Diese Arbeit untersucht die Möglichkeiten und Grenzen der häuslichen, palliativen Pflege. Laut einer Erhebung aus dem Zeitraum Juli - August 2016 wünschten sich 60% der Gesamtbevölkerung im häuslichen Umfeld versterben zu können. Von den pflegenden Angehörigen wünschten sich 75%, dass ihre Verwandten zu Hause die ewige Ruhe finden. Lediglich 2% würden ein Alten- oder Pflegeheim bevorzugen. Das Bedürfnis in den eigenen vier Wänden zu sterben, erweckt die Hoffnung auf mehr Schutz beziehungsweise behütet zu sein und in Selbstbestimmung auch bis zum Ende leben zu können. Im eigenen Zuhause lebt der sterbende Mensch nach den eigenen individuellen Lebensbedingungen, die er für sich geschaffen hat und die ihm wichtig sind. Aufgrund nicht vorhandener Freunde und Verwandte, ungeeigneter Wohnsituationen oder fehlender medizinischer Versorgung, versterben die meisten Menschen in Krankenhäusern oder Altersheimen. Um Zuhause sterben zu können, bedarf es der Bereitschaft zur Unterstützung von Freunden und der Familie und/oder einem geeignetem und verlässlichen, professionellen Hilfesystem.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Zuhause sterben
3. Der Anspruch auf Selbstbestimmung
4. Anforderung
5. Kritischer Punkt
6. Fazit
Literaturverzeichnis
„Den eigenen Tod, den stirbt man nur – doch mit dem Tod der and’ren muss man leben“
(Mascha Kaléko)
1. Einleitung
Seit 2012 arbeite ich im Ambulant Betreuten Wohnen und begleite in Vollzeit 10 Menschen, die psychische Erkrankungen und zum Teil auch Doppeldiagnosen im Sinne einer gleichzeitig vorhandenen Suchterkrankung aufweisen. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der Aids-Hilfe Düsseldorf, wodurch ein bestimmter Anteil der betreuten Klient*innen auch an einer HIV bzw. AIDS Erkrankung leidet. Durch meine berufliche Laufbahn habe ich schon einige Klient*innen begleitet, die wortwörtlich „ums Verrecken“ nicht ins Krankenhaus oder Hospiz wollten, keine Familie und/oder Freunde hatten sowie jegliche Hilfssysteme ablehnten, sodass die Zeit bis zum Tod eine absolute Herausforderdung für mich als pädagogische Fachkraft darstellte. Aus diesem Grund habe ich mich für die Hausarbeit Nr. 3 zum Thema „Möglichkeiten und Grenzen der häuslichen Pflege von sterbenden Menschen“ entschieden. Im Folgenden werde ich kurz auf die statistischen Zahlen bzgl. Wünsche des Sterbeorts eingehen, um dann in Kapitel 3 den Anspruch auf Selbstbestimmung knapp anzureißen. Das Kapitel 4 betrifft die Anforderungen, über die ein/e Sterbebegleiter*in im besten Fall verfügen sollte, damit eine qualitative Unterstützung stattfinden kann. Das Kapitel 5 setzt sich mit den kritischen Bereichen der häuslichen Sterbesituation auseinander, um dann das Fazit mit einer kurzen Zusammenfassung und einem zusätzlichen Aspekt aus meinem beruflichen Alltag des BeWo’s abzuschließen.
2. Zuhause sterben
Laut einer Erhebung aus dem Zeitraum Juli - August 2016 wünschten sich 60% der Gesamtbevölkerung im häuslichen Umfeld versterben zu können (Statista, 2016). Von den pflegenden Angehörigen wünschten sich 75%, dass ihre Verwandten zu Hause die ewige Ruhe finden (ebd.). Lediglich 2% würden ein Alten- oder Pflegeheim bevorzugen (ebd.). Das Bedürfnis in den eigenen vier Wänden zu sterben, erweckt die Hoffnung auf mehr Schutz bzw. behütet zu sein und in Selbstbestimmung auch bis zum Ende leben zu können (Hofmann, o. J., S. 7). Im eigenen Zuhause lebt der sterbende Mensch nach den eigenen individuellen Lebensbedingungen, die er für sich geschaffen hat und die ihm wichtig sind (ebd.). Aufgrund nicht vorhandener Freunde und Verwandte, ungeeigneter Wohnsituationen oder fehlender medizinischer Versorgung, versterben die meisten Menschen in Krankenhäusern oder Altersheimen (ebd.). Um Zuhause sterben zu können, bedarf es der Bereitschaft zur Unterstützung von Freunden und der Familie und/oder einem geeignetem und verlässlichen, professionellen Hilfesystem (ebd.).
3. Der Anspruch auf Selbstbestimmung
„Der Anspruch auf Selbstbestimmung der Person, aber auch als Kehrseite die Zumutung von Selbstbestimmung prägen das Ethos moderner Lebensführung“ (Ethikrat, 2006, S. 18f). Jeder Mensch soll selbst entscheiden können, wie er gerne leben mag (ebd.). Hingegen bleibt jeder einzelne trotzdem an eine Gemeinschaft gebunden, da niemand es schafft allein zu leben (ebd.). Selbstbestimmung bedeutet, die Autonomie zu besitzen, eigene Entscheidungen zu fällen sowie die eigene Persönlichkeit auszuleben zu können (Ethikrat, 2006, S. 19).
4. Anforderung
„Pflegende haben eine große ethische Verantwortung bei der Begleitung sterbender Menschen“ (Hofmann, o. J., S. 1). Es bedarf viel an Einfühlungsvermögen und kompetenter Unterstützung, um sich dieser ungewohnten Herausforderung stellen zu können (Hofmann, o. J., S. 7). Hohe Anerkennung und absolute Respektierung der persönlichen Lebensweise sollte der/die Sterbebegleiter*in besitzen, um die letzten Wünsche diesbezüglich zu ermöglichen (ebd.). Ebenso ist es von Wichtigkeit, alte und/oder kranke Menschen immer ernst zu nehmen sowie mit Feingefühl und Verständnis zu begegnen, wenn sie den Wunsch äußern, endlich sterben zu können (FGPG, o. A., 2019). Die Begleitung eines sterbenden Menschen erfordert auch psychosoziale Unterstützung sowie Angebote der spirituellen Begleitung bis zum Tod (ebd.).
Des Weiteren ist es als Sterbebegleiter*in sehr hilfreich, sich mit den 5 Sterbephasen nach der Schweizer Psychiaterin und Sterbeforscherin Elisabeth Kübler- Ross vertraut zu machen (Ibrahimovic, 2012, S. 8f). Die fünf Phasen sterbender Menschen sind, die Diagnose nicht wahrhaben zu wollen (1), Zorn (2), Verhandeln (3), Depression (4) und Zustimmung (5) (ebd.) Diese können unterschiedlich lang sein, die Reihenfolge unterschiedlich verlaufen oder sich ggf. auch wiederholen bzw. ist es auch möglich, dass nicht jeder Mensch alle Phasen durchläuft (ebd.). Es ist hilfreich für den Sterbebegleiter*in zu wissen, in welcher Phase der Begleitende sich befindet, um sich ggf. emotional selbst zu schützen (ebd.).
5. Kritischer Punkt
Äußerst schwierig für die häusliche Versorgung Sterbender ist ein unorganisiertes Hilfesystem, da diese keine Sicherheit und Zuverlässigkeit anbieten (Hofmann, o. J. S. 7). Eine kompetente Planung, sehr gute Organisation, gelingende Kommunikation und selbstverständliche Vernetzung aller Beteiligten sind unabdingbar (Augustyn, 2004, S. 74). Solche unerwartenden Kompilationen durch insuffiziente Versorgung zu Hause werden von Angehörigen und/oder Freuden als sehr belastend thematisiert, besonders dann, wenn sich der gesundheitliche Zustand drastisch verschlimmert, sodass ein Klinikaufenthalt nötig wird (Hofmann, o. J., S. 7.; MedMix, o. A., 2016). „Konstellationen, in denen die Anzahl der Beteiligten begrenzt war, provozierten Belastungssituationen“ (MedMix, o. A., 2016). Aus diesen Gründen kann es vorkommen, dass sterbende Menschen im allerletzten Moment doch noch stationär in ein Krankenhaus oder Hospiz eingewiesen werden, da dort eine bessere medizinische Versorgung (Schmerztherapie und Symptomkontrolle) als zu Hause gegeben ist (Hofmann, o. J., S. 7). Über mögliche auftretende Schwierigkeiten sind private Pflegepersonen selten gut informiert, sodass ein offener Dialog meinst erst im Krankenhaus stattfindet (ebd.). „Erfahrung sagt uns, dass Schmerzen und andere belastende Symptome bei Sterbenden sehr häufig unterdiagnostiziert und dementsprechend unterbehandelt werden“ (ebd.). Der Tod könnte dadurch ruhiger und friedlicher enden, setzt aber angemessene palliativmedizinische Bemühungen voraus (ebd.). Auch für die Angehörigen sind die letzten Stunden vor dem Tod von großer Bedeutung und prägen die Erinnerung entscheidend (ebd.).
„Der Abbau von Krankenhaus-Einweisungen geht nur mit einem Ausbau und der Re-Organisation ambulanter Versorgung“ (MedMix, o. A., 2016). Die Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung ist im Dezember 2015 im Kraft getreten und enthält unterschiedliche Handlungen, um die Ausbreitung der palliativen Versorgung, auch in strukturschwachen Gebieten, aufzubauen (BMG, 2016, S. 1). Das Ziel, palliative Versorgung und Hospizarbeit auszuweiten, ist, dass Sterbende in ihrer Finalphase ein selbstbestimmtes, respektvolles und würdiges Leben in ihrem Zuhause leben können (ebd.).
6. Fazit
Im Rahmen meiner Hausarbeit werden wichtige Faktoren deutlich, die es schwierig bzw. unmöglich machen, Sterbende bis zu ihrem Tod ambulant zu betreuen. Vordergründlich stehen dabei die Probleme der medizinischen Versorgung bzgl. Schmerztherapie und Symptomkontrolle. Zudem ist vor allem die Situation der unerfahrenen und/oder überforderten Angehörigen ein wichtiger Aspekt, welche die häusliche Versorgung zusammenbrechen lässt, sobald eine unvorhergesehene Situation eintritt. Eine dauerhafte Überforderung des Betreuungssystems und die Tatsache, dass jeder Mensch sein eigenes Tempo beim Sterben hat, ermöglicht keinen überschaubaren zeitlichen Rahmen. Körperliche Beschwerden des sterbenden Menschen und Probleme im psychosozialen Bereich bedingen und verstärken sich in den meisten Fällen wohl gegenseitig. Vorhandene Energien des Betreuungssystems werden aufgebraucht, was nicht selten in eine Grenzüberschreitung mündet, eine Krise tut sich auf und das System bricht zusammen. Diese Gründe sind häufig Auslöser totaler Erschöpfung, welche die häusliche Betreuung massiv belasten. Die Anforderungen einer Sterbebegleiter*in und die geschilderten Schwierigkeiten in der häuslichen Versorgung terminal kranker Menschen machen deutlich, dass nur wenige Patient*innen die Möglichkeit haben, sich ihren Wunsch, in vertrauter und wohl behüteter Umgebung zu versterben, zu erfüllen. Aus meiner beruflichen Sicht als pädagogische Fachkraft ergaben sich im Ambulant Betreuten Wohnen (BeWo) auch schon Sterbebegleitungen, die mitunter eine große Herausforderung darstellten. Klient*innen, die psychischen Erkrankungen und zum Teil auch Doppeldiagnosen im Sinne einer gleichzeitig vorhandenen Suchterkrankung aufweisen und von einer todbringenden Erkrankung betroffen sind, können in dieser Ausnahmesituation in der Regel keine Bereitschaft zur aktiven Mitwirkung an therapeutischen Maßnahmen zeigen. Die fehlende Compliance und das emotionale Chaos, welches die Klient*innen in dieser Phase anleitet, gestaltet den Aufbau eines geeigneten Hilfesystems als sehr schwierig bzw. vorhandene Pflegedienste kündigen mitunter auch aus Überforderung die Zusammenarbeit. Einen neuen Pflegedienst bzw. einen spezialisierten Palliativpflegedienst mit freien Kapazitäten ausfindig zu machen, kann sich ebenso als große Herausforderung darstellen. Zudem habe ich beobachtet, dass es nur wenige Ärzte gibt, die Hausbesuche anbieten, was ich in so einer besonderen Situation als wirklich schwierig empfinde. Ambulant tätige Palliativmediziner*innen sind diesbezüglich nach meinen Erfahrungen zu wenige vorhanden und nehmen bzgl. ihrer Auslastung nicht selten keine neuen Patient*innen mehr an. Die Begleitung zu Ärzten oder Krankenhäusern wurde zwecks Schmerzbehandlung von Seiten der sterbenden Klient*innen entweder abgelehnt oder ihr jeweiliges Verhalten im Krankenhaus wurde seitens des Personals als sehr grenzwertig bis nicht tragbar eingestuft, sodass die Klient*innen immer wieder auf eigenen Wunsch entlassen oder mitunter auch des Krankenhauses verwiesen wurden. So folgten über unterschiedlich lange Zeiträume der sog. „Drehtüreffekt“, bis die sterbenden Personen in der Regel völlig entkräftet auf die Palliativstation eingewiesen wurden und dann häufig zeitnah verstarben. Den Anspruch auf Selbstbestimmung habe ich zeitweise in manchen Fällen aufgrund des extrem hohen Maßes an menschlichem Leid sehr in Frage gestellt.
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- Quote paper
- Litza Feld (Author), 2021, Möglichkeiten und Grenzen der häuslichen Pflege von sterbenden Menschen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1146028
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