„Der Fall Italien – Dauerkrise einer schwierigen Demokratie“ und „Die Italiener oder
Demokratie als Lebenskunst“ sind nur zwei Titel aus der politikwissenschaftlichen
Literatur der späten achtziger Jahre über Italien, ein Land, dessen politische Verhältnisse
traditionell als schwierig eingestuft werden. Trotz zahlreicher Probleme politischer
Natur kam eine grundlegende Reformierung der italienischen Institutionen bzw. eine
Revision der italienischen Verfassung von 1948 bisher nicht zustande. Dies ist umso
erstaunlicher, als in der Zeit von 1983 bis 1998 drei mit einer mehr oder weniger
grundlegenden Reformierung der Institutionen beauftragte Zweikammerkommissionen,
sog. Bicameralen, zur Beratung einberufen worden waren. Ferner spricht man in Bezug
auf Italien seit dem Zeitraum von etwa 1991 bis 1996, der sog. „Transitionsphase“,
vielfach von einer „Zweiten Republik“.
Es stellt sich zunächst die Frage, inwieweit die schwierige politische Situation Italiens
auf Strukturprobleme im politischen System bzw. im Verfassungsgefüge zurückzuführen
ist. Daher sollen in einem ersten Teil der vorliegenden Arbeit die spezifischen
Problemkomplexe im Institutionengefüge Italiens dargestellt werden. Diese strukturellen
Probleme standen als zentrale Themenkomplexe immer wieder im Mittelpunkt der
Verfassungsreformdebatte. Dies gilt speziell für die drei Bicameralen, deren Diskussions-
verlauf daher ebenfalls kurz thematisiert werden soll.
Darauf folgt eine Auseinandersetzung mit der Kernfrage der vorliegenden Arbeit, die
folgendermaßen lautet: Welche Gründe gibt es für das Misslingen jeglicher großer
Reformvorhaben im Italien zur Zeit der drei Bicameralen? Dabei drängt sich die Frage
auf, ob der Druck in Italien letztlich doch nicht groß genug war, um eine grundlegende
Reform herbeizuführen oder ob die Unfähigkeit zur Veränderung andere Ursachen hat. Prinzipiell besteht für die Verwirklichung tiefgreifender Reformen neben einem
übermäßigen internen Problemdruck, der schließlich zur allfälligen Reform zwingt, noch
die Chance des Einsatzes eines Agendasetters zum Vorantreiben der Reformdiskussion. Die drei Bicameralen stellten hierbei für Italien in etwa das dar, was für die Europäische
Union derzeit der einberufenen Verfassungskonvent vollbringen soll. [...]
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Strukturprobleme in der politischen Ordnung Italiens der „Ersten" bzw. „Zweiten" Republik
- Zersplitterung des Parteiensystems und Parteienherrschaft
- Bicameralismo perfetto: Stabilitätsfaktor oder Verdoppelung des Gesetzgebungsverfahrens?
- Zwischen chronischer Regierungsinstabilität und christdemokratischer Dauerherrschaft
- Die Herrschaftsambivalenz des Staatspräsidenten
- Vom,,toten Buchstaben der Verfassung“ zu einer Ausstattung mit mangelhaften Kompetenzen – die italienischen Regionen
- Klassische Themenkomplexe der Reformdiskussion und deren Scheitern
- Erklärungsversuche für die Schwierigkeiten der Selbstreformierung reformbedürftiger Demokratien am Beispiel Italiens
- Der mangelnde Konsens über das Ziel tiefgreifender Reformen und die Selbstblockade
- Das Interesse der Parteien am Status quo
- Der politische Preis einer Einigung
- Zur Rolle des abrogativen Gesetzesreferendums
- Zusammenfassung und Ausblick
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit analysiert die Schwierigkeiten der Selbstreformierung in Italien, insbesondere im Kontext der drei Bicameralen, die zwischen 1983 und 1998 mit der Reformierung der italienischen Institutionen beauftragt waren. Sie untersucht die strukturellen Probleme des politischen Systems Italiens, die zu einer chronischen Instabilität und mangelnder Reformfähigkeit führten. Die Arbeit beleuchtet die Gründe für das Scheitern der Reformvorhaben und analysiert die Rolle des abrogativen Gesetzesreferendums im Reformprozess.
- Strukturprobleme des politischen Systems Italiens
- Gründe für das Scheitern von Reformvorhaben
- Die Rolle des abrogativen Gesetzesreferendums
- Die „Zweite Republik“ und ihre Herausforderungen
- Vergleichende Analyse mit anderen reformbedürftigen Demokratien
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problematik der italienischen Demokratie und die Notwendigkeit einer Reformierung dar. Sie beleuchtet die historischen Wurzeln der politischen Instabilität und die Rolle der drei Bicameralen im Reformprozess.
Das zweite Kapitel analysiert die Strukturprobleme des politischen Systems Italiens, insbesondere die Zersplitterung des Parteiensystems, die Schwächen des Bicameralismus, die chronische Regierungsinstabilität und die begrenzten Kompetenzen der Regionen.
Das dritte Kapitel befasst sich mit den klassischen Themenkomplexen der Reformdiskussion und deren Scheitern. Es werden die verschiedenen Reformvorschläge und deren Umsetzungsschwierigkeiten beleuchtet.
Das vierte Kapitel untersucht die Gründe für das Scheitern der Reformvorhaben. Es werden die mangelnde Einigkeit über die Ziele der Reform, das Interesse der Parteien am Status quo, der hohe politische Preis einer Einigung und die Rolle des abrogativen Gesetzesreferendums analysiert.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die italienische Demokratie, die Selbstreformierung, die Strukturprobleme des politischen Systems, die Bicameralen, die Reformdiskussion, das Scheitern von Reformvorhaben, das abrogative Gesetzesreferendum, die „Zweite Republik“ und die politische Instabilität.
- Arbeit zitieren
- Thomas Strobel (Autor:in), 2003, Zum Problem der Selbstreformierung reformbedürftiger Demokratien: Der Fall Italien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114599
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