Die vorliegende Arbeit erläutert kurz folgende Thesen:
1. Gängige Männlichkeitskonzepte machen Männer psychisch krank.
2. Männer sind nicht resilienter als Frauen.
3. Die Profession der Sozialarbeiter*innen hat einen Handlungsbedarf.
Inhaltsverzeichnis
1. Thesenpapier
2. Erläuterte Thesen
3. Fazit
4. Fragebogen
Literatur
1. Thesenpapier
1. Gängige Männlichkeitskonzepte machen Männer psychisch krank
2. Männer sind nicht resilienter als Frauen
3. Die Profession der Sozialarbeiter*innen hat einen Handlungsbedarf
2. Erläuterte Thesen
1. These
Meine erste These ist, dass gängige Männlichkeitskonzepte psychisch krank machen. Von Männern wird erwartet, sich an Leistung und Erfolg zu messen. Wie wohl alle im Kapitalismus lebenden Menschen, Männer jedoch noch intensiver. Insbesondere Angst vor Arbeitslosigkeit, sozioökonomischem Abstieg und der damit verbundenen „Entmännlichung“ ist starker Risikofaktor für die männliche Psyche (->Versorgerrolle). Frauen können in Arbeitslosigkeit oft noch Kompensation durch die Hausfrauenrolle erlangen, auch wenn diese nicht angestrebt war. Typisch männliche Problembewältigungen finden ohne Angsteingeständnisse statt und werden nicht offen kommuniziert, da Hilfesuche mit (scheinbarem) Verlust von Autonomie und Stärke einhergeht (vgl. Möller-Leimkühler 2005: 32f). Männer sterben doppelt so häufig an Suizid als Frauen, eventuell weil sie diese „Problembewältigung“ als einzige wahrnehmen, die in das Männlichkeitsbild passt (vgl. Müller-Pein 2020: o.S.).
Männliche Emotionalität in der Öffentlichkeit darf nur kodiert stattfinden, es wird unterschieden in für Männer sozial akzeptiert Gefühle wie Aggressivität, Ärger oder Feindseligkeit. Hingegen gesamtgesellschaftlich als nicht akzeptiert gelten stereotypische „weibliche“ Gefühle wie Schwäche, Unsicherheit, Hilflosigkeit und Trauer. So wird jungen Männern schon früh durch traditionelle Sozialisierung eine emotionale Hemmung anerzogen, die psychisch krank machen kann (bspw. Depression) (vgl. Möller-Leimkühler 2005: 32f).
Das sieht man auch besonders an den Aussagen und Schilderungen, die in dem Fragebogen benannt wurden. Viele Männer haben erwähnt, dass sie diese als weiblich angesehenen Gefühle nicht zeigen (können), oder sie von ihrem Gegenüber dafür verurteilt worden, bspw. Lehrer oder Vater (vgl. Höckendorf 2021, o.S).
Bedrohte Männlichkeitskonzepte werden (über-)kompensiert mit rollenkompatiblen, aber (selbst-)destruktiven Verhaltensmustern: Alkoholmissbrauch, Ausrasten, Gewalt, Suizid (vgl. Möller-Leimkühler 2005: 33).
2. These
In den vorliegenden Zahlen der Techniker Krankenkasse kann man erkennen, dass Frauen signifikant öfter die Hilfe von Psychotherapeut*innen in Anspruch nehmen (vgl. Techniker Krankenkasse 2011: o.S.). Man könnte jetzt schlussfolgern, dass Männer einfach resilienter sind und weniger psychisch erkranken. Meine These jedoch ist, dass dies nicht der Fall ist.
Männer ignorieren ihre psychischen (und somatischen) Beschwerden häufiger und kopensieren sie mit Alkohol, Zigaretten, Drogen und Glücksspiel, also Wege, die als akzeptabel für gängige Männlichkeitskonzepte gelten. Männer gehen außerdem zu allen Arten von Ärzt*innen seltener, da hier ein Rollenkonflikt vorliegen kann (Hilfesuchen = Unmännlich). (vgl. Bühring 2015: o.S.)
Männer haben außerdem Angst vor dem in der Gesellschaft vorliegenden Stigma einer psychischen Erkrankung und erkennen psychische Krankheiten seltener selbst. Oft werden Symptomatiken eher auf Stress zurückgeführt, als auf ernsthafte psychische Problemlagen (vgl. Neurologen und Psychiater im Netz 2013: o.S.).
3. These
Wir als Sozialarbeiter*innen haben einen Handlungsbedarf. In unserer Arbeit kommen wir immer wieder in Berührung mit männlichen Klienten (bspw. in der Kinder- und Jugendarbeit, in Wohngruppen, in Beratungsstellen) und ich sehe uns Sozialarbeiter*innen in der Verantwortung, das Thema toxische Männlichkeitserwartungen immer mitzudenken. Es ist meiner Meinung nach unsere Aufgabe, binäre und offensichtlich schädigende Rollenkonzepte aufzubrechen und ein Vorbild zu sein. Darunter verstehe ich, Kindern und Jugendlichen andere Gendervorstellungen abseits der „schwachen Frau“ und dem „starken Mann“ vorzuleben, Gefühle offen zu zeigen und zu kommunizieren und auch deren Rollenexpression zu akzeptieren und nicht mit den bekannten stereotypen Sätzen wie „sei ein Mann!“ zu restriktieren. In der Arbeit mit Jungen ist es wichtig, sie in ihren Emotionen sehen und diese gemeinsam zu reflektieren, ohne Verurteilung.
3. Fazit
Abschließend kann man sagen, dass Männer also nicht - wie vielleicht oft erwartet - weniger anfällig für psychische Erkrankungen sind, sie erkennen sie nur seltener und neigen eher dazu, sie nicht zu akzeptieren und/oder zu verdrängen.
Männer leiden massiv unter Männlichkeitserwartungen und dem Narrativ des „starken Geschlechtes“ und der damit verbundenen Emotionshemmung von als weiblich konnotierten Gefühlen.
Es gibt einen Handlungsbedarf auf allen Ebenen (insbesondere in der Arbeit mit Jungen und jungen Männern) der sozialen Arbeit, den wir als Sozialarbeiter*innen wahrnehmen müssen.
4. Fragebogen
4.1 Hintergrund
Im Rahmen meines Vortrages habe ich einen Fragebogen zu dem Thema erstellt, den ich meinen cis-männlichen Bekannten zukommen ließ.
Den Fragebogen habe ich selbst konzipiert, mit dem Hintergrund, dass ich großes Interesse an den Erfahrungen der männlichen Bekannten meiner Peer-Group habe. Er war nicht zugänglich für eine breite Masse an Männern, ist also keineswegs repräsentativ, was aber auch nicht meine Intention war. Mein Anspruch dahinter war, trotz meiner Nichtbetroffenheit des Themas, männliche Erfahrungen in meinem Vortrag sichtbar zu machen und darzustellen. Mir war es wichtig, den Fragebogen anonymisiert über das Internet ausfüllen zu lassen, damit ungefilterte Aussagen getätigt werden, ohne Scham davor, was ich als auswertende Person dazu denken könnte. Nach jeder Frage gab es ein leeres Textfeld, in dem die Männer ihre Erfahrungen und besondere Situationen dazu noch einmal genau beschreiben und erläutern können.
Zielgruppe waren Männer in meinem erweiterten Bekanntenkreis und ihre Freunde, alle in ihren Zwanzigern und nahezu alle mit akademischem Hintergrund.
4.2 Auswertung
Es nahmen insgesamt 21 Männer teil.
Die erste Frage: „Hatten Sie bereits einmal das Gefühl, dass Ihnen Ihre Männlichkeit abgesprochen wurde, wenn Sie Gefühle gezeigt haben?“ beantworteten knapp 86% der Befragten mit „Ja“, was 18 Männern entspricht. Drei Männer (14% der Befragten) beantworteten diese Frage mit „nein“. Einer der Befragten, der mit „nein“ antwortete, schrieb in das darunter liegende Textfeld: „Liegt aber daran, dass ich schnell gelernt habe welche Gefühle männlich sind und welche nicht.“
Die Auswertung der weiteren Fragen ist online unter https://www.formlets.com/statsinternal/ESnNKNBiwzzTvA52/ zu finden.
4.3 Erfahrungen im Fragebogen
Am Beispiel der ersten Frage stelle ich hier einige Aussagen aus dem von den Männern auszufüllenden Textfeld zusammen. Die angeführten Aussagen sind je einem Mann zuzuordnen.
Hatten Sie bereits einmal das Gefühl, dass Ihnen Ihre Männlichkeit abgesprochen wurde, wenn Sie Gefühle gezeigt haben?
Ja
„Von einem Familienmitglied wurde ich eine Zeit lang als „Pussy“ bezeichnet wenn ich „unmännliche“ Dinge getan oder gesagt habe.“
„Besonders in Arbeitsverhältnissen hatte ich häufig den Eindruck, dass man negative Dinge nie psychisch begründen konnte. Ein "ich fühle mich heute nicht gut" oder "mir geht es schlecht aktuell" wird häufig als Schwäche abgetan und zählt gar nicht erst zum Spektrum der akzeptablen Gründe.“
„In Männergruppen ausgelacht werden, wenn man zugibt, dass man traurig ist oder verliebt etc“
„Als ich bemerkte dass nicht nur ausschließlich Frauen Probleme mit sich haben können wurde mir gewissermaßen meine Männlichkeit abgesprochen in dem mir nicht wirklich abgekauft wurde, dass ich wirklich an mir zweifle, da ich ja ein Mann sei.“
„Gerade als Jugendlicher wurde gerne darauf rumgehackt wenn man seine Emotionen gezeigt hat. Woran ich mich am besten dran erinnere ist eine Situation zu Abi Zeiten als einer meiner Lehrer mich versucht hat bloßzustellen als ich nach einem Trauerfall in der Familie im Unterricht angefangen habe zu weinen. Es hatte natürlich keine Konsequenzen für den Lehrer.“
„Wenn ich mal geweint habe als kind wurde ich immer von meinem vater als mädchen bezeichnet. Damit habe ich noch heute zu kämpfen.“
Nein
„Liegt aber daran, dass ich schnell gelernt habe welche Gefühle männlich sind und welche nicht. Ich würde nicht vor jmd weinen ohne angemessenen Grund. Angemessener Grund: jmd ist gestorben.“
[...]
- Quote paper
- Leonie Höckendorf (Author), 2021, Zusammenhang zwischen Männlichkeitskonzepten und psychischer Gesundheit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1151204
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