Santiago de Compostela - ein Name, der, viel stärker noch als Rom oder Jerusalem den Zauber des Exotischen verströmt. In der heutigen Zeit ist es aber auch ein Name, mit dem nur Historiker und wirklich gläubige Katholiken mehr verbinden als : “Das kommt mir spanisch vor.” Der Begriff “Pilger” leitet sich von peregrinus her, was ursprünglich “Fremder” bedeutet. Peregrinatio bedeutet “Reise ins Ausland / in die Fremde”, also zunächst einmal einfach reisen, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben; in Anlehnung an Johannes 14,6 : “Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben [...]”
Ursprünglich haben die iro-schottischen Mönche, die im 5. und 6. Jht maßgeblich für die zunehmende Christianisierung des Deutschen Sprachraumes verantwortlich sind, mit der peregrinatio pro Christo - also dem heimatlosen Umherwandern im Namen Jesu - begonnen, bis die peregrinatio ad loca sancta - die Reise zu heiligen Orten - den gleichen Stellenwert erhielt.(1)
Seit dem 6. Jht. reiste man zu den Leidensstätten Jesu in Palästina, vorzugsweise nach Jerusalem. In dieser frühen Zeit galten diese Fahrten als Zeichen besonderer Heiligkeit, die nur von hohen Herren ausgeführt wurden.(2)
Diese Hausarbeit richtet sich nun an diejenigen, die sich dennoch für solche - etwas blasphemisch ausgedrückt - Randgebiete der Geschichte interessieren. Ich werde mich also bemühen, so zu schreiben, daß zumindest ein grober Überblick über die Pilgerfahrten nach Santiago entsteht, damit dieses Phänomen auch denjenigen verständlich wird, die sich bisher nicht mit diesem Aspekt der Geschichte auseinandergesetzt haben.
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1 Herbers , Via peregrinalis , S. 5.
2 Plötz , Pilger und Pilgerfahrt , S. 178.
INHALTSVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG
II. FORSCHUNGSBERICHT
III. REISEBERICHT
IV. ILSUNGS WAHRNEHMUNG DER UMGEBUNG
V. ZUSAMMENFASSUNG
LITERATURVERZEICHNIS
I. Einleitung
Santiago de Compostela - ein Name, der, viel stärker noch als Rom oder Jerusalem
den Zauber des Exotischen verströmt. In der heutigen Zeit ist es aber auch ein Name, mit dem nur Historiker und wirklich gläubige Katholiken mehr verbinden als : “Das kommt mir spanisch vor.” Der Begriff “Pilger” leitet sich von peregrinus her, was ursprünglich “Fremder” bedeutet. Peregrinatio bedeutet “Reise ins Ausland / in die Fremde”, also zunächst einmal einfach reisen, ohne ein bestimmtes Ziel vor Augen zu haben; in Anlehnung an Johannes 14,6 : “Jesus spricht zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben [...]”
Ursprünglich haben die iro-schottischen Mönche, die im 5. und 6. Jht maßgeblich für die zunehmende Christianisierung des Deutschen Sprachraumes verantwortlich sind, mit der peregrinatio pro Christo - also dem heimatlosen Umherwandern im Namen Jesu - begonnen, bis die peregrinatio ad loca sancta - die Reise zu heiligen Orten - den gleichen Stellenwert erhielt.[1]
Seit dem 6. Jht. reiste man zu den Leidensstätten Jesu in Palästina, vorzugsweise nach Jerusalem. In dieser frühen Zeit galten diese Fahrten als Zeichen besonderer Heiligkeit, die nur von hohen Herren ausgeführt wurden.[2]
Diese Hausarbeit richtet sich nun an diejenigen, die sich dennoch für solche - etwas blasphemisch ausgedrückt - Randgebiete der Geschichte interessieren. Ich werde mich also bemühen, so zu schreiben, daß zumindest ein grober Überblick über die Pilgerfahrten nach Santiago entsteht, damit dieses Phänomen auch denjenigen verständlich wird, die sich bisher nicht mit diesem Aspekt der Geschichte auseinandergesetzt haben.
Natürlich ist es klar, daß diese Hausarbeit nur eine einstellige Leserzahl haben wird, jedoch sollen Seminararbeiten generell nur Übungen für die spätere Laufbahn sein, und da mein Weg aller Voraussicht nach Richtung Lehramt führen wird, ist es eine gute Übung, in einer wissenschaftlichen Hausarbeit so zu schreiben, daß sie eben nicht nur Wissenschaftler verstehen können. (Sollte sie darüberhinaus auch noch interessant zu lesen sein, ist das um so besser.)
Gegenstand der Untersuchung ist ein nachträglich verfaßter Reisebericht nach Santiago aus der Feder eines gewissen Sebastian Ilsung.
Die Familie Ilsung zählt zu den ältesten Patriziergeschlechtern Augsburgs und unterhielt gute Geschäftsbeziehungen nach Italien, insbesondere nach Venedig. Dafür verantwortlich ist der Bruder des Großvaters unseres Reisenden, der ebenfalls Sebastian hieß und auch lange Jahre das Amt des Bürgermeisters des unter Zunftherrschaft stehenden Augsburgs inne hatte. Bis zu seinem Tode 1425 war Sebastian der Ältere auch maßgeblich an der Beilegung des Streites um das Bischofsamt der Stadt zwischen Anselm von Memmingen und Peter von Schaumberg beteiligt. Der Papst entschied sich auf Zuspruch Ilsungs für Peter von Schaumberg, der zu einem der bedeutendsten Bischöfe Augsburgs aufstieg.
Durch freiwillig geleistete Kriegsdienste für den Kaiser wurde die Familie Ilsung in den Adelsstand erhoben.[3]
Der Großneffe und Namensvetter dieses bedeutenden Ilsungs ist vom 11.4. - 28.9. 1446 mit seiner Reisegruppe von Augsburg aus unterwegs und besucht diverse weltliche und geistliche Herren, bis er in Santiago de Compostela eintrifft und dort das Jakobusgrab bewundert. Die Pilgerfahrt nach Santiago ist ab dem Jahre 950[4] durch Quellen belegt, ist aber mit Sicherheit wesentlich älter. Neben Rom und Jerusalem gehört sie zu den drei größten und bedeutendsten Wallfahrtsorten der Geschichte.
Wie nimmt ein Reisender an der Schwelle zur Neuzeit seine Umgebung wahr ?
Ist sein Bericht historisch korrekt ? War er wirklich (nur) auf einer Pilgerreise ? - Das sind nur einige der Fragen, die sich bei der Quellenlektüre stellen und hier bearbeitet werden sollen.
Daneben geht es aber auch darum, die grundsätzlichen Dinge zu erklären, um dem Leser zu vermitteln, wie es dazu kommt, daß man eine so weite Reise auf sich nimmt und Menschen aus aller Herren Länder zu den zahlreichen kleinen und großen Wallfahrtsstätten ziehen.
II. Forschungsbericht
Die Pilgerfahrten ziehen die Aufmerksamkeit der Historiker verstärkt seit der Romantik - dem 19. Jht. - auf sich; angefangen mit Röhrichts Werk “Deutschen Pilgerreisen nach dem Heiligen Lande” von 1880, das alle bekannten Quellen kurz vorstellt. Darüberhinaus gibt es zahlreiche Editionen, wie das “Wallfahrtsbuch Hermannus Künig von Vach” von 1899 aus der Feder Konrad Häbler s und unter anderem die Arbeiten der Görresgesellschaft oder der eigens zur Erforschung der Wallfahrten nach Santiago de Compostela gegründeten Jakobus-Gesellschaft. Wenn man sich mit dem Thema beschäftigt, stößt man sehr schnell auf Namen wie Ilja Mieck, Robert Plötz und Klaus Herbers, die sich mit der Entwicklung des Jacobus-Kultes im deutschen Sprachrraum beschäftigen. Für Spanien stehen Namen wie Vázquez de Parga, J. M. Lacarra und J. Uría Riu. Ebenso wie englische Historiker beschäftigen sich auch französische mit der Geschichte der Pilgerreise ihres Landes zum Grabe des Apostels. Der interessierte Leser findet also - die nötigen Fremdsprachenkenntnisse vorausgesetzt - zahlreiches Material über die verschiedenen Formen der peregrinatio major nach Santiago. Schrifttum in Form von Reiseberichten, Urkunden und wesentlich seltener auch Geleitbriefen ist in großem Umfang vorhanden, auch wenn noch nicht alles ausgewertet ist. Neben diesen Schriftstücken haben sich auch zahlreiche, für Archäologen und Kunsthistoriker interessante Bauwerke und Bilder erhalten, die es nicht nur an den Pilgerwegen, die zu rekonstruieren momentan Vorhaben der Forschung ist, zu bewundern gibt.
Im weiteren Verlauf der Forschung hat man sich in der jüngsten Zeit insbesondere auf die Entwicklung der Reisetypen und ihrer Schwerpunkte konzentriert. Maßgebliche Werke dazu stammen aus der Feder von Werner Paravicini.
Kurzum, der Interessierte findet im Zusammenhang mit der Pilgerfahrt eine unzählige Fülle an Material, das es zu bearbeiten und insbesondere in den großen politischen und gesellschaftlichen Zusammenhang einzuordnen gilt, denn die Pilgerfahrt war ein kein deutsches, englisches oder französisches Phänomen, sondern ein gesamteuropäisches, das sich darüberhinaus auch durch alle Bevölkerungsschichten zog. Ab dem 12./13. Jht wird sie zur Massenbewegung, und beinahe die Hälfte aller Pilger waren Frauen, wie die Auswertung von Mirakelberichten (Wundersichtungen) ergeben hat.[5]
Somit ist es besonders spannend, sie in Anbetracht der bevorstehenden Union Europas zu betrachten.
III. Der Reiseverlauf
Ilsung bricht am 11.4. 1446, dem nechsten montag nach dem palmtag[6], in Augsburg auf.
Der Palmtag ist der Sonntag vor Ostern, der die Karwoche einläutet. Dieses Fest ist wahrscheinlich die Übernahme eines alten Frühlingsritus, hat seinen Namen jedoch von der Palmprozession beim Einzug Jesu in Jerusalem.
Diese Reisen zu den großen Pilgerstätten Rom, Jerusalem und Santiago de Compostela waren sehr entbehrungsreich und gefährlich. Dem frommen Pilger stellte sich nicht nur die widrigkeiten der Natur wie Unwetter oder gar Naturkatastrophen in den Weg, sondern auch unehrliche Händler an den Knotenpunkten der Pilgerstraßen, Strauchdiebe, Zölle und das Mißtrauen der Bevölkerung, denn zahlreiche falsche Pilger mischten sich unter die ehrlichen, um mit Lug und Trug besser über die Runden zu kommen. Urkunden und Chroniken, die man an den Zielorten und den großen Sammelpunkten wie dem Hafen Jaffa für die Jerusalempilger fand, berichten über Versorgungsprobleme, mit denen man zu kämpfen hatte, wenn zahlreiche Pilger die Städte bevölkerten. Nach München pilgerten im Jahre 1392 40.000 Gläubige, um Zeuge einer Reliquien-Schau zu werden. Das waren 4 Mal mehr Menschen, als München damals Einwohner hatte.[7]
Sebastian Ilsungs erste Etappe, über die er berichtet, ist das Antoniter-Kloster in Memmingen, ca. 66Km Luftlinie von Augsburg entfernt, wo er vom Hochmeister empfangen und bewirtet wird. Wie Ilsung erst später berichtet, ist er von hier an in Begleitung eines adligen Priesters, der bis St-Antoine mit ihm reist und ihm unterwegs viele Sehenswürdigkeiten zeigt.[8]
Von dort aus ging es weiter in die Eidgenossenschaft, wo er von den Luzernern ob seines krausen Haares für einen Österreicher gehalten wird und man ihn gefangensetzt. Jedoch kam es hernach dartzu, das mich die statt von Berrnn wider ledig machten[9]. Über die genauen Umstände schweigt er sich jedoch aus, so daß man kein Bild von den entstandenen Verwicklungen erhält. Sei es wie es will, er zieht weiter durch Fribourg nach Genf und folgt damit der sogenannten Oberstraße, einer häufig benutzten Route durch Frankreich, die weiter nach Santiago de Compostela in Galizien führt. Mit dieser Straße vereinen sich auch zahlreiche Wege, die von Italien aus den Wallfahrtsort im Norden Spaniens ansteuern.[10]
In Genf wird er vom dort ansässigen Gegenpapst Felix V. empfangen und bewirtet, der sogar ein Fest zu Ilsungs Ehren geben läßt, und der Gast darf neben den Papst sitzen, wohl deswegen, weil dieser etwas über die Zustände in Augsburg, insbesondere über den Bischof erfahren möchte. Felix V., der frühere Herzog Amadeus VIII. von Savoyen[11], war der letzte Gegenpapst der Geschichte. Die Reichsfürsten und Friedrich III. bevorzugten jedoch Papst Eugen IV., der bis 1447 amtierte. Dem darauffolgenden Nikolaus V. gelang es, Felix im Jahre 1447 zu unterwerfen.[12]
Auffällig an dieser Stelle ist, daß hier der Name des Papstes ausdrücklich von Ilsung erwähnt wird, was er an anderen Stellen vermeidet.
Offensichtlich versprach sich Felix einige nützliche Informationen von seinem Gast, die ihm in der Bestärkung seiner Legitimation als Papst von Nutzen sein könnten, zumal es sich bei dem Bischof von Augsburg um den bedeutenden Peter von Schaumberg handelt.
[...]
[1] Herbers , Via peregrinalis , S. 5.
[2] Plötz , Pilger und Pilgerfahrt , S. 178.
[3] NDB Bd10 , S. 141.
[4] Herbers, Via , S. 6.
[5] Plötz , Pilger, S. 5.
[6] Ed. Honemann , Ilsung , In: Jakobspilger, II, 2 .
[7] Kühnel (Hg.), Alltag im Spätmittelalter , S. 98.
[8] VI, 9ff
[9] II, 15
[10] V. u. H. Hell (Hg.) , Wallfahrt , S. 31.
[11] Honemann , S.63
[12] Geiss , Geschichte griffbereit Bd. 3 , S. 120 u. 122.
- Arbeit zitieren
- Cord Gudegast (Autor:in), 1999, Sebastian Ilsungs Pilgerreise nach Santiago de Compostela 1446, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1145