Diese Bachelorarbeit soll erläutern, welche modernen Möglichkeiten existieren, Verschwendungen auf Baustellen im Tiefbau frühzeitig zu erkennen und diese nachhaltig zu vermeiden. Grundlage dieser Untersuchung ist eine Studie der DESTATIS. Die betrachtete Statistik, ist die „Wertschöpfung je geleisteter Arbeitsstunde“. Dabei wird auf das Tiefbaugewerbe eingegangen. Die Studie verdeutlicht, dass die Wertschöpfung im Bauhauptgewerbe nur fast halb so groß ist wie die der anderen betrachteten Gewerbe.
Im Zusammenhang mit dieser Ausarbeitung soll die Frage geklärt werden, welche Gründe eine wesentliche Rolle dafür spielen könnten und ob es bestimmte Möglichkeiten gibt, die das Potential besitzen, die Wertschöpfung auf einer Baustelle zu erhöhen. Auf verschiedene Verschwendungsarten wird differenziert eingegangen und mit der Hilfe von Methoden moderner Managementsystemewerden Lösungsansätze erarbeitet werden. Das nötige Handwerkzeug soll das „Lean Management“ geben. Eine Methode ist das sogenannte „5S“. Dieses Werkzeug beschäftigt sich mit den verschiedenen Verschwendungsarten im Produktionsgewerbe und sorgt für eine langfristige Produktivitätssteigerung durch Ordnung, Struktur und Systematisierung der Baustellenumgebung.
Die Firmenkultur wird durch kontinuierliche Weiterentwicklung standardisiert und verbessert. Im Zusammenhang mit dieser Bachelorarbeit wird die etablierte Kölner Tiefbaufirma Heinrich Wassermann auf dem Weg, eine höhere Wertschöpfung zu erreichen, um auch in Zukunft wirtschaftlich in der wettbewerbsbetonten Baubranche zu agieren, begleitet. Zu diesem Zweck werden die verschiedenartigen Verschwendungen analysiert. Mit Hilfe der Implementierung von 5S soll ein Lösungsweg erarbeitet werden, der sich in mittelständischen Bauunternehmen verwirklichen lässt.
Inhaltsverzeichnis
Vorwort
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Erklärung zum Inhalt und zur Zielsetzung der Arbeit
1.2 Lean Management und dessen Grundlagen und Prinzipien
1.2.1 Identifizierung des Wertes aus Kundensicht
1.2.2 Definition des Wertstroms
1.2.3 Lasse den Wertstrom fließen (Fluß-Prinzip)
1.2.4 Überlasse dem Kunden den Takt deiner Arbeit
1.2.5 Streben nach Perfektion
1.3 Unterschiede Bauproduktion u. stationäre Industrieproduktion
1.4 Lean Management im Bauwesen
2. Verschwendungen auf Baustellen im Tiefbau
2.1 Bedeutung für das Bauwesen
2.2 Verschwendungsarten und deren Ursachen
2.2.1 Überflüssige Bewegungen
2.2.2 Große Bestände
2.2.3 Fehler/Nacharbeit
2.2.4 Wartezeiten
2.2.5 Transporte
2.2.6 Überproduktion/Überkapazitäten
2.2.7 Verschwendung bei der Bearbeitung
2.2.8 Mitarbeiter Know-How
2.3 Abhängigkeit von Verschwendungen
3. Die 5-S Methode
3.1 Elemente der „5S“-Methode
3.1.1 Seiri = Sortieren
3.1.2 Seiton = Anordnen/Setzen
3.1.3 Seiso = Sauberkeit
3.1.4 Seiketsu = Standardisierung
3.1.5 Shitsuke = Selbstdisziplin
3.2 „5S“-Implementierung
3.2.1 Phase 1 - Sortieren auf Baustellen im Tiefbau
3.2.1 Phase 2 - Systematisieren auf Baustellen im Tiefbau
3.2.3 Phase 3 - Säubern auf Baustellen im Tiefbau
3.2.4 Phase 4 - Standardisierung auf Baustellen im Tiefbau
3.2.5 Phase 5 - Selbstdisziplin
3.3 „5S“ als Werkzeug zur Vermeidung der Verschwendungsarten
3.3.1 5S zur Vermeidung von überflüssigen Bewegungen
3.3.2 5S zur Vermeidung von zu großen Beständen
3.3.3 5S zur Vermeidung von Fehlern und Nacharbeiten
3.3.4 5S zur Vermeidung von Wartezeiten
3.3.5 5S zur Vermeidung von Transporten:
3.3.6 5S zur Vermeidung von Überkapazitäten und Überbearbeitung
3.3.7 5S zur Vermeidung von Verschwendung bei der Bearbeitung
3.3.8 5S zur Erreichung von Mitarbeiter Know-How
3.4 Vorteile für die Baustellenmitarbeiter
3.5 Vorteile für die Bauunternehmung
4. Fazit
Quellenverzeichnis
Vorwort
Seit anderthalb Jahren habe ich die Möglichkeit, das im Studium gelernte Wissen in der Praxis unter Beweis zu stellen und zu erweitern. Die Möglichkeit dafür gab mir die Firma Heinrich Wassermann. In dieser Zeit erhielt ich einen breitgefächerten Einblick in die verschiedenen Leistungen des Tiefbaus. In der technischen Abteilung geht es oft um das Thema „Verschwendung“ und die daraus folgenden Probleme. Daraufhin habe ich mich zusammen mit dem Geschäftsführer, Herrn Mauritz Meßler, dazu entschlossen, dieses Thema aufzugreifen und zu analysieren. Ihm gilt mein Dank, da er mit Rat und Tat zur Seite stand und stets ein offenes Ohr für meine Fragen hatte. In der Vergangenheit hat sich die Firma Heinrich Wassermann schon einmal mit der Optimierung durch 5S beschäftigt. Auf dieses Wissen möchte ich im Rahmen der Bachelorarbeit aufbauen und einen expliziten Zuschnitt für die Umsetzung auf Baustellen entwickeln. Somit kann auf schon erlangtem Wissen aufgebaut werden. Für die Ausarbeitung der verschiedenen Verschwendungsursachen habe ich mich an aktuell bestehenden Baustellen orientiert, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit bei der Firma Heinrich Wassermann selbständig abgerechnet habe:
- Rüb Fixheide in Leverkusen
- Herwarthstraße in Köln
- Am Springborn in Köln
- Flüchtlingsheim in Köln
- Hauptstraße in Monheim
Dort konnte ich aufschlussreiche Gespräche mit den Mitarbeitern und Führungskräften führen und Fragen stellen, für die ich als Praktikant die Legitimation besaß. Durch die verschiedenen Gespräche und Beobachtungen war ich in der Lage einen Praxisbezug herzustellen, welcher besonders bei der Implementierung von 5S von großer Bedeutung ist. Des Weiteren möchte ich folgenden Personen danken:
- Dipl.-Ing. Jan Seiter (Oberbauleiter Firma HW)
- Straßenbaumeister Hans Weiler (Bauleiter Firma HW)
- Dirk Höller (Schachtmeister und Polier der Firma HW)
- Horst Neckenig (Mein Großvater und ehemaliger Geschäftsführer der BEGECA, der für die Richtigkeit jedes einzelnen Kommas bürgt)
Vielen Dank für die Unterstützung und die immerwährende Geduld gilt auch meiner Familie und meiner Freundin.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2, 14 und 32 wurden aus urheberrechtlichen Gründen von der Redaktion entfernt
Abbildung 1: Bruttowertschöpfung je geleisteter Arbeitsstunde
Abbildung 2: Arbeitskräfte und Produktionswerkzeuge werden in Reihenfolge der Produktion angeordnet (25)
Abbildung 3: Lean-Ansatz; Drees & Sommer (17)
Abbildung 4: Fertigteilschacht und Schachtbauwerk Fa. HW
Abbildung 5: Spritzbetongrube MW100 in Leverkusen
Abbildung 6: blockierender Bauschrott auf der Baustelle
Abbildung 7: Bestände auf der Baustelle Fa. HW
Abbildung 8: Unsauberer Anschluss Fa. HW
Abbildung 9: Wartezeit auf der Baustelle Fa. HW
Abbildung 10: Transporte auf der Baustelle Fa. HW
Abbildung 11: überdimensionierte Baugrube Fa. HW
Abbildung 12: Überkapazität der Baustellenmitarbeiter für die Entfernung bituminöser Oberfläche Fa. HW
Abbildung 13: Interdependenz von Verschwendungen
Abbildung 14: Die Fünf Phasen der 5S (20)
Abbildung 15: Phase 1 (20)
Abbildung 16: Phase 2 (20)
Abbildung 17: Phase 3
Abbildung 18: Phase 4 Fa. HW
Abbildung 19: verbindliche Regeln für die Einführung
Abbildung 20: Aufgaben des Auftraggebers
Abbildung 21: Der 5S-Berater
Abbildung 22: Der Koordinator
Abbildung 23: Quarantänebereich (21)
Abbildung 24: Die 1. Phase im Baustellenmagazin
Abbildung 25: Die 1. Phase auf der Baustelle
Abbildung 26: Magazin-Anordnung nach 5S Fa. HW
Abbildung 27: Die 2. Phase in der Anwendung
Abbildung 28: Die 3. Phase in der Anwendung
Abbildung 29: One-Page-Standard Werkzeugcontainer Fa. HW
Abbildung 30: One-Page-Standard Heide-Pumpe Fa. HW
Abbildung 31: One-Page-Standard Arbeitsanweisung: unbekannte Leitungen Fa. H
Abbildung 32: Bewertungsbogen der 5S Implementierung
Abbildung 33: Vorteile für die Mitarbeiter durch 5S
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Erklärung zum Inhalt und zur Zielsetzung der Arbeit
Im Rahmen dieser Bachelorarbeit möchte ich mich der Fragestellung widmen, welche modernen Möglichkeiten existieren, Verschwendungen auf Baustellen im Tiefbau frühzeitig zu erkennen und diese nachhaltig zu vermeiden. Grundlage dieser Untersuchung ist eine Studie der DESTATIS, eine statistische Informationsplattform, die sich mit der Wertschöpfung unterschiedlicher Gewerbe Jahr für Jahr auseinandersetzt. Die Statistik, die ich in meiner Ausarbeitung näher betrachte, ist die „Wertschöpfung je geleisteter Arbeitsstunde“. Dabei gehe ich näher auf die Wertschöpfung im Bauhauptgewerbe ein, speziell dem Tiefbaugewerbe. Die Studie verdeutlicht, dass die Wertschöpfung im Bauhauptgewerbe nur fast halb so groß ist wie die der anderen betrachteten Gewerbe. Im Zusammenhang mit dieser Ausarbeitung möchte ich mich mit der Frage auseinandersetzen, welche Gründe eine wesentliche Rolle dafür spielen könnten und ob es bestimmte Möglichkeiten gibt, die das Potential besitzen, die Wertschöpfung auf einer Baustelle zu erhöhen. Natürlich kann man sich nicht auf alle Faktoren konzentrieren, daher möchte ich differenziert auf verschiedene Verschwendungsarten eingehen, diese analysierend bewerten und mit der Hilfe von Methoden moderner Managementsysteme Lösungsansätze erarbeiten, die sich positiv auf die Wertschöpfung auswirken können. Das nötige Handwerkzeug zur Betrachtung, und auch zur Behebung von Verschwendungsarten, soll mir das in der stationären Industrie schon weitläufig etablierte Managementsystem „Lean Management“ geben. Lean Management ist ein extrem ausgeklügeltes Logistikkonzept, welches in allen Bereichen des produzierenden Gewerbes Anklang findet und zu beachtlicher Produktivitätssteigerung führt. Produktionsprozesse werden stetig verbessert und weiterentwickelt. Meine Aufgabe wird es sein, anhand von Ansätzen dieses Systems einen Transfer ins Baugewerbe herzustellen und zu analysieren, inwieweit auch hier Verschwendungen in Arbeitsabläufen vermieden werden können. Natürlich ist eine Baustelle alles andere als eine stationäre Fertigung, welche nur einmal analysiert und verbessert werden muss. Baustellen stellen für gewöhnlich ein Unikat dar, auf deren unterschiedliche Gegebenheiten jedes Mal aufs Neue im Planungs- und Steuerungsprozess Rücksicht genommen werden muss. Es gibt jedoch auch Bereiche, in denen Ansätze des Lean Managements von starkem Nutzen sein können und markant dazu beitragen, eine effiziente und nachhaltige Leistungssteigerung herbeizuführen. Eine dieser Methoden ist das sogenannte „5S“. Dieses Werkzeug beschäftigt sich mit den verschiedenen Verschwendungsarten im Produktionsgewerbe und sorgt für eine langfristige Produktivitätssteigerung durch Ordnung, Struktur und Systematisierung der Baustellenumgebung. Die Firmenkultur wird durch kontinuierliche Weiterentwicklung standardisiert und verbessert. Nach Grundlagen des Lean Management geht geringe Wertschöpfung immer mit Verschwendung einher. Sie ist ursächlich dafür, die Gewinne, die das Bauunternehmen für seine Wirtschaftlichkeit braucht, geringer ausfallen zu lassen. Durch eine Verkleinerung des Verschwendungsanteils kann eine größere Wertschöpfung erreicht werden. Auftragnehmer und Auftraggeber profitieren von geringen Verschwendungsanteilen im Zuge der Bauvorhaben. Kosten und Zeit werden eingespart, ohne dass die Qualität des Produktes darunter leidet. Es ist jedoch keine Maschine, die von heute auf morgen einsetzbar ist und zu einer enormen Leistungssteigerung führt - es handelt sich vielmehr um einen Prozess, den eine Firma vollziehen muss, der ständig neue Teilerfolge erzielt. Im Zusammenhang mit dieser Bachelorarbeit betrachte ich die etablierte Kölner Tiefbaufirma Heinrich Wassermann und begleite diese auf dem Weg, eine höhere Wertschöpfung zu erreichen, um auch in Zukunft wirtschaftlich in der wettbewerbsbetonten Baubranche zu agieren. Zu diesem Zweck analysiere ich die verschiedenartigen Verschwendungen und versuche, mit Hilfe der Implementierung von 5S einen Lösungsweg zu erarbeiten, der sich in mittelständischen Bauunternehmen verwirklichen lässt. Für dieses Vorhaben ist es wichtig, vorab in das breit gefächerte Lean Management einzuführen und die grundlegenden Differenzen der stationären Industrie und der Bauindustrie darzulegen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNG 1: BRUTTOWERTSCHÖPFUNG JE GELEISTETER ARBEITSSTUNDE
1.2 Lean Management und dessen Grundlagen und Prinzipien
Das sogenannte Lean Management ist ein Resultat aus der analytischen Betrachtung unterschiedlicher Entwicklungs- und Produktionsbedingungen der Automobilindustrie, insbesondere des Automobilherstellers „Toyota“ durch ihren Chefingenieur Taicoo Ohno, mit dem „Toyota-Produktionssystem“ (Kurz: TPS). TPS ist eine Konzeption, die in der Not entstanden ist, um alle Prozesse, die mit der Anfertigung eines Produktes zusammenhängen, effizienter zu gestalten. Es basiert grundlegend auf der von Henry Ford im Jahre 1913 erfundenen und verwirklichten Fließbandfertigung. Durch diese sollte die Arbeitsteilung tiefer in den Produktionsprozess integriert werden. Produktionsteile sollten, anders als im konventionellen Prozess, an den Arbeitskräften vorbeigeführt werden. Somit war nicht mehr der Arbeiter derjenige, der Produktionszeit und Stückzahl vorgeben konnte, sondern das Fließband war die Schnelligkeit der Produktion bestimmte. Dies galt als Innovation im Bereich der stationären Industrie und wird heute noch kontinuierlich angewendet und verbessert. Im Zuge der Fließbandfertigung war es von großer Bedeutung, dass die verschiedenen Arbeitsschritte standardisiert und vereinfacht wurden. Durch die gestiegene Transparenz innerhalb der Produktion konnte eine größere Leistungssteigerung verbucht werden. Das liegt zu einem Großteil an den nachfolgenden, von Henry Ford etablierten Regeln:
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Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNG 2: ARBEITSKRÄFTE UND PRODUKTIONSWERKZEUGE WERDEN IN REIHENFOLGE DER PRODUKTION ANGEORDNET (25)
- Jede Arbeitskraft verrichtet die Arbeit von ihrem Platz aus und wartet, bis das zu montierende Teil an der Verarbeitungsstelle ankommt
- Montageteile kommen in gleicher zeitlicher Reihenfolge und im gleichen Abstand an die Verarbeitungsstelle
- Jeder Prozess muss grundlegend das Prinzip der Arbeitsteilung verfolgen
Auf Grundlage dieser Innovationen entwickelte „Taylor“ in den 50'er Jahren das „Toyota- Produktionssystem“, welches im Laufe der Zeit von Ohno teilweise übernommen und überarbeitet wurde. Im Laufe der Zeit wurde es ein wichtiger Bestandteil der Produktionsabläufe verschiedener Wirtschaftsbereiche. Es wurde zwar den verschiedenen Verarbeitungsbranchen angepasst, die fundamentalen Schritte und Gedanken hinter diesem System sind jedoch geblieben. Arbeiter und Maschinen müssen optimal eingesetzt werden, Arbeitsstationen müssen in einer sinnvollen Reihenfolge angeordnet werden, denn nur durch die Taktung jedes noch so kleinen Prozesses erlangt man die Möglichkeit, sekundengenau zu planen. Jedes Produkt besteht aus identischen Produktionsschritten, und zeichnet sich dabei in der Herstellung durch eine konsequente und effiziente Struktur aus.
„Alles, was nicht der Wertschöpfung dient, ist Verschwendung. (Henry Ford)“1
Als vordergründige Ziele stehen in diesen Produktionssystemen, wie auch im Lean Management, die Idee, Verschwendung in jeglicher Art und Weise aus der Produktion zu eliminieren, kontinuierliche Verbesserung der eingesetzten Methoden zu erreichen und eine kundenorientierte Wertvorstellung allgegenwärtig in den Ablauf einzubringen. Diese Ziele bilden die Basis für die Produktivitätssteigerung durch den „Lean-Gedanken“. Sie sind sehr stark voneinander abhängig. Sie zu erreichen ist sehr kompliziert und benötigt sehr lange Ausdauer. Die nachfolgenden Unterpunkte zeigen Prinzipien auf, die wichtige Schritte in der Anwendung solch komplexer Managementsysteme darstellen und unbedingt einheitlich oder teilweise für eine erfolgreiche Einführung eingehalten werden sollten. Sie sind stellvertretend für das „Lean Thinking“.2
- Identifikation des Wertes aus Kundensicht
- Definition des Wertstroms
- den Wertstrom fließen lassen
- überlasse dem Kunden den Takt deiner Arbeit
- strebe schrittweise Perfektion an
Sie verdeutlichen die Möglichkeiten, die ein Unternehmen besitzt, um die Prozesse zur Wertschaffung in jeglicher Hinsicht zu optimieren. In allen Bereichen der Produktion müssen Einsparungen vorgenommen werden. Diese Einsparungen nennt man auch „Verschwendungen vermeiden“. Die Qualität des Produktes soll unter keinen Umständen leiden. Im Vordergrund steht die Vermeidung von Verschwendung und die daraus resultierende Einsparung von Ressourcen. Durch die eingesparten Ressourcen kann kostengünstiger und mit geringerem Zeitaufwand produziert werden. Sie führen zu erheblichen Vorteilen, wenn es darum geht kostengünstiger und schneller zu produzieren. Sie können auch anderswo eingesetzt werden und dabei helfen, anstatt den Produktionsablauf zu blockieren oder zu behindern, die Wertschöpfung in anderen Bereichen zu erhöhen. Der Kerngedanke des Lean Managements beinhaltet die These, dass alle Tätigkeiten, die den Wert des Produktes aus Kundensicht erhöhen, wertschöpfende Tätigkeiten sind. Tätigkeiten, die den Wert aus Kundensicht nicht erhöhen, sind demnach verschwendete Ressourcen. Verschwendung gilt es zu vermeiden.
Baukonzerne, wie Strabag oder HochTief, arbeiten schon lange und intensiv mit Managementsystemen. In Branchen mit hohem Konkurrenzdruck müssen Herstellungsprozesse fortlaufend neu entwickelt und auf Basis von Managementsystemen dahingehend verändert werden, dass kostenarm und gleichzeitig qualitativ hochwertig produziert werden kann. Ansonsten ist das Unternehmen, welches sich schon im Systematisierungsprozess befindet, immer eine Nasenspitze voraus. Es gilt daher - Verschwendung zu erkennen - Verschwendung zu eliminieren - und gesparte Ressourcen in die Wertschöpfung zu transferieren.
1.2.1 Identifizierung des Wertes aus Kundensicht
Für die Anwendung von Lean Management ist es in allererster Linie von Bedeutung herauszufinden, in welcher Art und Weise in welchen Produktionsprozessen eine Wertschöpfung für den Kunden entsteht. Dafür muss der Wert aus Sicht des Kunden genau definiert und analysiert werden. Der Kunde, für den produziert wird, muss in die Produktdefinition miteinbezogen werden. Es muss deutlich gemacht werden, wo Leistungen stattfinden, die einen gewissen Mehrwert für den Kunden bedeuten und welche Leistungen den Wert für den Kunden nicht erhöhen. Man kann diese Identifikation erlangen, indem folgende Fragen gestellt und beantwortet werden:
- Was möchte der Kunde kaufen?
- Welche Bedürfnisse hat der Kunde?
- Wofür und wie viel ist der Kunde bereit zu zahlen?
- Wie kann man das gewünschte Produkt kostengünstig, und dennoch qualitativ hochwertig herstellen?
- Welche Produktionsschritte müssen hier erbracht werden und welche nicht? (Herstellungsprozess analysieren, bewerten, minimieren)
Eine genaue Spezifizierung des Wertes aus Kundensicht ist fundamental für die Anwendung von Lean Management. Spezielle Leistungen, die für die Erfüllung der Kundenbedürfnisse wichtig sind, können definiert und effizient geplant werden. Leistungen, die hier kein Bedürfnis des Kunden darstellen und auch nicht für die Bedürfniserreichung notwendig sind, werden als Verschwendung angesehen. In der Bauindustrie jedoch wird der Kundenwert teilweise vernachlässigt oder durch die verschiedenen am Bau beteiligten Firmen individuell gedeutet. „lean“ zu produzieren setzt voraus, dass ein Unternehmen von Anfang an den Kundenwert identifiziert und Abweichungen nicht toleriert.3
1.2.2 Definition des Wertstroms
Der sogenannte Wertstrom betrachtet die ganzheitliche Leistung vom Rohmaterial bis zum fertigen Produkt, welches den Kunden dann im Endeffekt zufriedenstellen soll. Die Prozesse der Produktion, die für die Befriedigung des Kunden, also für die Wertschöpfung verantwortlich sind müssen, wie schon in der „Identifikation des Wertes aus Kundensicht“ weiter betrachtet, und noch tiefgründiger verinnerlicht werden. Für diese Identifikation muss zunächst der Gesamtprozess betrachtet werden. Die Ausgangssituation des Prozesses muss analysiert und bewertet werden, um die notwendige Transparenz zu schaffen. Nur durch die Analyse des Ist-Zustands kann offensichtlich werden, wo Verschwendungen vorkommen und Änderungen gefunden werden müssen. Auf dieser Grundlage kann dann der Soll-Zustand aufgebaut werden. Unvermeidbar im Wertstrom, sogar ein wesentlicher Bestandteil, sind Aktivitäten, die den Wert des Produktes nicht erhöhen, aber trotzdem von großer Wichtigkeit sind, wenn es darum geht, die Wertschaffung überhaupt zu erreichen. Sie sind Voraussetzung für die Schaffung von Wert. Verschwendungen sind zu minimieren, ohne dabei die Qualität einzuschränken. Dafür ist eine umfangreiche und neutrale Betrachtung notwendig, da gerade in diesen Teilbereichen einer Produktion oftmals die Qualität vernachlässigt wird. Es gibt jedoch auch Aktivitäten innerhalb einer Produktion, die den Wertstrom blockieren oder die Kontinuität behindern. Sie sind sofort zu beseitigen, da sie in keiner Art und Weise für die Wertschöpfung notwendig sind, sondern eher als Bremse fungieren. Die Produktionsabläufe fast aller Firmen, die ohne Ansätze des Lean Managements arbeiten, sind durch Blockaden im Wertstrom geprägt. Diese Art von Ressourcenverschwendung muss mit allen Mitteln verhindert werden, um wirtschaftlich zu arbeiten und konkurrenzfähig zu werden.
Die wichtigste Erkenntnis im Laufe der Wertidentifikation lautet, dass mit geringstem Aufwand ein Produkt entstehen soll, das in keinem noch so kleinen Teilbereich qualitativ eingeschränkt ist. Der Kunde zahlt nur für dieses fertige und befriedigende Produkt. Aktivitäten, die Bestandteil der Wertschöpfung sind und im Wertstrom mitfließen, müssen so gering wie möglich gehalten werden. Auch hier wird erneut deutlich, dass Verschwendung vermieden werden muss.
1.2.3 Lasse den Wertstrom fließen (Fluß-Prinzip)
Das dritte Prinzip lässt sich kurz und bündig als Fluß-Prinzip bezeichnen und baut auf den beiden vorherigen Prinzipien auf. Es kümmert sich um die kontinuierliche Einhaltung der beiden Prinzipien und nutzt eine analysierte und stark verbesserte Wertschöpfung als Ausgangssituation. Der Wertstrom soll frei von Unterbrechungen fließen können. Die Störfaktoren, die u.a. durch Pufferbestände und Zwischenlagerungen charakterisiert werden können, müssen aufgehoben werden. Wenn diese Blockaden behoben werden können, ist eine Steigerung der Produktionseffizienz unausbleiblich. Die Leistungen, die für die Herstellung eines Produktes notwendig sind, können besser bewältigt werden, wenn das Produkt kontinuierlich durch die verschiedenen Bearbeitungsschritte läuft. Der Fokus der Arbeitskräfte liegt auf einem werterzeugenden Ablauf und lässt keinen Raum für verschwendete Ressourcen. Die Prozesse zur Herstellung eines Produktes werden verschlankt (lean). Die Einführung des Fluß-Prinzips stellt Unternehmen vor große Herausforderungen, da die Arbeitstätigkeiten aller Abteilungen überdacht und erneuert werden müssen. Mitarbeiter müssen dazu angeregt werden, während der Arbeitszeit ein Teil dieses Flusses zu sein, und seinen Strom mitbestimmen. Dies sollte aus eigenem Interesse geschehen, daher sollten die Motivation und der Antrieb der Mitarbeiter dementsprechend belohnt werden. Sie müssen sich mit dem Wertstrom identifizieren und ihn als eine Art Mittelpunkt der Arbeitszeit betrachten. „Lean Management muss als Unternehmensphilosophie verstanden werden, nicht als eine Methode. Philosophie bedeutet, dass die beschriebenen Prinzipien von allen Mitarbeitern verstanden und getragen werden.“4 Nur so kann der Wertstrom schneller fließen und sich als Wettbewerbsvorteil auswirken. Wichtige Merkmale für dieses Prinzip sind:
- Arbeitskräfte müssen animiert werden, die Prozesse für das Produkt anzutreiben
- Egoismen müssen überwunden werden, damit nicht das Individuum im Mittelpunkt steht, sondern vielmehr das Produkt, das von allen Mitarbeitern bearbeitet und dessen Fortschritt vorangetrieben wird
- Werkzeuge und Arbeitstechniken müssen grundlegend angepasst werden
- Teams müssen motiviert werden, die ein gemeinsames Ziel während der Arbeitszeit verfolgen
Die Umsetzung dieses Prinzips ist wirklich komplex, da jedes Individuum eigene Ziele entwickelt und gerne aus der Masse rausstechen möchte. Es ist also nur bedingt möglich, ein solches Prinzip zu etablieren. Grundzüge können aber auch schon Fortschritt bedeuten.
1.2.4 Überlasse dem Kunden den Takt deiner Arbeit
Wertschöpfende Arbeiten sind immer auf den Kunden ausgerichtet. Die Kapazitäten von Firmenressourcen müssen daher nicht ausgelastet sein, sondern bis zu dem Grad, dass der Bedarf des Kunden erfüllt wird. Das Prinzip wird als Pull-Prinzip bezeichnet und funktioniert nicht nach einem übergeordneten Management-Plan, sondern nur auf Bedarf des Kunden. Der Kunde ist in der Pflicht, seine Bedürfnisse der Fertigstellung mitzuteilen. Die Fertigstellung stellt hier die Ausgangssituation dar und rollt das Feld von hinten auf. Sie gibt die Bedarfsangabe des Kunden an die vorherige Station weiter. So geht jede Station vor, bis der erste Schritt der Produktionskette erreicht wird. Die erste Station beginnt jetzt mit der Herstellung und jedes darauffolgende Kettenglied kann sich einrichten, und die nötigen Vorkehrungen für die Produktion treffen. Das Pull-Prinzip zeichnet sich dadurch aus, dass der Informationsfluss entgegen dem Materialfluss läuft. Durch Vermeidung von überflüssigen Zwischenlagern und Ansammlungen können folgende Verbesserungen im Produktionsablauf erreicht werden:
- Vermeidung von Liquiditätsproblemen (Liefern auf Bedarf)
- Produktionsflexibilität
- der Prozess wird transparenter
- keine Kosten zur Erstellung von Zwischenlagern
- Kosten durch erneutes Aufnehmen und Transport von gelagertem Material können vermieden werden
Durch die Tatsache, dass nur auf Bedarf produziert wird, kommt es nicht zu Überproduktionen. Der Produktionsablauf kann flexibel gestaltet werden, da der Produzent auf die Wünsche des Kunden reagiert.
1.2.5 Streben nach Perfektion
Perfektion ist ein Zustand, der niemals erreicht werden kann. Es gibt in jeder Produktion immer wieder Optimierungsbedarf, somit kann man lediglich nach Perfektion streben.
„Paradoxerweise kann ein Bild der Perfektion nicht perfekt sein.“
Das Streben nach Perfektion ist ein wesentlicher Punkt für die Anwendung von Lean Management. Die Mitarbeiter sollen ein Gefühl dafür bekommen, was es bedeutet Verschwendung zu vermeiden. Sie sind Bestandteil des Produktionsablaufes und sind am besten in der Lage, Verschwendung zu sehen, und zu verhindern. Sie müssen Abläufe hinterfragen und Verbesserungsvorschläge in das System einbringen, denn nur so wird kontinuierlich nach Perfektion gestrebt. Der Hintergedanke ist anders als vermutet: Nicht die Perfektion erreichen, sondern ein Gefühl dafür bekommen, ob gerade effizient und wertschöpfend gearbeitet wird. Dies kann nur deutlich werden, wenn der Mitarbeiter weiß, wo und wie Wertschöpfung entsteht. Hierfür ist die schon angesprochene Transparenz notwendig. Mitarbeiter sollten sich immer wieder neu fragen, ob man noch etwas verbessern kann, denn Streben nach Perfektion hört niemals auf. Es dürfen natürlich auch Fehler entstehen, für die aber dann Verantwortung getragen werden muss und die direkt beseitigt werden sollen. Ansonsten kann der Produktionsablauf ins Stocken geraten und die Konsequenzen aus einem kleinen Fehler sind unberechenbar. Der Mitarbeiter muss den Anspruch verfolgen, keine fehlerhafte Arbeit abzugeben. Ihm muss bewusst sein, dass auch er keine fehlerhafte Vorleistung bearbeiten möchte. Das Streben nach Perfektion muss das Interesse jedes Mitarbeiters sein. Das Erreichen dieser Einstellung ist ein Prozess, den ein Unternehmen sehr langfristig gehen muss. Das passiert nicht von heute auf morgen und muss jedem neuen Mitarbeiter vermittelt werden.5
„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen und Arbeiten einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer.“6
1.3 Unterschiede Bauproduktion u. stationäre Industrieproduktion
Die Unterschiede zwischen der stationären Industrie und der Bauindustrie sind groß und grundlegend dafür verantwortlich, weshalb ein Managementsystem wie das des Lean Managements hier bei inkonsequenter Umsetzung an seine Grenzen stößt. Für ein Bauvorhaben, als Endprodukt, ist im Vorhinein ein kompletter Ablaufplan zu erstellen, der nur selten exakt so umgesetzt werden kann. Die wesentlichen und markantesten Gründe hierfür sind:
Bauprojekte sind unbeweglich
Nicht das Produkt wechselt, wie in der stationären Industrie, den Ort, sondern die Produktionsstätte wird räumlich gewechselt. Dadurch muss sich der Baubetrieb für jedes neue Bauvorhaben an die örtlichen Bedingungen anpassen und sich auf die Gegebenheiten einstellen. Dies gilt für Fertigteile nur bedingt.
Infrastruktur
Zunächst ist hier die Infrastruktur zu analysieren. Sie ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts und darf unter keinen Umständen vernachlässigt werden. Eine Baustelle kann gewissermaßen überall sein. Mitten auf einer Autobahn, in einer Stadt, in einem Dorf oder auf offenen Feld. Oftmals muss dafür eine umfangreiche Verkehrssicherung eingerichtet werden. Diese hängt davon ab, wie stark der Verkehr vor Ort ist, welche Verkehrsanbindung vorliegt, ob unmittelbare Nachbarbebauung vorhanden ist und inwieweit in den Verkehr eingegriffen werden kann. Hier erkannt man einen maßgebenden Unterschied zur stationären Industrie, da dort normalerweise alles in einer Produktionshalle gefertigt wird, ohne Notwendigkeit, den Verkehr zu berücksichtigen. Die wichtigsten Merkmale lassen sich in folgende Stichpunkte zusammenfassen:
- Verkehrsdichte
- Grundstück (Untergrund/Oberbau)
- Nachbarbebauung/Lage des Baufeldes
- Verkehrsanbindung
Einfluss des Bauherrn/Auftraggebers
Ein weiteres wesentliches Merkmal ist, dass der Auftraggeber einen sehr großen Einfluss auf das Bauvorhaben ausüben kann. Ihm steht es zu, die Entscheidungen über Qualität zu treffen und er darf jederzeit Änderungen vornehmen, die dann vom Bauunternehmen umgesetzt werden müssen. Er trifft Entscheidungen über verwendbare Baustoffe, den Produktionsumfang und hat das Recht, dem Auftragnehmer die Ausführungsfristen zu setzen. Durch den Einfluss des Auftraggebers kann das Unternehmen häufig nur sehr kurzfristig agieren. Das ist ein deutlicher Unterschied zur stationären Industrie, in welcher das Unternehmen selbst über diese Faktoren Entscheidungen treffen kann. Das Produkt wird zwar marktorientiert analysiert, die Ausführungseigenschaften bestimmt aber die Produktionsfirma. Den Einfluss des Auftraggebers im Baugewerbe skizzieren die folgenden Punkte:
- Verwendbare Baustoffe
- Qualität der Bauobjekte
- Ausführungsfristen
- Umfang des Bauvorhabens
- Änderungen im Bauablauf/in der Ausführung
Witterung
Produktionsstätten eines Bauvorhabens sind nur selten überdacht, meistens sind sie der Witterung komplett ausgesetzt. Dementsprechend muss sich der Baubetrieb darauf einrichten und Rücksicht nehmen. Dies ist ein oft kaum kalkulierbarer Störfaktor, der die Wirtschaftlichkeit einer Baustelle stark beeinträchtigen kann. Die Witterung hat gerade im Tiefbau großen Einfluss auf den Untergrund, auf die Maschinen und natürlich auch auf die Arbeitskräfte. Auf Grund starker Regenfälle muss die Arbeit an Leitungen, die sich in Betrieb befinden, oft unverzüglich eingestellt werden. Man bezieht die Witterung zwar in die Kalkulation mit ein, sich hundertprozentig darauf einzustellen ist aber unmöglich. Sie bleibt ein erhebliches Risiko, mit dem der Baubetrieb zu kämpfen hat. Die stationäre Industrie ist davon zum größten Teil unbetroffen. Für den Produktionsablauf ist es in den meisten Fällen irrelevant, ob es vor der Produktionshalle regnet oder stürmt. Die wesentlichen Merkmale sind in Stichpunkten zusammengefasst:
- Produktionsstätten des Baubetriebs sind nicht überdacht
- der Baubetrieb ist der Witterung oft schutzlos ausgeliefert
- Teilweise kalkulierbar, aber nie 100% vorhersehbar
- Regen/Schnee/Frost/Sonne können erhebliche Störfaktoren darstellen
- Einschränkung der Arbeitskräfte und Maschinen
Serienfertigung
Eine Serienfertigung, wie in der Industrie, ist im Bauhauptgewerbe nur sehr bedingt realisierbar. Es werden selten identische Produkte gefertigt. Bauprozesse ähneln sich zwar, dennoch ändern sich die Rahmenbedingungen und Gegebenheiten für jedes Bauprojekt, was auch stets Berücksichtigung finden sollte. Sogar bei der Erstellung von Kataloghäusern handelt es sich nicht um eine identische Bauweise. Bei einem Bauvorhaben handelt es sich also immer um die Erstellung eines Unikates, dessen Produktion nur einmal durchgeführt wird. Die folgenden Punkte sollen die unterschiedlichen Aspekte aufgreifen, die eine Serienfertigung im Baugewerbe erschweren:
- nur bedingt realisierbar, da jedes Bauvorhaben ein Unikat darstellt
- Teilvorgänge ähneln sich zwar, sind jedoch oft nicht identisch auszuführen
- Rücksichtnahme auf Gegebenheiten und Rahmenbedingungen
Langfristige Produktionsprogramme
Langfristige Produktionsprogramme, wie sie in der stationären Industrie üblich sind, sind im Baugewerbe selten und schwer zu realisieren. Normalerweise beteiligt sich das Unternehmen an Ausschreibungen und bekommt den Zuschlag nur bei Erstellung des günstigsten Angebotes.
„Die Bauindustrie ist eine auftragsorientierte Bereitschaftsindustrie“7
Sie baut nicht im Voraus und schaut dann, wer das Produkt kaufen möchte, sondern baut auf Anfrage des Kunden. Das ist häufig ein Problem, da Bauunternehmen für die Herstellung Mitarbeiter beschäftigen, die am besten in jeglicher Situation ausgelastet sein sollten. Um dies zu garantieren, wirkt ein Bauunternehmen bei vielen Ausschreibungen mit. In der stationären Industrie wird ein Produkt entwickelt, worauf der Kunde im Idealfall aufmerksam wird. Der Kunde ruft es dann meistens im Geschäft ab.
Unsicherheiten für den Tiefbau
Unsicherheiten sind stellvertretend für den „gestörten Bauablauf“ und es gilt, sie im Vorhinein, so gut es geht, zu analysieren und zu bewerten. Gerade im Tiefbau kann man nicht alles voraussehen und vermeiden. Daher muss immer wieder mit Einflüssen gerechnet werden, die den Bauablauf verzögern oder stören. Diese Einschränkungen sind im Folgenden bespielhaft zusammengefasst und könnten beliebig ergänzt werden:8
- Grundwasserschwankungen
- Fehlleistungen des Vorunternehmers
- Fehleistungen des Nachunternehmers
- Verkehrsbehinderungen
- verspätete und unzureichende Ausführungsplanung
- unzureichende Entscheidungsverantwortlichkeit des öffentl. Auftraggebers
- Bodenbedingungen
- Unbekannte Leitungen
- Archäologische Funde
1.4 Lean Management im Bauwesen
In der Baubranche, speziell im konventionellen Tiefbau, ist dieses Managementsystem, anders als in der stationären Industrie, noch kein großer Bestandteil im Produktionsprozess von Bauvorhaben. Dies liegt zum Großteil an der Tatsache, dass sich das Planen, Managen und Ausführen von Produkten des Baubetriebs deutlich von der stationären Fertigung unterscheidet. Große Konzerne, wie Strabag oder HochTief, die einen erheblichen Anteil an Kaufleuten und Beratern beschäftigen, befassen sich zwar schon länger damit. Die Mittelständler in der Bauindustrie jedoch, die keine, oder wenn überhaupt, kleine bürokratische Mittel besitzen, arbeiten selten mit dieser Art Managementvariante, da sie anders als die üblichen Managementsysteme schwierig zu etablieren sind und kontinuierliche Anstrengung in der Umsetzung verlangen. Die großen Firmen sind daher oftmals mehrere Schritte voraus, wenn es darum geht, etwas sehr günstig zu produzieren, ohne auf Gewinn verzichten zu müssen. Während kleine Firmen eine Fachkraft einsetzen müssen, die sich um die Einführung kümmert, hat ein großer Konzern ganz andere Mittel, sich mit diesem System zu beschäftigen. Die Ziele, die Lean Management verfolgt, sind gleichzeitig wichtige Ziele, die ebenso für die Baubranche von großer Bedeutung sind. Wenn man die Methoden angleicht und auf das Bauwesen zuschneidet, kann dadurch eine erhebliche Verbesserung der Wertschöpfung erreicht werden. Dafür bedarf es aber einer spezifischen Anpassung der Methoden, die gegebenenfalls zusätzlich durch andere Ansätze erweitert oder sogar verändert werden müssen. Erschwernisse bei der Einführung der prinzipiellen Grundlagen treten unter Umständen auf, wenn ein Bauunternehmen:
- Baustellen/Bauvorhaben nur als vorübergehende Produktion betrachtet, ohne sie nachhaltig verschwendungsfrei zu gestalten
- Ressourcen für die Umsetzung der Prinzipien eher in den momentanen Fortschritt der Bauvorhaben einsetzt
- nur kurzweilige Leistungssteigerung erreichen will und nicht die zwar zeitintensivere, aber langfristige Leistungssteigerung
Prinzipen sind aber vielmehr als Charaktereigenschaften gemeint, die dafür sorgen können, dass „Lean-Ansätze“, die einmal eingesetzt wurden, langfristig umgesetzt werden. Sie sorgen dafür, dass nicht nur der eine Arbeitsprozess auf der jetzigen Baustelle verbessert wird - sondern der „Lean-Gedanke“ übergreift auf jede andere Baustelle, die in Zukunft zu behandeln ist. Es kann zu einer Grundeinstellung führen, die dadurch geprägt ist, diese Prinzipien bei jeder Handlung zu beachten und sinnvoll einzusetzen. Somit kann auch auf Baustellen des Tiefbaus ein Arbeitsfluss entstehen, der die wichtigsten Grundlagen des Lean Managements berücksichtigt. In Kapitel 2 wurde schon auf die allgemeinen Grundlagen eingegangen, die es jetzt in die Produktion von Bauprojekten im Tiefbau zu transferieren gilt. Die wichtigsten Gedanken, die das System für die Baubranche bedeutet:
- Verschwendung muss so klein wie möglich bzw. eliminiert werden
- Kundenorientierung muss Grundlage für den Ablauf von Bauprojekten sein
- die Prozesse müssen zeitlich verringert werden
Diese Gedanken und Regeln des Lean Management müssen in das Qualitätsmanagement von Firmen eingearbeitet und als Grundlage für jegliches Handeln der Mitarbeiter einer Bauunternehmung angesehen werden. Sie müssen verstanden, angewendet und kontinuierlich optimiert werden. Hierfür muss zunächst überprüft werden, was Verschwendung in der Bauindustrie bedeutet. Ebenso muss die Kundenorientierung und der Kundenbezug analysiert werden.
- A = wertschöpfende Leistungen
- B = notwendige Leistungen;
- C = Verschwendungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNG 3: LEAN-ANSATZ; DREES & SOMMER (17)
2. Verschwendungen auf Baustellen im Tiefbau
2.1 Bedeutung für das Bauwesen
„Verschwendung“ oder im japanischen „Muda“ ist laut Taicci Ohno der maßgebliche Grund für eine geringe Wertschöpfung. Menschliche Tätigkeiten, die zwar Ressourcen verbrauchen, jedoch keinen Wert erzeugen, werden als Verschwendung angesehen. Ressourcen sind als Arbeiter, Waren, Produktionsmittel und Zeit definiert. Der konventionelle Prozess bei der Herstellung von Bauleistungen ist dadurch gekennzeichnet, dass man ihn sinnvoll in drei verschiedene Arten von Aktivitäten unterteilen kann. Es wird deutlich, dass Verschwendung eine feste Größe auf Baustellen darstellt. Sie blockiert und behindert die Wirtschaftlichkeit eines Bauunternehmens, deswegen muss sie, so gut es geht, vermieden werden. Durch Verschwendung kommt es zu enormen Kosten, die das Unternehmen daran hindern, der Wertschöpfung für den Kunden effektiv nachzugehen. Ob es Fehler im Produkt, zeitliche Verzögerungen oder Differenzen in der Kommunikation sind - diese Faktoren schaffen keinen Mehrwert für den Kunden, der aber für diese Verschwendung zahlen soll, denn wenn er nicht zahlt, ist das Unternehmen nicht in der Lage, wirtschaftlich zu arbeiten. Die in Kapitel 1.4. beschriebenen Prinzipien sind also maßgeblich, wenn es darum geht Verschwendung, zu erkennen und zu eliminieren.
Wertschöpfende Leistungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNG 4: FERTIGTEILSCHACHT UND SCHACHTBAUWERK FA. HW
- der Schacht wurde vom Kunden bestellt, er ist ein wesentlicher Bestanteil des beauftragten Endproduktes
- der Schacht schafft Mehrwert für den Kunden
- hier handelt es sich um Wertschöpfung aus Sicht des Kunden und des Unternehmers
- die Schachterstellung ist der Wunsch des Kunden
Notwendige Leistungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNG 5: SPRITZBETONGRUBE MW100 IN LEVERKUSEN
- die Herstellung einer Baugrube ist eine notwendige Leistung, um das vom Kunden gewünschte Produkt herzustellen
- sie sollte so dimensioniert werden, dass der Aufwand für die Herstellung am minimalsten ist
- es handelt sich hier um eine unvermeidbare Verschwendung, die als Grundlage für die Wertschöpfung entsteht
- unvermeidbare Verschwendungen müssen so klein wie möglich gehalten werden
Verschwendungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
ABBILDUNG 6: BLOCKIERENDER BAUSCHROTT AUF DER BAUSTELLE
- schafft keinen Mehrwert für den Kunden
- sorgt für eine Beeinträchtigung des Wertstroms
- diese Zeit könnte besser mit wertschöpfenden Tätigkeiten zugebracht werden
- sie gilt es mittels Ansätzen des Lean Managements zu vermeiden
Die Aufgabe von Lean Management besteht auch darin, wertschöpfende Tätigkeiten signifikant zu erhöhen, indem die notwendigen Leistungen verringert und Verschwendungen vermieden werden.
Durch die vorausgehenden Ausführungen bemerkt man eine deutliche Verbindung zwischen dem Managementsystem mit seinen Prinzipien und der Wertschöpfung im Bauhauptgewerbe. Der Übergang zwischen dem Ansatz Verschwendung und der Wertschöpfung ist fließend. Es gilt nun eine Verbindung zu schaffen, die in direktem Bezug zu den beiden Themen steht. Dafür muss laut Lean Management an den Ort gegangen werden an dem die Wertschöpfung entsteht. Es muss beobachtet werden, was dort geschieht. Grundlegend muss akzeptiert werden, dass es sinnvoller ist, externe Beobachter auf die Baustelle zu schicken, die diese genau nach Verschwendungen untersuchen. Angestellte auf der Baustelle werden sich nur ungern eingestehen, dass ihr schon jahrelang üblicher Produktionsprozess teilweise nicht wertschöpfend sein könnte. Das ist in erster Linie auf die sogenannte „Betriebsblindheit“ oder auf das Beharrungsvermögen zurückzuführen, denen die Arbeitskräfte mit den Jahren erliegen. Für diese Aufgabe eignet sich ein Praktikant, welcher sich teilweise mit der Materie auskennt. Er hat die Legitimation Fragen zu stellen, ohne dass sich die Arbeitskraft angegriffen fühlen muss. Der Praktikant weiß es halt nicht besser und somit kann es ihm erklärt werden. In diesem Zusammenhang muss die Arbeitskraft ihre Prozessabläufe selbst hinterfragen. Das Ergebnis kann gemeinsam bewertet werden, und es können Anstöße zur Verbesserung geben. Es gilt nun herauszufinden, ob Ressourcen in der Produktion verschwendet werden. Dies stellt eine größere Herausforderung dar als die Beobachtung der Arbeitsprozesse in der stationären Industrie. Dort ist es leichter herauszufinden, welche Prozesse wie und womit verbessert werden können, da sie oftmals maschinell sind und durchgehend dieselbe Tätigkeit ausüben. Auf Baustellen bedarf es mehr. Hier muss viel eher Verschwendungsbewusstsein in den Köpfen der Arbeiter Platz finden. Auf der Baustelle entscheidet sich maßgeblich, ob das Produkt am Ende, qualitativ und ökonomisch betrachtet, erfolgreich ist. Bei Beachtung der Grundlagen des Lean Management entsteht ein Produkt, welches frei von Verschwendung ist und nur aus notwendigen Leistungen zu einem Mehrwert führt. Die unterschiedlichen Verschwendungsarten sind nachfolgend aufgelistet und werden im Lean Managements als „7V“ betitelt, die durch den Mitbegründer des TPS, Taicci Ohno durch die achte Verschwendungsart, das mangelhafte „Mitarbeiter Know-How“ erweitert wurde.9 Sie sind aber nicht vollständig voneinander trennbar, da sie sich teilweise überschneiden oder sogar mehreren Kategorien zugeordnet werden können. Auf diese wird im Zuge dieser wissenschaftlichen Arbeit näher eingegangen. Im nachfolgenden wird eine Ist-Situation geschaffen, um überhaupt zu erkennen, wo Probleme auftauchen, die gelöst werden müssen.
- Transporte
- Überkapazitäten
- Überflüssige Bewegungen
- Fehler/Nacharbeit
- Wartezeiten
- Bestände
- Mitarbeiter Know-How
2.2 Verschwendungsarten und deren Ursachen
2.2.1 Überflüssige Bewegungen
Unnötige Bewegungen entstehen nicht selten durch verschiedene Nebentätigkeiten, die auf eine ungünstige Anordnung bzw. Lagerung von Geräten und Baustoffen zurückzuführen sind. Sie senken die Produktivität auf der Baustelle, da in diesen Situationen, die keinen unerheblichen Teil der Arbeitszeit ausmachen können, keine wertschöpfenden Tätigkeiten ausgeführt werden. Es können kleine Bewegungen sein, wie das „nur mal eben holen gehen“ von Werkzeugen, welche für die Arbeit gebraucht werden. Oftmals sind es größere Bewegungen, wie das Umstellen und Umräumen von Lagerstätten, die sich unter Umständen mitten im Durchgang befinden, da die Lieferung plötzlich kam und vorher keine Lagerstätte bestimmt worden war. Auf Baustellen führt eine schlechte Arbeitsergonomie zu überflüssigen Bewegungen, welche zusätzliche Unfälle und Mängel verursachen kann. Unnötige Bewegungen auf der Baustelle sind dadurch gekennzeichnet, dass jemand einen Teil der Arbeitszeit damit verbringt, Sachen aus dem Container zu suchen, oder Bestände von den Lagerplätzen zu holen. In dieser Zeit wird keineswegs zur Wertschöpfung beigetragen, vielmehr werden die Ressourcen verschwendet, die eigentlich auf diese fokussiert sein müssten. Ferner werden die Ressourcen des Mitarbeiters verbraucht, welcher die Suche beauftragt hat, und womöglich am Graben wartet. Er wartet so lange, bis er dann das benötigte Werkzeug bekommt, damit er mit der wertschöpfenden Tätigkeit fortfahren kann. Dadurch wird die Leistung von zwei Arbeitskräften beeinträchtigt. Überflüssige Bewegungen müssen effektiv vermieden werden, um den Fokus auf die Produktion zu lenken. Sie können den Wertstrom ungemein bremsen.
mögliche Ursachen:
- Hin-und Herräumen von Beständen
- Werkzeuge, die sich gar nicht oder nicht vollständig am Arbeitsplatz befinden
- defekte Werkzeuge
- Suche nach Werkzeugen
- Unordnung
- Unwissenheit
- evtl. Fahren zum nächsten Baustoffhändler
- ungenaue Anweisungen
[...]
1 Becker, 2006, S.278f
2 Vgl. LEANmagazin, 2016 (24)
3 Vgl.: Womack, Jones (2013), S. 20-23
4 Gorecki/Pautsch, Lean Management, 2016, S.18
5 Womack/Jones, Lean Thinking, 2013, S.116
6 Antoine de Saint-Exupéry (posthum), Die Stadt in der Wüste/Citadelle, 1948
7 Prof. Dr.-Ing. Hermann Bauer, Baubetrieb 2, 1991, S.497
8 Vgl.: Prof. Dr.-Ing. Hermann Bauer (1991), S.496-499
9 Vgl.: Susanne Koch (2011), S.126-132
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