Diese Masterarbeit handelt von den Auswirkungen eines achtwöchigen, hochintensiven Intervalltrainings auf dem Entspannungsgrad in Ruhe. Stressregeneration gemessen am Herzratenvariabilitäts-Parameter RMSSD bei impulsiven Personen.
Während Stresssituationen wird das autonome Nervensystem (ANS) stimuliert und der Körper durchläuft verschiedene physiologische Veränderungen, welche die sogenannte Kampf-oder-Flucht-Reaktion auslösen. Das ANS unterteilt sich in den Sympathikus und den Parasympathikus. Der Sympathikus ist für die Stressreaktionen zuständig, wohingegen der Parasympathikus für die Entspannung und die Regeneration sorgt. Die Herzratenvariabilität (HRV) ist ein Messinstrument für die Leistungsfähigkeit des ANS und ist eine Größe für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Körpers an exogene und endogene Belastungen. Eine Metaanalyse zeigte, dass akuter psychischer Stress zu einer kurzfristigen Verminderung der HRV-Parameter führt, was auf einen erhöhten Anteil des Sympathikus hindeutet, während Ausdauertraining mit entsprechender Intensität und Lange bei gesunden Menschen zu einer langfristigen Anstieg der HRV-Parameter führt, was auf einen erhöhten Anteil des Parasympathikus hindeutet.
Das hochintensive Intervalltraining (HIIT) stellt eine besonders zeiteffiziente Form des Ausdauertrainings dar. So können in kürzerer Trainingszeit vergleichbare bzw. höhere zentrale und periphere Trainingsanpassungen hervorgerufen werden, als im Vergleich zum niedrigintensiven Grundlagenausdauertraining. Daneben ist HIIT, dem moderat-intensiven-Ausdauertraining in Bezug auf die Verbesserung der HRV bei inaktiven Erwachsenen überlegen. Die Cross-Stressor-Adaption- Hypothese gilt als Erklärungsansatz für eine verminderte Stressreaktivität bzw. eine verbesserte Stressregeneration von trainierten Sportlern:innen. Die HRV-Parameter wurden in Studien zur CSA-Hypothese selten untersucht. Dies ist die erste Arbeit, welche die die Auswirkungen von HIIT auf die HRV-Stressregeneration des Parasympathikus bei impulsiven Personen untersucht, um die CSA-Hypothese zu überprüfen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
2. TheoretischerHintergmnd
2.1. Der BegriffStress
2.1.1. Stressoren
2.1.2. Eustress und Disstress
2.1.3. Akuter und chronischer Stress
2.2. Diephysiologische Stressreaktion
2.2.1. Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinde-Achse
2.2.2. Das autonome Nervensystem
2.2.3. Sympathikus: das Leistungssystem
2.2.4. Parasympathikus: dasRuhesystem
2.2.5. Das Zusammenwirken von Sympathikus und Parasympathikus
2.3. Herzratenvariabilität
2.3.1. Modulatoren
2.3.2. PhysiologischeGrundlagen
2.3.3. Parameter
2.3.4. Modifizierende Einflussfaktoren
2.3.5. AkuterStress
2.3.6. Ausdauertraining
2.4. Hochintensives Intervalltraining
2.4.1. Hochintensives Intervalltraining und die Herzratenvariabilität
2.5. Cross-Stressor-Adaptions-Hypothese
2.5.1. Stressreaktivität und die Stressregeneration
2.5.2. HRV-Stressregeneration und HRV-Stressreaktivität
2.6. Emotionale Impulsivität
2.7. Herleitung der Fragestellung und der Hypothesen
3. Methode
3.1. Stichprobenbeschreibung
3.2. Screening-Verfahren
3.2.1. Erste Phase des Screening-Verfahrens
3.2.2. FeelingTriggerAction
3.2.3. Zweite Phase des Screening-Verfahrens
3.2.4. Spiroergometrie
3.2.5. Randomisierung
3.3. Intervention
3.3.1. Hochintensives Intervalltraining
3.3.2. Aktive Kontrollgruppe
3.4. Trier Social Stress Test
3.5. Stressmessung mittels Elektrokardiografie
3.6. StatistischeAnalyse
4. Ergebnisse
4.1. Manipulationscheckdes VO2peak
4.2. Erste Hypothese
4.3. Zweite Hypothese
5. Diskussion
5.1. Zusammenfassung der Ergebnisse
5.2. Interpretation und Einordnung der Ergebnisse
5.2.1. SteigerungderParasympathikus-AktivitätdurchdasHIIT (Hypothese 1)
5.2.2. HRV-Stressregenerationund CSA- Hypothese (Hypothese 2)
5.1. Stärken und Limitationen der „NoSTRESS-Studie“
5.1.1. Stärken
5.1.2. Limitation
5.2. WeitererForschungsbedarf
5.3. Fazit
Zusammenfassung
Abstract
Literaturverzeichnis
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Schematische Darstellung der zwei Stressachsen. CRH: Corticotropin- Releasing-Hormons, ACTH: adrenocorticotropen Hormons (Gerber, 2020, p. 587)
Abbildung 2: Das autonome Nervensystem und seine Zielorgane (Kirschbaum & Heinrichs, 2011,p. 203)
Abbildung 3: Physiologische Zeitwerte im Elektrokardiogramm (Gesenhues & Liesch, 2005, p. 611)
Abbildung 4: Beispiel eines Ruhe-Elektrokardiogramm über sechs RR-Intervalle mit zeitlichen Angaben der Herzperiodendauer (RR [ms]) und der Herzfrequenz (Hf [S/min]) (Hottenrott, 2015,p.2)
Abbildung 5: Flussdiagramm der „NoSTRESS-Studie"
Abbildung 6: Schematische Darstellung der „NoSTRESS-Studie“
Abbildung 7: Mittelwerte und Standardabweichungen des VO2peak zum Zeitpunkt der Eingangstestung (T0) und der Ausgangstestung (T8) für beide Gruppen
Abbildung 8: Mittelwerte und Standardabweichungen des RMSSD zum Zeitpunkt der PräEingangstestung (T0) und der Prä-Ausgangstestung (T8) für beide Gruppen
Abbildung 9: Mittelwerte und Standardabweichungen des A-RMSSD zum Zeitpunkt der Eingangstestung (T0) und der Ausgangstestung (T8) für beide Gruppen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Ausgewählte modifizierende Einflussfaktoren der Herzratenvariabilität
Tabelle 2: Demografische Merkmale Geschlecht, Alterund Body-Mass-Index
Tabelle 3: Subskalen des Faktors “Feeling TriggerAction”
Tabelle 4: Ein-und Ausschlusskriterien „NoSTRESS-Studie“
Tabelle 5: Aufbau des Trier Social Stress Test
Tabelle 6: Auswertung der Elektrokardiografie
Tabelle 7: Mittelwerte und Standardabweichungen für ausgewählte Parameter der „NoSTRESS-Studie“
Abkürzungsverzeichnis
A-RMSSD-TO: Differenz aus Prä- und Postwerten des RMSSD zu TO
A-RMSSD-T8: Differenz aus Prä- und Postwerten des RMSSD zu T8
ACTH: adrenocorticotropen Hormon
ANS: autonomes Nervensystem
BMI: Body-Mass-Index
CRH: Corticotropin-Releasing-Hormons
CSA-Hypothese: Cross-Stressor-Adaptations-Hypothese
DRKSS: Deutsches Register furklinische Studien
EKG: Elektrokardiogramm
F: F-Test
FTA: Feeling Trigger Action
HHN-Achse: Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse
HIIT: Hochintensives Intervalltraining
HRV: Herzratenvariabilität
IBI: Inter-Beat-Intervall
LF-HF Verhältnis: Verhältnis sympathischerund parasympathischerAktivität
PRÄ-RMSSD-TO: Wert des RMMSD vor Stressinduktion zu TO
PRÄ-RMSSD-T8: Wert des RMMSD vor Stressinduktion zu T8
RITA: Randomization in Treatment Arms
RLX-Index: Relaxation-Index
RMSSD: Der Root Mean Square of Successive Differences
RR-Intervall: zeitlicher Abstand zwischen zwei R-Zacken
SAM-System: Sympathiko-adrenomedulläre-System
SD1: Standarddeviation 1
TO: Eingangstestung vor Beginn der Trainingsintervention
T8: Abschlusstestung nach Beendigung der Trainingsintervention
TFII: Three Faktor Impulsivity Index
TSST: Trier Social Stress Test
VÜ2max: maximale Sauerstoffaufnahme
VÜ2peak: Die größte Sauerstoffaufnahme, die während der Messung und durch eine 10 Sekunden-Intervall-Analyse erhoben wurde.
>f: partielles Eta-Quadrat
1. Einleitung
Die Weltgesundheitsorganisation bezeichnet Stress als die „Gesundheitsepidemie des 21. Jahrhunderts“ (Fink, 2016). In Deutschland beurteilen 8 von 10 Personen ihr Leben als „stressbelastend“ und jede/jeder Dritte leidet unter „Dauerstress“ (Wohlers & Hombrecher, 2016). Die Kosten, die durch den Arbeitsstress entstehen, werden in Deutschland auf 29.24 Mrd. Euro geschätzt, das entspricht einem Anteil von 1.14 % des Bruttoinlandproduktes (Kamp & Pickshaus, 2011). Die Bandbreite von stressassoziierter Symptomatik ist weit gefächert und reicht von somatischen Leiden (z. B. Bauchschmerzen), affektiven Störungen (z. B. depressiven Episoden) oder Verhaltensauffälligkeiten (z. B. Essstörungen) bis hin zu somatischen Erkrankungen (z. B. Schwindel; Gerber & Fuchs, 2018; Gerber & Schilling, 2017; Heinrichs et al., 2015).
Während Stresssituationen wird das autonome Nervensystem (ANS) stimuliert und der Körper durchläuft verschiedene physiologische Veränderungen, welche die sogenannte Kampf-oder-Flucht-Reaktion auslösen (Sghir et al., 2012). Das ANS unterteilt sich in den Sympathikus und den Parasympathikus. Der Sympathikus ist für die Stressreaktionen zuständig, wohingegen der Parasympathikus für die Entspannung und die Regeneration sorgt (Michael-Titus et al., 2018). Die Herzratenvariabilität (HRV) ist ein Messinstrument für die Leistungsfähigkeit des ANS und ist eine Größe für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Körpers an exogene und endogene Belastungen (Hottenrott, 2002). Eine Metaanalyse zeigte, dass akuter psychischer Stress zu einer kurzfristigen Verminderung der HRV-Parameter führt, was auf einen erhöhten Anteil des Sympathikus hindeutet (Castaldo et al., 2015), während Ausdauertraining mit entsprechender Intensität und Lange bei gesunden Menschen zu einer langfristigen Anstieg der HRV-Parameter führt, was auf einen erhöhten Anteil des Parasympathikus hindeutet (Hottenrott et al., 2006).
Das hochintensive Intervalltraining (HIIT) stellt eine besonders zeiteffiziente Form des Ausdauertrainings dar. So können in kürzerer Trainingszeit vergleichbare bzw. höhere zentrale und periphere Trainingsanpassungen hervorgerufen werden, als im Vergleich zum niedrigintensiven Grundlagenausdauertraining (Zinner & Sperlich, 2019). Daneben ist HIIT, dem moderat-intensiven-Ausdauertraining in Bezug auf die Verbesserung der HRV bei inaktiven Erwachsenen überlegen (Alansare et al., 2018). Die Cross-Stressor-AdaptionHypothese gilt als Erklärungsansatz für eine verminderte Stressreaktivität bzw. eine verbesserte Stressregeneration von trainierten Sportlem*innen (Reinhard Fuchs & Kiaperski, 2018; Sothmann, 2006). Die HRV-Parameter wurden in Studien zur CSA-Hypothese selten untersucht (Geus et al., 1990; Kiaperski et al., 2014; Spalding et al., 2000). Dies ist die erste Arbeit, welche die die Auswirkungen von HIIT auf die HRV-Stressregeneration des Parasympathikus bei impulsiven Personen untersucht, um die CSA-Hypothese zu überprüfen.
2. Theoretischer Hintergrund
2.1. Der Begriff Stress
Der Begriff Stress stammt vom lateinischen Begriff „strictus“ ab und bedeutet übersetzt straff, stramm, eng. Aus dem Englischen übersetzt bedeutet der Begriff so viel wie Druck, Kraft, Anspannung (Rusch, 2019). Stress ist ein ständiger Wegbegleiter des Menschen und Bestandteil in fast allen Lebensbereichen und findet sich z. B. im Arbeits-,Prüfungs-, Alltags- und Familienstress wieder (Rusch, 2019). Beinahe 60 % aller Arztbesuche stehen mit Stress in Verbindung (Michael-Titus et al., 2018; Rusch, 2019).
2.1.1. Stressoren
Der Körper ist ständig konfrontiert mit Reizen, welche auch als interne Stressoren (z. B. Angst) und externe Stressoren (z. B. Lärm) bezeichnet werden. Die Reize werden vom Gehirn verarbeitet und lösen biochemische Prozesse im zentralen und autonomen Nervensystem aus. Es kommt zu einer Hormonausschüttung und der Organismus wird in Alarmbereitschaft gesetzt (Rusch, 2019).
2.1.2. Eustress und Disstress
Der Endokrinologe Hans Selye (1907 - 1982) unterschied zwischen dem Eustress (positivem Stress) und dem Disstress (negativem Stress). Der Eustress kann eine hohe Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit fördern, hoch motivieren und den Willen schaffen etwas zu erreichen. Schwierige Situationen werden als Herausforderung wahrgenommen. Dahingegen wird Disstress als negativ und überfordernd wahrgenommen. Er steht oft im Zusammenhang mit mangelnder Belohnung. Disstress stört die Homöostase und kann zu Krankheiten führen (Rusch, 2019).
2.1.3. Akuter und chronischer Stress
Es wird zwischen akuten (kurzen) und chronischen (langfristigen) Stressbelastungen unterschieden (Rusch, 2019). Die akute physiologische Stressreaktion kann als gesund eingestuft werden, wenn auf die Sympathikus-Aktvierung eine angemessene Parasympathikus-Aktivierung (Erholungsphase) folgt (Rusch, 2019). Chronische Stressbelastungen bewirken eine andauernde Alarmbereitschaft. Dies kann zu belastenden Störungen und stressbedingten Krankheiten führen (Rusch, 2019). Eine anhaltende Sympathikus-Aktivierung führt zu einer stärkeren Produktion der Katecholamine Adrenalin und Noradrenalin, was auf Dauer zu einer Schädigung des Herz-Kreislauf-Systems führen kann (Rusch, 2019).
2.2. Die physiologische Stressreaktion
Nachfolgend wird die physiologische Stressreaktion genauer erläutert. Grundsätzlich unterscheidet man zwischen den zwei folgenden Stressachsen (siehe Abbildung 1):
1. Die Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinden-Achse (HHN-Achse), welche an der Ausschüttung des Stresshormons Cortisol beteiligt ist. Die Vermittlung der HHN-Achse verläuft über die Blutbahn, weshalb diese auch als langsame Stressreaktion bezeichnet wird (von Dawans & Heinrichs, 2018).
2. Das sympathiko-adrenomedulläre-System (SAM-System) ist Bestandteil des autonomen Nervensystems (ANS). In Stresssituationen kommt es zu einer zentralnervösen Aktivierung des Sympathikus, welcher durch die Aktivierung des Nebennierenmarks die Ausschüttung von den Katecholaminen, Adrenalin und Noradrenalin anregt und so die Erregung an die Organe weiterleitet (Gerber, 2020). So wird der Organismus binnen Sekunden auf die sogenannte Kampf-oder-Flucht-Reaktion vorbereitet. Die Vermittlung des SAM-Systems verläuft über elektrochemische Signale, die in Sekundenschnelle ihre Wirkung entfalten. Daher wird das SAM-System auch als schnelle Stressreaktion kategorisiert (von Dawans & Heinrichs, 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1
Schematische Darstellung der zwei Stressachsen. CRH: Corticotropin-Releasing-Hormons, ACTH'.AdrenocorticotropenHormons (Gerber, 2020,p. 587).
2.2.1. Hypothalamus-Hypophysen-Nebennierenrinde-Achse
Die HHN-Achse sorgt für die Ausschüttung des Stresshormons Cortisol über die Nebennierenrinde (von Dawans & Heinrichs, 2018). Der Aufbau der HHN-Achse besteht aus einer dreistufigen Kaskade der Hormonfreisetzung. Diese Kaskade besteht aus dem Hypothalamus, der Hypophyse und der Nebennierenrinde (Eller-Bemdel, 2015). Durch Stressoren wird die HHN-Achse aktiviert. Das Stresssignal wird durch das Steuerzentrum des autonomen Nervensystems, den Hypothalamus, verarbeitet (Eller-Bemdel, 2015; von Dawans & Heinrichs, 2018). Dort führt es zur Produktion des Corticotropin-Releasing-Hormons, welches an der Hypophyse zur Produktion des Adrenocorticotropen Hormons (ACTH) führt (von Dawans & Heinrichs, 2018). ACTH wird über die Blutbahn an die Nebennierenrinde transportiert, wo es eine Ausschüttung des Stresshormons Cortisol bewirkt (von Dawans & Heinrichs, 2018). Cortisol gelangt durch die Blut-Him-Schranke in das Gehirn, wo es über Rezeptoren des Hippocampus wieder herunterreguliert wird. Dies bezeichnet man auch als negativen Feedbackmechanismus (Kadmiel & Cidlowski, 2013; Kudielka et al., 2009). Cortisol wirkt über Rezeptoren an fast allen Organen im Körper und hat Einfluss auf die Gehimfunktion, das Wachstum, das Körperfett und den Glucose-Metabolismus. Außerdem unterdrückt Cortisol das körpereigene Immunsystem und wirkt entzündungshemmend (von Dawans & Heinrichs, 2018). Die Reaktion der HHN-Achse wird als langsame Stressreaktion kategorisiert, da die Weiterleitung humoral über das Blut verläuft. So lassen sich Höchstwerte abhängig von der Messmethode (Blut oder Speichel) erst nach einigen Minuten feststellen (Kasten & Fuchs, 2018).
2.2.2. DasautonomeNervensystem
Die Hauptaufgabe des ANS ist die Beibehaltung der Homöostase des Organismus (Gramann & Schandry, 2009). Das ANS besteht aus drei untergeordneten Systemen: Dem enterischen System, welches die glatte Muskulatur des Verdauungstraktes reguliert (Michael- Titus et al., 2018), dem Sympathikus, welcher auf Stress und Gefahren reagiert und den Körper auf eine kurzfristig ansteigende Leistungsfähigkeit adaptiert (Gramann & Schandry, 2009; Michael-Titus et al., 2018) und dem Parasympathikus, welcher für Regeneration und Ruhe verantwortlich ist (Michael-Titus et al., 2018). Das autonome Nervensystem und seine Zielorgane sind in Abbildung 2 schematisch dargestellt.
2.2.3. Sympathikus: dasLeistungssystem
Der Sympathikus wird auch als Leistungssystem bezeichnet und verläuft vom Stammmittel- und Großhirn bis zum zweiten Lendenwirbelsegment (Lohniger, 2017). Es handelt sich um ein primitives System, welches evolutionär betrachtet für das Überleben verantwortlich ist. Es bereitet den Organismus auf die Kampf-oder-Flucht-Reaktion vor (Gerber, 2020). Der Sympathikus stimuliert alle ergotropen (leistungssteigemden) Funktionen im Körper (Lohniger, 2017). Es kommt allerdings nicht nur zu aktivierenden, sondern auch zu hemmenden Impulsen zum Beispiel auf Organe im Bauch- und Beckenbereich. Zum Beispiel sind Verdauungsprozesse auf der Flucht nicht funktional. Es kommt zur Hemmung der Harnblase und des Mastdarms und zur Verlangsamung der Magen-Darm-Peristaltik. Der Sympathikus hemmt die Insulinausschüttung, die Funktion der exokrinen Drüsen wie der des Darm, des Magens und der Leber (Lohniger, 2017). Dahingegen werden endokrine Drüsen, welche ihr Sekret direkt ins Blut abgeben, aktiviert. Darunter fällt erstens die Niere, welche mehr Renin produziert und den Blutdruck erhöht, zweitens die Nebenniere, welche vermehrt das Stresshormon Adrenalin ausschüttet, drittens die Nebennierenrinde, welche das Stresshormon Cortisol ausschüttet (Lohniger, 2017) und viertens wird die Aktivität von der Schweiß-, Talg- und Duftdrüsen hochgefahren. Deshalb ist es möglich, dass Schwitzen auch ohne körperliche Aktivität erfolgen kann (Lohniger, 2017). Zudem wird der Spannungszustand zum Schutz vor Verletzungen im Bereich der Rumpf-, der Nacken- und der Kaumuskulatur erhöht (Lohniger, 2017).
Der Neurotransmitter der präganglionären Nervenfasern ist Acetylcholin, wohingegen der Neurotransmitter der postganglionären Nervenfasern Noradrenalin ist. Beide Neurotransmitter haben einen direkten Einfluss auf das Herz. So kommt es zur Erhöhung (1) der Herzfrequenz, (2) der Kontraktionskraft und (3) der Geschwindigkeit, in welcher der Herzmuskel erschlafft. Außerdem folgt eine (4) Beschleunigung der Erregungsleitung, (5) eine Reduzierung der Reizschwelle für elektrochemische Stimulation des Herzens und (6) eine Vergrößerung der Herzkranzgefäße, was die Unterhaltung der Organe gewährleistet (Lohniger, 2017).
2.2.4. Parasympathikus: dasRuhesystem
Der Begriff Parasympathikus (von griech. parâ „neben, bei“) ist anatomisch wie funktionell nicht passend, da dieser nicht als Beiwerk des Sympathikus betrachtet werden kann (Lohniger, 2017). Es wird unterschieden zwischen dem vom Kopf kommenden Parasympathikus (Pars cephalica) und dem vom Kreuzbein kommenden Parasympathikus (Pars sacralis) (Lohniger, 2017). Der „Pars Sacralis“ hat seinen Ursprung im zweiten bis vierten Rückenmarksegment des Kreuzbeins und sorgt beispielsweise für das Harnlassen, die Gefäßerweiterung der Genitalien und die Entspannung des Schließmuskels (Lohniger, 2017). Der „Pars cephalica“ besteht aus vier Himnerven dem „Nervus oculomotorius“ (Augenbewegungsnerv), dem „Nervus facialis“ (Gesichtsnerv), dem „Nervus glossopharyngeus“ (Zungen-Rachen- Nerv) und dem „Nervus vagus“ (Lohniger, 2017).
Der Nervus vagus, zu deutsch der Vagusnerv (von lat. vagari „umherschweifend“, vagabundieren“), ist der größte Nerv des Parasympathikus (Lohniger, 2017). Die Nervenfasern des Vagusnerv durchziehen den kompletten Brustbereich und den überwiegenden Bereich des Bauchraumes und aktivieren fast die gesamten Organe, die in diesem Bereich liegen (Lohniger, 2017). Der Vagusnerv besteht aus somatomotorischen Nervenfasern für die willkürliche Bewegung der quer gestreiften Muskulatur und viszeromotorische Nervenfasern für die unwillkürliche Bewegung glatter Muskulatur (Lohniger, 2017). Der Vagusnerv bewirkt am Herzen eine gegensätzliche Wirkung zum Sympathikus und sorgt für die Verlangsamung des Pulses, für eine gedrosselte Erregbarkeit und eine herabgeminderte Erregungsleitung des Herzens. Darüber hinaus löst der Vagusnerv beispielsweise die Verengung der Bronchien, die Förderung der Verdauung oder eine Erhöhung der Glykogenbildung an den entsprechenden Organen aus (Lohniger, 2017).
Acetylcholin wirkt im parasympathischen System als Überträgerstoff (Neurotransmitter) und kann durch Acetylcholinesterase inaktiviert werden. Somit muss das parasympathische System im Gegensatz zum sympathischen System immer wieder neu stimuliert werden (Lohniger, 2017). Zusammenfassend dient der Parasympathikus den regenerativen und aufbauenden Prozessen und sorgt für die Energiebereitstellung und Energiespeicherung (Gramann & Schandry, 2009).
2.2.5. Das Zusammenwirken -von Sympathikus und Parasympathikus
Nach weitverbreiteter Auffassung werden Sympathikus und Parasympathikus als Antagonisten bezeichnet. Diese Auffassung istjedoch aus physiologischer Sicht nicht korrekt, denn außerhalb der Tiefschlafphase, in welcher sich die Leistung des Sympathikus auf ein Minimum reduziert und die Leistung des Parasympathikus auf ein Maximum ansteigt, arbeiten die Systeme unabhängig voneinander (Lohniger, 2017). Über die HRV lassen sich Rückschlüsse auf den Parasympathikus und Sympathikus des autonomen Nervensystems ziehen (von Dawans & Heinrichs, 2018).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2
Das autonome Nervensystem und seine Zielorgane (Kirschbaum & Heinrichs, 2011, p.203)
2.3. Herzratenvariabilität
Die HRV zeichnet sich durch die Veränderung der Herzfrequenz über einen definierten Zeitraum aus. Sie ist ein Messinstrument des ANS und ist ein Parameter für die Anpassungsfähigkeit des menschlichen Körpers an exogene und endogene Belastungen (Hottenrott, 2002).
2.3.1. Modulatoren
Modulatoren der HRV sind der Sympathikus und der Parasympathikus, welche primär über den Sinusknoten (elektrischer Taktgeber des Herzens) gesteuert werden (Sammito et al., 2016). So führt das autonome Nervensystem über den Sympathikus mittels Noradrenalins zu einer Reduzierung der HRV. Der Parasympathikus, insbesondere der Vagusnerv, führt über das Acetylcholin zu einem Anstieg der HRV (Domniak, 1990). Je besser das Herz an körperliche Belastungen angepasst ist, desto hoher ist der vagale Ruhetonus. So zeigen trainierte Sportlerinnen in der Regel eine höhere HRV als untrainierte Personen (Sammito et al., 2016).
2.3.2. Physiologische Grundlagen
Im Elektrokardiogramm (EKG) werden alle elektrischen Erregungszustände des Herzens im zeitlichen Verlauf dargestellt. Für jede Herzaktion sind charakteristische Potenzialschwankungen zu erkennen. Diese werden mit den Lettern P, Q, R, S, T und U angegeben und sind in Abbildung 3 dargestellt (Hottenrott, 2002). Differenziert wird zwischen Kurzzeitanalysen mit einer Dauer von fünf bis fünfzehn Minuten und Langzeitanalysen mit einer Dauer von 24 Stunden (Lohniger, 2017). Die Herzperiodendauer bzw. das RR- Intervall ist der zeitliche Abstand zwei aufeinanderfolgenden R-Zacken und somit die Zeit zwischen der elektrischen Stimulation der Herzkammern (Depolarisation; Eller-Bemdel, 2015; Lohniger, 2017). Das RR-Intervall ist umgekehrt proportional zur Herzfrequenz. So entspricht ein kurzes RR-Intervall einer hohen Herzfrequenz (siehe Abbildung 4; Eller-Bemdel, 2015).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3
Physiologische Zeitwerte im Elektrokardiogramm (Gesenhues & Ziesché, 2005, p. 611)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Beispiel eines Ruhe-Elektrokardiogramm über sechs RR-Intervalle mit zeitlichen Angaben der Herzperiodendauer (RR [ms]) und derHerzfrequenz (Hf[S/min]) (Hottenrott, 2002, p. 2)
2.3.3. Parameter
Grundsätzlich kann die Quantifizierung der HRV durch Verfahrensweisen des Zeit-, Frequenzbereichs und der nichtlinearen Analyse erfolgen (Sammito et al., 2016). „Bei der Zeitbereichsanalyse handelt es sich um eine deskriptive statistische Darstellung der aufeinanderfolgenden RR-Abstände und deren Differenzen“ (Curie & Meißner, 2008, p. 7). Es gibt eine Vielzahl von Parametern des Zeitbereiches, die sich bezüglich des Messzeitraumes (Kurzzeitmessungen vs. Langzeitmessungen) und dem zu messenden Anteil des autonomen Nervensystems (Gesamtvariabilität, Parasympathikus und Sympathikus) unterscheiden (Sammito et al., 2016).
Der Root Mean Square of Successive Differences (RMSSD), zu Deutsch die Quadratwurzel des Durchschnittswertes der Anzahl aller quadrierten Differenzen zwischen benachbarten RR-Intervallen ist ein statistisches Maß der Zeitbereichsanalyse (siehe Gleichung 1). Der RMSSD eignet sich für Kurzzeitmessungen und wird in Millisekunden angegeben (Sammito et al., 2016). Der RMSSD misst die Aktivität des Parasympathikus und lässt Aussagen über den HRV-Entspannungsgrad bzw. die Erholungsfähigkeit des Organismus zu. Je entspannter der Mensch ist, desto höher ist der RMSSD-Wert (Curie & Meißner, 2008).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Gleichung 1
Root Mean Square of Successive Differences (RMMSD). RR: RR-Intervall (Zweitdifferenz zweier aufeinanderfolgender R-Zacken). N: Anzahl derR-Zacken im zugrundeliegenden EKG- Signal.
2.3.4. Modifizierende Einflussfaktoren
Die HRV ist ein stark individueller Wert und ist bedingt durch viele modifizierende Einflussfaktoren, welche in Tabelle 1 dargestellt werden (Curie & Meißner, 2008).
Tabelle 1
Ausgewählte modifizierende Einflussfaktoren der Herzratenvariabilität
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.3.5. Akuter Stress
In der Metaanalyse von Castaldo und Kollegen*innen (2015) wurde die vorhandene Literatur systematisch ausgewertet, um bei gesunden Probanden*innen die Zusammenhänge zwischen akutem psychischem Stress und kurzfristigen Messungen der HRV in Zeit-, Frequenz- und nichtlinearen Bereichen zu untersuchen (Castaldo et al., 2015). Es wurden zwölf Arbeiten in die engere Auswahl gezogen, die insgesamt 758 Probanden einschlossen und 22 verschiedene HRV-Parameter untersuchten. Vier Parameter in zeitlichen und nichtlinearen Bereichen ergaben eine signifikante Minderung, während akutem Stress (Castaldo et al., 2015). Die Stärke der HRV-Fluktuationen bei hohen Frequenzen war unter Stress signifikant erniedrigt, während das Verhältnis zwischen niedrigen und hohen Frequenzen signifikant erhöht war, was auf eine sympathische Aktivierung und einen parasympathischen Rückzug während akutem psychischen Stress hindeutet (Castaldo et al., 2015). In allen Studien gab es einen Konsens, dass RMSSD während akuten Stresssituationen abnahm (Papousek et al., 2010; Taelman et al., 2011; Tharion et al., 2009).
2.3.6. Ausdauertraining
Das primäre Ziel einer präventiven Trainingsintervention ist eine Steigerung der Parasympathikus-Aktivität bzw. Vagusnerv-Aktivität (Hottenrott et al., 2006). Angesichts einer Vielzahl von empirischen Daten gilt es als belegt, dass bei aerobem Ausdauertraining mit entsprechender Intensität und Dauer bei gesunden Menschen eine Verringerung der Herzfrequenz in Ruhe und eine Zunahme der HRV auftritt (Hottenrott et al., 2006; Sandercock et al., 2005). Die Zunahme der vagalen Herzfrequenzmodulation kann bei jüngeren Probanden*innen über eine regelmäßige aerobe Trainingsintervention von mindestens vier Wochen erreicht werden (Sandercock et al., 2005). Andererseits können extrem umfangreiche Trainingsbelastungen zu einer Abnahme der HRV führen (Iellamo et al., 2002; Katona et al., 1982; Yamamoto & Hughson, 1991).
„Aus denverfügbaren Studien lässt sich ableiten, dass trainingsbedingte HRV-Veränderungen einerseits von den gewählten Belastungsparametem, der Trainingsmethode, dem Trainingszustand, der individuellen Belastbarkeit, der Leistungs- und Erholungsfähigkeit sowie andererseits von Umwelt- und Stressfaktoren abhängen. Eine positive HRV-Modulation ist dann zu erwarten, wenn die Trainingsintervention individuell auf die Belastbarkeit und Leistungsfähigkeit des Probanden abgestimmt und nach Gesetzmäßigkeiten der Leistungsentwicklung unter Anwendung bewährter Trainingsprinzipien gestaltet wird.“ (Hottenrott et al., 2006, p. 547)
2.4. Hochintensives Intervalltraining
Das HIIT ist eine Form des Ausdauertrainings und besteht aus sich abwechselnden kurzen intensiven Belastungsphasen und niedrigen intensiven Erholungsphasen (Zinner & Sperlich, 2019). Durch die Phasen niedriger Intensität kann die trainierende Person einen längeren Zeitraum mit hoher Intensität trainieren (Gormley et al., 2008; Iaia et al., 2009). So können in kürzerer Trainingszeit vergleichbare bzw. höhere zentrale und periphere Trainingsanpassungen hervorgerufen werden, als im Vergleich zum niedrig intensiven Grundlagenausdauertraining (Zinner & Sperlich, 2019). Studien zeigen, dass es im Durchschnitt zwischen zwei und neun Wochen dauert, um signifikante Verbesserungen im aeroben und anaeroben Bereich zu erzielen (Sperlich et al., 2013). Zu den Trainingsanpassungen von HIIT gehört die Ausdauerleistungsverbesserung der Muskulatur (Ferrauti, 2020). Die Aktivität des SAM-Systems ist bei körperlicher Maximalbelastung am höchsten (Gerber, 2008).
„Bei Ausdauerbelastungen nimmt bei konstanter moderater Intensität die Noradrenalin- und Adrenalinkonzentration linear zu, wenn ein Minimum an Muskelmasse aktiviert ist. Mit zunehmender Intensität, d.h. ab etwa 50-60% der VO2max, erfolgt schließlich ein exponentieller Anstieg des Noradrenalin- und Adrenalingehalts.“ (Gerber, 2008, p. 170)
2.4.1. Hochintensives Intervalltraining und die Herzratenvariabilität
Alansare und Kollegen*innen (2018) untersuchten die Effekte von HIIT im Vergleich zu moderat-intensivem-anhaltendem Training auf die HRV bei physisch inaktiven Erwachsenen (Alansare et al., 2018). Bereits nach acht Einheiten innerhalb von zwei Wochen mit einer Dauer von 20 Minuten (HIIT) und 40 Minuten (moderat-intensivem-anhaltendem- Training) konnte bei beiden Gruppen eine signifikante Verbesserung des R-R-Intervalls und des Inter-Beat-Intervalls (IBI) in Ruhe (die EKG-Messungen wurden drei Tage im Abstand der Intervention gemessen) festgestellt werden (Alansare et al., 2018). Allerdings gab es keine signifikante Veränderung des RMSSD im genannten Zeitraum (Alansare et al., 2018). Das LF-HF-Verhältnis (Verhältnis sympathischer und parasympathischer Aktivität) verbessert sich lediglich bei der HIIT-Gruppe signifikant (Alansare et al., 2018). Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das HIIT dem moderat-intensiven-anhaltende-Training bei inaktiven Erwachsenen in Bezug auf die Verbesserung der HRV überlegen ist (Alansare et al., 2018). Zudem kann vermutet werden, dass HIIT auch hinsichtlich der Verbesserung des HRV- Entspannungsgrad und der HRV-Stressregeneration überlegen ist.
2.5. Cross-Stressor-Adaptions-Hypothese
Die verminderte Stressreaktivität bzw. die verbesserte Stressregeneration von trainierten Sportlern lässt sich mit der Cross-Stressor-Adaptations-Hypothese (CSA- Hypothese) erklären (Reinhard Fuchs & Kiaperski, 2018; Sothmann, 2006). Es wird angenommen, dass physiologische und psychologische Stressreize das SAM-System und die HHN-Achse entsprechend gleich aktivieren. Zusätzlich können ausreichend intensive, langfristige und regelmäßige Belastungsreize im Organismus zu spezifischen und unspezifischen Adaptionsvorgängen fuhren. Eine verminderte Stressreaktion bei körperlichen Stressreizen bezeichnet man als spezifischen Adaptionsvorgang. Die verminderte Stressreaktion auch bei sportfremden Reizen z. B. bei psychosozialem Stress als unspezifischenAdaptionsvorgang (Gerber, 2020; Sothmann, 2006).
2.5.1. Stressreaktivität und die Stressregeneration
Seit Mitte der 60er-Jahre wurden umfangreiche Studien zu der Frage, ob sich der Fitnesszustand bzw. regelmäßiges Training bei psychosozialen Belastungen (wie dem TSST) generell positiv auf die Stressreaktivität bzw. die Stressregeneration auswirkt, durchgeführt (Gerber, 2008). Die Studien unterscheiden sich jedoch bezüglich des Studiendesigns, den Erhebungsmethoden und den Resultaten deutlich (Gerber, 2008).
Crews und Landers führten 1987 eine Metaanalyse mit 34 Studien von 1449 Probanden durch. Demnach gab es Belege für einen mittleren Zusammenhang von regelmäßigem Training und Ausdauerleistungsfähigkeit und Stressreaktivität. So reagieren fitte Menschen unabhängig vom Typ des Stressors geringer (Crews & Landers, 1987). Die Studie wurde kritisiert, da auch fehlerhafte Arbeiten mit einbezogen wurden (z. B. fehlerhafte Erfassung von Fitness; Gerber, 2008).
Dishman und Jackson führten im Jahr 2000 eine Meta-Regressionsanalyse von 73 Studien durch, die untersuchten, ob kardiorespiratorische Fitness die kardiovaskulären Reaktionen während und nach akutem Laborstress beim Menschen mildert. Es wurden lediglich Studien berücksichtigt, in denen keine physiologischen Stressoren verwendet wurden und die Fitness mittels maximalem/submaximalem Leistungstest ermittelt wurde. Die Ergebnisse stützen die Evidenz aus der Metaanalyse von Crews und Landers, dass die kardiorespiratorische Fitness generell mit einer Abschwächung der Stressreaktivität verbunden ist, nicht. Allerdings konnte bei trainierten Erwachsenen eine schnellere Stressregeneration trotz einer etwas größeren Stressreaktion im Vergleich zu weniger trainierten Erwachsenen festgestellt werden.
Die Metaanalyse von Schuler und O'Brien (1997) zeigte einen weiteren Zusammenhang zwischen Fitness und der Stressregeneration. Die Metaanalyse mit 69 Studien und insgesamt 4071 Probanden*innen zeigte, dass die Herzfrequenz von trainierten Personen nach psychosozialem Stress schneller auf das Ausgangsniveau zurückkehrte (Hocking Schuler & O’Brien, 1997).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in Bezug auf die Studienlage der Stressreaktivität ein inkonsistentes Bild abzeichnet und die Studien nicht eindeutig belegen können, dass zwischen Ausdauerleistungsfähigkeit und einer abgemilderten Stressreaktivität ein Zusammenhang besteht (Jackson & Dishman, 2006), wohingegen sich in Bezug auf die Stressregeneration ein konsistentes Bild abzeichnet. So konnten Studien eindeutig zeigen, dass ein Zusammenhang zwischen Ausdauerleistungsfähigkeit und Stressregeneration besteht, auch bei nur geringer Effektgröße (Dishman & Jackson, 2000; Hocking Schuler & O’Brien, 1997).
2.5.2. HRV-Stressregeneration undHRV-Stressreaktivität
Die HRV-Parameter wurden in Studien zur CSA-Hypothese selten untersucht (Geus et al., 1990; Kiaperski et al., 2014; Spalding et al., 2000). Die Studie von Kiaperski und Kollegen*innen (2014) kam zu dem Ergebnis, dass Ausdauertraining die HRV- Stressreaktivität signifikant vermindert. Es konntenjedoch keine signifikanten Veränderungen der HRV-Stressregeneration festgestellt werden. Somit kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass die CSA-Hypothese lediglich partiell bestätigt werden kann. Allerdings können die Ergebnisse nur als vorläufige Erkenntnisse betrachtet werden, da in der Studie der Relaxation Count-Index (RLX-Index) verwendet wurde, welcher nur eine Annäherung des Standard Deviation 1 (SD1) darstellt und den Sympathikus moduliert (Kiaperski et al., 2014). Da die Forschungen der HRV in Bezug auf die CSA-Hypothese noch am Anfang stehen, besteht in diesem Bereich noch weiterer Forschungsbedarf. Kiaperski und Kollegen*innen (2014) ermutigen Forscher, den Einfluss von körperlicher Bewegung auf die HRV-Stressreaktion mittels spezifischerer Bewertungsmethoden und Messung der parasympathischen Aktivität zu untersuchen, da die HRV und insbesondere die parasympathische Aktivierung zunehmend als wichtiger Indikator für Stress und Gesundheitszustände anerkannt wird (Wittling & Wittling, 2012). Wie in Kapitel 2.4.1. erwähnt, erzielt HIIT tendenziell einen besseren Trainingseffekt auf die HRV als andere Trainingsmodalitäten, daher scheint die Anwendung von HIIT auf die CSA-Hypothese gemessen an der HRV eine vielversprechende Methode zu sein.
2.6. Emotionale Impulsivität
Die emotionale Impulsivität ist definiert als die Tendenz, in Phasen erhöhter Emotionen, Dinge zu sagen oder zu tun, die man später bereut (Whiteside & Lynam, 2001). Emotionale Impulsivität wird im Vergleich zu anderen Formen der Impulsivität stärker mit einem breiten Spektrum von psychischen Störungen assoziiert, dazu zählen bipolare Störungen (Moeller et al., 2001), Borderline-Persönlichkeitsstörungen (Moeller et al., 2001), schwere depressive Störungen (Carver et al., 2008; Granö et al., 2007) und Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörungen (Berg et al., 2015; Moeller et al., 2001). Eine hohe Ausprägung des Merkmals emotionale Impulsivität hängt mit einer hohen Stressantwort auf akuten psychischen Stress zusammen (Javelle & Zimmer, 2018). Daher kann eine stärkere RMMSD-Variation als Reaktion auf akuten Stress wie den TSST angenommen werden. Es konnte nachgewiesen werden, dass HIIT und Dehntraining in der Lage sind, die emotionsbezogenen Impulsivitätswerte moderat zu senken (Javelle et al., 2021). Als ein Erklärungsansatz könnte der Zusammenhang zwischen emotionaler Impulsivität und der Sympathikus-Aktivität in Frage kommen. So deuten experimentelle Studien daraufhin, dass eine erhöhte Sympathikus-Aktivität emotional impulsives Verhalten begünstigen kann (Peters et al., 2018). Daher wird aufgrund der verwendeten Stichprobe (hohes Merkmal an emotionaler Impulsivität) von einer stärkeren Variation des RMSSD als Reaktion auf Stress ausgegangen.
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- Quote paper
- Sebastian Seifert (Author), 2021, Auswirkungen von hochintensiven Intervalltrainings auf den Entspannungsgrad in Ruhe. Stressregeneration gemessen am Herzratenvariabilitäts-Parameter RMSSD bei impulsiven Personen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1147004
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