1 Einleitung***
1.1 Demographische Entwicklung***
„And in the end it’s not the years in your life that count.
It’s the life in your years.”
Abraham Lincoln (1809-1865)
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist im Laufe der Menschheitsgeschichte deutlich angestiegen. Lag sie in der griechischen Antike bei ungefähr 20 Jahren, Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland bei ca. 35 Jahren, so liegt sie heute bei weit über 70 Jahren (NAGEL, 1997). Laut dem Statistischen Bundesamt wird sich die altersmäßige Zusammensetzung der Bevölkerung in Deutschland gravierend verändern. Waren Ende 2005 20% der Bevölkerung jünger als 20 Jahre, wird diese Zahl im Jahr 2050 auf 15% gesunken sein. Gleichzeitig wird sich die Zahl der über 65-Jährigen von 19% im Jahr 2005 auf über 30% erhöhen. Auf Personen im so genannten Erwerbsalter, zwischen 20 und 65 Jahren, entfielen 2005 noch 61%, im Jahr 2050 jedoch nur noch etwa 50%. Diese Tendenzen zeigen eine starke demographische Alterung auf. Der Bevölkerung im Erwerbsalter werden immer mehr Personen im Seniorenalter gegenüberstehen. Gründe für die demographische Alterung sind in der verbesserten medizinischen Versorgung und Hygiene aber auch im gestiegenen materiellen Wohlstand zu sehen. Auch der Geburtenrückgang spielt hier ein wichtige Rolle, lag die Anzahl der Lebendgeborenen Mitte des 19. Jahrhunderts bei über 5 pro Frau, sind es heute durchschnittlich nur noch 1,4 Kinder (DENK, PACHE, SCHALLER, 2003). Seit Mitte der Siebziger Jahre kommt ein Drittel weniger Kinder zur Welt, als notwendig wäre, um den Bevölkerungsstand ohne nennenswerte Zuwanderungen zu halten (DRITTER JAHRESBERICHT des Statistischen Landesamtes Baden-Württemberg, 2005). Die voraussichtlich weiter zurückgehende Geburtenhäufigkeit führt dazu, dass die Anzahl potentieller Mütter immer kleiner wird, was wiederum mit einer sinkenden Kinderzahl einhergehen wird. Abbildung 1 zeigt zusammenfassend den Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland in den Jahren 1910 und 2005 sowie den erwarteten Altersaufbau des Jahres 2050.[...]
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
1.1 Demographische Entwicklung
1.2 Altersbegriffe
1.3 Stürze und sturzbedingte Verletzungen im Alter
1.4 Zielsetzung der Studie
1.5 Nullhypothesen
2 Literaturbesprechung
2.1 Sturzursachen
2.1.1 Altersbedingte Veränderungen
2.1.2 Krankheitsbedingte Veränderungen
2.2 Sturzfolgen
2.2.1 Körperverletzungen
2.2.2 Psychosoziales Trauma
2.3 Sturzprophylaxe
2.3.1 Veränderungen der Motorik im Alter und ihre Auswirkungen auf den Alltag
2.3.2 Koordination
2.3.3 Gleichgewicht
2.3.4 Kraft
3 Methodik
3.1 Untersuchungsgut
3.2 Untersuchungsmethodik
3.2.1 Diagnostik der Gleichgewichtsfähigkeit
3.2.2 Diagnostik der Kraftfähigkeit
3.2.3 Methodik des Gleichgewichtstrainings
3.2.4 Methodik des Krafttrainings
3.2.5 Statistik
4 Ergebnisse
4.1 Ergebnisse der Interventionsgruppe
4.1.1 Statische Gleichgewichtsfähigkeit
4.1.2 Kraftfähigkeit
4.2 Ergebnisse der Kontrollgruppe
5 Diskussion
5.1 Gleichgewichtstraining
5.1.1 Rombergtests
5.1.2 Single Statik Tests
5.2 Krafttraining
6 Zusammenfassung und Ausblick
7 Literaturverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland
Abbildung 2: Unfallverletzungen der Altersklasse 65 Jahre
Abbildung 3: Spirale der Sturzfolgen
Abbildung 4: Gliederung des motorischen Gleichgewichtes
Abbildung 5: Durchschnittliche Muskelfaserfläche
Abbildung 6: Absolute Druckkraft der Hand im Alternsverlauf
Abbildung 7: Studien zur Muskelquerschnittsvergrößerung
Abbildung 8: Stehen im monopedalen Stand
Abbildung 9: Stehen auf instabiler Unterlage
Abbildung 10: Aufwärmspiel „Balltreiben“
Abbildung 11: Übung Leg Flexion (links) und Leg Extension (rechts)
Abbildung 12: Übung Back Pull
Abbildung 13: Cable Lifting am Seilzug: Ausgangs- und Endposition
Abbildung 14 und 15: Gehaltene Crunches und Beckenlift
Abbildung 16 und 17: Kräftigun der Abduktoren und Rücken
Abbildung 18: Teilnehmer meldet sich am „Coach“ an
Abbildung 19: Vorneigung im Oberkörper bei bilateralem Stand
Abbildung 20: Gehen auf einer Linie
Abbildung 21: Schwankung des Rombergestes mit offenen Augen
Abbildung 22: Schwankung des Rombergestes mit geschl. Augen
Abbildung 23: Fläche des Rom-testes mit offenen/geschl. Augen
Abbildung 24: Schwankung des SST auf dem rechten Bein
Abbildung 25: Beschriebene Fläche des SST auf dem rechten Bein
Abbildung 26: Schwankung des SST auf dem linken Bein
Abbildung 27: Fläche des SST auf dem linken Bein
Abbildung 28: Zahl der Stürze pro Bewohner
Abbildung 29: Maximalkraftniveau
Abbildung 30: RPE Werte der durchgeführten Übungen (EG)
Abbildung 31: RPE Wert der Übung Leg Extension
Abbildung 32: RPE Wert der Übung Leg Flexion
Abbildung 33: RPE Werte der Übungen Back Pull und Cable Lifting
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Altersbegriffe
Tabelle 2: Drei Phasen in der Entwicklung des Gleichgewichts
Tabelle 3: Siebenstufige RPE-Skala
Tabelle 4: Zahl der Stürze im zeitlichen Verlauf
Tabelle 5: Vorteile des sanften Krafttrainings
Tabelle 6: Zusammensetzung der Gruppen nach Alter
Tabelle 7: Gruppen nach Alter und Geschlecht
Tabelle 8: Antworten der Interventionsgruppe
Tabelle 9: Ergebnisse des Rombergtestes mit offenen Augen
Tabelle 10: Ergebn. des Rombergtestes mit geschlossenen Augen
Tabelle 11: Ergebnisse des SST-Tests mit offenen Augen (EG)
Tabelle 12: Ergebnisse der Krafttests mit Werten der RPE-Skala
Tabelle 13: Ergebnisse der Krafttests der männlichen Teilnehmer
Tabelle 14: Ergebn. der Krafttests der weiblichen Teilnehmerinnen
Tabelle 15: Ergebnisse des Rombergtests mit offenen Augen (KG)
Tabelle 16: Ergebn. des Rombergtestes mit geschlossenen Augen
Tabelle 17: Ergebnisse der SST-Tests (KG)
Tabelle 18: Sensomotorische Studien zur Standstabilität.
1 Einleitung
1.1 Demographische Entwicklung
„And in the end it’s not the years in your life that count. It’s the life in your years.”
Abraham Lincoln (1809-1865)
Die durchschnittliche Lebenserwartung ist im Laufe der Menschheitsgeschichte deutlich angestiegen. Lag sie in der griechischen Antike bei un]gefähr 20 Jahren, Ende des 19. Jahrhunderts in Deutschland bei ca. 35 Jahren, so liegt sie heute bei weit über 70 Jahren (NAGEL, 1997). Laut dem Statistischen Bundesamt wird sich die altersmäßige Zusammensetzung der Bevölkerung in Deutschland gravierend verändern. Waren Ende 2005 20% der Bevölkerung jünger als 20 Jahre, wird diese Zahl im Jahr 2050 auf 15% gesunken sein. Gleichzeitig wird sich die Zahl der über 65-Jährigen von 19% im Jahr 2005 auf über 30% erhöhen. Auf Personen im so genannten Erwerbsalter, zwischen 20 und 65 Jahren, entfielen 2005 noch 61%, im Jahr 2050 jedoch nur noch etwa 50%. Diese Tendenzen zeigen eine starke demographische Alterung auf. Der Bevölkerung im Erwerbsalter werden immer mehr Personen im Seniorenalter gegenüberstehen. Gründe für die demographische Alterung sind in der verbesserten medizinischen Versorgung und Hygiene aber auch im gestiegenen materiellen Wohlstand zu sehen. Auch der Geburtenrückgang spielt hier ein wichtige Rolle, lag die Anzahl der Lebendgeborenen Mitte des 19. Jahrhunderts bei über 5 pro Frau, sind es heute durchschnittlich nur noch 1,4 Kinder (DENK, PACHE, SCHALLER, 2003). Seit Mitte der Siebziger Jahre kommt ein Drittel weniger Kinder zur Welt, als notwendig wäre, um den Bevölkerungsstand ohne nennenswerte Zuwanderungen zu halten (DRITTER JAHRESBERICHT des Statistischen Landesamtes Baden-
Württemberg, 2005). Die voraussichtlich weiter zurückgehende Geburtenhäufigkeit führt dazu, dass die Anzahl potentieller Mütter immer kleiner wird, was wiederum mit einer sinkenden Kinderzahl einhergehen wird. Abbildung 1 zeigt zusammenfassend den Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland in den Jahren 1910 und 2005 sowie den erwarteten Altersaufbau des Jahres 2050.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Altersaufbau der Bevölkerung in Deutschland (Statistisches Bundesamt, 2006).
Aufgrund der aufgezeigten demographischen Entwicklung ergeben sich gesellschaftspolitische und volkswirtschaftliche Probleme, welche vor allem den Gesundheitssektor betreffen. Eine immer kleiner werdende Zahl von Menschen im Erwerbsalter haben die Verantwortung und die Gewährleistung der Versorgung der steigenden Zahl der Senioren zu tragen. Dies ist eine schwierige Aufgabe, da die erwartete demographische Entwicklung zwangsläufig mit einer Vergrößerung der Zahl pflegebedürftiger älterer Menschen einhergeht. Die Bevölkerungsentwicklung in Deutschland betrachtend wird es notwendig, sich mit den Prozessen und der Problematik des Alterns auseinanderzusetzen. Es gilt Wege zu finden, um die Unabhängigkeit und Lebensqualität älterer Menschen zu erhalten.
1.2 Altersbegriffe
Bei der Wissenschaft, die sich mit dem Phänomen des Alterns beschäftigt (Gerontologie) geht es nicht um jenen subjektiven Altersbegriff, der sichtbar wird wenn Menschen jede Person für alt halten, die 15 Jahre älter ist als sie selbst (MEUSEL, 1996). Laut MEUSEL (1996) wird der Begriff des Alterns in der Gerontologie in drei verschiedenen Bedeutungen gebraucht:
Tabelle 1: Altersbegriffe
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der Einteilung in das kalendarische Alter werden Personen anhand ihres Geburtsdatums eingeordnet. Problem hierbei ist, dass diese Einteilung keine Folgerung auf die sportliche Leistungsfähigkeit zulässt. Mit 15 kann jemand unter Umständen schneller schwimmen als ein 25-Jähriger, mit 70 mühelos den 15- und 25-Jährigen im Langlauf übertreffen (MEUSEL, 1996). Aufgrund dieser Tatsache kann auf die Einteilung in das funktionale bzw. biologische Alter zurückgegriffen werden. Bei diesem Konstrukt werden bestimmten funktionalen Entwicklungsphasen bestimmte Ausprägungsgrade von Merkmalen zugewiesen. Dabei wird auch der Zustand von Organen und Organsystemen betrachtet. Grob lässt sich das so genannte Sportalter in vier Phasen einteilen (nach MEUSEL, 1996):
- das frühe Erwachsenenalter (etwa 18/20 bis 30/35 Jahre), die Jahre der relativen Erhaltung der motorischen Leistungsfähigkeit;
- das mittlere Erwachsenenalter (etwa 30/35 bis 45/50 Jahre), die Jahre der allmählichen motorischen Leistungs- minderung;
- das späte Erwachsenenalter (etwa 45/50 bis 65/70 Jahre), die Jahre der verstärkten motorischen Leistungsminderung;
- das späte Erwachsenen- und Greisenalter (ab 65/70 Jahre), die Jahre der ausgeprägten motorischen Rückbildung.
Der Altersbegriff zur Bezeichnung eines spezifischen Lebensabschnittes ist wegen der großen Vielfalt hinsichtlich der Leistungsfähigkeit nur schwer anzuwenden.
Der Prozess des Alterns wird fälschlicherweise öfters als „Krankheit“ angesehen. Dies trifft nicht zu, da die sich langsam einstellenden Verringerungen der Leistungsfähigkeit in der Regel alle Organe betreffen und einen harmonischen Verlauf aufzeigen. Die Merkmale des Alterns können auch nicht immer dem eigentlichen Alternsprozess zugeschrieben werden, vielmehr gilt es zwischen dem Alternsprozess (aging), den Folgen von Inaktivität (disuse), anderen Risikofaktoren und Krankheiten (disease) zu unterscheiden (nach MEUSEL, 1996). Es fällt schwer die Merkmale eindeutig einem dieser drei Bereiche zuzuteilen. Bei der Verringerung der Muskelkraft beispielsweise ist es schwer nachvollziehbar, ob es sich um einen physiologischen Prozess oder die Folgen von Inaktivität handelt. Die meisten Alternsmerkmale sind nicht ausschließlich bei älteren Menschen zu beobachten, sondern können in Verbindung mit Krankheit auch bei Jüngeren auftreten. So tritt Arteriosklerose zwar gehäuft im Alter auf und wird deshalb als „Alterserscheinung“ angesehen, jedoch zeigt dieses Merkmal zwischen dem 3. und 5. Lebensjahrzehnt seine stärkste Entwicklung auf (BÖGER/KANOWSKI, 1995).
1.3 Stürze und sturzbedingte Verletzungen im Alter
Wie in Kapitel 1.1 gezeigt wurde, kommt es zu einem größer werdenden Anteil von älteren Menschen in der Bevölkerung. Dies führt zwangsläufig zu einer Zunahme altersspezifischer Erkrankungen und Verletzungen, was sich im zunehmenden Auftreten von Stürzen im Alltag niederschlägt (GRANACHER, 2004). Es gibt keine genauen Zahlen über die Sturzhäufigkeit Älterer, jedoch wird geschätzt, dass in Deutschland etwa 30% der zu Hause lebenden Personen über 65 Jahre mindestens einmal pro Jahr stürzen (ÄRZTEKAMMER NORDRHEIN, 2003). Diese Zahl erhöht sich auf 80% bei den über 80- Jährigen. Die Wahrscheinlichkeit zu stürzen scheint mit steigendem Alter größer zu werden. Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) konzentrieren sich im Jahr 2000 von rund 5,36 Mio. Unfallverletzungen in Heim und Freizeit ca. 734.000 auf die Alterklasse 65 Jahre und älter. Dabei sind Frauen mehr als doppelt so häufig betroffen als Männer (siehe Abbildung 2). Als die beiden häufigsten Tätigkeiten beim Geschehen des Unfalls liegen das Fortbewegen in der Ebene sowie das fortbewegen auf Stufen oder Leitern mit insgesamt 61,2% deutlich an erster Stelle. Ferner war die Unfallart hauptsächlich durch einen Sturz auf gleicher Ebene charakterisiert, gefolgt vom Sturz aus der Höhe.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: Unfallverletzungen der Altersklasse 65 Jahre und älter im Jahr 2000 (Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, 2007).
Stürze bei Älteren sind häufig mit schwerwiegenden Folgen verbunden. In ca. 30% der Fälle kommt es zu Frakturen, wobei hauptsächlich die unteren Extremitäten betroffen sind. So wurden 1998 in Krankenhäusern, laut der ÄRZTEKAMMER NORDRHEIN (2003), fast 120.000 Fälle einer Hüftfraktur angegeben. Neun von zehn Betroffenen waren 65 Jahre oder älter. Insbesondere bei Hüftfrakturen (proximale Femurfrakturen) entstehen zwangsweise erhebliche individuelle und gesellschaftliche Folgen. Internationale Studien kamen zu dem Ergebnis, dass bis zu ein Drittel der wegen einer Hüftfraktur stationär behandelten älteren Menschen innerhalb eines Jahres versterben. Bei der Hälfte der Patienten kommt es zu einer dauerhaften Einschränkung der Beweglichkeit. Circa 20% werden pflegebedürftig. Es wird geschätzt, dass in Deutschland für die unmittelbare medizinische Behandlung von Hüftfrakturen Kosten von über 1 Milliarde Euro pro Jahr entstehen, wobei die folgenden Langzeitkosten sowie indirekte Kosten nicht mit eingerechnet sind (ÄRZTEKAMMER NORDRHEIN, 2003). Neben den physischen Einschränkungen kommt es aber auch zu psychischen Folgen, denn oft geht eine Sturzverletzung mit der Angst erneut zu stürzen einher. Davon kann das Selbstvertrauen im Alltag negativ beeinträchtigt werden; die Betroffenen kommen sich zerbrechlich vor und verzichten aus Angst auf ihre gewohnten Handlungen, wie z.B. Spazierengehen. Anhand dieser Fakten wird die Notwendigkeit einer Intervention auf dem Gebiet der Sturzprophylaxe deutlich. Es gilt den Einfluss Sturz verursachender Faktoren, welche hauptsächlich in der muskulären Schwäche und den Defiziten im sensomotorischen System gesehen werden, zu reduzieren, um die Zahl der Hüftfrakturen zu minimieren und den damit verbundenen Verlust an Lebensqualität zu vermeiden (nach GRANACHER, 2004). Die bisherige Literatur hinsichtlich dieses Themenkomplexes (MEUSEL, 1996; DENKK/PACHE/SCHALLER, 2003; ÄRZTEKAMMER NORDRHEIN, 2003; GRANACHER, 2004) sieht in einer Kombination aus Krafttraining und Training der sensomotorischen Fähigkeiten den effektivsten Ansatz bei der Prävention von Stürzen im Seniorenalter. Es soll eine empirische Studie bezüglich der Auswirkungen von Kraft- und sensomotorischem Training im Seniorenalter, auf die Kraft und die Gleichgewichtsfähigkeit im Rahmen der Sturzprophylaxe durchgeführt werden.
1.4 Zielsetzung der Studie
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Auswirkungen von Krafttraining und Training der sensomotorischen Fähigkeiten auf das Sturzgeschehen bei Senioren. Der Schwerpunkt dieser Studie wird auf die Kraftfähigkeit gelegt. Dabei sollen in einem empirischen Zugang folgende Fragen beantwortet werden:
Welchen Einfluss hat Krafttraining auf die Kraftfähigkeit von Senioren? Welchen Einfluss hat sensomotorisches Training auf die Gleichgewichtsfähigkeit von Senioren?
1.5 Nullhypothesen
H1: Krafttraining bei Senioren hat keinen Einfluss auf die Kraftfähigkeit.
H2: Sensomotorisches Training bei Senioren hat keinen Einfluss auf die Gleichgewichtsfähigkeit.
2 Literaturbesprechung
2.1 Sturzursachen
Laut TIDEIKSAAR (2000) kann ein Sturz als jedes Ereignis definiert werden, bei dem ein Mensch versehentlich oder absichtlich zu Boden oder auf eine andere tiefer gelegenen Ebene wie beispielsweise einem Stuhl, einer Toilette oder einem Bett fällt und liegen bleibt. Wie schon in der Einleitung erwähnt, kommt es häufig zu Stürzen bei Älteren. Besonders die Tatsache, dass sich die Mehrzahl der Stürze beim normalen Gehen („Fortbewegung in der Ebene“) ereignet, ist alarmierend. Dieses Kapitel soll sich mit den wichtigsten Ursachen, die zu Stürzen führen können, beschäftigen.
Das BAuA unterteilt die Sturzursachen in vier Hauptgebiete. Zum einen können Stürze auf bauliche Mängel, wie z.B. Unebenheiten des Bodens und Mängel von Treppen und Treppengeländern, zurückgeführt werden. Ein weiteres Gebiet bilden die Umgebungseinflüsse. Hierbei können ungünstige Witterungseinflüsse wie Glatteis eine Rolle spielen, es sind aber auch Ablenkungen aus dem unmittelbaren Umgebungsgeschehen gemeint. Zur Kategorie Verhaltensmängel zählen Hast, Stolpern und Ausrutschen. Schließlich gibt es noch den Bereich der physischen und psychischen Einflussfaktoren, welchem das BAuA den höchsten Stellenwert zuschreibt. So sind es Unkonzentriertheit und gesundheitliche Beeinträchtigungen, auf die ein großer Teil der Stürze zurückgeführt werden kann.
Eine ähnliche Einteilung wird auch von der ÄRZTEKAMMER NORDRHEIN (2003) getroffen. Hier werden Stürze in extrinsische (durch Einwirken äußerer Kräfte), synkopale (z.B. Bewusstseinsverlust) und die am häufigsten vorkommenden lokomotorischen Stürze (lokomotorische Defizite in Alltagssituationen) unterteilt. Bei letzteren unterscheidet man wiederum zwischen personenbezogenen (intrinsischen) und umgebungsbezogenen (extrinsischen) Faktoren. Zu den intrinsischen Faktoren werden vor allem das weibliche Geschlecht und das Alter (>80 Jahre) genannt. Ferner spielt auch die Frage, ob es schon früher zu Stürzen kam, eine wichtige Rolle. Untergewicht und Krankheitsbilder wie Morbus Parkinson, Depression und Demenz zählen ebenso zu den personenbezogenen Risikofaktoren. Bei den extrinsischen Faktoren sind es wiederum Gegebenheiten in der Umgebung, die zu einem Sturz führen können. Bei diesem Gebiet seien vor allem schlechte Beleuchtung und (als Folge daraus) Stolperfallen wie Teppichkanten oder frei liegende Kabel genannt. Auch in dieser Einteilung spielen verhaltensbezogene Faktoren mit eine Rolle. So ist es oft ein ungünstiges oder unüberlegtes Verhalten, welches zur Sturzgefahr beiträgt. Der nächtliche Toilettengang in Socken könnte ebenso wie die ungeeignete Aufbewahrung von Alltagsgegenständen vermieden werden.
TIDEIKSAAR (2000) distanziert sich teilweise von diesen Aussagen. Die Ansicht, dass der ältere Mensch aufgrund von Nachlässigkeiten und des biologischen Alternsprozesses selbst für einen Sturz verantwortlich sei, sieht er als überholt an. Aufgrund dieser, heute in Frage gestellten, Ansicht wurden in der Vergangenheit keine angemessenen Maßnahmen eingeleitet, um der ansteigenden Zahl von Sturzunfällen bei Senioren entgegenzuwirken. Laut TIDEIKSAAR (2000) ereignen sich Stürze nicht von selbst, sondern sind als vorhersehbares Ergebnis mehrerer Faktoren, die auf den Menschen einwirken, zu sehen. HUHN (2003) spricht bei Stürzen von einem „multifaktoriellen Ereignis“, also dem Zusammenspiel intrinsischer und extrinsischer Faktoren. Wäre es möglich auch nur einen Faktor auszuschalten, könnte eine Vielzahl von Stürzen vermieden werden (HUHN, 2003).
2.1.1 Altersbedingte Veränderungen
Nach PHILLIPI-EISENBURGER (1991) ist „Bewegung Leben oder Leben ist Bewegung – der Mensch ist auf Bewegung hin angelegt.“ Mobilität, die Fähigkeit zur aufrechten Körperhaltung und Fortbewegung sowie der sicheren Ausführung von Transfers, unterliegt der Funktionsfähigkeit und dem Wechselspiel zahlreicher Systeme (TIDEISKAAR, 2000). Insbesondere sind hierbei das Sehvermögen, das Herz-Kreislaufsystem und die Regulation der Muskulatur zu nennen. Wird im Verlauf des Alternsprozesses eines oder mehrere dieser Systeme in ihrer Leistungsfähigkeit beeinflusst, steigt die Gefahr zu stürzen. Aufgrund dieser wichtigen Rolle der altersbedingten Veränderungen beim Sturzgeschehen soll auf diesen internen Faktor nun näher eingegangen werden.
2.1.1.1 Reduktion von Seh- und Hörvermögen
Einbußen in den Sinnesleistungen des Hörens und Sehens sind häufige Ursachen geriatrischer Funktionsstörungen, sozialer Desintegration und Isolation von Betagten. Im Alter nimmt die Adaptionsfähigkeit des Auges ab, d.h. die Anpassung an sich ändernde Lichtverhältnisse kann nur noch langsam erfolgen. Dabei kann es kurzfristig zu Blindheit kommen, wenn Betroffene beispielsweise aus dem Hellen in einen dunklen Raum eintreten (oder umgekehrt). Auch kann eine erhöhte Empfindlichkeit gegenüber blendendem Licht dazu führen, dass ältere Menschen aufgrund der daraus resultierenden Sehstörungen Gefahren der Bodenoberfläche nicht mehr wahrnehmen und ihr Gangbild folglich nicht angemessen anpassen können. Die Einschränkung des Gesichtsfeldes sowie der Verlust der Sehschärfe erschweren die Wahrnehmung von im Weg stehenden Gegenständen, was wiederum die Gefahr des Stolperns erhöht. Bei Rückgang insbesondere der Hörfähigkeit besteht die Gefahr, dass Betroffene das Vertrauen in ihre Mitmenschen verlieren, da sie sie nur bruchstückhaft oder gar nicht verstehen. Dies kann im Extremfall bis hin zu Wahnvorstellungen führen (DENK/PACHE/SCHALLER, 2003).
Sieht man die hier beschriebenen Einschränkungen im Lichte des Alterssports, ergeben sich gravierende Konsequenzen. Laut DENK/PACHE/SCHALLER (2003) sind gutes Sehen und gutes Hören wesentliche Voraussetzungen für die Teilnahme an den meisten Sportprogrammen. Doch nicht nur im Sport sondern auch im alltäglichen Leben sind diese beiden Sinne in großem Maße am Grad der Unabhängigkeit und Lebensqualität Älterer verantwortlich. Die hier beschriebenen Einschränkungen können sich negativ auf die Gleichgewichtsfähigkeit auswirken, worauf im Folgenden eingegangen wird.
2.1.1.2 Veränderungen der Gleichgewichtsfähigkeit
Die Fähigkeit das Gleichgewicht zu erreichen und zu halten, hängt von dem Zusammenspiel von visuellem und propriozeptivem System mit dem vestibulären ab (TIDEISKAAR, 2000). Dabei hat das Vestibularorgan (Gleichgewichtsorgan) die Aufgabe, Lageveränderungen des Körpers sowie Beschleunigung und Drehbewegungen an neuromuskuläre Einheiten weiterzuleiten, um Bewegungen, die einen eventuellen Sturz verhindern, einzuleiten. Mit zunehmendem Alter verschlechtert sich die Funktion des Vestibularorgans, was eine Verringerung der Balancefähigkeit bewirken kann.
Auch das propriozeptive System verliert im Alternsprozess an Effektivität. Es gibt Auskunft über den Druck an den Fußsohlen, den Spannungszustand der Muskulatur (über die Muskelspindel) und die Gelenkstellung (über Sensoren). Schwankungen im Stehen, die bei jedem Menschen ständig vorhanden sind, werden über das Fußgelenk ausgeglichen. Da bei Älteren die vollständige Funktionalität dieses Gelenkes oft nicht mehr gegeben ist, gleichen sie die Schwankungen über das Hüftgelenk aus. Hierbei wirkt ein längerer Hebel und große Schwankungen können deshalb unter Umständen somit nicht mehr unter Kontrolle gebracht werden: Die Folge ist der Sturz. Der Informationsaustausch zwischen Propriozeptoren, dem zentralen Nervensystem und den motorischen Einheiten läuft im Alter langsamer ab als bei jungen Menschen. Die Folge ist das Schwanken des Körpers zur Wiedererlangung der Balance (TIDEISKAAR, 2000).
Das intakte visuelle System kann dieses propriozeptive Defizit teilweise ausgleichen. Nicht wenige Menschen kompensieren ein Balancedefizit, indem sie beim Gehen den Blick auf den Boden richten, um die genaue Platzierung ihrer Füße zu sehen (TIDEIKSAAR; 2000). Die Wichtigkeit des Sehvermögens im Gleichgewichtsprozess wird auch deutlich, wenn man Senioren mit geschlossenen Augen stehen lässt. Können sie diese Aufgabe mit geöffneten Augen ohne große Körperschwankungen erfüllen, so bereitet es ihnen mit ausgeschaltetem visuellen System große Schwierigkeiten. Somit wird deutlich, dass die weiter oben beschriebene Verringerung des Sehvermögens sich nachhaltig auf die Gleichgewichtsfähigkeit auswirkt.
2.1.1.3 Veränderungen des Bewegungsapparates
Die bedeutendsten Veränderungen des Bewegungsapparates sind in der Muskelatrophie, Kalkeinlagerungen in Sehnen und Bändern sowie einer aufgrund von Osteoporose gekrümmten Wirbelsäule zu sehen (TIDEKSAAR, 2000). Nach DENK/PACHE/SCHALLER (2003) nimmt die Muskelmasse vom zwanzigsten bis zum siebzigsten Lebensjahr um ca. 30-40% ab. Ebenso kommt es zu einem Verlust von Muskelfasern, der irreversibel ist. Es ist jedoch nur schwer festzustellen, ob der abnehmende Kraftverlauf als Folge des Alternsprozesses oder körperlicher Inaktivität zu sehen ist (MEUSEL, 1996).
Bereits im zweiten Lebensjahr wird durch den aufrechten Gang die normale Alterung der Wirbelsäule in Gang gesetzt. Im Laufe des Alterns reduziert sich der Wassergehalt der Bandscheiben immer mehr, was sich in einem Verlust an Körpergröße und dem Verlust der Pufferfunktion der Bandscheibe manifestiert. Ferner setzt sich der degenerative Prozess an den Wirbelkörpern fort (MEUSEL, 1996). Diese Veränderungen können eine zunehmend gebeugte Körperhaltung zur Folge haben. Man spricht von einer Alterskyphose. Dies kann sich wiederum auf den Schwerpunkt des Körpers und somit auch auf die Sturzgefahr auswirken. Bei einer nach vorne gebeugten Körperhaltung kann der Körperschwerpunkt über den kritischen Punkt der Stabilität hinaus wandern, was es dem älteren Menschen erschwert den Fuß rechtzeitig nach vorne zu schieben, um das Gleichgewicht halten zu können (TIDEIKSAAR (2000). NAGEL (1997) nennt zusätzlich die Einschränkung der Bewegungsfreiheit aufgrund von Elastizitätsverlust von Sehnen und Bändern als altersbedingte Einschränkung. Er ist auch der Meinung, dass es durch den Abbau von Knochengewebe zu einer erhöhten Frakturgefahr bei Stürzen kommen kann.
Gelenke sind in besonderem Maße von altersbedingten Veränderungen betroffen. Nach MEUSEL (1996) kommt es aufgrund von Druck und Verschleiß zu Degeneration mit Schädigung des auskleidenden Knorpels. Gründe hierfür können u.a. auch in sportlichen Überbelastungen gesehen werden.
2.1.1.4 Veränderungen des Herz-Kreislauf Systems
Mit zunehmendem Alter treten Verschleißerscheinungen des Herz- Kreislaufsystems ein. Die Atmung ist eng mit dem Herz- Kreislaufsystem verbunden, denn über die Lunge wird das Blut mit Sauerstoff angereichert und mit Hilfe der Pumpleistung des Herzens den Organsystemen zugeführt (MEUSEL (1996). Dies ist in Hinsicht auf die Gesundheit im Alter wichtig, weil eine Verminderung der Durchblutung zu krankhaften Veränderungen der Organe führen kann. Aufgrund von Kalkablagerungen in den Gefäßen kommt es zu einem erhöhten Blutdruck, weil die Elastizität der Gefäße nachlässt. Man spricht von einer Arteriosklerose. Auch die Aorta bleibt von dieser Entwicklung nicht verschont, was sich negativ auf das Herz auswirkt.
Dieses muss einen höheren Druck (Hypertonie) erzeugen, um den ebenfalls erhöhten Widerstand in der Austreibungsphase überwinden zu können (MEUSEL (1996).
Für TIDEIKSAAR (2000) ist es insbesondere der Barorezeptorreflex, der als altersbedingte Veränderung zu nennen ist. Diese Reflexreaktion reagiert auf plötzliche Veränderungen des Blutdrucks und sorgt für die Aufrechterhaltung des Blutflusses zum Hirn. Zum Tragen kommt dieser Regulationsmechanismus beispielsweise bei schnellem Aufstehen nach längerem Sitzen. Aufgrund der beschriebenen arteriosklerotischen Prozesse kommt es zu einer Abnahme dieser Reflexregulation. Als Folge dessen kann es bei schnellem Aufstehen zu Schwindelgefühlen kommen, was sich auf die Gleichgewichtsfähigkeit negativ auswirkt.
2.1.1.5 Veränderung der Schutzreflexe
Im Alter verringert sich die Nervenleitgeschwindigkeit, wodurch die Reaktionsschnelligkeit vermindert wird. Bei Verlust des Gleichgewichtes ist bei Älteren die Wiederherstellung der Balance durch reflexive Prozesse nicht unbedingt gegeben. Kann das Gleichgewicht (beispielsweise durch einen schnellen Schritt nach vorne) nicht wieder hergestellt werden, kommt es zum Sturz. Auch hier stellen die verlangsamten Reflexe eine Gefahr dar. Es ist dem älteren Menschen nicht mehr möglich die Arme zum Schutz in eine Abstützposition vor den Körper zu bringen.
Auch wenn die Schutzreflexe noch das Abfangen des Sturzes mit den Armen erlauben, kann es trotzdem noch zu schwerwiegenden Verletzungen kommen. Aufgrund der oben beschriebenen Atrophie im Alternsverlauf kann das Körpergewicht bei einem Sturz von den Armen dann nicht mehr aufgefangen werden. Hierauf soll in Kapitel 2.2.1 noch näher eingegangen werden.
2.1.2 Krankheitsbedingte Veränderungen
Erkrankungen und die damit verbundenen Funktionsstörungen, die zusätzlich zu den alterphysiologischen Veränderungen auftreten, spielen bei Stürzen eine wesentlich wichtigere Rolle als die durch das Altern bedingte Veränderungen selbst (TIDEIKSAAR, 2000). In nicht wenigen Fällen weist der Grund eines Sturzes auf eine oder mehrere Krankheiten hin.
2.1.2.1 Akute Erkrankungen
TIDEIKSAAR (2000, S. 44) nennt im Zusammenhang mit akuten Erkrankungen folgendes Fallbeispiel: Herr B., 89 Jahre, leidet unter einer ausgeprägten Parkinson Krankheit und stürzte innerhalb von zwei Wochen fünf Mal. Die Stürze wurden zunächst seiner beeinträchtigten Bewegungsfähigkeit infolge der neurologischen Erkrankung zugeschrieben. Die Untersuchung nach dem letzten Sturz ergab jedoch den Befund einer gastrointestinalen Blutung (Blut im Stuhl und Anämie), die durch ein Magengeschwür verursacht wurde. Mit der Behandlung des Ulkus hörten die Stürze auf.
Ein Sturz kann oft als Indikator eines bestehenden oder sich anbahnenden Krankheitsbildes fungieren. Besonders häufig sind dies Krankheiten wie Hypotonie, Herzrhythmusstörungen und epileptische Anfälle, welche die Stabilität beeinträchtigen können.
2.1.2.2 Chronische Erkrankungen
Besonders die Krankheitsbilder, welche die Unabhängigkeit und Mobi- lität von Senioren beeinträchtigen, erhöhen die Wahrscheinlichkeit eines Sturzes. Hierbei sind in erster Linie Probleme mit dem visuellen und neurologischen System, sowie Krankheitsprozesse des Bewe- gungsapparates zu nennen. Da diese Prozesse bereits in Kapitel 2.1.1 beschrieben wurden, wird an dieser Stelle nicht mehr darauf eingegangen.
2.2 Sturzfolgen
Stürze sind eine der häufigsten Ursachen für die körperliche Einschränkung im Alter. Außerdem sind die meisten Todesfälle auf Stürze zurückzuführen. Es gilt zwischen körperlichen Verletzungen bzw. Immobilität und psychischen Folgen von Stürzen zu unterscheiden. Doch nicht nur die gestürzte ältere Person ist betroffen, sondern auch deren soziales Umfeld. Aufgrund der großen Häufigkeit von Stürzen wird ein beträchtlicher Anteil von betreuenden Fachkräften und Institutionen dafür in Anspruch genommen (TIDEIKSAAR, 2000).
2.2.1 Körperverletzungen
Laut der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA, 2002) stellten im Jahr 2000 Knochenbrüche, mit annähernd 37%, die häufigste Verletzungsart älterer Menschen dar. Speziell bei Stürzen kommt es oft zu Unterarm- und Hüftfrakturen, wobei sich die anteilige Häufigkeit der Hüftfrakturen nach dem 70. Lebensjahr erhöht. Außerdem ist ab diesem Alter ein Anstieg von Kopfverletzungen festzustellen. Ein Grund für diese Änderung kann man in der Verlangsamung der Schutzreflexe sehen. Bei einem Sturz können die Arme nicht mehr rechtzeitig in Position gebracht werden, um den Sturz abzufangen – somit ist die Wahrscheinlichkeit einer Verletzung der Arme reduziert, jedoch die des Kopfes und der Hüfte erhöht.
In Folge von Kopfverletzungen kann es zu Blutergüssen, Platzwunden und dem subduralen Hämatom (Ansammlung von Blut im Gehirnbereich als Folge einer Verletzung) kommen (TIDEIKSAAR, 2000). Aufgrund der altersbedingten Veränderungen im Gehirn können auch schon leichte Erschütterungen wie der Stoß gegen den Kopfteil eines Bettes schwerwiegende Auswirkungen mit sich bringen.
Laut TIDEIKSAAR (2000) haben annähernd 2,9% aller Stürze ein Hüftfraktur zur Folge. Diese relativ geringe Zahl soll jedoch nicht über die gravierenden Folgen einer Hüftfraktur hinwegtäuschen. Oft kann solch eine Verletzung einen nicht mehr, oder nur schwer aufhaltbaren weiteren Krankheitsverlauf nach sich ziehen, der nicht selten mit dem Tod endet (siehe Abbildung 3). Von allen Hüftfrakturpatienten sterben 4% bereits im Krankenhaus und 23% innerhalb des ersten Jahres nach dem Sturz; die höchste Mortalitätsrate weisen die 75jährigen und Älteren auf (TIDEIKSAAR, 2000). Besonders ältere Frauen sind aufgrund einer durch Osteoporose hervorgerufene Knocheninstabilität anfällig für Hüftfrakturen. Schon beim Tragen von Lasten kann der Femurhals der Belastung nicht mehr standhalten und es kann zu einer Fraktur kommen. Bis zum 80. Lebensjahr können Frauen bis zu 50% ihrer Knochensubstanz verlieren, im Vergleich zu 15% bei Männern (TIDEIKSAAR, 2000).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Die in einem Abwärtstrend verlaufende Spirale der Sturzfolgen (TIDEIKSAAR, 2000, S. 16).
Nach einer Hüftfraktur verschlechtert sich bei nicht wenigen Patienten das Gehvermögen nachhaltig. Alltägliche Aufgaben wie das Aufstehen aus dem Bett oder der Toilettengang fallen Betroffenen schwer und die erneute Sturzgefahr erhöht sich noch mehr. Doch nicht nur körperliche sondern auch psychische Verletzungen kommen hierbei zum Tragen.
2.2.2 Psychosoziales Trauma
Stürze gehen oft mit der Angst einher erneut zu stürzen. Es sind Auswirkungen auf das Selbstvertrauen und die Selbstwahrnehmung von Gestürzten festzustellen und ein Gefühl der Zerbrechlichkeit und Inkompetenz kann hervorgerufen werden (TIDEIKSAAR, 2000).
Besonders die „Activities of daily Life“ (ADL) wie z.B. das zuvor genannte Aufstehen aus dem Bett oder das Einkaufen und Tragen von Lebensmitteln stellen ein Problem dar, da sie unter Angst eines erneuten Sturzes ausgeführt werden. Laut TIDEIKSAAR (2000) wirkt sich diese Entwicklung auf den Lebensstil Älterer aus. Betroffene Senioren verlassen evtl. ihr Zimmer nicht mehr und können so am sozialen Leben nur noch begrenzt teilnehmen. Aufgrund der Immobilität wird nicht mehr an Sport- und Freizeitveranstaltungen teilgenommen, was sich in physiologischen Aspekten, wie der schneller fortschreitenden Atrophie der Muskulatur und der Verringerung der Leistungsfähigkeit des Herzkreislaufsystems ausdrückt.
TIDEIKSAAR (2000) nennt im Weiteren noch folgende Ängste und Sorgen, die von gestürzten Patienten (besonders in Pflegeheimen) geäußert werden:
- Angst vor Fixierung oder Einschränkung der Bewegungsfreiheit und somit Verlust der Autonomie,
- Benachrichtigung der Angehörigen wegen des Vorfalls, was den Patienten noch mehr in Verlegenheit bringen kann,
- Gezwungen zu sein einen Gehstock oder Gehgestell zu benutzen und dadurch die Selbstachtung zu verlieren,
- Familienangehörigen zur Last zu fallen,
- Furcht vor einer weiteren Verletzung und insbesondere davor, dass der nächste Sturz eine Hüftfraktur zur Folge haben wird.
Die Angst vor erneuten Stürzen kann auch in einem positiven Licht gesehen werden, stellt sie schließlich eine Schutzfunktion des älteren Menschen dar, und veranlasst ihn zu vorsichtigem und bedachten Handeln sowie dem Erkennen der eigenen Leistungsgrenzen. Jedoch kann die Unterscheidung zwischen vorsichtigem Handeln und Unterforderung von Betroffenen nicht immer erkannt werden.
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