Die für Mt 5,21-48 charakteristische Formulierung „Ihr hörtet, dass gesagt wurde ... Ich aber sage euch“ hat die christliche Auslegungstradition häufig so verstanden, dass Mt die alttestamentlichen Gebote oder auch das AT insgesamt aufhebt.1 Der Ausdruck ‚Antithesen’ ist ein Relikt dieses vorurteilsbeladenen Denkens gegenüber dem jüdischen Gesetz in der christlichen Theologie, das auch heute noch bei vielen christlichen Theologen zu einem verengten Vorverständnis führt. Die sogenannten Antithesen sind Teil der Bergpredigt und zählen damit zu einem der zentralsten Texte des NT überhaupt, dies gilt insbesondere für Modelle neutestamentlicher Ethik. Angesichts dieser Bedeutung von Mt 5,17-48, ist es von großer Wichtigkeit christliche Vorurteile gegenüber dem jüdischen Gesetzesverständnis abzubauen. Meine exegetische Auseinandersetzung mit den Antithesen konzentriert sich daher im wesentlichen auf die Vermittlung von jüdischem und christlichem Gesetzesverständnis. Vorweg kann festgehalten werden, dass es Mt sicherlich nicht um die Aufhebung des AT’s ging, zumal dies in der heutigen Form gar nicht existierte. Sein Ziel war es auch nicht alttestamentliche Gebote aufzuheben, sondern vielmehr ihre wahre Bedeutung freizulegen.
In der Auswahl der Literatur habe ich bevorzugt auf Beiträge zurückgegriffen ,die sich der oben benannten Problematik bewusst gestellt und es sich zum Ziel gesetzt haben, die jüdischen bzw. frühjüdischen Wurzeln der Antithesen herauszuarbeiten. Die unter Umständen einseitig projüdische Darstellung sehe ich allerdings als kein größeres Problem ja sogar als notwendig an, da in der Geschichte des Christentums der Diskurs vom antinomistische Konsens auf erdrückende Weise beherrscht wurde.
Im wesentlichen habe ich mich bei meiner Erarbeitung am Reader „Methoden für die Exegese neutestamentlicher Texte“ von Karl Löning orientiert. Der Umfang und die Komplexität von Mt 5,17-48 erforderte eine gezielte Auswahl der zu behandelnden Themen. Daher konnte ich auf viele Aspekte der sogenannten Antithesen nicht eingehen. Im Blickpunkt meiner Arbeit steht vor allem die Vorrede 5,17-20, da Mt, bevor er sich in den Antithesen mit den einzelnen Geboten genauer beschäftigt, hier explizit Stellung zum Gesetz nimmt. Die V17-20 bilden darüber hinaus mit V48 die maßgebliche Klammer um die Antithesen und formulieren die Grundintention von Mt 5,17-48. Die Forderung nach mehr Gerechtigkeit in V20 stellt bei der [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Vorbereitende Schritte
- Kontextabgrenzung
- Kontexteinordnung
- Segmentierung
- Sprachlich-syntaktische Analyse
- Phonetische Analyse
- Analyse der Textsyntax: Satzarten und Satzverbindungen
- Analyse der Satzsyntax: Prädikation und Deixis
- Semantik
- Analyse der Sinnlinien und Motive - Textsemantik
- Die Antithesen eine bekannte rhetorische Sprachform?
- Stellungnahme Jesu zu Gesetz und Propheten
- Verhältnisbestimmung von Lehre und Tun
- „Überfließt eure Gerechtigkeit mehr“
- Wortsemantik
- Gericht
- Gesetz
- Gerechtigkeit
- Analyse der Sinnlinien und Motive - Textsemantik
- Pragmatik
- Auf den Spuren des impliziten Lesers
- Syntaktische Leerstellen
- Semantische Unbestimmtheiten
- Intertextuelle Bezüge
- Die Logik des Textes und die Überzeugung seines Lesers
- Die Intention und Instruktionen der Antithesen
- Die sprachlichen Mittel der Antithesen
- Die in den Antithesen vorausgesetzte Autoritätsstruktur
- Rekonstruktion des historischen Kontextes
- Zur Sprechsituation Jesu
- Zur Sprechsituation des Mt.
- Auf den Spuren des impliziten Lesers
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit zielt darauf ab, das Verständnis der Matthäus-Antithesen (Mt 5,21-48) zu vertiefen und gängige christliche Vorurteile gegenüber dem jüdischen Gesetzesverständnis zu korrigieren. Sie untersucht die Beziehung zwischen jüdischem und christlichem Gesetzesverständnis, ohne die alttestamentlichen Gebote als aufgehoben darzustellen. Der Fokus liegt auf der Vermittlung der wahren Bedeutung dieser Gebote.
- Das Verhältnis von alttestamentlichem und neutestamentlichem Gesetzesverständnis
- Die Interpretation der Antithesen im Kontext der Bergpredigt
- Die Rolle Jesu als autoritativer Tora-Ausleger
- Die Bedeutung von Gerechtigkeit im Kontext der Antithesen
- Die Einheit von Leben und Lehre Jesu
Zusammenfassung der Kapitel
Einleitung: Die Einleitung beleuchtet die gängige, aber irrige Interpretation der Matthäus-Antithesen als Aufhebung des alttestamentlichen Gesetzes. Sie betont die Bedeutung der Antithesen im Neuen Testament und die Notwendigkeit, christliche Vorurteile gegenüber dem jüdischen Gesetzesverständnis zu überwinden. Die Arbeit fokussiert auf die Vermittlung beider Gesetzesverständnisse und widerlegt die Annahme einer Aufhebung des Alten Testaments durch Matthäus. Stattdessen wird Matthäus' Ziel als die Enthüllung der wahren Bedeutung der alttestamentlichen Gebote dargestellt. Die Auswahl der Literatur konzentriert sich auf Beiträge, die die jüdisch-frühjüdischen Wurzeln der Antithesen hervorheben, um einen Gegenpol zum antinomistischen Konsens in der Geschichte des Christentums zu bilden. Der Fokus der Arbeit liegt auf Mt 5,17-20 als einleitender Rahmen und Mt 5,48 als abschließender Punkt für die Antithesen, welche die zentrale Forderung nach größerer Gerechtigkeit aufzeigt.
Vorbereitende Schritte: Dieses Kapitel beschreibt die Kontextabgrenzung und -einordnung von Mt 5,17-48. Die Kontextabgrenzung umfasst die Verse 5,17-20 als Einleitung und Vers 48 als Schlussfolgerung der Antithesen. Die Analyse zeigt auf, wie Mt 5,17-20 die folgende Tora-Auslegung einleitet und wie Vers 48 als Fazit der dargelegten Gedanken dient. Die Kontexteinordnung situiert Mt 5,17-48 im kompositionellen Rahmen von Mt 4,23-25 und 9,35, wobei der Zusammenhang von Lehre und Handeln Jesu hervorgehoben wird. Die Kapitel 5,1-9,34 werden als Konkretisierung der in 4,23-25 aufgeworfenen Fragen interpretiert. Der Bezug zu Moses und der Bergpredigt wird diskutiert, wobei Jesus nicht als Abschaffer des alten Gesetzes, sondern als Ausleger mit besonderer Autorität dargestellt wird.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zu: Matthäus-Antithesen (Mt 5,21-48)
Was ist der Gegenstand dieser Arbeit?
Diese Arbeit analysiert die Matthäus-Antithesen (Mt 5,21-48) und zielt darauf ab, ein tieferes Verständnis dieser Textstelle zu ermöglichen und gängige Missverständnisse im christlichen Kontext bezüglich des jüdischen Gesetzesverständnisses zu korrigieren. Der Fokus liegt auf der Beziehung zwischen alttestamentlichem und neutestamentlichem Gesetzesverständnis, wobei die These einer Aufhebung des Alten Testaments durch das Neue widerlegt wird.
Welche Hauptthemen werden behandelt?
Die Arbeit behandelt das Verhältnis von alttestamentlichem und neutestamentlichem Gesetzesverständnis, die Interpretation der Antithesen im Kontext der Bergpredigt, die Rolle Jesu als Tora-Ausleger, die Bedeutung von Gerechtigkeit in den Antithesen und die Einheit von Leben und Lehre Jesu. Die Analyse umfasst sprachlich-syntaktische Aspekte, semantische Interpretationen der Schlüsselbegriffe (Gericht, Gesetz, Gerechtigkeit) und pragmatische Überlegungen zur Intention und Wirkung des Textes auf den Leser.
Welche Methoden werden angewendet?
Die Analyse der Matthäus-Antithesen folgt einem mehrschichtigen Ansatz. Sie beginnt mit vorbereitenden Schritten wie Kontextabgrenzung und -einordnung sowie Segmentierung des Textes. Anschließend werden sprachlich-syntaktische Aspekte (phonetische Analyse, Satzbau, Prädikation) untersucht. Die semantische Analyse konzentriert sich auf die Sinnlinien, Motive und die Bedeutung einzelner Wörter. Schließlich wird die pragmatische Dimension beleuchtet, indem die implizite Leserschaft, die Logik des Textes und der historische Kontext berücksichtigt werden.
Wie ist die Arbeit strukturiert?
Die Arbeit gliedert sich in Einleitung, vorbereitende Schritte (Kontextabgrenzung, -einordnung, Segmentierung), sprachlich-syntaktische Analyse, semantische Analyse (Textsemantik und Wortsemantik) und pragmatische Analyse (impliziter Leser, Textlogik, historischer Kontext). Jedes Kapitel bietet eine detaillierte Auseinandersetzung mit den jeweiligen Aspekten der Matthäus-Antithesen.
Welche Ergebnisse werden präsentiert?
Die Arbeit präsentiert eine detaillierte Analyse der Matthäus-Antithesen, die gängige Missverständnisse korrigiert und ein differenziertes Verständnis des Verhältnisses zwischen alttestamentlichem und neutestamentlichem Gesetzesverständnis liefert. Sie betont die Rolle Jesu als autoritativer Ausleger der Tora und unterstreicht die Bedeutung von Gerechtigkeit im Kontext der Antithesen. Die Ergebnisse widerlegen die Interpretation der Antithesen als Aufhebung des alttestamentlichen Gesetzes und betonen stattdessen deren Ziel, die wahre Bedeutung der alttestamentlichen Gebote zu enthüllen.
Welche Zielgruppe wird angesprochen?
Diese Arbeit richtet sich an ein akademisches Publikum, das sich mit der Exegese des Neuen Testaments und insbesondere mit den Matthäus-Antithesen auseinandersetzt. Sie ist von Interesse für Theologen, Bibelwissenschaftler und alle, die ein tieferes Verständnis des Verhältnisses zwischen jüdischem und christlichem Gesetzesverständnis suchen.
- Quote paper
- Frank Dreyer (Author), 2002, Die Antithesen Mt 5,17-48 - Abschaffung oder Radikalisierung der Tora?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/11480