die subjektive Wahrnehmung der Gefährlichkeit bestimmter Abstände und der mit diesen Abständen subjektiv in Verbindung gebrachten Überholintention und auf verschiedene Fahrparameter (z.B. Querabweichung, Abweichung von der Richtgeschwindigkeit) untersucht. Zudem wird überprüft, ob es hierbei Unterschiede zwischen den erhobenen Maßen aus der Perspektive des nachfolgenden und der des vorausfahrenden Fahrers gibt. Es handelt sich um eine mehrphasige Untersuchung mit acht Versuchspersonen, die aus einem Vorversuch und zwei Teilversuchen besteht, in welchen mit zwei verschiedenen methodischen Verfahren (Beurteilungs- und Herstellungsverfahren) an die Fragestellung herangegangen wird. Die Untersuchung ist in allen Phasen vollständig abhängig und insgesamt sechsfaktoriell.
Inhaltsverzeichnis
1 ZUSAMMENFASSUNG
2 EINLEITUNG
3 FRAGESTELLUNG
4 THEORETISCHER HINTERGRUND
4.1 PSYCHOLOGISCHE MODELLE DES VERKEHRSVERHALTENS
4.1.1 Verkehrsverhalten als Ergebnis komplexer Entscheidungen
4.1.2 Verkehrspsychologische Regelkreismodelle
4.1.3 Grundlegende Aspekte der Längsregelung
4.2 RELEVANTE ASPEKTE DES PERZEPTIV-MOTORISCHEN FUNKTIONSBEREICHS
4.3 RELEVANTE ASPEKTE DES MOTIVATIONAL-EMOTIONALEN FUNKTIONSBEREICHS
4.4 RELEVANTE ASPEKTE DES KOGNITIVEN FUNKTIONSBEREICHS
4.5 AUSBLICK AUF DIE VORLIEGENDE UNTERSUCHUNG
5 METHODIK
5.1 OPERATIONALISIERUNG DER VERSUCHSFAKTOREN
5.1.1 Vorversuch: Versuchsplan und besondere Aspekte der Operationalisierung
5.1.2 Versuch I: Versuchsplan und besondere Aspekte der Operationalisierung
5.1.3 Versuch II: Versuchsplan und besondere Aspekte der Operationalisierung
5.2 Versuchsaufbau und -Durchführung
5.2.1 Versuchsanordnung
5.2.1.1 Der Fahrsimulator
5.2.1.2 Versuchsstrecken
5.2.2 Versuchsaufgabe und —durchführung.
5.2.2.1 Generelle Instruktion und Übungsfahrt (Phase 1)
5.2.2.2 Vorversuch (Phase2)
5.2.2.3 Versuch I (Phase 3a und Phase 3b)
5.2.2.4 Versuch II (Phase 4a und Phase 4b)
5.3 ABHÄNGIGE VARIABLEN
5.3.1 Maße zur Charakterisierung der Annäherungsvorgänge
5.3.2 Maße zur Charakterisierung der Folgevorgänge
5.3.3 Subjektive Maße
5.3.4 Kontrollvariablen
5.4 VERsucHsGRuPPEN
5.5 KONTROLLE VON sTÖRFAKTOREN
5.6 AusWERTuNG
5.6.1 Abhängige Variablen
5.6.2 Umgang mit Datenausfällen
5.7 HYPOTHEsEN
5.7.1 Hypothesen zu Versuch I
5.7.2 Hypothesen zu Versuch II
5.7.3 Über die einzelnen Versuche übergreifende Hypothesen
6 ERGEBNISSE
6.1 DIE ERGEBNISSE DES VORVERSUCHS (PHASE 2)
6.1.1 Kontrollvariable
6.1.2 Normale Annäherungs- und Folgevorgänge
6.1.2.1 Geschlechtsunterschiede in normalen Annäherungs- & Folgevorgängen
6.1.2.2 Gruppierung der Versuchspersonen hinsichtlich ihres normalen Annäherungs- und Folgeverhaltens
6.2 DIE ERGEBNISSE DES VERSUCHS I (PHASEN 3A UND 3B)
6.2.1 Kontrollvariablen
6.2.2 Ergebnisse des Beurteilungsverfahrens
6.2.2.1 Vergleich der subjektiven Maße: Beurteilung eines bestimmten Abstands bzgl. Gefährlichkeit und Überholintention
6.2.2.2 Die subjektiv wahrgenommene Gefährlichkeit verschiedener Folgeabstände
6.2.2.3 Einfluss der Fahrerperspektive auf die subjektive Beurteilung der Gefährlichkeit bestimmter Abstände
6.2.2.4 Einfluss der von den Probanden gefahrenen Geschwindigkeit auf die subjektive Beurteilung der Gefährlichkeit bestimmter Abstände
6.2.2.5 Einfluss der Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf der rechten Fahrspur auf die subjektive Beurteilung der Gefährlichkeit bestimmter Abstände
6.2.2.6 Einfluss der Folgecharakteristik des nachfolgenden Fahrzeugs auf die subjektive Beurteilung der Gefährlichkeit bestimmter Abstände.
6.3 DIE ERGEBNISSE DES VERSUCHS II (PHASEN 4A UND 4B)
6.3.1 Kontrollvariablen
6.3.2 Ergebnisse des Herstellungsverfahrens
6.3.2.1 Vergleich der eingestellten Abstände in Hinblick auf die jeweils zuvor erhaltene Art der Instruktion (Gefährlichkeit und Überholintention)...
6.3.2.2 Der Einfluss der Stärke der instruierten Gefährlichkeit bzw. Überholintention auf die Größe des einzustellenden Abstands
6.3.2.3 Einfluss der Fahrerperspektive auf die Größe des eingestellten Folgeabstands
6.3.2.4 Einfluss der von den Probanden gefahrenen Geschwindigkeit auf die Größe des eingestellten Folgeabstands
6.3.2.5 Einfluss der Differenzgeschwindigkeit zu den Fahrzeugen der rechten Fahrspur auf die Größe des eingestellten Folgeabstands
6.4 VERGLEICH DER ERGEBNISSE DER VERSCHIEDENEN TEILVERSUCHE
6.4.1 Unterschiede zwischen der „vorsichtigen“ und „riskanten“ Gruppe des Vorversuchs in Versuch I 117
6.4.2 Unterschiede zwischen der „vorsichtigen“ und „riskanten“ Gruppe des Vorversuchs in Versuch II 121
6.4.3 Unterschiede zwischen den Ergebnissen des Beurteilungsverfahrens (Versuch I) und des Herstellungsverfahrens (Versuch II) 124
6.4.3.1Vergleich des Zusammenhangs zwischen Gefährlichkeit und Überholintention beim Beurteilungs- und Herstellungsverfahren
6.4.3.2 Vergleich des Einflusses der Fahrerperspektive auf die subjektiv empfundene Gefährlichkeit bestimmter Folgeabstände beim Beurteilungsund Herstellungsverfahren
6.4.3.3 Vergleich des Einflusses der selbst gefahrenen Geschwindigkeit auf die subjektiv empfundene Gefährlichkeit bestimmter Folgeabstände beim Beurteilungs- und Herstellungsverfahren
6.4.3.4 Vergleich des Einflusses der Differenzgeschwindigkeit zu den Fahrzeugen auf der rechten Spur auf die subjektiv empfundene Gefährlichkeit von Abständen beim Beurteilungs- und Herstellungsverfahren
6.4.3.5 Vergleich der subjektiv empfundenen Gefährlichkeit verschieden großer Abstände zu vorausfahrenden und nachfolgenden Fahrzeugen beim Beurteilungs- und Herstellungsverfahren
7 DISKUSSION
7.1 IMPLIKATIONEN DER ERGEBNISSE
7.2 VERSUCHSKRITIK
7.3 AUSBLICK
8 LITERATURVERZEICHNIS
9 ANHANG
Danksagung
Ohne den regen Gedankenaustausch mit anderen Menschen und deren Hilfe kann eine empirische Arbeit wie die hier vorliegende nicht geleistet werden. Daher geht an dieser Stelle mein herzlicher Dank an alle, die das Entstehen dieser Arbeit unterstützt haben.
In erster Linie danke ich dabei Christian Maag für seine intensive Betreuung und seine sachlichen und zugleich kreativen, sowie wohlwollenden und stets zielführenden Ratschläge- auch zu später Stunde. Gleichzeitig bedanke ich mich bei Prof. Dr. HansPeter Krüger für seine hilfreichen Anregungen zur Planung und Auswertung des Versuchs und bei Sonja Hoffmann, Susanne Buld und allen anderen Mitarbeitern des IZVW für die Hilfe bei den kleinen und großen organisatorischen und technischen Problemen der Versuchsdurchführung und für die angenehme Zeit im IZVW. Volker Hargutt musste so manches mal auf sein Telefon und Henning Schröder auf meinen kollegialen und freundschaftlichen Beistand verzichten. Außerdem danke ich meinen Großeltern, meiner Mutter und Gunter für die ermunternde emotionale und ausdauernde finanzielle Unterstützung, meinem Bruder für die notwendigen Stunden der Entspannung und Zerstreuung und Reinhold für seine sinnreichen Anregungen. Auch allen Versuchspersonen sei für ihre Teilnahme und ihr Interesse gedankt. „Last but not least“ bedanke ich mich bei Melanie für ihre selbstlose Geduld und dafür, dass mit ihr die Sterne immer ein bisschen heller leuchten.
1 Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der Untersuchung, die an einem Fahrsimulator mit Bewegungssystem durchgeführt wurde, steht die Ermittlung psychophysikalischer Zusammenhänge zwischen objektiven Maßen zur Charakterisierung von Annäherungs- und Folgevorgängen auf Autobahnen und der subjektiven Wahrnehmung der Abstände zu nachfolgenden und vorausfahrenden Fahrzeugen während dieser Vorgänge. Dabei werden die Auswirkungen der gefahrenen Geschwindigkeit, der Differenzgeschwindigkeit zu den Fahrzeugen auf der anderen Fahrspur und der Folgecharakteristik des nachfolgenden Fahrzeugs auf die subjektive Wahrnehmung der Gefährlichkeit bestimmter Abstände und der mit diesen Abständen subjektiv in Verbindung gebrachten Überholintention und auf verschiedene Fahrparameter (z.B. Querabweichung, Abweichung von der Richtgeschwindigkeit) untersucht. Zudem wird überprüft, ob es hierbei Unterschiede zwischen den erhobenen Maßen aus der Perspektive des nachfolgenden und der des vorausfahrenden Fahrers gibt. Es handelt sich um eine mehrphasige Untersuchung mit acht Versuchspersonen, die aus einem Vorversuch und zwei Teilversuchen besteht, in welchen mit zwei verschiedenen methodischen Verfahren (Beurteilungs- und Herstellungsverfahren) an die Fragestellung herangegangen wird. Die Untersuchung ist in allen Phasen vollständig abhängig und insgesamt sechsfaktoriell. Die Ergebnisse zeigen, dass bei der subjektiven Wahrnehmung von Folgeabständen ein hoher positiver Zusammenhang zwischen Gefährlichkeit und Überholintention besteht und Abstände als um so gefährlicher empfunden werden, je kleiner sie sind. Es gibt deutliche Hinweise darauf, dass dabei ein eigener Folgeabstand zu einem vorausfahrenden Fahrzeug mit zunehmender Geschwindigkeit auch als gefährlicher empfunden und generell als weniger gefährlich als ein vergleichbar großer Abstand zu einem nachfolgenden Fahrzeug wahrgenommen wird. Die Differenzgeschwindigkeit zu den Fahrzeugen auf der anderen Fahrspur und die Folgecharakteristik eines nachfolgenden Fahrzeugs scheinen jeweils für sich alleine keine relevanten Einflüsse auf die Wahrnehmung von Folgeabständen zu haben. Die Ergebnisse aus Beurteilungs- und Herstellungsverfahren stimmen in diesen Punkten weitestgehend miteinander überein. Insgesamt weisen die Ergebnisse darauf hin, dass Fahrer die Höhe des objektiven Unfallrisikos, das mit dem eigenen Folgeabstand verbunden ist, subjektiv oft unterschätzen. Ein Teil der Fahrer scheint aber auch bewusst ein hohes Risiko anstreben.
2 Einleitung
Mobilität ist im Berufsleben und in der Freizeit in den letzten Jahrzehnten immer wichtiger geworden. Mobil sein bedeutet in unserer Gesellschaft ein hohes Maß an Freiheit und Lebensqualität und stellt für die meisten Menschen sogar ein unverzichtbares Element persönlicher Unabhängigkeit dar. Dabei entwickelte sich gerade das Auto für viele zum Inbegriff individueller Mobilität. Folge ist ein weltweiter explosionsartiger Anstieg der Personenkraftwagen.1 Alleine in Deutschland gab es im vergangenen Jahr bereits über 42 Millionen angemeldete Autos.2
Die zunehmende Verkehrsdichte auf den straßen bringt jedoch auch zum Teil erhebliche Probleme und Gefahren mit sich: Die Wahrscheinlichkeit für Verkehrsstockungen wird immer höher, Kolonnenverkehr auf Autobahnen immer mehr zur Regel. Ein ungehindertes, selbstbestimmtes Fahren wird nur noch selten möglich sein, vielmehr muss der Fahrzeuglenker seinen Fahrstil vermehrt am Vorhandensein anderer Verkehrsteilnehmer ausrichten. Gerade in Kombination mit dem wachsenden Zeit- und Termindruck im Berufs- und Alltagsleben führt so die ansteigende Verkehrsdichte zu einem stark erhöhten Gefährdungspotential auf den straßen. Dies fordert verstärkt die Eigenverantwortlichkeit jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers.
Das allgemeine Klima auf Deutschlands straßen hat sich bereits in den letzten Jahren deutlich verschlechtert: Eine Zunahme negativer Verhaltensweisen wie Drängeln, unangepasste Geschwindigkeit und allgemeine Rücksichtslosigkeit sind dafür kennzeichnend.3 um diesem gefährlichen Trend entgegenzutreten, wirbt die aktuelle BG/DVR-Jahresaktion4 unter dem Slogan „Gelassen läuft's“ für ein faires und entspanntes Verkehrsklima auf den straßen. Im Wissen, dass sich ein besseres Verkehrsklima nicht verordnen oder erzwingen lässt, erhoffen sich die Organisatoren durch die Aktion an das Verantwortungsbewusstsein jedes einzelnen Verkehrsteilnehmers zu appellieren, um so eine allgemeine Einsicht zur Notwendigkeit eines angemessenen sozialverhaltens im straßenverkehr dauerhaft herbeizuführen.
Ob dieses Ziel erreicht werden kann, ist entscheidend von den motivationalen, emotionalen, kognitiven und perzeptiven Voraussetzungen der Verkehrsteilnehmer abhängig. solche Maßnahmen, die beim Menschen eine stabile, intrinsische Motivation zu verkehrssicherem Verhalten wecken wollen, können nur dann erfolgreich sein, wenn sie auf den Determinanten und Mechanismen der Informationsverarbeitungsprozesse des Menschen aufbauen. Eine zentrale Rolle spielt hierbei die subjektive Bewertung der aktuellen Verkehrssituation durch den Fahrer im allgemeinen und die der sicherheit der situation im besonderen. solange der Fahrer das aus seinem Verhalten resultierende unfallrisiko in einer bestimmten Verkehrssituation persönlich gering bzw. vertretbar einschätzt, obwohl objektiv eventuell sogar ein hohes Gefahrenpotential gegeben ist, wird er keine Notwendigkeit zu einer situativen oder gar überdauernden Veränderung seines Verhaltens sehen (Holte, 1994).5
Besonderes Augenmerk bezüglich einer solchen Verkehrssicherheitsarbeit sollte hierbei auf die Autobahnen gerichtet sein, da auf diesen im Laufe der letzten Jahre ein überproportionaler Anstieg der Verkehrstoten registriert werden musste.6 Eine Analyse der Ursachen der Unfälle mit Personenschaden auf Autobahnen zeigt, dass diese vor allem auf zwei negative Verhaltensweisen der Unfallbeteiligten zurückzuführen sind, die zudem eng miteinander in Beziehung stehen: Nicht angepasste Geschwindigkeit und unzureichender Sicherheitsabstand.7 Gerade in Hinblick auf die eingangs diskutierte zunehmende Verkehrsdichte ist zu befürchten, dass diese beiden Risikofaktoren in Zukunft eine noch tragischere Rolle in den Unfallstatistiken spielen werden. Es stellt sich also die Frage, warum so viele Fahrer auf Autobahnen mit objektiv nachweislich gefährlichen Abständen und überhöhten Geschwindigkeiten unterwegs sind. Die Vermutung liegt nahe, dass hier das Verantwortungsbewusstsein der Verkehrsteilnehmer besonders schwach ausgeprägt ist oder anders formuliert: Viele Verkehrsteilnehmer scheinen auf den Autobahnen eine beängstigende Risikobereitschaft zu offenbaren. Andererseits wäre es aber auch denkbar, dass diesen Fahrern das objektiv hohe Unfallrisiko derartiger Fahrmanöver subjektiv gar nicht als solches erscheint. Ohne eine detaillierte wissenschaftliche Beantwortung dieser Frage greifen jedoch prinzipiell richtige Kampagnen wie z.B. die oben erwähnte zwangsweise ins Leere.
Ein Teilaspekt des Straßenverkehrsverhaltens mit nachweislich hohem Gefahrenpotential, nämlich das Abstandsverhalten auf Autobahnen, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Ausgehend von der Annahme, dass viele Fahrer die von Experten empfohlenen Mindestsicherheitsabstände8 oft deshalb z.T. weit unterschreiten, weil sie ihre tatsächlich zum vorausfahrenden Fahrzeug eingenommenen Abstände subjektiv immer noch als ausreichend sicher beurteilen, kann so auch ein Teil zur Beantwortung der Frage beigetragen werden, ob Kampagnen, die an das Verantwortungsbewusstsein der Verkehrsteilnehmer appellieren, per se Erfolg versprechen oder ob den Verkehrsteilnehmern zunächst ein grundlegenderes Wissen um ihre eigenen Informationsverarbeitungsprozesse und die fahrphysikalischen Gesetzmäßigkeiten vermittelt werden sollte und müsste.
Die vorliegende Arbeit soll nun einen konstruktiven Beitrag zu diesem relevanten Bereich verkehrspädagogischer Interventionsansätze leisten, indem eine grundlegende Komponente des Abstandsverhaltens auf Autobahnen experimentell analysiert wird: Es wird untersucht, ob bestimmte aktuelle Parameter einen Einfluss auf die Wahrnehmung des Fahrers von Abständen haben. Über die Ermittlung der Zusammenhänge zwischen den objektiv gemessenen Abständen zwischen zwei Fahrzeugen und der subjektiven Beurteilung dieser Abstände durch den Fahrer eines dieser beiden Fahrzeuge sollen so konkrete situative Faktoren ermittelt werden, die die aktuelle Wahrnehmung des Abstands beeinflussen. Es wäre zum Beispiel denkbar, dass ein Fahrer, der einem anderen Verkehrsteilnehmer auf der Überholspur in einem bestimmten Abstand folgen will, diesen Abstand in Abhängigkeit davon einstellt, wie groß die aktuelle Differenzgeschwindigkeit zwischen den Fahrzeugen der Überholspur und denen der rechten Fahrspur ist.
Es muss jedoch beachtet werden, dass neben der situationsspezifischen Wahrnehmung von Folgeabständen auch stets weitere Einflussgrößen das vom Fahrer gezeigte Abstandsverhalten mitbestimmen: Es ist beispielsweise zu erwarten, dass ein Verkehrsteilnehmer in Abhängigkeit von seinem aktuellen emotionalen Befinden ein unterschiedliches Abstandsverhalten in einer vergleichbaren Verkehrssituation zeigt.
Ein Verständnis des gezeigten Abstandsverhaltens von Verkehrsteilnehmern kann nur dann gelingen, wenn neben den hier untersuchten Einflüssen auf die Wahrnehmung der Abstände auch solche Aspekte bedacht werden. Daher wird den Ausführungen zur vorliegenden studie ein Überblick über den aktuellen stand der Forschung zum Abstandsverhalten im Allgemeinen und zur Wahrnehmung von Abständen im Besonderen vorangestellt. Zunächst soll jedoch die Fragestellung dieser Arbeit detailliert dargestellt werden.
3 Fragestellung
Mit Hilfe eines mehrphasigen Versuchs werden psychophysikalische Zusammenhänge zwischen Annäherungsverläufen bzw. Folgeabständen und dem subjektiven Empfinden dieser Vorgänge durch den Fahrer in Abhängigkeit von der gefahrenen Absolutgeschwindigkeit bestimmt und diskutiert.
Als Dimensionen des subjektiven Empfindens werden hierbei zum einen die Gefährlichkeit und zum anderen die Überholintention in der jeweiligen Verkehrssituation überprüft. um der Komplexität des realen Verkehrsgeschehens gerecht zu werden, werden mögliche Einflüsse der Folgecharakteristik, der verkehrlichen Gesamtsituation (Differenzgeschwindigkeit zur rechten Fahrspur), aktueller und überdauernder Persönlichkeitsmerkmale und vorangegangener Erfahrungen des Fahrers auf dessen Wahrnehmung der situation ermittelt. schließlich wird über einen Wechsel der Fahrerperspektive (Fahrer sitzt im vorausfahrenden bzw. nachfolgenden Fahrzeug) untersucht, inwieweit eine Abhängigkeit der Abstandswahrnehmung vom Fahr- und Folgeverhalten des Fahrers besteht und welche Intentionen der Fahrer dem nachfolgenden Fahrzeugführer bei entsprechenden Folgeabständen und Folgecharakteristika im Gegenzug zuschreibt.
Die folgenden untersuchungsfragen stehen im Mittelpunkt des Versuchs.
(1) Wie sieht der Zusammenhang zwischen den subjektiven Aussagen der Fahrer zu Gefährlichkeit bzw. Überholintention und den objektiven Abständen aus?
(2) Welchen Einfluss haben situationsfaktoren (Folgecharakteristik, gefahrene Absolutgeschwindigkeit und Differenzgeschwindigkeit zu den Fahrzeugen der rechten spur) auf die Abstandswahrnehmung?
(3) Gibt es einen Einfluss der Perspektive auf die Wahrnehmung der Abstände zum vorausfahrenden bzw. nachfolgenden Verkehrsteilnehmer?
(4) Flieht ein Fahrer unbewusst vor dicht auffahrenden Folgefahrzeugen, wird er beim dichten Folgen in unangenehmen Abständen langsamer?
(5) Welchen Einfluss haben Veränderungen der Folgeabstände, Fahrerperspektive und situationsfaktoren auf das Fahrverhalten des Fahrers bzgl. seiner Längs- und Querregelung?
(6) sind die Ergebnisse aus verschiedenen versuchsplanerischen Ansätzen (Herstellungsund Beurteilungsverfahren) vergleichbar?
4 Theoretischer Hintergrund
4.1 Psychologische Modelle des Verkehrsverhaltens
Schon seit Anfang der 50er Jahre versuchen Verkehrswissenschaftler verschiedener Fachrichtungen mit zahlreichen, zum Teil sehr unterschiedlichen, jedoch anfangs großteils rein physikalischen oder mathematischen Modellen, die Prinzipien des Folgens im Straßenverkehr zu verstehen und erklären. Das zugrundeliegende Ziel war und ist, durch das Erforschen der Art und Weise, in der einzelne Fahrzeuge einander folgen, das Verhalten des einspurigen Verkehrsflusses aufdecken zu können. Eine praktische Umsetzung derartiger Erkenntnisse könnte zu mehr Stabilität im Straßenverkehr führen und damit dessen Gefahrenpotential erheblich reduzieren. Da sich laut May (1990) geringfügige Geschwindigkeitsveränderungen eines vorausfahrenden Fahrzeugs auf den gesamten, nachfolgenden Verkehrsstrom dieser Fahrspur auswirken können, stellen demnach mikroskopische Modelle individuellen Folgeverhaltens die Basis makroskopischer Modelle des Verkehrsflusses dar. Die Forschung, die sich dieses Phänomens angenommen hat, hatte sich jedoch lange Zeit viel zu stark an rein technischen und ökonomischen Fragen orientiert. Die Frage nach der menschlichen Rolle im Gesamtsystem Straßenverkehr blieb vielfach unbeachtet. Später wurden diesen eher verkehrstechnischen Theorien zwar auch immer mehr verkehrspsychologische Modelle entgegengestellt, ein umfassendes Verständnis des Folgeverhaltens über eine Integration der unterschiedlichen Ansätze beider Forschungsrichtungen in ein gemeinsames Modell, das die Komplexität realer Folgevorgänge abbilden könnte, steht allerdings nach Ranney (2000) bis heute aus. Auch Winsum (1999) betont, dass bisher nur spezifische Elemente des Folgeverhaltens isoliert untersucht wurden, er ein konsistentes und praxistaugliches Modell aber weiterhin vermisst: Viele Annahmen scheinen seiner Ansicht nach von der Vermutung auszugehen, dass das menschliche Fahrverhalten in hohem Maße rational sei und ein Fahrer somit exakt Abstände, Geschwindigkeiten und Beschleunigungen wahrnehmen könne. Allerdings sei es in der Realität eher so, dass ein Fahrer kontinuierlich gezielt Informationen seiner unmittelbaren Verkehrsumwelt sammle und kognitiv verarbeite, um die limitierenden Komponenten seiner Wahrnehmung und motorischen Fähigkeiten zu kompensieren und flexibel handeln zu können.
Die folgende Betrachtung des Verkehrsverhaltens aus psychologischer Sicht diskutiert zunächst die Bedeutung der Entscheidungsfreiheit des Fahrers, bevor als Lösungsansatz das Konzept des Verkehrsverhaltens als Regelkreismodell vorgestellt wird. Darauf aufbauend werden die relevanten psychologischen Aspekte der Längsregelung erörtert.
4.1.1 Verkehrsverhalten als Ergebnis komplexer Entscheidungen
Der von außen beobachtbare Bewegungsablauf eines Fahrer-Fahrzeug-Elements ist das Ergebnis eines komplexen Entscheidungsprozesses des Fahrers. Dieser Entscheidungsprozess ist eingebettet in eine Vielzahl auf den Fahrer einwirkenden Komponenten. Als wichtigste Einflussgrößen auf das Fahrverhalten gelten hierbei nach Wiedemann (1974) die generellen Eigenschaften des Fahrers, sein aktuelles psychisches und physisches Befinden, seine Motivation für die momentane Fahrt und die für die gegenwärtige Strecke geltenden Regeln der Straßenverkehrsordnung. In Abhängigkeit von der jeweiligen Verkehrssituation treten jedoch noch weitere Faktoren mit wechselnder Bedeutung in den Vordergrund. Wiedemann (1974) hält es deshalb für notwendig, zwei Verkehrssituationen grundsätzlich zu unterscheiden: Das „beeinflusste Fahren“ zeichnet sich durch das Vorhandensein anderer Verkehrsteilnehmer aus, an denen sich der Fahrer bezüglich seines eigenen Fahrverhaltens orientieren muss. Dem steht das „unbeeinflusste Fahren“ gegenüber, bei dem Eigenschaften der Straße und des Fahrzeugs mit größerer Bedeutung Entscheidungen des Fahrers mitprägen.
Aus dieser Perspektive wird deutlich, dass ein wesentliches Merkmal des Straßenverkehrs die Entscheidungsfreiheit der Fahrer ist. Ein Zugang zur Beschreibung des Verkehrsverhaltens kann nur über eine detailliertere Betrachtung dieses komplexen Entscheidungsprozesses gefunden werden.
4.1.2 Verkehrspsychologische Regelkreismodelle
Um die komplexen Entscheidungsprozesse, aus denen das beobachtbare Fahrverhalten resultiert, konkretisieren zu können, bietet sich als Einstieg das „Drei-Ebenen-Modell“ von Johannsen und Rouse (1979) an, nach dem jede Fahraufgabe eine eindeutige hierarchische Struktur aufweist:
(1) Die oberste, strategische Ebene beinhaltet alle grundlegenden Navigationsaufgaben, die der Fahrer großteils zu Beginn seiner Fahrt, basierend auf seinem Wissen festlegt. Dies beinhaltet z.B. die Wahl der Fahrroute und das Festlegen des zeitlichen Ablaufs. Diese Planungsprozesse bestimmen somit den Charakter der Fahrt und liefern die Sollwerte für die Steuerungstätigkeit, die in der nächsten Ebene beschrieben wird.
(2) Auf dieser Ebene findet das taktische Führen des Fahrzeugs statt. Abhängig von Bedingungen der Fahr- und Verkehrssituation erfolgt die Festlegung von SollKurs, Soll-Geschwindigkeit und Fahrmanövern. Der Fahrer definiert so seine aktuellen Sollwerte für die unterste Ebene.
(3) In Abhängigkeit von seinen Fertigkeiten nimmt hier der Fahrer vielfach automatisierte Tätigkeiten zur Stabilisierung des Fahrverhaltens vor. Auf dieser operationellen Ebene korrigiert er damit über Feedback-Schleifen Abweichungen der Ist- von den Sollwerten, z.B. bezüglich des Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug.
Aus diesem Modell wird ersichtlich, dass der Fahrer auf verschiedenen Ebenen ständig Vergleiche erwünschter Sollwerte mit den aktuell wahrgenommenen Istwerten durchführt, um über eventuell notwendige Korrekturen seines Fahrverhaltens eine Annäherung der Ist- an die Sollwerte zu gewährleisten. Einen solchen Prozess bezeichnet man als Regelung, die über das permanente und oft unbewusste Durchlaufen derartiger Regelkreise erfolgt. Die allgemeine Funktionsweise eines Regelkreises veranschaulichen Miller, Galanter & Pribram (1960) mit Hilfe ihres Modells der TOTE-Einheit: In einer Testphase (test) findet ein erster Vergleich zwischen Ist- und Sollwert statt. Ausgehend vom Ergebnis dieses Vergleichs geht die Person in eine Handlungsphase (operate) über, in der eine Annäherung des Istwertes an den Sollwert erzielt werden soll. In einer weiteren Testphase (test) wird das erzielte Ergebnis auf Erfolg überprüft. Ist das Ergebnis zufriedenstellend, wird der Handlungsablauf abgeschlossen (exit), hat sich der Istwert noch nicht ausreichend an den Sollwert angenähert, sind weitere Handlungen nötig.
Das übergeordnete Regelungsziel eines Autofahrers wird es natürlich sein, sein Fahrzeug sowohl in Quer-, als auch in Längsrichtung möglichst optimal im Verkehrsfluss zu halten. Aus psychologischer Sicht gibt es für den Fahrer dabei jedoch zwei zentrale Problembereiche: Zum einen können ihm bei der subjektiven Festlegung seiner Sollwerte z.T. verhängnisvolle Fehler unterlaufen.9 Zum anderen muss sich ein Fahrer aber auch bei der Messung der aktuellen Istwerte oft auf seine fehlerbehaftete subjektive Abschätzung beschränken.10 Für die Regelung des Abstandes zu einem vorausfahrenden Fahrzeug bedeutet dies konkret: Ein Fahrer stellt möglicherweise einen gefährlich geringen Folgeabstand ein, weil er ihn z.B. aufgrund mangelnder negativer Erfahrung für immer noch ausreichend sicher einschätzt und deshalb bewusst den empfohlenen Mindestabstand ignoriert (kritischer sollwert). Entsprechend argumentiert auch Bösser (1987), indem er behauptet, dass die Abstandsregelung eine starke antizipative Komponente enthält, die einen Fahrer dazu verleiten kann, gefährlich geringe Abstände zum Vordermann einzunehmen. Erst die Erfahrung einer subjektiv als außergewöhnlich gefährlich interpretierten situation oder die Beteiligung an einem Auffahrunfall könnte eine Neustrukturierung der Antizipationen und dadurch Verhaltensänderungen zur Folge haben.11
Denkbar wäre aber auch, dass sich der Fahrer sehr wohl an die empfohlenen Richtlinien halten will, ihm dies aber -ohne es zu bemerken- nicht gelingt, da er den Abstand infolge seiner limitierenden perzeptiven Fähigkeiten überschätzt (fehlerhafter Istwert). Eine ausführliche Diskussion möglicher ursachen gefährlicher bzw. fehlerhafter Folgeabstände und ihrer Bedeutung für die vorliegende Arbeit erfolgt in den Kapiteln 4.2 bis 4.4.
Diese Ausführungen veranschaulichen bereits, dass ein Modell zur Beschreibung des Fahrverhaltens nur dann auch hinreichend dafür geeignet und somit auch praxistauglich ist, wenn es eine möglichst komplexe Differenzierung des Teilsystems Fahrer ermöglicht. Einen Versuch, das Fahrverhalten relativ umfassend zu beschreiben, stellt hierbei das Modell von Rockwell (1972) dar (Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Modell des Fahrverhaltens nach Rockwell (1972).
Aufmerksamkeit, Fähigkeiten
Das Modell zeigt die Komplexität, die sich hinter dem zunächst relativ abstrakt erscheinenden Begriff Fahrverhalten verbirgt. schon ein erster Blick auf die Abbildung vermittelt, dass das beobachtbare Fahrverhalten eines Verkehrsteilnehmers das Ergebnis vieler unterschiedlicher und sich zum Großteil wechselseitig beeinflussender Komponenten ist. Neben objektiv messbaren Wirkungsfaktoren der aktuellen umwelt (z.B. Straßentyp, Vorhandensein anderer Fahrzeuge, Wetter, Fahrbahnbeschaffenheit) und des eigenen Fahrzeugs (z.B. visuelle, propriozeptive und kinästhetische Eigenschaften) werden im Modell auch zahlreiche moderierende Faktoren schematisch dargestellt, die direkt dem Teilsystem Fahrer zuzuordnen sind und letztendlich den Wirkungsfaktor Fahrerdynamik ergeben. Es zeigt sich auch wieder der oben beschriebene Regelkreis, über den der Fahrer eine Annäherung des Istwertes (beobachtbares Fahrverhalten) an den aus seinem Entscheidungsprozess resultierenden Sollwert (erwünschtes Fahrzeugverhalten) anstrebt. Dabei wird der besondere Stellenwert der Fahrerdynamik als zentrale, aber auch fehlerbehaftete Einflusskomponente auf das beobachtbare Fahrverhalten im Allgemeinen und Folgeverhalten im Speziellen ersichtlich. In Bezug auf das Thema der vorliegenden Arbeit stellt sich nun die Frage, welche fahrerspezifischen Faktoren sich in Kombination mit den in der Untersuchung experimentell variierten Bedingungen (z.B. objektiver Abstand, gefahrene Geschwindigkeit, Folgecharakteristik) in der subjektiven Beurteilung des Folgeabstands niederschlagen. Darauf aufbauend muss geklärt werden, ob sich diese Fahrervariablen und die unabhängigen Variablen der Untersuchung wechselseitig beeinflussen und wie solche möglichen Wechselwirkungen gerichtet sind. Die obige Abbildung (Abbildung 1) liefert erste Anhaltspunkte für potentiell einwirkende menschliche Teilfunktionen, deren mögliche Bedeutung für diese Arbeit in den nächsten Kapiteln mittels geeigneter Studienergebnisse und Theorien diskutiert wird. Zur Strukturierung sollen diese Teilfunktionen, ausgehend von den traditionellen Annahmen menschlicher Verhaltensfunktionen, drei übergeordneten Gruppen zugewiesen werden. Die nachfolgende Tabelle 1 veranschaulicht das Prinzip der vorgenommenen Zuordnung.
Tabelle 1: Teilfunktionen der Fahrerdynamik (entsprechend Abbildung 1) und ihre Strukturierung zu drei übergeordneten Gruppen. Die Gruppierung erfolgt hierbei v.a. aus formalen Gründen bzgl. des Aufbaus der nachfolgenden Kapitel.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Im nächsten Abschnitt werden jedoch zunächst einige generelle Aspekte der Längsregelung (Abstands- und Geschwindigkeitsregelung) erörtert, auf welchen die Ausführungen der nachfolgenden Kapitel aufbauen.
4.1.3 Grundlegende Aspekte der Längsregelung
Unter dem Begriff Längsregelung wird die Abstands- und Geschwindigkeitsregelung durch den Autofahrer zusammengefasst, da beide Regelungsvorgänge in direkter Interaktion miteinander stehen und somit meist nur schwer isoliert voneinander betrachtet werden können. Die Regelung von Geschwindigkeit und Abstand stellt für den Fahrer den zentralen Kontrollmechanismus zur aktiven Vermeidung von Kollisionen und hier besonders von Auffahrunfällen dar.
Schon in den Ausführungen zum „Drei-Ebenen-Modell“ von Johannsen und Rouse (1979) wurde erwähnt, dass der Fahrer viele der notwendigen und ständig wiederkehrenden Regelungsprozesse automatisiert ausführt. Van der Gon (1969, zitiert nach Bösser, 1987) argumentiert, dass solche automatisierten Prozesse ohne FeedbackSchleifen ablaufen können und deshalb nicht mehr geregelte, sondern gesteuerte Prozesse sind. Bösser (1987) betont jedoch, dass in kritischen Situationen wie z.B. unter Gefährdungsbedingungen oder bei schlechten Sichtverhältnissen wieder ein Übergang zur Regelung notwendig ist, um die Situation erfolgreich bewältigen zu können. Dies lässt vermuten, dass das Abstandsverhalten eines Fahrers bei einer realen Autobahnfahrt zum Großteil unbewusst abläuft. Fiele der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug aber zum Beispiel aufgrund einer unerwarteten Verkehrsstockung oder überhöhter Eigengeschwindigkeit unter einen fahrerspezifischen kritischen Wert ab, so würde der Fahrer wieder eine bewusste Abstandsregelung vornehmen, mit dem Ziel, den erwünschten Sollwert wieder einzustellen. Es ist also diesbezüglich von zwei qualitativ unterschiedlichen Formen des Abstandsverhaltens auszugehen, was zur Folge hat, dass Ergebnisse experimenteller Studien zu bestimmten Abständen nicht ohne Einschränkungen miteinander verglichen werden können. Dies könnte prinzipiell auch für die Interpretation der Ergebnisse der vorliegenden Studie ein Problem darstellen, da die Fahrer hier mit z.T. erheblich differierenden Abständen konfrontiert werden. Da die Fahrer aber stets dazu aufgefordert werden, ihre Wahrnehmung der Abstände subjektiv zu beurteilen, ist anzunehmen, dass das Abstandsverhalten der Fahrer immer im Sinne einer bewussten Regelung abläuft.12
Der Regelungstätigkeit bzgl. der Längsdynamik liegt eine Geschwindigkeitsschätzung durch den Fahrer zugrunde, da der Fahrer über diese einen Teil der erforderlichen Informationen bezieht. Gerade in potentiell gefährlichen Verkehrssituationen ist es dem Fahrer oft nicht möglich, seine Geschwindigkeit über wiederholte Blicke auf den Tachometer zu kontrollieren. Studien von Schmidt und Tiffin (1969) zeigten jedoch, dass Geschwindigkeiten mit zunehmender Fahrgeschwindigkeit von den Fahrern immer stärker unterschätzt werden. Besonders stark ist diese Fehleinschätzung bei Geschwindigkeiten von mehr als 80 km/h. Folge könnte sein, dass ein bestimmter Abstand, in Relation zur Geschwindigkeit betrachtet, mit zunehmender Eigengeschwindigkeit von einem Fahrer subjektiv als immer ungefährlicher wahrgenommen wird, obwohl tatsächlich gerade das Gegenteil der Fall ist. Bei dieser Vermutung wird jedoch nicht berücksichtigt, dass der Fahrer bei der Beurteilung seines Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug auch die Geschwindigkeit jenes Fahrzeugs einbeziehen wird. Daher eignet sich die Differenzgeschwindigkeit zwischen beiden Fahrzeugen besser zur Erklärung des Abstandsverhaltens als die Absolutgeschwindigkeit. Setzt man den Abstand in Relation zur Differenzgeschwindigkeit, so ergibt sich die Zeit, nach der das Fahrzeug mit dem vorausfahrenden kollidieren würde, wenn beide Fahrer ihre aktuelle Geschwindigkeit beibehalten würden. In der Literatur hat sich hierfür die Bezeichnung „Time-To-Collision“ (TTC) durchgesetzt:
TTC [s] = Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug [m] / Differenzgeschwindigkeit [m/s]
Gleichung 1: Die Berechnung der „Time-To-Collision“ (TTC)
Aus Gleichung 1 wird ersichtlich, dass die TTC nur zur Charakterisierung von Annäherungsvorgängen geeignet ist: Nachdem der nachfolgende Fahrer zum Folgevorgang übergegangen ist, sich also entschieden hat, einen bestimmten Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug einzuhalten, wird die Differenzgeschwindigkeit zwischen beiden Fahrzeugen sehr gering. Dadurch bewegt sich die TTC gegen w und liefert damit keine brauchbaren Informationen mehr.
Nach Lee (1976) muss ein Fahrer aber nicht Abstand und Geschwindigkeiten miteinander verrechnen, vielmehr nimmt er die TTC direkt über den Fluss des optischen Feldes wahr und steuert damit das Bremsverhalten. Bei dieser Schätzung der verbleibenden Zeit bis zur Kollision orientiert sich der Fahrer an der Winkeldistanz zweier Punkte eines Objekts (z.B. die Rücklichter des vorausfahrenden Fahrzeugs) und dem Ausmaß des Auseinanderdriftens dieser beiden Punkte. Erreicht die TTC einen für den Fahrer subjektiv kritischen Wert, wird er so lange seine Geschwindigkeit reduzieren, bis sich die Ausdehnung des auf seiner Retina abgebildeten Objekts einem konstanten Wert angenähert hat, den der Fahrer auf Grundlage seiner Erfahrungen anstrebt. Dadurch lässt sich erklären, warum ein Fahrer von ihm unerwünscht kurze Abstände13 auch bei hohen Geschwindigkeiten in der Regel zu verhindern weiß, obwohl die Absolutgeschwindigkeiten vom ihm unterschätzt werden. Allerdings können sich auch hier für den Fahrer unter bestimmten Bedingungen (z.B. bei Nacht) Probleme bzgl. seiner Schätzleistung ergeben. Im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu limitierenden Komponenten bei der Wahrnehmung von Abständen wird hierauf noch ausführlicher eingegangen (Kapitel 4.2).
Wie bereits aus den Überlegungen zum Modell des Fahrverhaltens nach Rockwell (1972) in Kapitel 4.1.2 ersichtlich wurde, läuft das Fahrverhalten unter verschiedenen Funktionsbedingungen ab, welche sich objektiv durch die Eingangsgrößen für die Regelung unterscheiden, die dem Fahrer von Fahrzeug, Straße und Verkehrssituation angeboten werden. Bezüglich der Geschwindigkeitsregelung ergeben sich nach Todosiev und Barbosa (1964) daraus für den Fahrer drei zu unterscheidende Funktionsmodi, nämlich der Annäherungsvorgang, das Folgefahren und die freie Wahl der Geschwindigkeit. Der Übergang von Freier Geschwindigkeitswahl, bei der die Regelung der Geschwindigkeit von außen beobachtbar v.a. in Abhängigkeit von der Straßenführung und gesetzlicher Vorschriften erfolgt, zum Annäherungsvorgang wird dabei von den Autoren als der Zeitpunkt definiert, zu dem der sich annähernde Fahrer erstmals seine Geschwindigkeit reduziert. Diesen Zeitpunkt bezeichnen die Autoren als „Aktionspunkt“. Der von Todosiev & Barbosa (1964) postulierte Aktionspunkt, der den Zeitpunkt des Beginns der Annäherungsphase kennzeichnet, konnte von Bösser (1987) als Zeitpunkt der Rückstellung des Gaspedals spezifiziert werden. Aus den vorangestellten Überlegungen zur TTC (vgl. Gleichung 1) wird ersichtlich, dass sich nun der Übergang vom Annäherungs- zum Folgevorgang über eine geringe Differenzgeschwindigkeit kennzeichnen lässt. So definiert Wiedemann (1974) den Beginn des Folgevorgangs als den Zeitpunkt, zu welchem die Differenzgeschwindigkeit zwischen beiden Fahrzeugen erstmals so gering ist, dass die Wahrnehmungsschwelle bzgl. Geschwindigkeitsdifferenzen unterschritten ist.
Obwohl somit also prinzipiell eine objektive Abgrenzung der drei Modi der Geschwindigkeitsregelung möglich ist, bleibt bisher immer noch die Frage großteils unbeantwortet, welche subjektiven Kriterien dem Entscheidungsprozess des Fahrers bzgl. des Übergags von einem Fahrmodus zum nächsten zugrunde liegen. Da die subjektive Einschätzung des jeweils aktuellen Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug durch den Fahrer dabei natürlich eine gewichtige Rolle spielen wird, wird die vorliegende Studie einen Teil zur Beantwortung dieser Frage beitragen.
Die Erörterungen zum Modell des Fahrverhaltens nach Rockwell (1972) (Abbildung 1) zeigten allerdings, dass zunächst der potentielle Einfluss einer Vielzahl von Teilfunktionen der Fahrerdynamik auf den Entscheidungsprozess des Fahrers geklärt werden muss (vgl.
Tabelle 1). Entsprechend der in Tabelle 1 vorgenommenen Gruppierung dieser Teilfunktionen schlägt Bösser (1987) ein Arbeitsmodell für die menschliche Regelung der Längsdynamik vor. Die nachfolgende Abbildung 2 zeigt das von Bösser (1987) in Form eines Blockschaltbildes skizzierte Modell.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Modell der Abstands- und Geschwindigkeitsregelung des Autofahrers nach Bösser (1987). Die Beschriftungen (1) bis (3) werden im Text erläutert.
Die drei Ebenen menschlichen Verhaltens sind in Abbildung 2 über die Beschriftungen (1) bis (3) gekennzeichnet. In Anlehnung an die in Tabelle 1 eingeführte Terminologie bezeichnet die unterste Ebene (3) die Anforderungen an den Fahrer bzgl. der Abstandsund Geschwindigkeitsregelung die dem perzeptiv-motorischen Funktionsbereich zuzuordnen sind. Die mittlere Ebene (2) skizziert mögliche Einflüsse des motivationalemotionalen Funktionsbereichs, die oberste Ebene (1) entspricht den informationsverarbeitenden, kognitiven Funktionen. Im Gegensatz zum „Drei-EbenenModell“ von Johannsen und Rouse (1979), welches sich über die Unterteilung nach Navigations-, Führungs- und Stabilisierungsebene an der Aufgabenstellung des Fahrers orientiert, nimmt Bösser (1987) mit seinem Modell der Längsdynamik also eine Abgrenzung der unterschiedlichen Funktionsbereiche vor. Diese Vorgehensweise erscheint laut Bösser (1987) deshalb sinnvoller, da sich diese Funktionsbereiche durch verschiedene Arten von Übertragungseigenschaften14 unterscheiden und somit unterschiedliche Methoden zur Identifikation dieser Funktionen verlangen. Folgende Aussagen zu den drei Ebenen sind im Modell enthalten (Bösser, 1987):
- Perzeptiv-motorische Funktionen (Ebene (3)): Die Schätzung der Differenzgeschwindigkeit und des Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug sind nichtlineare Funktionen des objektiv messbaren Abstandes und können empirisch z.B. mittels Befragung bestimmt werden. Da die Regeltätigkeit abhängig von der spezifischen Aufgabenstellung ist, muss sie asymmetrisch sein. Auf einen zu geringen Abstand muss so in der Regel schneller reagiert werden, als auf eine zu große Geschwindigkeit. Da das Modell von Bösser (1987) in Form eines Blockschaltbildes skizziert ist, kommt es dieser Tatsache dadurch nach, dass bei einem Überschreiten des Sollwertes für die Geschwindigkeit die Geschwindigkeitsverminderung durch ein Tiefpassfilter15 gefiltert wird. Da bei einer Erhöhung der Geschwindigkeit bereits eine Verzögerung durch die Eigenschaften des Fahrzeugs zu erwarten ist, kann hier auf ein solches Filter verzichtet werden. Ein Bremsvorgang wirkt im Sinne eines Regelkreises wieder auf den Systemeingang zurück.
- Motivational-emotionale Prozesse (Ebene (2)): Die Abbildung zeigt auf, dass hier keine unmittelbaren Eingänge der Umgebung existieren. Motivationsprozesse werden durch die Bewertung von Verhaltensalternativen in einem mehrdimensionalen Entscheidungsraum wirksam und können empirisch nur mittelbar über Skalierungsverfahren bestimmt werden. Über diese Prozesse erfolgt die Generierung der Sollwerte für die Abstandsregelung. Die auf dieser Ebene eingeordnete Geschwindigkeitsadaptation ist abhängig von der geschätzten Geschwindigkeit auf Ebene (1) und weist darauf hin, dass auch diese Ebene eine dynamische Komponenten enthält, die jedoch als vergleichsweise langsam einzustufen ist. Als Beispiel für die auch dieser Ebene zugeordneten emotionalen Prozesse, deutet die Abbildung weiterhin einen Mechanismus an, der zu aggressiven und gefährlichen Verhaltensweisen führen kann. Hierbei werden Situationen, die der Fahrer subjektiv als gefährlich beurteilt, als inkompatibel mit aggressiven Verhaltensweisen betrachtet. Es erscheint allerdings fraglich, ob dies ohne Einschränkungen auf reales Fahrverhalten übertragbar ist.
- Informationsverarbeitendei kognitive Prozesse (Ebene (1)): Diese Prozesse verlaufen parallel zu denen auf Ebene (2). Zentrale Funktion der kognitiven Prozesse ist die informationsabhängige und entsprechend diskontinuierliche Bestimmung der Situationsstruktur und die darauf aufbauende Auswahl von Verhaltensalternativen. Der Entscheidungsprozess des Fahrers beinhaltet somit die aktive Auswahl der von ihm als relevant erachteten Eingangsgrößen und die resultierende Entscheidung für einen als geeignet erachteten Betriebsmodus.
Das Modell von Bösser (1987) veranschaulicht also, dass das von außen beobachtbare Fahrverhalten das Ergebnis eines komplexen Prozesses ist, der weit über die traditionellen Modellannahmen des Autofahrens als reine Regelaufgabe und die damit vorgenommene Fokussierung auf die perzeptiv-motorischen Funktionen hinausgeht. Da die perzeptiv- motorischen Funktionen Leistungsgrenzen haben, wie bereits die Ausführungen zur Geschwindigkeitsschätzung zeigten, müssen die übergeordneten Regelprozesse die Sollwerte so angleichen, dass die untergeordneten Funktionen nicht überfordert werden. Die Komplexität dieser Verhaltensleistung des Fahrers legt nahe, dass sich ihre empirische Untersuchung immer nur auf einen exakt zu definierenden Teilaspekt beschränken darf und zudem die Anzahl der diskreten Verhaltensalternativen streng kontrolliert und somit eingegrenzt werden muss. In einem darauf aufbauenden Schritt wird es dann die Aufgabe sein, diese Einzelergebnisse wieder zu einem konsistenten Gesamtbild zusammenzusetzen. Denn eine aussagekräftige Interpretation eines Teilbefunds zur Längsdynamik kann nur über die Integration vorangegangener Erkenntnisse aus Studien zu anderen, damit zusammenhängenden Teilbereichen der Längsdynamik gelingen. In den nachfolgenden Kapiteln werden deshalb Einzelbefunde zu bestimmten Aspekten des Teilsystems Fahrer bzgl. der längsdynamischen Regelung diskutiert, die für die methodische Planung der vorliegenden Studie und die Interpretation ihrer Ergebnisse relevant erscheinen. Die inhaltliche Strukturierung orientiert sich dabei an Bössers (1987) Einteilung der Funktionsbereiche in die drei Ebenen perzeptiv-motorische Prozesse, motivationalemotionale Prozesse und informationsverarbeitende, kognitive Prozesse (vgl. Abbildung 1) und wurde bereits in Tabelle 1 aufgezeigt.
4.2 Relevante Aspekte des perzeptiv-motorischen Funktionsbereichs
Die perzeptiv-motorischen Prozesse stellen nach Bössers (1987) Modell der Abstandsund Geschwindigkeitsregelung (Abbildung 2) die unterste der drei Ebenen menschlicher Funktionsbereiche dar. Da auf dieser Ebene die Schätzung der Geschwindigkeit und des Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug erfolgt, liefert sie zentrale Basisinformationen für alle Prozesse auf den beiden höheren Ebenen. Fehleinschätzungen in diesem Funktionsbereich können somit weitreichende Folgen für den anstehenden Entscheidungsprozess des Fahrers haben. Das Beispiel der Geschwindigkeitsschätzung im vorangegangenen Kapitel weist bereits darauf hin, dass die perzeptiv-motorischen Funktionen des Fahrers tatsächlich fehleranfällig sind. Ein grundlegendes Problem der menschlichen Wahrnehmung ist dabei, dass bestimmte Informationen für einen Fahrer überhaupt erst dann existent sind, wenn sie bei ihm eine gewisse Reizschwelle überschritten haben. Man spricht hier von einer Wahrnehmungsschwelle. Wiedemann (1974) geht deshalb in seinem Modell des Verkehrsflusses auch davon aus, dass ein Fahrer bezüglich des Geschwindigkeits- und Abstandsverhaltens durch nur sechs Parameter gekennzeichnet werden könne. Neben den auf der motivational-emotionalen und kognitiven Ebene generierten Parametern Wunschgeschwindigkeit, Wunschabstand, akzeptierter Minimalabstand, Sicherheitsbedürfnis und Motivationsfaktor bezieht er auch die Wahrnehmungsschwelle bei Geschwindigkeitsdifferenzen mit ein. Er begründet dies damit, dass ein sicheres bzw. nicht sicheres Fahrverhalten eng mit der Fähigkeit eines Fahrers verknüpft sei, die relativen Bewegungsgrößen der ihn unmittelbar beeinflussenden Fahrzeuge gegenüber seiner eigenen Bewegung zumindest ihrer Größenordnung nach richtig einzuschätzen. Burkhardt (1966) und Leutzbach et al. (1968) vermuten übereinstimmend, dass viele Fahrer nur deshalb riskant fahren, weil sie sich des Risikos aufgrund von Schätzfehlern nicht bewusst sind.
Im voranstehenden Kapitel wurde aufgezeigt, wie ein Fahrer die „Time-To-Collision“ (TTC) direkt über den Fluss des optischen Feldes wahrnimmt und damit sein Bremsverhalten steuert. Er orientiert sich dabei z.B. an den beiden Rücklichtern des vorausfahrenden Fahrzeugs und dem Ausmaß des Auseinanderdriftens des Abbildes dieser beiden Punkte auf seiner Retina. Aufgrund der beschriebenen Wahrnehmungsschwelle muss sich diese Veränderung aber mit einer gewissen Geschwindigkeit vollziehen, damit sie dem Fahrer bewusst wird und ihm eine Relativbewegung signalisiert. Besonders bei großen Abständen ist so die Relativgeschwindigkeit zum vorausfahrenden Fahrzeug aus der Veränderung des Erscheinungswinkels der Rücklichter nur schwer zu schätzen (Janssen, 1977). Ist nun der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug so groß oder die Geschwindigkeitsdifferenz so klein, dass ein Fahrer die Annäherung an ein vorausfahrendes Fahrzeug zwar bemerkt, sich die Größe des Abbilds dieses Fahrzeugs aber noch unterhalb seiner Wahrnehmungsschwelle verändert, dann nimmt der Fahrer seine Geschwindigkeitswahl unabhängig von der des vorausfahrenden Fahrzeugs vor (Wiedemann, 1974). Demnach zeigt der Fahrer weiterhin eine unbeeinflusste Fahrweise, wobei seine Geschwindigkeit um die Wunschgeschwindigkeit16 pendelt oder er sogar diese durch Beschleunigung anstreben kann. Verschiedene studien weisen darauf hin, dass dies bei einem entsprechend großen Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug selbst bei hohen Geschwindigkeitsdifferenzen der Fall ist: Bei einem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug von ungefähr 150m konnte kein Zusammenhang zwischen Abstand und Geschwindigkeit mehr festgestellt werden (Highway Research Board, 1965). Hoefs (1972) konnte dies mit Messungen auf deutschen Autobahnen bestätigen. Aus diesen Ergebnissen lässt sich also folgern, dass ein Annäherungsvorgang an das vorausfahrende Fahrzeug frühestens ab einer Entfernung von ca. 150m beginnt.
Beginnt ein Fahrer mit dem Annäherungsvorgang, wurde dementsprechend seine Wahrnehmungsschwelle bzgl. des Annäherns überschritten17. Im Annäherungsvorgang versucht der Fahrer zunächst durch Gaswegnahme seine Geschwindigkeit der des vorausfahrenden Fahrzeugs anzugleichen. Dabei wird er sich schon entscheiden, in welchem Abstand er dem vorausfahrenden Fahrzeug folgen will, was eine vorausschauende schätzung des Zielabstands erfordert. Hoefs und Leutzbach (1971) stellten fest, dass der Annäherungsvorgang durch zum Teil erhebliche Verzögerungsschwankungen gekennzeichnet ist, welche mit zunehmender Annäherung an das vorausfahrende Fahrzeug kontinuierlich abnehmen. Diese schwankungen könnten u.a. auf geringfügige Geschwindigkeitsänderungen des vorausfahrenden Fahrzeugs zurückzuführen sein, die unter der Wahrnehmungsschwelle des nachfolgenden Fahrers liegen. Falls diese Annahmen zutreffen, so sollte sich in dieser Hinsicht die störvariable „Wahrnehmungsschwelle“ während des Annäherungsvorgangs experimentell dadurch kontrollieren lassen, dass das vorausfahrende Fahrzeug mit konstanter Geschwindigkeit gefahren wird (z.B. mit Hilfe eines Tempomaten).
Ein unterschreiten der Wahrnehmungsschwelle bzgl. des Annäherns aufgrund einer geringen Differenzgeschwindigkeit wäre aber dennoch denkbar. Dies stellt nach Wiedemann (1974) jedoch gerade das Kriterium dafür dar, den Annäherungsvorgang als beendet anzusehen und einen erfolgten Übergang zum Folgefahren anzunehmen (vgl. Kapitel 4.1.3). Wiedemann (1974) spricht von einer „toten Zone“, in die der Fahrer bezüglich der Wahrnehmung von Relativbewegungen eingetaucht ist. um jedoch den Zeitpunkt des Eintauchens eines Fahrers in seine „tote Zone“ objektiv erfassen zu können, müsste die Differenzgeschwindigkeit bestimmt werden, ab welcher die Wahrnehmungsschwelle bzgl. Relativbewegungen eines Fahrers unterschritten wird. Da hierbei aber inter- und intraindividuelle18 schwankungen existieren (Todosiev, 1963; Hoefs, 1972), wird in der vorliegenden untersuchung der Beginn einer Folgeperiode als derjenige Zeitpunkt festgelegt, zu welchem die Differenzgeschwindigkeit zwischen zwei Fahrzeugen zum ersten Mal kleiner als 1 m/s, also 3,6 km/h ist.
Bei kleinen, abnehmenden Abständen zeigt sich nach Todosiev (1963) und Hoefs (1972) ein ungefähr viermal größerer interindividueller Schwankungsbereich der Wahrnehmungsschwelle für kleinste Geschwindigkeitsdifferenzen als dies bei relativ großen Abständen der Fall ist. Bei kleinen, zunehmenden Abständen ist dieser Schwankungsbereich der Wahrnehmungsschwelle zwischen den Fahrern noch bis zum Dreifachen größer. Hier sind auch größere intraindividuelle Schwankungen zu erwarten.
Das übliche Fahrverhalten in der „toten Zone“ ist nach Wiedemann (1974) durch Pendelbewegungen um einen bestimmten Abstand gekennzeichnet. Nach Untersuchungen von Hoefs & Leutzbach (1971) bzw. Michaels (1965) dauert ein Pendelzyklus zwischen 6 und 12 Sekunden. Diese Pendelbewegungen resultieren dabei aus Verzögerungen bzw. Beschleunigungen an der untersten Schwelle noch steuerbarer Gaspedalbetätigung, die der Fahrer nach Wiedemann (1974) so lange durchführt, bis er seine „tote Zone“ entweder bei zunehmendem oder bei abnehmendem Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug wieder verlässt. In diesem Moment kehrt sich dann der als „Rauschen“ bezeichnete Vorgang um. Bei derartigen Folgevorgängen sind daher nach Beobachtungen Wiedemanns (1974) auch bei kleinen Abständen zeitweilig sehr hohe Geschwindigkeitsdifferenzen festzustellen.
Todosiev (1963) und Hoefs (1972) berichten übereinstimmend bei länger andauernden Folgevorgängen noch von einem weiteren Phänomen: Demnach vergrößert sich hierbei trotz größenordnungsmäßig gleicher Beiträge positiver und negativer Beschleunigung innerhalb der „toten Zone“ der Folgeabstand allmählich. Dem Fahrer wird dieses Abdriften vom ursprünglichen Wunschabstand zunächst nicht bewusst, so dass oft erst bei einem bereits erheblich größeren Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eine entsprechende Korrektur erfolgen kann. In den Studien von Todosiev (1963) und Hoefs (1972) zeigte sich, dass die obere Grenze für das Abdriften bei Folgevorgängen zwischen dem 1,5-fachen und 2,5-fachen des vom Fahrer gerade noch akzeptierten Mindestabstands schwankt. Hierbei sind sowohl inter-, als auch intraindividuelle Unterschiede zu beobachten. Die Ursache für dieses Abdriften sieht Wiedemann (1974) vor allem in einer unterschiedlichen Lage der Wahrnehmungsschwellen für positive und negative Geschwindigkeitsdifferenzen.19 Bei einem zunehmenden Abstand sei so ein höherer Betrag an Geschwindigkeitsdifferenz notwendig, um eine bestimmte Größenänderung des Abbildes des vorausfahrenden Fahrzeuges hervorzurufen, als bei abnehmendem Abstand. Diese physiologische Erklärung muss durch eine psychologische ergänzt werden: Im Gegensatz zu einem größer werdenden Abstand signalisiert ein abnehmender Abstand einem Fahrer natürlich auch immer eine Gefahr, die er durch erhöhte Aufmerksamkeit und Reaktionsbereitschaft zu kompensieren versucht. Entsprechend argumentiert auch Bösser (1987). In der nachfolgenden Abbildung 3 sind diese verschiedenen typischen Zustandsformen der Relativbewegung zwischen zwei Fahrzeugen einer Fahrspur anschaulich dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Schematische Darstellung der Relativbewegung zwischen zwei Fahrzeugen auf einer Spur nach Wiedemann (1974). Bezüglich der Interpretation dieser Abbildung sei auf den vorangestellten Text verwiesen.
Wiedemann (1974) berichtet weiter, dass derartige Phänomene nicht nur bei einer ungleichförmigen Eigengeschwindigkeit, sondern auch bei ungleichförmigen Bewegungen des vorausfahrenden Fahrzeugs zu beobachten sind. Dieser Vorgang des Reagierens eines Fahrers auf Pendelvorgänge des vorausfahrenden Fahrzeugs wird als „übertragenes Rauschen“ bezeichnet. Aus derartigen Pendelvorgängen des vorausfahrenden Fahrzeugs kann ein Abstand zum nachfolgenden Fahrzeug resultieren, der kleiner als der minimale Abstand ist, der gerade noch dem Sicherheitsbedürfnis des Fahrers dieses Folgefahrzeugs entspricht. Da der gewünschte Folgeabstand dann bereits unterschritten ist, wird in einem solchen Fall eine „Zielbremsung“ zunächst vor allem darauf ausgerichtet sein, nicht noch näher auf das vorausfahrende Fahrzeug aufzufahren. Danach wird sich der Fahrer des Folgefahrzeugs durch weitere Korrekturen bemühen, den ursprünglichen Abstand wieder herzustellen. In diesem Zusammenhang wirft sich die Frage auf, ob „übertragenes Rauschen“ auch durch Pendelvorgänge eines Fahrzeugs ausgelöst werden kann, welches dem beobachteten Fahrzeug nachfolgt oder ob es einen Einfluss der Perspektive auf diese Abstandswahrnehmung gibt. Mit Hilfe der vorliegenden Studie soll u.a auch diese Frage beantwortet werden.
Wie aus diesen Ausführungen ersichtlich wird, sind die maßgebenden Faktoren, die die Einstellung des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug beeinflussen, somit die Geschwindigkeit des vorausfahrenden Fahrzeugs, das aktuelle Wahrnehmungsvermögen des Fahrers und die Ausprägung des eigenen Sicherheitsbedürfnisses, auf welches im folgenden Zusammenhang nur kurz eingegangen wird. Eine detaillierte Diskussion des Sicherheitsbedürfnisses findet sich in Kapitel 4.3.
Die beiden wohl bekanntesten Faustregeln zur Einstellung eines angemessenen Abstands im Straßenverkehr, „Halber Tacho in Meter“ und die „2-Sekunden-Methode“20, implizieren, dass Abstände zu den gefahrenen Geschwindigkeiten proportional seien. Nach Wiedemann (1974) wird dies jedoch so in der Realität nicht praktiziert: Bei höheren Geschwindigkeiten wird mit relativ riskanteren minimalen Folgeabständen gefahren als bei geringeren Geschwindigkeiten. In der nachfolgenden Abbildung 4 sind die mittleren minimalen Folgeabstände nach Wiedemann (1974), im Vergleich zu jenen fiktiven Abständen dargestellt, welche sich aus einer exakten Orientierung an den beiden Faustregeln ergeben würden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Mittlerer minimaler Folgeabstand des Fahrers I bei geringer Differenzgeschwindigkeit und in Abhängigkeit von der Größe seines Sicherheitsbedürfnisses ZF1(I). Je größer das Sicherheitsbedürfnis, um so größer ist die Kenngröße ZF1(I), welche Werte zwischen 0 und 1 annehmen kann. Der Abstand wird gegen die Geschwindigkeit v aufgetragen. AX bezeichnet den gewünschten Bruttoabstand beim Stillstand. Er setzt sich aus der Länge des vorausfahrenden Fahrzeugs (4,5m) und einem normalverteilten Puffer (1-3m) zusammen. BX beschreibt den minimalen Brutto-Folgeabstand und ergibt sich aus AX und einer von der Absolutgeschwindigkeit abhängigen Größe.
Aus der obigen Abbildung wird erkennbar, dass die von den Fahrern eingestellten Folgeabstände (Wiedemann, 1974) in Relation zur Ausprägung ihres Sicherheitsbedürfnisses erheblich von den linearen Funktionen abweichen, die sich aus einer strikten Anwendung der beiden dargestellten Faustregeln ergäben. Das zeigt, dass sich die Fahrer also nicht an diesen Regeln orientieren bzw. ihnen dies selbst bei einem stark ausgeprägten Sicherheitsbedürfnis (ZF1(I)=1; Abbildung 4) aufgrund der dargelegten Wahrnehmungsschwelle für Geschwindigkeitsdifferenzen nicht gelingt. Bei einem so großen Sicherheitsbedürfnis eines Fahrers und einer geringen Differenzgeschwindigkeit wäre nun aber ausgehend von den bisher angestellten Überlegungen zu vermuten, dass ein solcher Fahrer mit Hilfe seines Tachometers zumindest annähernd einen Folgeabstand nach einer der beiden Faustregeln einstellen kann. Eylert (1981) argumentiert, dass viele Fahrer die ihnen bekannten Faustregeln nicht umsetzen können, da ihnen die auf der Fahrbahn oder am Fahrbahnrand befindlichen Orientierungsmarken in ihren Abmessungen nicht oder nur unzureichend bekannt sind. Nur wenige Autofahrer kennen nach Eylert (1981) den Abstand der Leitpfosten oder die Länge der weißen Fahrbahnmittenmarkierung auf Bundesautobahnen. Dadurch fehlen den Fahrern zentrale Informationen, um die Faustregeln korrekt umsetzen zu können. Dem Fahrer bleibt nur noch übrig, den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug ohne Orientierungsmarken abzuschätzen, was ihm jedoch nicht sehr gut gelingt, wie schon die vorangestellten Überlegungen zeigten. Andere Untersuchungen haben bestätigt, dass neben einer unzulänglichen Wahrnehmung von Geschwindigkeitsdifferenzen auch die Entfernungsschätzung der Fahrer fehlerbehaftet ist: Bei einer Eigengeschwindigkeit von ungefähr 80 km/h wird der Abstand zum vorausfahrenden PKW um rund 40 Prozent überschätzt (Deutscher Verkehrssicherheitsrat, 1995).
Becke (1994) konnte in einer Feldstudie nachweisen, dass bei der Abstandsschätzung, entsprechend zur Schätzung von Geschwindigkeitsdifferenzen, der absolute Fehler mit zunehmendem Abstand wächst. Harte und Harte (1976) erhielten bereits in ihren Studien ähnliche Ergebnisse und vermuteten, dass die Schätzfehler abhängig von verfügbaren Hinweisreizen (z.B. Bäume in Straßennähe) aus der Umgebung sind. Keller und Hampe (1979) führten Querschnittsstudien zur Abstandsregelung auf Bundesautobahnen durch und ermittelten so die Verteilungen der Abstände bei verschiedenen Geschwindigkeiten. Wieder zeigte sich, dass mit zunehmender Geschwindigkeit der Abstand immer weniger ansteigt, so dass besonders bei hohen Geschwindigkeiten ein viel zu geringer Abstand eingehalten wird. Das Gefährdungspotential derart unzureichender Folgeabstände v.a. bei hohen Geschwindigkeiten wird dadurch noch verstärkt, dass ein Fahrer u.U. eine relativ hohe Reaktionsdauer besitzt: Die Zeitspanne zwischen dem Wahrnehmen eines bestimmten Signalreizes und dem Beginn der darauffolgenden Handlung ist inter- und auch intraindividuell verschieden und kann, abhängig von persönlichen und äußeren Umständen zwischen 0,3 und 1,7 Sekunden liegen. Nach Eylert (1981) gehen viele Fahrer davon aus, dass ihre Reaktionszeit nur zwischen 0,3 und 0,5 Sekunden schwankt, da sie z.B. solche Ergebnisse in Reaktionszeitmessungen erzielten. Dadurch wird das eigene Reaktionsvermögen im realen Straßenverkehr aber z.T. erheblich überschätzt, da solche Messergebnisse immer aus einer hohen Erwartungsspannung der Testperson resultieren, die im Straßenverkehr jedoch nicht ununterbrochen in einer so großen Ausprägung gezeigt werden wird. Im Zusammenhang mit geringen Folgeabständen führt die Überschätzung der Reaktionsdauer zu der Annahme, dass viele Fahrer eine unzutreffende Bewertung des mit geringen Abständen verbundenen Gefahrenrisikos vornehmen. In Verbindung mit ihren in diesem Kapitel dargestellten eingeschränkten perzeptiv- motorischen Fähigkeiten, können so gefährlich kurze Folgeabstände resultieren, wie sie auf den Autobahnen immer häufiger zu beobachten21 sind. Im nachfolgenden Kapitel soll nun die Bedeutung der motivational-emotionalen Funktionen für die Abstandsregelung ausführlicher diskutiert werden.
4.3 Relevante Aspekte des motivational-emotionalen Funktionsbereichs
Im Modell der Abstands- und Geschwindigkeitsregelung nach Bösser (1987) (Abbildung 2; Kapitel 4.2) bildet der motivational-emotionale Funktionsbereich die mittlere der drei Ebenen menschlicher Funktionsbereiche. Im diesem Zusammenhang wurde bereits dargelegt, dass die motivationalen und emotionalen Prozesse einen entscheidenden Anteil an der Generierung der Sollwerte für die Abstandsregelung besitzen. Die aktuellen und überdauernden Motive des Fahrers und sein momentaner emotionaler Zustand wirken moderierend auf seinen Entscheidungsprozess ein, welchem u. a. schon mehr oder weniger fehlerbehaftete Schätzwerte der perzeptiv-motorischen Ebene zugrunde liegen, wie im vorangegangenen Kapitel gezeigt wurde. Einen ersten Eindruck davon, wie stark dabei der Einfluss der Motive und Emotionen des Fahrers auf die Einstellung seines Folgeabstands zum vorausfahrenden Fahrzeug ist, vermittelte Abbildung 4: In Abhängigkeit von der Stärke der Ausprägung seines Sicherheitsbedürfnisses zeigen sich im Modell Wiedemanns (1974) erhebliche interindividuelle Unterschiede bei der Einstellung des minimalen Folgeabstands, den ein Fahrer mindestens zum vorausfahrenden Fahrzeug einhalten möchte. Da bei höheren Geschwindigkeiten selbst Fahrer mit einem sehr starken Sicherheitsbedürfnis aufgrund ihrer fehlerbehafteten perzeptiv-motorischen Fähigkeiten oft mit relativ geringen Abständen folgen, stellt sich die Frage, wie einer zusätzlichen Potenzierung solcher ohnehin gefährlichen Verkehrssituationen aufgrund eines mangelhaft ausgeprägten Sicherheitsbedürfnisses entgegengetreten werden kann.
Seit wenigen Jahren finden eine Vielzahl von verkehrssicherheitstechnischen Innovationen zunehmend Einlass in den Straßenverkehr, die den Fahrer bei der Quer- und Längsregelung seines Fahrzeugs sinnvoll unterstützen können und somit dazu beitragen sollen, kritische Situationen im Straßenverkehr zu verhindern oder diese zumindest in ihrer Quantität und Qualität abzuschwächen. Als Beispiel sei hier das Active Cruise Control System bzw. Intelligent Cruise Control System genannt, das in vielen Limousinen der Oberklasse bereits Serienreife erlangt hat und das über eine Teilautomatisierung der Abstands- und Geschwindigkeitsregelung dem Fahrer hilft, Eigengeschwindigkeit und Abstand in Abhängigkeit vom vorausfahrenden Verkehr zu regeln. Die zunehmende Verbreitung derartiger Fahrerassistenzsysteme trägt jedoch nicht per se zu einer Optimierung der Straßenverkehrssicherheit bei: Einerseits sind diese Systeme noch lange nicht so ausgereift, dass sie alle relevanten Aspekte des komplexen Konstrukts Fahrerumwelt in ihre Berechnungen z.B. bezüglich der Geschwindigkeitsregelung miteinbeziehen könnten. Andererseits wäre eine vollständige Automatisierung der Fahrzeuge auch gar nicht sinnvoll und vom Fahrer überdies nicht erwünscht, so dass auch weiterhin die motivationalen, emotionalen und kognitiven Voraussetzungen der Verkehrsteilnehmer die Sicherheit im Straßenverkehr entscheidend mitprägen werden: Eine objektiv gefährliche Verkehrssituation wird erst nach einer im Prozess der Informationsverarbeitung erfolgten Situationsinterpretation vom Fahrer auch subjektiv als solche erkannt. Nur eine subjektiv als gefährlich bewertete Situation veranlasst den Fahrer, auch tatsächlich eine Verhaltenskorrektur bzw. Verhaltensanpassung an die aktuellen situativen Bedingungen vorzunehmen. Maßnahmen zur Optimierung der Verkehrssicherheit können nur dann erfolgreich sein, wenn sie auch die motivationalen und emotionalen Determinanten und Mechanismen menschlicher Informationsverarbeitung berücksichtigen.
Eine zentrale Rolle bei der individuellen Steuerung des Verkehrsverhaltens spielt die bereits angesprochene subjektive Bewertung der Sicherheit der aktuellen Verkehrssituation oder, anders formuliert, die persönliche Einschätzung des Risikos, das mit einer bestimmten Verhaltensweise oder Handlung verbunden ist. Klebelsberg (1979) weist darauf hin, dass das Fahrverhalten stets ein Risikoverhalten impliziere, da jede Verkehrssituation eine potentielle Risikosituation darstelle.
Wilde (1982) vermutet nun, dass Fahrer in Abhängigkeit von der Ausprägung ihres Sicherheitsbedürfnisses bewusst Risiken eingehen: So behauptet er in seiner Theorie der Risikohomöostase, dass das wahrgenommene Risiko durch eine riskantere Fahrweise an das akzeptierte Niveau angeglichen wird, falls ersteres noch geringer als das persönlich akzeptierte Risiko ist, welches somit eine Konstante darstellt. Wildes (1982) Modell kann als Motivations- und Kognitionsmodell verstanden werden. Die nachfolgende Abbildung (Abbildung 5) zeigt, wie verschiedene Komponenten des Fahrers und der Umwelt bei diesem Modell der Risikokompensation nach Wilde (1982) zusammenwirken.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 5: Das Risikokompensationsmodell nach Wilde (1982). (Die Beschriftungen 1 — 17 werden im Text erläutert.)
Folgende Teilfunktionen sind nun im Modell enthalten (Wilde, 1982):
Aufgrund der Informationen, die der Fahrer aus der Umgebung über die nähere Umwelt, die eigenen Fahrmanöver und die der anderen Verkehrsteilnehmer aufnimmt (1- 5), antizipiert er fortlaufend ihm möglich erscheinende Alternativen der Zustandsänderungen bei den anderen und beim eigenen Fahrzeug (6) und überprüft diese über einen Regelkreis (7). Daraus leitet der Fahrer das aktuelle Niveau der subjektiv geschätzten Gefährlichkeit ab (8) und vergleicht dieses mit dem personspezifisch akzeptierten Risikoniveau (10), um im nächsten Schritt über ihm geeignet erscheinende Manöver das aktuelle dem akzeptierten Risikoniveau anzugleichen (11-13). Damit schließt sich der Risikokompensations-Regelkreis. Die Theorie der Risikohomöostase ist allerdings äußerst umstritten (vgl. hierzu Huguenin, 1988).
Unabhängig davon kann Abbildung 5 jedoch auch zur Veranschaulichung des Zustandekommens der personspezifischen Ausprägung des Risikos herangezogen werden, welches ein Fahrer in einer bestimmten Verkehrssituation subjektiv wahrnimmt22 : Neben den bereits angesprochenen aufgenommenen Informationen der näheren Umwelt (1-4) und den resultierenden antizipierten Alternativen (6) zeigen sich Einflüsse von drei weiteren Teilfunktionen menschlichen Verhaltens (15-17), deren Bedeutung im folgenden kurz erläutert werden soll:
- Der Zustand des kognitiven Systems (15) beinhaltet die über die Zeit relativ stabilen Fähigkeiten und Fertigkeiten des Fahrers, die fahrtspezifische kognitive Leistungsfähigkeit und den aktuellen kognitiven Zustand des Fahrers. Der Zustand des kognitiven Systems des Fahrers wirkt sich unmittelbar auf seine Informationsaufnahme, seine Antizipationen bzgl. möglicher Zustandsänderungen und sein wahrgenommenes Risiko aus. Eine detaillierte Erörterung des kognitiven Funktionsbereichs des Fahrers erfolgt in Kapitel 4.4.
- Der Zustand des motivationalen Systems (16) lässt sich wieder entsprechend in zeitübergreifende, fahrtspezifische und aktuelle Komponenten untergliedern. Zum Beispiel kann ein überdauerndes Bedürfnis nach Stimulation oder fahrtspezifischer Zeitdruck zu einem verringerten Risikoempfinden führen, ein situationsübergreifendes starkes Sicherheitsbedürfnis wird dahingegen die Risikoeinschätzung in umgekehrter Richtung beeinflussen. Auch aktuelle Ereignisse, wie z.B. Ärger über einen anderen Verkehrsteilnehmer, können den Fahrer dazu veranlassen, bei seiner aktuellen Fahrt ein größeres bzw. geringeres Risiko einzugehen, da sein emotionaler Zustand sein Risikoempfinden beeinflusst hat. Auf diese Aspekte wird im Folgenden noch ausführlich eingegangen.
- Eine Vielzahl personspezifischer zugrundeliegender Variablen (17) beeinflussen schließlich ihrerseits den Zustand der kognitiven und motivationalen Teilsysteme. Hierzu gehören zeitlich überdauernde Fahrermerkmale, wie z.B. stabile Persönlichkeitsmerkmale, kulturelle Verhaltensnormen, das Alter, Geschlecht oder auch die physische und psychische Gesundheit des Fahrers. Fahrtspezifisch kann sich z.B. der Zweck der Fahrt oder das Müdigkeitsniveau auf den kognitiven und motivationalen Zustand des Fahrers und dadurch u.a. auch auf sein wahrgenommenes und akzeptiertes Risiko auswirken. Befunde zum Einfluss dieser zugrundeliegenden Variablen auf das Fahrverhalten und die Risikowahrnehmung werden ebenfalls im Nachfolgenden dargestellt.
Zunächst soll hierzu das Sicherheitsbedürfnis, das u.a. im Zusammenhang mit den Erläuterungen zu den Abbildungen 4 und 5 angesprochen wurde, und seine Bedeutung für das Fahrverhalten und die subjektive Situationsbeurteilung des Fahrers genauer aufgeschlüsselt werden.
Im Rahmen eines Projekts der Bundesanstalt für Straßenwesen zur Ermittlung von Kenngrößen subjektiver Sicherheitsbewertung (Holte, 1994) wurde ein Modell entwickelt, nach dem die individuelle Steuerung des Verkehrsverhaltens vor allem von zwei Faktoren abhängt: Zum einen spielt ein relativ stabiles, einstellungsähnliches Konstrukt hierbei eine entscheidende Rolle, welches sich als situationsübergreifendes Sicherheitsbedürfnis definieren lässt; zum anderen wirkt aber auch noch eine situationsbezogene Bewertung der eigenen Sicherheit mit ein.
- Die interindividuellen Unterschiede bzgl. des situationsübergreifenden Sicherheitsbedürfnisses können demnach durch die Komponenten Affekt, Kognition und Verhaltensdisposition erklärt werden. Eine Befragung von Verkehrsteilnehmern im Rahmen jenes Projekts (Holte, 1994) bestätigte dabei die allgemein gängige Einschätzung, dass Männer im Straßenverkehr eine deutlich größere Risikobereitschaft als Frauen zeigen. Zudem zeigte sich eine Interaktion zwischen Schulbildung und Lebensalter: Jüngere Fahrer mit niedrigem Bildungsstand zeigen eine deutlich höhere Risikobereitschaft als alle übrigen Gruppen. Die situationsübergreifende Bewertung der eigenen Sicherheit ergibt sich dann aus der subjektiven Norm und der individuellen Bedeutung des Autos (Holte, 1994).
- Die interindividuellen Differenzen bzgl. der situationsbezogenen subjektiven Bewertung der eigenen Sicherheit resultieren aus der Fahrerfahrung und der vom Fahrer antizipierten Verhaltensintention seiner Freunde. Das situationsbezogene subjektiv eingegangene Risiko und die Verhaltensintention wurden ebenfalls von Holte (1994) erhoben. Es zeigten sich keine Geschlechts-, Alters- und Bildungsunterschiede. Das subjektive Risiko, das der Fahrer tatsächlich aktuell eingeht, ist vor allem vom Streckentyp und der Anwesenheit eines Mitfahrers abhängig.
Stellt man diesem Modell (Holte, 1994) das zu Beginn von Kapitel 4.2. erwähnte Modell des Verkehrsflusses nach Wiedemann (1974) gegenüber, so fällt zunächst auf, dass Wiedemann (1974) den Fahrer auch über sein Sicherheitsbedürfnis kennzeichnet, welches als das Produkt der beiden hier dargestellten fahrerspezifischen Sicherheitsfaktoren betrachtet werden kann. Wiedemann (1974) nennt jedoch auch noch weitere relevante Parameter, wie z.B. die Wunschgeschwindigkeit, den Wunschabstand und den akzeptierten Minimalabstand des Fahrers. Aus Abbildung 4 wurde bereits deutlich, wie stark der Wunschabstand und der akzeptierte Minimalabstand eines Fahrers von seinem Sicherheitsbedürfnis beeinflusst werden. Da die individuelle Ausprägung des Sicherheitsbedürfnisses selbst nun wieder von einer Vielzahl personspezifischer Variablen abhängig ist23, sollten sich auch Zusammenhänge zwischen individuell präferiertem Folgeabstand und solchen personspezifischen Variablen aufzeigen. Evans und Wasielewski (1983) konnten so in ihren Untersuchungen nachweisen, dass zum einen mit zunehmendem Alter die Folgeabstände immer größer werden und zum anderen Männer einem vorausfahrenden Fahrzeug durchschnittlich in kürzeren Abständen folgen als Frauen. Der Vergleich mit Holtes (1994) Ergebnissen zum situationsübergreifenden Sicherheitsbedürfnis zeigt die erwartete Übereinstimmung und bekräftigt die Vermutung eines starken Zusammenhangs zwischen der individuellen Ausprägung des überdauernden Sicherheitsbedürfnisses und der Einstellung des Folgeabstands. Ohta (1993) konnte weiterhin feststellen, dass Fahrer, die vorausfahrenden Fahrzeugen in unterdurchschnittlich kurzen Abständen folgen, affektiv labiler und weniger sicherheitsbewusst als der durchschnittliche Fahrer sind. All diese Ergebnisse weisen also deutlich auf große interindividuelle Unterschiede bei der Abstandswahl für Folgevorgänge hin. In Hinblick auf die Ergebnisse der vorliegenden Studie ist somit zu erwarten, dass diejenigen Fahrer, die selbst große Abstände beim Folgen wählen, sich auch schon bei größeren Abständen gefährdet fühlen, in denen ihnen ein anderes Fahrzeug folgt, als dies bei Fahrern der Fall sein sollte, die selbst in relativ kleinen Abständen folgen.
Hinsichtlich des Parameters Wunschgeschwindigkeit ist ein ähnlich großer Einfluss des persönlichen Sicherheitsbedürfnisses zu erwarten, wie ihn die obigen Erörterungen für den Parameter personspezifischer Folgeabstand vermuten lassen. Wiedemann (1974) argumentiert, dass die Annahme einer über die Strecke konstanten Wunschgeschwindigkeit problematisch sei, weil mit zunehmender Zahl und Dauer von Behinderungen der Wunsch des Fahrers nach dem Aufholen der resultierenden Verspätungen eine immer größere Rolle spielen müsste. Demzufolge müsste die Wunschgeschwindigkeit eine ständig steigende Größe darstellen, die durch die situativen Bedingungen der Fahrerumwelt einer oberen Grenze zustrebt. Das situationsübergreifende Sicherheitsbedürfnis des Fahrers und seine damit verbundene situationsbezogene subjektive Bewertung der eigenen Sicherheit mindern jedoch die Bedeutung des Parameters Wunschgeschwindigkeit interindividuell unterschiedlich stark ab. So kann z.B. der Absicht des Fahrers, möglichst nah auf das vorausfahrende Fahrzeug der Überholspur einer Autobahn aufzufahren, um somit den eigenen Überholwunsch anzuzeigen und danach seine Wunschgeschwindigkeit wieder einstellen zu können, das eigene Sicherheitsbedürfnis entgegenstehen, durch das der Fahrer der angestrebten Verhaltensweise ein unverhältnismäßig großes Gefährdungsrisiko zuschreibt.
Das Zusammenwirken zwischen dem subjektiv wahrgenommenen aktuellen Risiko und der Geschwindigkeitsregelung eines Fahrers versucht Taylor (1964) in seinem Risiko- Geschwindigkeitsmodell aufzuzeigen. Danach wird die Geschwindigkeit um so weiter reduziert, je stärker der Fahrer das subjektive Risiko wahrnimmt. Nach Taylor (1964) wird dabei das Produkt aus subjektiv wahrgenommenem Risiko und Geschwindigkeit stets konstant gehalten. Eine generelle Gültigkeit dieses einfachen Zusammenhangs kann allerdings nicht angenommen werden, da es zumindest Ausnahmen vom Modell gibt, wie z.B. der Versuch eines Fahrers, einer kritischen Verkehrssituation durch Geschwindigkeitserhöhung zu entkommen. Denkbar wäre beispielsweise ein Überholvorgang auf einer Autobahn, währenddessen sich der Fahrer durch einen dicht auffahrenden, nachfolgenden Verkehrsteilnehmer gefährdet fühlt.
Dieses Beispiel führt zu einem weiteren Aspekt des Folgeverhaltens und der subjektiven Beurteilung von Folgevorgängen, der hier bisher nur am Rande erwähnt wurde: Gibt es bestimmte Fahrer-Umwelt-Konstellationen, die einen nachfolgenden Fahrer dazu veranlassen, „aggressives“ Folgeverhalten zu zeigen und lässt sich ein Folgevorgang, der von einem der beiden beteiligten Fahrern als „aggressiv“ beurteilt wird, überhaupt objektiv von einem solchen unterscheiden, den dieser Fahrer als „gefährlich“ bezeichnet? Bösser (1980) versuchte anhand mehrerer Untersuchungen aufzuzeigen, wodurch ein „aggressiver“ Annäherungs- und Folgevorgang gekennzeichnet ist und wie er sich von „normalen“ und „gefährlichen“ Annäherungs- und Folgevorgängen abgrenzen lässt. Als „aggressiv“ werden hierbei Situationen definiert, die durch geringe Abstände zwischen den Fahrzeugen, hohe Annäherungsgeschwindigkeiten und mangelnde Anpassung an veränderte Verkehrsbedingungen gekennzeichnet sind. Dabei sei nach Bösser (1987) maßgebend, ob sich der beteiligte Verkehrsteilnehmer vom „aggressiven“ Fahrer durch dessen Verhalten in einer solchen Situation bedroht fühlt.
Bösser (1980) untersuchte in einer Feldstudie mit einem instrumentierten Versuchswagen die auslösenden Bedingungen und den Ablauf solcher aggressiver und gefährlicher Verhaltensweisen auf Autobahnen. Da sich aus versuchsplanerischer Sicht ein Teilbereich der Untersuchung der vorliegenden Diplomarbeit an dieser Studie von Bösser (1980) orientiert, soll im Folgenden kurz auf die entsprechenden methodischen Aspekte und die relevanten Ergebnisse von Bössers (1980) Feldstudie eingegangen werden.
Die Versuche fanden auf einem wenig befahrenen Teilstück einer Bundesautobahn statt. Aufgabe der Versuchspersonen war es, mit einer maximalen Geschwindigkeit von 160 km/h ein in einem Kilometer Abstand vorausfahrendes Fahrzeug einzuholen, welches konstant 120 km/h fuhr. Diesen Annäherungsvorgang hatte jeder Proband sechs mal durchzuführen, wobei er je zweimal instruiert wurde, sich dabei „normal“, „gefährlich“ und „aggressiv“ zu verhalten.24 Als Probanden verwendete Bösser (1980) acht männliche, erfahrene Autofahrer zwischen 22 und 34 Jahren. Die Ergebnisse der Studie weisen zusammenfassend darauf hin, dass ein derartiges aggressives Verhalten auf keine außergewöhnlichen Fahrer-Umwelt-Konstellationen zurückgeführt werden kann. Vielmehr kann ein solches Verhalten bereits in Situationen gezeigt werden, die beim zufallsbedingten Ablauf des Straßenverkehrs unvermeidlich sind, z.B. bei einer Verdichtung des Verkehrs und der damit verbundenen Anforderung an den Fahrer, seine Geschwindigkeit an die neuen Verkehrsbedingungen anzupassen.
Das beobachtete aggressive Verhalten der Fahrer zeichnete sich durch eine mangelnde, meist zu spät erfolgte Anpassung der vom Fahrer selbst bestimmten Sollwerte für Abstand und Geschwindigkeit an die veränderten Verkehrsbedingungen aus. Es wird vermutet, dass diese Form aggressiven Verhaltens im Straßenverkehr hauptsächlich durch den Wunsch nach Vermeidung unkomfortabler Bremsvorgänge motiviert ist. Es handelt sich also hier maßgeblich um mangelnde Rücksichtnahme, die schlicht aus einer Bequemlichkeit resultiert oder die als Mittel der Kommunikation zur Verdeutlichung der eigenen Absichten eingesetzt wird. Somit muss nach Ansicht Bössers (1980) davon ausgegangen werden, dass solche „aggressiven“ Verhaltensweisen einen alltäglichen Aspekt des Verhaltens auf deutschen Autobahnen darstellen, die jedoch situations- und personspezifisch unterschiedlich häufig auftreten.
Aufgrund objektiver Messdaten gelang eine klare Abgrenzung „normaler“ Annäherungs- & Folgevorgänge von „aggressiven“ bzw. „gefährlichen“. „Aggressives“ Verhalten in solchen Situationen ließ sich jedoch nicht eindeutig von „gefährlichem“ Verhalten trennen. Nach Bösser (1980) ist solches „aggressives“ bzw. „gefährliches“ Verhalten bei der Annäherung an ein vorausfahrendes Fahrzeug dadurch charakterisiert, dass der folgende Fahrer den Annäherungsvorgang später als „normal“ einleitet, er also die Geschwindigkeit erst bei einer geringeren Entfernung reduziert. Der Autor schreibt solchen Annäherungsvorgängen selbst bereits eine Kommunikationsfunktion im Sinne der Übermittlung einer bestimmten Absicht, nämlich des Wunsches zu überholen zu, auch ohne dass der Fahrer diese Absicht durch die Verwendung von Hupe, Lichthupe oder Blinker verdeutlicht. Der vorausfahrende Fahrer interpretiere nun diese Verwendung des dicht Auffahrens als Signalmittel als eine vom nachfolgenden Fahrer beabsichtigte Aggression und Gefährdung.
Die Art der Beurteilung einer bestimmten Verkehrssituation hängt nach Bösser (1980) somit auch entscheidend von der Rolle des Urteilenden in der Verkehrssituation ab. Aus den qualitativ unterschiedlichen Perspektiven „Aggressor“ bzw. „Opfer“ resultieren demnach also qualitativ und quantitativ unterschiedliche Bewertungen der gleichen Verkehrssituation. Entsprechend argumentiert auch Ellinghaus (1994), der solchen nachfolgenden Fahrern nur selten eine „aggressive Gesinnung“ zuschreibt. Häufiger sei davon auszugehen, dass ein bestimmtes Verhalten des vorausfahrenden Verkehrsteilnehmers erwartet wird, wie z.B. ein schnelles Verlassen der Überholspur, wodurch keine Gefahrensituation entstehen würde. Verhält sich der vorausfahrende Fahrer nun aber nicht gemäß der Erwartungen des nachfolgenden Verkehrsteilnehmers, so kann ersterer das „ökonomische“, aber riskante Verhalten des anderen Beteiligten als „aggressiv“ empfinden. Da somit dem nachfolgenden Fahrer keine schädigende Absicht zugeschrieben werden kann, erscheint die weitere Verwendung des Begriffs „aggressiv“ für die spezifischen, hier betrachteten Vorgänge im Straßenverkehr von zweifelhaftem Wert.
In einer weiteren Untersuchung (Bösser, 1987) sollten die Probanden mittels Fragebogen bzw. Filmmaterial verschiedene Verkehrssituationen, die Annäherungsvorgänge auf Autobahnen beschrieben, bezüglich der Aspekte „gefährlich“, „aggressiv“, „ängstlich“ und „behindernd“ beurteilen. Die dargestellten Situationen unterschieden sich hinsichtlich Perspektive (Opfer/ Angreifer), Minimalabstand, Annäherungsgeschwindigkeit und Verwendung von Lichthupe und Blinker. Auch in dieser Fragebogenuntersuchung zeigte sich, dass die Begriffe „gefährlich“ und „aggressiv“ weitestgehend äquivalent verwendet wurden. Nur Situationen, in denen der Fahrer zusätzlich zu den Gefährdungsbedingungen auch durch geeignete Zeichengebung (Lichthupe, Blinker links) auffiel, wurden bevorzugt als „aggressiv“ bezeichnet. Bezüglich der beschriebenen Annäherungsgeschwindigkeiten und Folgeabstände ergaben sich jedoch keine Unterschiede in der Verwendung der Termini „aggressiv“ bzw. „gefährlich“. Die Beurteilung des Filmmaterials weist zusätzlich darauf hin, dass es große interindividuelle Unterschiede hinsichtlich der Intensität gibt, in der ein Verhalten gezeigt werden muss, um es als „aggressiv“ bzw. gefährlich zu empfinden. Diese personspezifischen Unterschiede in den Beurteilungen konnten von Bösser (1987) nicht auf soziodemographische Merkmale der Probanden zurückgeführt werden.
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass die motivationalen Funktionen und die personspezifischen zugrundeliegenden Variablen des Fahrers dessen Folgeverhalten und subjektive Beurteilung von Folgeabständen in erheblichem Maße mitbestimmen und zu großen interindividuellen Unterschieden in diesem Bereich führen.
Gefährliche Folgevorgänge, die der vorausfahrende Fahrer als „aggressiv“ empfindet, scheinen vor allem aus „bequemlichkeitsgeleiteten“ Anpassungsprozessen beim Übergang zwischen verschiedenen Verkehrssituationen zu resultieren und beim nachfolgenden Fahrer in der Regel ohne außergewöhnliche emotionale Beteiligung abzulaufen. Da die potentiell schädigende und gefährdende Eigenschaft eines solchen Verhaltens nicht oder nur selten zu den funktionalen Eigenschaften des Verhaltens zu gehören scheint, sollte das Verhalten vielmehr durch seine Zielsetzungen und Funktionen gekennzeichnet werden. Dies könnte experimentell beispielsweise über die Erfassung bzw. verbale Instruktion der Ausprägung des Überholwunschs bei solchen Folgevorgängen geschehen.
4.4 Relevante Aspekte des kognitiven Funktionsbereichs
Die informationsverarbeitenden oder kognitiven Prozesse stellen nach Bössers (1987) Modell der Abstands- und Geschwindigkeitsregelung (Abbildung 2) die oberste der drei Ebenen menschlicher Funktionsbereiche dar. Diese Prozesse verlaufen parallel zu den motivational-emotionalen Prozessen der mittleren Ebene (Bösser, 1987). Die Erläuterungen des vorherigen Kapitels haben gezeigt, dass Motive und Einstellungen des Fahrers und deren zugrundeliegende personspezifische Variablen in erheblichen Maße moderierend auf die kognitiven Entscheidungsprozesse des Fahrers einwirken oder gar für diese hauptursächlich sein können. Alle einer Entscheidung zugrundeliegenden Basisinformationen über die aktuelle Verkehrssituation müssen zunächst die perzeptiv- motorische Ebene durchlaufen. In Kapitel 4.2 wurde dargelegt, dass dem Fahrer bereits auf dieser untersten Ebene menschlicher Funktionsbereiche z.T. gravierende Fehler unterlaufen können, beispielsweise bei der Schätzung des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug. Solche Schätzfehler können dann zu schwerwiegenden Fehlentscheidungen beitragen.
Die zentrale Funktion der kognitiven Prozesse ist also die informationsabhängige Bestimmung der Situationsstruktur und die darauf aufbauende Auswahl von Verhaltensalternativen. Der Entscheidungsprozess des Fahrers beinhaltet somit die aktive Auswahl der von ihm als relevant erachteten Eingangsgrößen und die resultierende Entscheidung für einen als geeignet erachteten Betriebsmodus. In Hinblick auf die Abstands- und Geschwindigkeitsregelung spielen die kognitiven Prozesse weiterhin auch eine entscheidende Rolle als Kontrollinstanz, die das gezeigte eigene Verhalten fortlaufend überprüft, um sofort Korrekturmaßnahmen einleiten zu können, wenn z.B. ein Annäherungsvorgang subjektiv gefährlicher als ursprünglich erwartet verläuft. Diese Überwachungsfunktion des kognitiven Funktionsbereichs wurde bereits in Kapitel 4.1.2 u.a. über den Ansatz der TOTE-Einheit (Miller, Galanter & Pribram, 1960) und das Modell des Fahrverhaltens nach Rockwell (1972)25 angesprochen.
Die Notwendigkeit einer kognitiven Überwachungsfunktion ergibt sich bereits aus den erwähnten fehlerbehafteten Basisinformationen bzgl. der aktuellen Verkehrssituation, die über die perzeptiv-motorische Ebene in erheblichem Maße die kognitive Auswahl von Verhaltensalternativen beeinflussen. Als weitere potentielle „Fehlerquelle“ in Hinblick auf eine optimale Verhaltensentscheidung konnten die moderierend einwirkenden motivational-emotionalen Prozesse identifiziert werden. Boer (2000) zeigt nun aber weiter auf, dass auch die kognitiven Entscheidungsprozesse eines Fahrers selbst aufgrund der begrenzten Ressourcen seines Arbeitsspeichers in Verbindung mit der Komplexität des Straßenverkehrs und der Tatsache, dass ein Fahrer sein Verhalten auch oft am nur bedingt vorhersehbaren Verhalten der anderen Verkehrsteilnehmer ausrichten muss, nicht optimal verlaufen können. Ein Fahrer kann nie alle möglichen Handlungsalternativen mental repräsentieren, so dass er sich stets mit einer „angemessenen“, aber nicht notwendigerweise optimalen Entscheidung zufrieden gibt. Boer (2000) argumentiert weiter, dass ein Fahrer deshalb immer auch bewusst einen gewissen Spielraum z. B. bezüglich seines Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug akzeptiert, dessen Größe vom Zustand seines motivationalen Systems und seinem aktuellen emotionalen Befinden abhängt. Es ist zu betonen, dass sich dieser Toleranzbereich z.B. bezüglich des Folgeabstands auf den vom Fahrer wahrgenommenen Abstand bezieht. In Kapitel 4.2 wurde bereits dargelegt, dass ein Fahrer beim Folgen aufgrund seiner Wahrnehmungsschwellen für Abstände und Differenzgeschwindigkeiten in eine „tote Zone“ eintaucht, für die Pendelbewegungen um einen bestimmten Abstand charakteristisch sind. Es wäre also auch möglich, dass ein Teil dieser Pendelbewegungen vom Fahrer durchaus wahrgenommen wird, er sie aber als noch „angemessen“ akzeptiert, da er nicht um eine optimale Realisation seiner kognitiven Entscheidungen bemüht ist.
Winsum (1996) nimmt nun sogar an, dass ein Fahrer die Leistungsgrenzen seiner perzeptiven und motorischen Fähigkeiten recht gut einschätzen kann und sein mittlerer präferierter Folgeabstand zumindest teilweise ein Ergebnis seines Wissens um seine perzeptiven und motorischen Leistungsfähigkeiten ist: Ein zentrales Ergebnis eines Fahrsimulator-Experiments von Winsum war, dass Fahrer, die vorausfahrenden Fahrzeugen im Durchschnitt mit relativ geringen Abständen folgen, schneller visuelle Informationen (wie z.B. ein Aufleuchten der Bremslichter des vorausfahrenden Fahrzeugs) kognitiv verarbeiten und somit auch schneller angemessen darauf reagieren können (z.B. durch Bremsen oder Gaswegnahme) als Fahrer, die mit längeren Abständen folgen. Dies ließe sich jedoch auch dadurch erklären, dass ein in einem kurzen Abstand folgender Fahrer auf derartige visuelle Informationen ein stärkeres Maß an Aufmerksamkeit richtet, da er sich der höheren Gefahr im Vergleich zum Folgen in längeren Abständen bewusst ist. Situationsabhängige intraindividuelle Unterschiede bzgl. der messbaren Reaktionszeit eines Fahrers wären die Folge.26 Winsum (1996) konnte nun aber in Folgestudien nachweisen, dass Fahrer, die in relativ kurzen Abständen folgen, tatsächlich generell sensitiver gegenüber geringfügigen Veränderungen der Zeit bis zur Kollision (TTC) sind und ihre mechanische Krafteinwirkung auf das Bremspedal differenzierter auf die Erfordernisse der aktuellen Situation abstimmen können. Demnach könnte der individuell präferierte Abstand, für den sich ein Fahrer beim Folgen entscheidet, zumindest teilweise auch als personspezifische Anpassung an die interindividuell verschiedenen Leistungsgrenzen des perzeptiven und motorischen Funktionsbereichs verstanden werden. Damit könnte dann außerdem die Stärke der Ausprägung des personspezifischen Sicherheitsbedürfnisses zum Teil das Ergebnis des Wissens um die eigene perzeptiv-motorische Leistungsfähigkeit sein.
4.5 Ausblick auf die vorliegende Untersuchung
Die vorangehenden Überlegungen führen zu der Frage, ob die subjektive Beurteilung eigener Folgeabstände bzgl. ihrer Gefährlichkeit Zusammenhänge zu den objektiv messbar eingestellten Folgeabständen jenes Fahrers und seinem beobachtbaren Folgeverhalten (z.B. relativ konstantes Folgen oder Folgen mit großen Pendelbewegungen) aufweist. Darüber hinaus wäre von Interesse, ob der Fahrer seine Einschätzung der persönlichen perzeptiv-motorischen Leistungsfähigkeit auch als Maßstab für die Beurteilung der Gefährlichkeit des Abstandes verwendet, in welchem ihm ein anderer Verkehrsteilnehmer folgt: Ausgehend von den vorangestellten Überlegungen müsste ein erster experimenteller Zugang zur Beantwortung dieser Frage dadurch möglich sein, indem man untersucht, ob es Zusammenhänge zwischen der subjektiven Beurteilung der Gefährlichkeit bestimmter eigener Folgeabstände und der solcher Abstände gibt, in denen dem beobachteten Fahrer selbst ein anderer Verkehrsteilnehmer folgt, oder anders formuliert: Gibt es einen Einfluss der Perspektive auf die subjektive Wahrnehmung der Abstände zum vorausfahrenden bzw. nachfolgenden Verkehrsteilnehmer?27 Weiter müssten auch mögliche Zusammenhänge zwischen dem individuell präferierten und objektiv messbaren Abstand beim eigenen Folgen bzw. der ebenfalls objektiv messbaren Folgecharakteristik eines bestimmten Fahrers und der Beurteilung der Gefährlichkeit des Abstandes geprüft werden, in welchem diesem Fahrer ein anderes Fahrzeug nachfolgt. Die Ergebnisse der vorliegenden Untersuchung sollten einen Teil zur Beantwortung jener Fragen beitragen können. Derartige eventuelle Zusammenhänge wären notwendige, aber keineswegs hinreichende Voraussetzungen für die Bestätigung solcher Kausalhypothesen. Mangels einer fundierten Theorie zu diesen Aspekten der Längsregelung bleiben die Richtungen möglicher Kausalwirkungen freilich weiterhin unbekannt28.
5 Methodik
In diesem Kapitel wird die Methodik der mehrphasigen Untersuchung ausführlich erörtert. Im nachfolgenden Abschnitt wird zunächst die Operationalisierung der Versuchsfaktoren aufgezeigt. Daran schließt sich eine detaillierte Beschreibung des Versuchsplans an.
Im Weiteren werden die unabhängigen Variablen der Untersuchung, sowie die erhobenen abhängigen Variablen, die teilnehmenden Versuchsgruppen und die getroffenen Vorkehrungen zur Kontrolle von Störvariablen genau dargelegt.
Es wird aufgezeigt, wie die Durchführung der Untersuchung in mehreren Phasen im einzelnen erfolgt und welche Fahraufgaben die Versuchspersonen in diesen Phasen haben.
Abschließend wird auf die Auswertungsmethoden eingegangen, die zur Ermittlung der im nächsten Kapitel dargestellten Ergebnisse herangezogen werden.
Um das Verständnis der nachfolgenden Ausführungen zu erleichtern, wird hier zunächst ein kurzer Überblick über die Zielsetzungen der insgesamt vier Versuchsphasen gegeben. Davon ausgehend werden die drei Teilversuche der Untersuchung schematisch dargestellt. In Phase 1 absolvieren die Versuchspersonen eine kurze Trainingsfahrt, um ihr Wissen um die Bedienung und Übertragungseigenschaften des Fahrsimulators wieder aufzufrischen29 und sie mit der Versuchsstrecke, einer zweispurigen Autobahnsimulation, vertraut zu machen.
Darauf folgt Phase 2, in welcher die Fahrer unter variierten Bedingungen mehrere Annäherungsvorgänge mit jeweils anschließendem kurzem Folgen des vorausfahrenden Fahrzeugs durchführen. Diese Phase stellt einen Vorversuch dar und dient v.a. der Erfassung interindividueller Unterschiede im Annäherungsverhalten der acht Versuchspersonen.
In Phase 3 erfolgt die Durchführung des Versuchs I, der in zwei Teilphasen gegliedert ist: In Phase 3a sollen die Versuchspersonen ihnen unmittelbar nachfolgende Fahrzeuge hinsichtlich des Folgeabstands und der Folgecharakteristik bei unterschiedlichen Eigengeschwindigkeiten und wechselnden Differenzgeschwindigkeiten zu den Fahrzeugen auf der rechten Fahrspur beurteilen. Großteils entsprechend zu Phase 3a haben die Fahrer in der nachfolgenden Phase 3b unterschiedliche festgelegte Abstände zu beurteilen, in denen sie selbst einem andern Fahrzeug folgen.
Im zweiten Termin der Untersuchung wird Versuch II durchgeführt, welcher in Hinblick auf die gesamte Untersuchung Phase 4 darstellt: Zunächst sollen die Versuchspersonen in Phase 4a über Betätigen von Gaspedal und Bremse den Abstand zu einem mit konstanter Geschwindigkeit folgenden Fahrzeug gemäß akustischer Instruktion einstellen. In Phase 4b haben sich die Fahrer schließlich ebenfalls nach Instruktion an ein vorausfahrendes Fahrzeug anzunähern und ihren Folgeabstand entsprechend jener Instruktion einzustellen.
Die nachfolgende Abbildung 6 veranschaulicht den zeitlichen Ablauf der Untersuchung unter Einbeziehung der vier Phasen und der ihnen zugeordneten drei Versuche.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 6: Zeitlicher Ablauf der vierphasigen Untersuchung (eine Trainingsphase und drei Teilversuche)
Versuch I (Phase 3) unterscheidet sich von Versuch II (Phase 4) im methodischen Zugang, inhaltlich sind die beiden Versuche jedoch durchaus vergleichbar: In den Teilphasen 3a und 3b des Versuchs I wird die Methode des Beurteilungsverfahrens gewählt, um den Zusammenhang zwischen bestimmten eingestellten Abständen und dem subjektiven Urteil der Versuchspersonen bzgl. Gefährlichkeit oder Überholintention bei solchen Abständen zu bestimmen und um u.a. die Einflüsse bestimmter Situationsfaktoren und der Perspektive auf das diesbezügliche Empfinden zu ermitteln.
Im Vergleich dazu werden die Versuchspersonen in Versuch II mit seinen Teilphasen 4a und 4b gewissermaßen mit der gegenteiligen Aufgabe konfrontiert, indem hier die Methode des Herstellungsverfahrens angewendet wird: Im Gegensatz zu Versuch I sollen nun die Versuchspersonen selbst einen Abstand einstellen, der nach ihrem subjektiven Empfinden einer bestimmten instruierten Ausprägung bzgl. Gefährlichkeit oder Überholintention am nächsten kommt.
Über den Zugang zu den Untersuchungsfragen mit Hilfe dieser beiden unterschiedlichen methodischen Ansätze soll überprüft werden, ob die Wahl der Methode einen Einfluss auf die Ergebnisse einer solchen Untersuchung hat. Eine ausführliche Diskussion zu diesem Aspekt findet sich in Kapitel 5.5, in welchem auf die Vorkehrungen zur Kontrolle von Störfaktoren eingegangen wird.
Da es eines der Hauptziele des Vorversuchs (Phase 2) ist, eventuelle interindividuelle Unterschiede im Annäherungs- und Folgeverhalten zwischen den Versuchspersonen zu ermitteln, wird hier ebenfalls die Methode des Herstellungsverfahrens gewählt.
5.1 Operationalisierung der Versuchsfaktoren
Die Untersuchung ist in allen Phasen vollständig abhängig und insgesamt sechsfaktoriell. Aus methodischen Gründen, aufgrund der Ergebnisse vorangestellter Voruntersuchungen und nicht zuletzt in Hinblick auf die jeweilige Zielsetzung der einzelnen Phasen werden jedoch nicht alle sechs Faktoren in allen Phasen der Untersuchung variiert.30 Im Verlauf der gesamten Untersuchung sollen vier unabhängige Variablen jeweils zweifach und der Faktor „Abstand zum anderen PKW“ (Faktor (5.1) ) in Versuch I siebenfach variiert werden. Die beiden bzgl. des anderen methodischen Zugangs diesem Faktor inhaltlich entsprechenden Faktoren von Versuch II (Faktor (5.2a) und (5.2b) ) sollen jeweils dreifach variiert werden. Die sechs unabhängigen Variablen der Untersuchung sind
(1) die Perspektive der Versuchsperson,
(2) die Geschwindigkeit der Versuchsperson,
(3) die Geschwindigkeit der Fahrzeuge auf der rechten Spur,
(4) die Folgecharakteristik des nachfolgenden Fahrzeugs und
(5.1) der Abstand zum anderen PKW (Versuch I) bzw.
(5.2a) die Instruktion zur Einstellung des Abstands zum anderen PKW bzgl. der Gefährlichkeit (Versuch II) und
(5.2b) die Instruktion zur Einstellung des Abstands zum anderen PKW bzgl. der Überholintention (Versuch II).
Als weiterer Faktor kommt noch das Geschlecht der Probanden hinzu. Näheres zu dieser Schichtvariable findet sich in Kapitel 5.4. im Zusammenhang mit der Beschreibung der Versuchsgruppen. Im weiteren Verlauf dieses Kapitels wird die Schichtvariable Geschlecht nicht weiter berücksichtigt.
In Phase 1 erfolgt keine Variation, da hier nur eine Übungsfahrt für die Versuchspersonen stattfindet. Der Vorversuch (Phase 2) ist zweifaktoriell, der darauffolgende Versuch I der Phase 3 unvollständig fünffaktoriell, da in dessen Teilphase 3b keine Variation des Faktors (4) erfolgt. Der Grund hierfür wird im Folgenden bei der Beschreibung jenes Faktors dargelegt. Schließlich wird zum zweiten Versuchstermin noch Versuch II (Phase 4) durchgeführt, welcher unvollständig fünffaktoriell ist, da hier zum einen keine Variation des Faktors (4) stattfindet und zum anderen die beiden vergleichbaren Faktoren (5.2a) und (5.2b) nie in Kombination, sondern nur in verschiedenen Versuchsabschnitten zum Einsatz kommen. Die nachfolgende Tabelle zeigt auf, welche Faktoren in jeder Phase der Untersuchung variiert werden (Tabelle 2).
Tabelle 2: Überblick darüber, welche Faktoren in den einzelnen Phasen der Untersuchung variiert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Perspektive der Versuchsperson geht in zwei Abstufungen in die Untersuchung ein. Die Fahrer haben sowohl ihre eigenen Folgeabstände zu vorausfahrenden Fahrzeugen (Stufe „Vp folgt nach“) als auch über einen Blick in den Rückspiegel die Folgeabstände ihnen nachfolgender Fahrzeuge (Stufe „Vp fährt voraus“) zu beurteilen bzw. einzustellen. In den Phasen 3a und 4a fahren die Versuchspersonen voraus, in den Phasen 3b und 4b folgen sie einem anderen Fahrzeug. Die Fahrparameter des jeweils anderen Fahrzeugs sind dabei stets computergesteuert und somit exakt definierbar. Zur Veranschaulichung wird in der nachfolgenden Abbildung 7 die Fahrersicht in beiden Bedingungen bzgl. der Perspektive dargestellt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 7: Die Fahrersicht aus der vorausfahrenden[31] (links) und nachfolgenden (rechts) Perspektive.
Auch die von den Versuchspersonen zu fahrende Geschwindigkeit wird in der Untersuchung in zwei Abstufungen variiert: Die Geschwindigkeit soll während der Folgevorgänge 80 km/h bzw. 120 km/h betragen. In den Phasen der Untersuchung, in welchen die Versuchspersonen vorausfahren (Phasen 3a und 4a), erfolgt hierbei die Operationalisierung der jeweiligen Geschwindigkeit über Instruktion durch den Versuchsleiter und entsprechende, regelmäßig wiederkehrende Verkehrsschilder am Straßenrand31 32. Die Geschwindigkeitsregelung nehmen die Fahrer mittels Gaspedal und Bremse selbst vor. Ein erwünschter Wechsel von einer dieser Geschwindigkeiten zur anderen wird durch eine zusätzliche Platzierung der Schilder auf dem Mittelstreifen der Fahrbahn angezeigt.
In den Bedingungen, in welchen die Versuchspersonen selbst einem anderen Fahrzeug nachfolgen (Phasen 2, 3b und 4b), werden die Abstufungen der Geschwindigkeit dadurch operationalisiert, dass das vorausfahrende Fahrzeug so programmiert wird, dass es konstant mit jener Geschwindigkeit fährt.
[...]
1 Aktuell wird von ungefähr 500 Millionen angemeldeten Autos weltweit ausgegangen, die sich auf nur 10% der Weltbevölkerung verteilen. Bei einer Fortsetzung des momentanen Wachstums wäre im Jahr 2030 mit bis zu 2,5 Milliarden PKWs zu rechnen (Schlotterbeck, 2001).
2 Im Jahr 2000 wurden in der Bundesrepublik Deutschland 3,4 Millionen PKWs neu zugelassen. Damit betrug der Bestand an Kraftfahrzeugen in Deutschland im vergangenen Jahr 51,4 Millionen, davon waren 42,8 Millionen Personenkraftwagen (Statistisches Bundesamt, 2001).
3 Dies berichtet das Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen in seinem aktuellen Programm für mehr Sicherheit im Straßenverkehr. Da daraus ein erhöhtes unfallrisiko resultiere, gehöre ein Klimawechsel im straßenverkehr zu den dringlichsten Aufgaben der Verkehrssicherheitsarbeit (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, 2001).
4 Die Verkehrssicherheitskampagne „Gelassen läuft's“ ist die gemeinsame Jahresaktion 2001 des Deutschen Verkehrssicherheitsrates (DVR) und der gewerblichen Berufsgenossenschaften (BG). Die Kampagne gehört zum Programm für mehr Sicherheit im Straßenverkehr und steht unter der schirmherrschaft des Bundesministeriums für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen. Im Rahmen der Aktion wurden über zwei Millionen Faltblätter verteilt, Plakate an Autobahnen angebracht und Preisausschreiben gestartet (Bundesministerium für Verkehr, Bau- und Wohnungswesen, 2001/ II).
5 Erst die subjektive Bewertung der situation als „gefährlich“ löst beim Fahrer ein Alarmsignal aus, das dann zur notwendigen Verhaltenskorrektur bzw. -anpassung führt, nicht jedoch der objektive stimulus per se. (Holte, 1994).
6 Im Jahr 1999 ereigneten sich auf den deutschen Bundesautobahnen (BAB) 26600 unfälle mit Personenschaden, was eine steigerung von 9% gegenüber dem Vorjahr darstellt. Dabei wurden allerdings 13% mehr Verkehrsteilnehmer als 1998 getötet. Dieser Trend setzte sich auch im ersten Halbjahr 2000 fort, in dem zwar gegenüber dem ersten Halbjahr 1999 0,3% weniger unfälle mit Personenschaden, jedoch 10% mehr Verkehrstote zu verzeichnen waren (statistisches Bundesamt, 2000). Ein im Rahmen einer uNIROYAL-Verkehrsuntersuchung durchgeführter Vergleich des unfallgeschehens auf Autobahnen mit dem auf anderen straßen zwischen 1960 und 1990 zeigt deutlich, dass die Entwicklung auf den BAB anders verlaufen ist als im übrigen Straßennetz: Während in diesem Zeitraum die Zahl der Unfälle mit Personenschaden sogar zurückgegangen ist, vergrößerte sich diese auf den Autobahnen auf das Dreieinhalbfache (Ellinghaus & Steinbrecher, 1994).
7 Das statistische Bundesamt berichtet, dass im Jahr 1999 die drei häufigsten Unfallursachen für Unfälle mit Personenschaden auf deutschen Autobahnen nicht angepasste Geschwindigkeit (23%), nicht Einhalten des Sicherheitsabstands (11%) und Fehler beim Überholen (5%) waren (Statistisches Bundesamt, 2000). Ein Blick in die österreichische Verkehrsunfallbilanz 2000 zeigt, dass auf den Autobahnen unseres Nachbarlandes beinahe jeder zweite Unfall mit Personenschaden ein Auffahrunfall ist. Grund dafür sind meist im Verhältnis zur Geschwindigkeit zu geringe Abstände zum vorausfahrenden Fahrzeug (Kuratorium für Verkehrssicherheit (KfV), 2001).
8 Ein ausreichend sicherer Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug muss immer in Relation zur aktuell gefahrenen Geschwindigkeit beurteilt werden. Die Straßenverkehrsordnung (StVO, § 4, Abs.1) gibt hierbei dem Bürger jedoch keine konkrete Anleitung: „Der Abstand von einem vorausfahrenden Fahrzeug muss in der Regel so groß sein, dass auch dann hinter ihm gehalten werden kann, wenn es plötzlich gebremst wird. (...)“(StVO, § 4, Abs.1). Hilfreicher für die Praxis sind die beiden in Fahrschulen gelehrten „Faustregeln“: Die „Zwei-Sekunden-Regel“ besagt, dass der Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zwei Sekunden betragen sollte, wobei sich der Fahrer zur Abschätzung an Fixpunkten der näheren Umwelt (z.B. Leitpfosten) orientieren soll. Nach der Regel „Halber Tacho“ soll mindestens der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten werden, der sich ergibt, wenn die Eigengeschwindigkeit in km/h halbiert und der resultierende Wert als Mindestabstand in Meter interpretiert wird.
9 Dies zeigt sich beispielsweise an der verhältnismäßig großen Zahl von Fahranfängern, die jährlich aufgrund nicht angepasster Geschwindigkeit auf deutschen Straßen tödlich verunglücken.
10 Natürlich trifft dies nicht uneingeschränkt zu: Zur Bestimmung der Geschwindigkeit ist z.B. jedes Fahrzeug mit einem Tachometer als objektives Messinstrument ausgestattet, entsprechende objektive Instrumente zur Abstandsmessung befinden sich zum aktuellen Zeitpunkt jedoch nur in wenigen Limousinen der gehobenen Oberklasse.
11 Hoffmann (1993) vermutet, dass ein Antizipationsbedürfnis existiert, welches kontinuierliche Lernprozesse zur Effektivierung der Verhaltenssteuerung veranlasst. Durch diese Form des Lernens werden demnach die erfahrungsgemäß antizipierten den tatsächlich eintretenden Konsequenzen kontinuierlich angepasst. Da nach Hoffmann das Verhalten durch die antizipierten Konsequenzen initiiert und kontrolliert wird, kann es nur über veränderte Antizipationen auch zu Verhaltensänderungen kommen.
12 Hierauf wird bei den Erörterungen zur Kontrolle von Störfaktoren (Kapitel 5.5) noch einmal detaillierter eingegangen werden.
13 Ein Ziel der vorliegenden Studie ist es, zur Klärung der Frage beizutragen, wie Fahrer bestimmte Abstände in Abhängigkeit von der Geschwindigkeit beurteilen.
14 Bezüglich der jeweils charakteristischen Übertragungseigenschaften betont Bösser (1987) den starken zeitdynamischen Einfluss auf Ebene (3), die ausgeprägte diskrete Komponente von Ebene (2) und die bezeichnende Informationsabhängigkeit von Ebene (1).
15 Ein Tiefpassfilter dient in der Elektrophysik dazu, hochfrequente Signalanteile herauszufiltern.
16 Die Wunschgeschwindigkeit stellt keine konstante Größe dar, sondern sie schwankt um einen mittleren Wert. Man spricht hierbei von „Eigenrauschen“ (Wiedemann, 1974).
17 Der Fahrer kann zwar um so eher auf die kontinuierliche Abnahme des Abstands reagieren, je besser er in der Lage ist, kleine Geschwindigkeitsdifferenzen noch wahrzunehmen. seine Entscheidung, wann er dann tatsächlich auch auf die Abnahme des Abstands zum vorausfahrenden Fahrzeug reagiert, wird aber auch von anderen Faktoren beeinflusst, z.B. von der Größe seines sicherheitsbedürfnisses. Hierauf wird in Kapitel 4.3 näher eingegangen.
18 Es konnte beispielsweise gezeigt werden, dass die Wahrnehmungsschwelle eines Fahrers um so langsamer überschritten wird, je stärker seine Müdigkeit ist (Todosiev, 1963; Hoefs, 1972).
19 Derartige Phänomene sind in der Psychophysik auch aus anderen Aufgabengebieten hinlänglich bekannt und können methodisch über das Grenzverfahren bestimmt werden. Den Bereich zwischen der mittleren oberen und unteren Schwelle bezeichnet man als Unsicherheitsintervall.
20 Die „Zwei-Sekunden-Regel“ besagt, dass der Mindestabstand zum vorausfahrenden Fahrzeug zwei Sekunden betragen sollte, wobei sich der Fahrer zur Abschätzung an Fixpunkten der näheren Umwelt (z.B. Leitpfosten) orientieren soll. Nach der Regel „Halber Tacho“ soll mindestens der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug eingehalten werden, der sich ergibt, wenn die Eigengeschwindigkeit in km/h halbiert und der resultierende Wert als Mindestabstand in Meter interpretiert wird.
21 Bis zu 40% aller Fahrer auf der linken Fahrspur bundesdeutscher Autobahnen nehmen Abstände zum vorausfahrenden Fahrzeug ein, die weniger als ein Viertel ihres Geschwindigkeitswertes [km/h] in Metern betragen (Ellinghaus & Steinbrecher, 1994).
22 Hierzu ist es nur nötig, die in Abbildung 5 als „angestrebtes Risikoniveau“ (10) bezeichnete Komponente zu vernachlässigen.
23 vgl. diesbezüglich die vorangestellten Ausführungen zu Abbildung 5 und zur individuellen Steuerung des Verkehrsverhaltens nach Holte (1994).
24 Die vorhergehenden Ausführungen zeigten bereits, dass der individuell präferierte Sollwert für den Folgeabstand zum einen von der aktuellen Eigengeschwindigkeit und zum anderen aber auch von den interindividuell stark variierenden Sicherheitsüberlegungen und den ihnen zugrundeliegenden personspezifischen überdauernden und fahrtspezifischen Variablen abhängt. Das individuelle Sicherheitsbedürfnis und diese ihm zugrundeliegenden Variablen können allerdings nur bedingt experimentell kontrolliert werden. Daher erscheint Bössers (1980) Entscheidung, eine Verhaltensänderung durch verbale Instruktion hervorzurufen, plausibel. Dieser Ansatz wird auch in einem Teil der vorliegenden Studie verwendet werden.
25 Vgl. hierzu Abbildung 1
26 Färber (1986) behauptet allerdings, dass die entscheidenden Zeitanteile bei einem Bremsmanöver nicht auf die Wahrnehmungszeit, sondern auf die Entscheidungszeit zurückzuführen seien, die der Fahrer benötigt, um sich zu entscheiden, welche Reaktion angemessen ist (z.B. bremsen oder ausweichen) und in welchem Ausmaß er die gewählte Reaktion ausführen soll (z.B. Stärke und Dauer des Bremsvorgangs). Über eine geeignete Instruktion (z.B. Überholverbot) und Standardisierung der Verkehrssituation sollte diese Entscheidungszeit experimentell jedoch relativ stabil und klein gehalten werden können.
27 Vgl. hierzu die Ausführungen in Kapitel 4.3 zu den Studien bzgl. „aggressiver“ bzw. als gefährlich empfundener Folgevorgänge, die darauf hinweisen, dass die Interpretation der Situation nicht zuletzt von der Perspektive und Wahrnehmung desjenigen abhängig zu sein scheint, der sich belästigt oder gefährdet fühlt.
28 Die Grundprinzipien menschlicher Abstands- und Geschwindigkeitsregelung können über solche Zusammenhänge und die in den vorangegangenen Kapiteln vorgestellten Fahrermodelle und Befunde zwar hinreichend genau erklärt werden, eine detaillierte Aufschlüsselung einer Systematik des Zusammenwirkens kognitiver Prozesse und der Regelungstätigkeit liegt jedoch noch nicht vor (Bösser, 1987). Das Beispiel des „aggressiven“ Folgens im vorangegangenen Kapitel weist darauf hin, dass ein hierbei zentrales Problem darin liegt, dass mangels einer praxistauglichen Theorie des Folgeverhaltens die wesentlichen Systemgrößen nicht in ihrem gesamten Umfang bekannt sind und nicht ohne Weiteres von bedeutungslosen Begleiterscheinungen unterschieden werden können.
29 Alle Versuchspersonen hatten bereits vor dieser Untersuchung mehrstündige Fahrpraxis im verwendeten Fahrsimulator. Die letzten Fahrten der einzelnen Versuchspersonen lagen jedoch unterschiedlich weit zurück.
30 Auf diese Gründe wird im weiteren bei der Beschreibung der jeweiligen Faktoren noch ausführlicher eingegangen.
31 Bei der vorausfahrenden Bedingung (links) handelt es sich hier um eine vereinfachte Darstellung. Die Versuchspersonen nehmen in der Untersuchung die in der Abbildung 7 eingeblendete Rückansicht direkt über ein Display im Rückspiegel des Fahrsimulators wahr.
32 Vorschriftzeichen nach §41 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Es handelt sich dabei um die aus dem Straßenverkehr bekannten Schilder, die die zulässige Höchstgeschwindigkeit vorgeben (weiße, runde Schilder mit rotem Rahmen, in deren Mitte die jeweilige Geschwindigkeit schwarz aufgedruckt ist).
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