Welchen Einfluss haben Selfies auf die Entwicklung der Tourismusbranche? Damit soll sich die vorliegende Arbeit beschäftigen.
Die Reisefreudigkeit der Bevölkerung erfreut sich eines stetigen Wachstums. So haben allein in Deutschland im Jahr 2018 55 Millionen Personen eine Reise getätigt. Dies entspricht einer Steigerung von 900.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr. Gleichzeitig boomt die Influencer-Branche und das Werbeetat der Tourismus-Unternehmen in diesem Bereich.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Instagram Posting mit dem Hashtag #simplysaxony
Abbildung 2: Ranking der wichtigsten Informationsquellen für junge Deutsche für die Reiseplanung im Jahr 2016
Abbildung 3: Umfrage zum Einfluss von Urlaubsfotos in sozialen Medien auf die Wahl des Urlaubszieles nach Generationen
Die Reisefreudigkeit der Bevölkerung erfreut sich eines stetigen Wachstums. So haben alleine in Deutschland im Jahr 2018 55 Millionen Personen eine Reise getätigt. Dies entspricht einer Steigerung von 900.000 Personen im Vergleich zum Vorjahr.1 Gleichzeitig boomt die Influencer Branche und das Werbeetat der Tourismus-Unternehmen in diesem Bereich.2 Doch welchen Einfluss haben Selfies auf die Entwicklung der Tourismusbranche? Damit soll sich nun das vorliegende Assignment beschäftigen.
Definition Selfie
Unter einem Selfie versteht man „ein mit der Digitalkamera (des Smartphones oder Tablets) meist spontan aufgenommenes Selbstporträt einer oder mehrerer Personen.“3 Nach Dinhopl und Gretzel ergibt sich die Popularität von Selfies aus der Zunahme von internetfähigen Smartphones, die über eine sog. Frontkamera verfügen, bei gleichzeitigen Anstieg visuell ausgerichteter Social Media Plattformen. Das Smartphone als solches spielt dabei eine zentrale Rolle, da mit diesem sowohl das Foto aufgenommen, als auch in direktem Anschluss in den sozialen Netzwerken gepostet werden kann. Weiterhin nehmen die Verfügbarkeit von diversen Apps, die eine sofortige Bearbeitung und Optimierung der Bilder ermöglichen, so wie das oft eingesetzte Hashtag, welches die Benennung und Verbreitung von Selfies ermöglicht, eine wichtige Bedeutung ein.4
Definition Tourismus
Wenn von der Rolle des Selfies in Bezug auf die Tourismusbranche gesprochen wird, soll im Folgenden zunächst der Tourismusbegriff definiert werden.
Die World Tourism Organization (UNWTO), eine Agentur der United Nations, beschreibt den Tourismusbegriff wie folgt: „Tourism is a social, cultural and economic phenomenon which entails the movement of people to countries or places outside their usual environment for personal or business/professional purposes. These people are called visitors (which may be either tourists or excursionists; residents or non-residents) and tourism has to do with their activities, some of which involve tourism expenditure.“5
Definition Tourismusmarketing
Der Begriff des Tourismusmarketing unterliegt keiner in der Fachliteratur einheitlichen Definition. Freyer führt in seinem Buch aus, dass Tourismusmarketing sowohl als eigenständiger, auf die Belange der Vermarktung einer Reise abgestimmter Marketingbegriff verstanden werden kann, im Gegensatz dazu aber auch die Betrachtungsweise existiert, dass keine weiterführende Unterscheidung von herkömmlichen (Dienstleistungs-) Marketing vorliegt.6
Der Einfluss von Selfies auf die Entwicklung im Tourismus
Bis heute existiert keine Studie, welche die genaue Entscheidungsfindung einer Reisebuchung wissenschaftlich darlegen kann.7 Dennoch wird im Folgenden versucht, anhand von Statistiken und Praxisbeispielen, den potentiellen Einfluss von Selfies auf die Tourismusindustrie darzulegen. Neben Selfies im herkömmlichen Sinne, soll das Wort „Selfie“ nachfolgend auch stellvertretend für das Posten von Fotos (mit Personenkontext) auf den sozialen Netzwerken stehen.
Die Entscheidungsfindung einer Reisebuchung unterliegt einer hohen Anzahl unterschiedlicher Einflussfaktoren. Neben soziodemographischen Aspekten sind auch Determinanten wie Budget, das soziale Umfeld oder das subjektive Empfinden der Attraktivität von potentiellen Reisezielen maßgeblich an der Entscheidung beteiligt.8 Melanie Rocho schlussfolgert aus diesen Gesichtspunkten, dass (Foto-) Postings von Influencern9 einen Einfluss auf die subjektive Wahrnehmung der Reiseziele bei den Adressaten haben können und eine Entscheidung zur Reisebuchung somit gegebenenfalls bestärkt wird.10
Der Einsatz von Selfies wird sehr häufig und werbewirksam von Influencern praktiziert. Betrachtet man lediglich das Soziale Netzwerk Instagram finden sich unter dem Hashtag travel 458 Millionen Beiträge.11 Das in der heutigen Form bekannte Influencer Marketing ist seit 2016 auch in Deutschland integraler Bestandteil von Werbekampagnen aller Art. Adaptiert auf die Tourismus-Industrie sprach die Deutsche Zentrale für Tourismus (DZT) bereits im Jahr 2015 über die Bedeutung von Instagram „von einem wichtigen Faktor in der Verbreitung von Inhalten“.12
Aus der Annahme, dass das Involvement der Rezipienten bei einer vergleichsweise teuren Reisebuchung als eher hoch einzuschätzen ist, ergibt sich ein hö- heres Engagement bei der Informationsbeschaffung und dem Abwägen von Al- ternativen.13 Der immaterielle Charakter der Reisebuchung als Dienstleistung verwehrt darüber hinaus das vorherige Testen der Reise, weshalb Empfehlungen von Freunden, Bekannten oder Influencern eine wesentliche Rolle in diesem Prozess einnehmen können. Vertraut man daher dem Influencer und seiner Meinung, welche oftmals in Form von Selfies und/oder Fotos einer Destination kundgetan wird, lässt sich auch hieraus eine Einflussnahme auf die Entscheidungsfindung deduzieren.14
Dinhopl und Gretzel erweitern den Gedanken der aktiven Beeinflussung durch Fotos von Sehenswürdigkeiten mit der Beeinflussung durch eine eher passive Kommunikation mittels Metadaten in Fotografien. Die Autoren führen aus, dass diverse soziale Netzwerke als gängiges Medium zur Publikation von (Urlaubs-) Fotos dienen. Berücksichtigt man dabei, dass Plattformen wie Facebook oder Instagram die Möglichkeit bieten, jedem Foto einen Standort zuzufügen, verschiebt sich der Fokus des Bildinhalts auf die tendenziell eher unterbewusste Wahrnehmung auf den markierten Standort. Daraus lässt sich schließen, dass es schon ausreichend sein kann, ein für den Betrachter als schön empfundenes Selfie zu posten, das lediglich den Standort (z.B. Paris) verlinkt, um das Interesse an einer Reise dorthin zu wecken.15
#Simplysaxony
Ein weiteres Indiz auf die Auswirkung von Fotos in den Sozialen Netzwerken auf das Tourismusverhalten, liefert das Projekt mit dem Namen #simplysaxony. Hierbei hat das Bundesland Sachsen im Zuge einer Marketing-Kampagne drei Fotografen angeheuert, um ansprechende Naturaufnahmen der sächsischen Schweiz auf Ihren Instagram Accounts zu teilen und mit dem Hashtag #simplysaxony (dt. „So geht sächsisch“) zu versehen. Weiterhin wurde ein eigener gleichnamiger Instagram Account von dem Freistaat erstellt, welcher auf den Bildern der drei Fotografen verlinkt wurde.16 Hierbei handelt es sich oftmals nicht um klassische Selfies, das Projekt veranschaulicht jedoch, inwieweit das Posten von Fotos im Allgemeinen eine Region touristisch interessant werden lässt und dass sich somit ein kostenloses Marketing-Tool über die Verbreitung des Hashtags etabliert.
Unter dem Hashtag #simplysaxony befinden sich aktuell 197.000 Fotos bei Instagram, woraus sich ableiten lässt, dass die Kampagne für die Sächsische Schweiz eine vergleichsweise große Reichweite generiert hat.17 An dieser Stelle ist jedoch kritisch zu hinterfragen, ob durch diese Aktion tatsächlich mehr Touristen diese Region bereisten, oder ob es lediglich mehr Personen gibt die unter dem Projekttitel ihre Fotos teilen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Instagram Posting mit dem Hashtag #simplysaxony. Quelle: Instagram Profil Maximilian Münch 2020.
Wanaka, Neuseeland
Das Tourismusbüro der Stadt Wanaka, Neuseeland, liefert ein weiteres Praxisbeispiel für den Einfluss von Reisefotos auf die Buchung einer solchen. Das Büro hat im Jahr 2015, im Rahmen ihres städtischen Tourismusmarketings, Influencer eingeladen und engagiert, Fotoberichte über ihren dortigen Aufenthalt zu veröffentlichen. Die Folge des Experiments war eine 14% Steigerung des Tourismus und somit das schnellste Wachstum in dieser Branche, den das Land je verzeichnete. Der Fotograf Chris Burkard, dem zwei Millionen Personen bei Instagram folgen, bestätigt diese Entwicklung mit seiner Aussage: „Now you're less than 10 clicks away from seeing an image on Instagram to purchasing a ticket to go there [...] I've met people who have traveled to places because of my photographs [...].“18
Studien
Betrachtet man die Ergebnisse einer von RUF Jugendreisen durchgeführten Studie der wichtigsten Informationsquellen, die junge Menschen in Deutschland für die Reiseplanung in Anspruch nehmen (Abb. 2), zeigt sich, dass Fotos und Videos vom Reiseziel mit einem Wert von 1,9 den höchsten Stellenwert einnehmen.
Soziale Netzwerke rangieren dagegen mit einem vergebenen Wert von 3,09 im Mittelfeld der Informationsquellen. Bedenkt man jedoch, dass zum Teilen und Verbreiten von Fotos und Videos sehr häufig Soziale Netzwerke genutzt werden, lässt sich ableiten, dass beide Medien in Kombination eine relevante Einflussgröße der Reiseentscheidung darstellen.
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Abbildung 2: Ranking der wichtigsten Informationsquellen für junge Deutsche für die Reiseplanung im Jahr 2016 (nach Schulnoten). Quelle: RUF Jugendreisen 2016.
Damit einhergehend zeigt eine von Expedia durchgeführte Umfrage aus dem Jahr 2016 (Abb. 3), dass Urlaubsfotos in sozialen Medien bei 42% der Milleni- als19 und bei 29% der Generation X20 Einfluss auf die Wahl des Urlaubszieles haben. Auch hier liegt keine trennscharfe Differenzierung zwischen Fotos im Allgemeinen und Selfies vor, jedoch lässt sich auch hier eine Tendenz zur Bedeutung des Mediums Foto auf sozialen Netzwerken in Bezug auf die tatsächliche Wahl des Reiseziels feststellen.
Ein durch InfluencerDB generiertes Ranking der beliebtesten Hashtags bei Instagram nach der Anzahl der Postings weltweit im Juni 2019 macht erkenntlich, dass der Hashtag travel mit einem Wert von 111800 Postings unter den 20 meist veröffentlichten Fotos vertreten ist.21 Dies lässt folglich ebenfalls auf eine Relevanz von Fotos als Hilfsmittel bzw. Inspirationsquelle zur Reisewahl schließen.
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Abbildung 3: Umfrage zum Einfluss von Urlaubsfotos in sozialen Medien auf die Wahl des Urlaubszieles nach Generationen im Jahr 2016. Quelle: Expedia 2016.
Fazit
Diese Tatsachen lassen folglich die Erkenntnis zu, dass ein Selfie/Foto einen vergleichsweise hohen Einfluss auf die Wahl des Reiseziels und somit auf die Touristik im Allgemeinen hat und den Tourismus als solches ankurbeln kann. Allerdings ist ebenfalls erkenntlich geworden, dass dieses Phänomen häufig im Zusammenhang mit der Verbreitung der Bilder auf den sozialen Netzwerken in Erscheinung tritt. Es ist also auch hier nochmals zu betonen und kritisch zu hinterfragen, ob das Medium Foto oder der Influencer dahinter, der üblicherweise für dessen Verbreitung sorgt, der ausschlaggebende Punkt für die tatsächliche Reiseentscheidung ist. Aus den vorangegangenen Studien und Beispielen lässt sich ableiten, dass vermutlich eine Kombination aus beiden Elementen zu einem potentiellen Anstieg der touristischen Aktivitäten in gewissen Gebieten führt und nicht ein Foto alleine ausschlaggebend für den vergleichsweise komplexen Prozess der Entscheidungsfindung verantwortlich ist. Es zeigt sich aber, dass das Medium Foto, als Teilprozess der tatsächlichen Reisebuchung, ein verstärkender Faktor ist. An dieser Stelle ist ebenfalls zu betonen, dass das Reiseverhalten und die Informationsbeschaffung in unterschiedlichen Generationen differenziert zu betrachten ist. Eine pauschale Aussage über die Kombination von Fotos, sozialen Netzwerken und der Reisebuchung ist also schon aus diesem Blickwinkel nicht zu treffen und sollte im Nachgang in einer umfassenden Studie erforscht werden. Eine abschließende wissenschaftliche Erkenntnis ist auf Grund der vorangegangenen Ausführungen in dieser Arbeit demnach nicht möglich, sondern stellt lediglich eine argumentative Einschätzung der Sachlage dar.
[...]
1 Vgl. Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen e. V. 2018, S. 2.
2 Vgl. Hendele 2019, o. S.
3 Duden online, o. J., o. S.
4 Vgl. Dinhopl/Gretzel 2016, S. 130.
5 World Tourism Organization, o. J., o. S.
6 Vgl. Freyer 2011, S. 60.
7 Vgl. Hinterholzer/Jooss 2013, S. 39.
8 Vgl. Mundt 2013, S. 145-146.
9 Personen des öffentlichen Lebens, die andere Menschen in ihrer Meinung beeinflussen.
10 Vgl. Rocho 2018, S. 47.
11 Vgl. Instagram, o. J, o. S.
12 John 2017, o. S.
13 Vgl. Mundt 2013, S. 150.
14 Vgl. Rocho 2018, S. 50.
15 Vgl. Dinhopl/Gretzel 2016, S. 134.
16 Vgl. John 2017, o. S.
17 Vgl. Instagram, o. J., o. S.
18 Miller 2017, o. S.
19 Bezeichnung für die um die Jahrtausendwende geborene Generation.
20 Personen, die zwischen 1965 und 1980 geboren wurden.
21 Vgl. InfluencerDB 2019.
- Quote paper
- Bastian Münch (Author), 2020, Tourismusmarketing. Können Selfies den Tourismus ankurbeln?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1145408
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