„Nachhaltigkeit an Hochschulen“ – ein Thema das bisher von Hochschulen nur vereinzelt wahrgenommen wurde. Eine gemeinsame Tagung des Hochschul-informationssystems (HIS) und der Technischen Universität Darmstadt (TU Darmstadt), die im Juni 2008 unter dem Titel „Implementierung von Nachhaltigkeit an Hochschulen“ in Darmstadt stattfand, zeigte zwar, dass einige Hochschulen in Deutschland bereits Anstrengungen im Bereich der Nachhaltigkeit unternommen haben. Ein gemeinsames Leitbild, wie sich Nachhaltigkeit an Hochschulen praktisch umsetzen lässt, existierte aber zu diesem Zeitpunkt nicht. Einige Hochschulen, wie beispielsweise die Leuphana Universität Lüneburg, fallen durch ihre umfassenden Anstrengungen auf dem Gebiet einer nachhaltigen Entwicklung besonders auf. Sowohl im konzeptionellen wie auch im anwendungsbezogenen Bereich hat die Universität Lüneburg Pionierarbeit geleistet. Auch an der TU Darmstadt wurde das Thema der Nachhaltigkeit als Kernaufgabe erkannt, was sich nicht zuletzt durch die Einrichtung einer eigenen „Nachhaltigkeits“-Abteilung in ihrer Verwaltung äußert. Aber auch an weiteren Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten, wie beispielsweise an den Universitäten Freiburg, Bremen, Lübeck, Hamburg, Ulm oder Kassel, wurden bereits interessante und zukunftsfähige Konzepte, Projekte und Aktionen dazu entwickelt und durchgeführt, wie Hoch-schulen in der Zukunft zu einer nachhaltigeren Entwicklung beitragen können. Auch der Studiengang Oecotrophologie an der Hochschule Fulda sieht sich in der Verantwortung, sich mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zu befassen. So heißt es in der Kurzbeschreibung des Studienganges, dass „...im Fachbereich Oecotrophologie im Rahmen von Projekt-, Praxis- und Abschlussarbeiten sowie von Forschungsvorhaben seit vielen Jahren Themen bearbeitet wurden und werden, die eine nachhaltige Entwicklung, mit den Schwerpunkten Gesundheit, Ernährung, Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung sowie Umwelt, fördern...“ . Des Weiteren soll, laut Prüfungsordnung des Fachbereichs Oecotrophologie, „...das Studium der Oecotrophologie die Studierenden dazu qualifizieren, ihre Arbeit in Verantwortung für Mitwelt und Nachwelt unter besonderer Berücksichtigung von Ethik, Nachhaltigkeit und Ernährungsökologie zu tun...“.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Vorwort
Einleitung
Kapitel 1: Entwicklung und Bedeutung von Nachhaltigkeit
1.1 Entstehung des Nachhaltigkeitsgedankens
1.2 Definitionen von Nachhaltigkeit
1.2.1 Frühe Definitionen
1.2.2 Moderne Definitionen
1.2.3 Postmoderne Definitionen
1.3 Nachhaltigkeitsmodelle
Kapitel 2: Nachhaltige Kommunikation und Evaluation
2.1 Definition: Das nachhaltige Unternehmen
2.2 Die Grundlage: Umweltund Sozialberichte
2.2.1 Umweltberichterstattung
2.2.2 Sozialberichterstattung
2.3 Anforderungen an Nachhaltigkeitsberichte
2.4 Inhalte, Aufbau und Gestaltung von Nachhaltigkeitsberichten
2.4.1 Aufbau eines Nachhaltigkeitsberichtes
2.4.2 Inhalte eines Nachhaltigkeitsberichtes
2.4.3 Gestaltung eines Nachhaltigkeitsberichtes
2.5 Zertifizierungen für Nachhaltigkeitsberichte
2.5.1 Social Accountability 8000 (SA 8000)
2.5.2 EG-Öko-Audit-System (EMAS)
2.5.3 ISO 14001
2.6 Evaluation von Nachhaltigkeit
2.7 Ansprüche, Interessen und Einfluss der Stakeholder
2.8 Evaluationsmodelle
Kapitel 3: Ressourcensituation an Hochschulen
3.1 Ressourcenverbrauch von Hochschulen
3.1.1 Wasser
3.1.2 Wärme
3.1.3 Elektrische Energie
3.1.4 Verkehr und Mobilität
3.1.5 Emissionen
3.1.6 Abfall
3.2 Möglichkeiten zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs am Beispiel von Geräten der elektronischen Datenverarbeitung
3.2.1 Entwicklung von Stromspartechniken
3.2.2 Darstellung des Stromverbrauchs bei Anwendung von Stromspartechniken
3.2.3 Zukünftige Entwicklung
3.2.4 Labels, Zertifikate und Auszeichnungen
3.2.5 Einsparungspotenzial von Stromspartechniken
3.2.6 Weitere Möglichkeiten zur Stromeinsparung
3.2.7 Leistungsaufnahme im Standby-Modus
3.2.8 Bildschirmschoner
3.2.9 Nebeneffekte von Energiespartechniken
3.2.10 Hindernisse und Schwierigkeiten
Kapitel 4: Implementierung von Nachhaltigkeit an Hochschulen
4.1 Grundlagen universitärer Nachhaltigkeitskonzepte
4.2 Nachhaltigkeitskonzepte und -berichte an Hochschulen in Deutschland
4.3 Good Practice
4.3.1 Universität Kassel
4.3.2 Universität Lüneburg
4.3.3 Universität Freiburg
4.3.4 Universität Ulm
Kapitel 5: Auf dem Weg zu einer „Nachhaltigen Hochschule Fulda“
5.1 Nachhaltigkeitsanstrengungen an der Hochschule Fulda
5.1.1 Soziale Verantwortung und Gesundheit für ihre Mitglieder
5.1.2 Integration von Nachhaltigkeitskonzepten in Lehre und Forschung
5.1.3 Betrieblicher Umweltschutz
5.1.4 Kultur und soziale Beziehungen
5.2 Geplante und bereits durchgeführte Aktionen und Projekte
5.3 Möglichkeiten für weitere Tätigkeitsfelder
Zusammenfassung
Nachwort
Literaturverzeichnis
Abbildungverzeichnis
Abbildung 1: Drei-Säulen-Modell
Abbildung 2: magisches Dreieck der Nachhaltigkeit
Abbildung 3: erweitertes magisches Dreieck
Abbildung 4: magisches Viereck
Abbildung 5: Stakeholder-Konzept
Abbildung 6: Leistungsaufnahme eines Computers
Abbildung 7: Leistungsaufnahme eines Röhrenmonitors
Abbildung 8: Leistungsaufnahme eines Flachbildschirmes
Abbildung 9: Leistungsaufnahme eines Tintenstrahldruckers
Abbildung 10: Stromverbrauch eines Fotodruckers
Abbildung 11: Leistungsaufnahme eines Laserdruckers
Abbildung 12: Leistungsaufnahme eines Multifunktionsgerätes
Abbildung 13: Blauer Engel für Computer (RAL-UZ 78)
Abbildung 14: Energielabel
Abbildung 15: Energy Star
Abbildung 16: Label 80 Plus
Abbildung 17: Label TCO '05 für Notebooks
Abbildung 18: PC Games Hardware Energiesparer Auszeichnung
Abbildung 19: Logo PC WELT eco²
Abbildung 20: Eigenschaften des Bildschirmschoners
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Beispiele für die Erwartung und Interessen von Stakeholdern
Tabelle 2: Leistungsaufnahme und relatives Energieeinsparungspotenzial ausgewählter Energiespartechniken
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Vorwort
„Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen“
Ein Zitat nach Antoine de Saint-Exupéry - so steht es im Vorwort des Abschlussberichtes der 13. Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ des Deutschen Bundestages geschrieben. Dieser Bericht wurde im Juni 1998 vorgelegt, und trägt den Untertitel „Konzept Nachhaltigkeit - Vom Leitbild zur Umsetzung“.
Seit 1998 ist viel passiert. Begriffe wie „Nachhaltigkeit“, „nachhaltige Entwicklung“ oder „Sustainability“ finden sich immer wieder in den Reden von Politikern, Vertretern der Wirtschaft und neuerdings sogar in der gesellschaftlichen Diskussion. Damit ist allerdings im Wesentlichen auch schon die Entwicklung der letzten zehn Jahre beschrieben. Umgesetzt wurde das, was die 13. Enquete-Kommission in ihrem Bericht forderte, bis heute kaum.
Politik, Wirtschaft und Wissenschaft waren nicht erst seit diesem Bericht der Kommission in besonderer Weise dazu aufgefordert, sich mit der Umsetzung des Leitbildes „Nachhaltigkeit“ zu befassen. Doch erst in den vergangenen Jahren ist festzustellen, dass sich diese Institutionen mit einer nachhaltigen Entwicklung befassen.
Auf gesellschaftlicher Ebene fand jedoch nicht erst seit Greenpeace und Co. eine ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Thema eines verantwortungsvollen und nachhaltigen Lebens und Lebensstiles statt.
Was vor über 250 Jahren bereits als „pfleglicher“ Umgang mit dem Wald bezeichnet und in privaten Haushalten als „haushälterische Vernunft“ praktiziert wurde, findet seit geraumer Zeit als „Öko-Lifestyle“ Einzug in die Gesellschaft.
Trotzdem stehen Wirtschaft, Politik und besonders die Wissenschaft noch immer in der Pflicht, ihren Beitrag zu einer nachhaltigen Entwicklung zu leisten.
Vielleicht kann diese Arbeit dazu beitragen, dass die Hochschule Fulda, als kleinste Hochschule Hessens, mit gutem Beispiel vorangeht, sich ihrer Verantwortung als Akteur an der Nachhaltigkeitsdiskussion und –umsetzung bewusst wird und sich dieser stellt.
Als Leitbild könnte sie sich dazu an der aktiven Internet-Community www.utopia.de orientieren: Heute nicht auf Kosten von morgen. Hier nicht auf Kosten von anderswo. ( http://www.utopia.de/utopia/haltung)
Wie auch immer es kommt, ich halte es wie Galileo Galilei, der sich sicher war:
„Ja, ich glaube an den Menschen, und das heißt, ich glaube an seine Vernunft. Ohne diesen Glauben würde ich nicht die Kraft haben, am Morgen aus meinem Bett aufzustehen.“
Benedikt Gries, August 2008
Einleitung
„Nachhaltigkeit an Hochschulen“ – ein Thema das bisher von Hochschulen nur vereinzelt wahrgenommen wurde. Eine gemeinsame Tagung des Hochschulinformationssystems (HIS) und der Technischen Universität Darmstadt (TU Darmstadt), die im Juni 2008 unter dem Titel „Implementierung von Nachhaltigkeit an Hochschulen“ in Darmstadt stattfand, zeigte zwar, dass einige Hochschulen in Deutschland bereits Anstrengungen im Bereich der Nachhaltigkeit unternommen haben. Ein gemeinsames Leitbild, wie sich Nachhaltigkeit an Hochschulen praktisch umsetzen lässt, existierte aber zu diesem Zeitpunkt nicht.
Einige Hochschulen, wie beispielsweise die Leuphana Universität Lüneburg, fallen durch ihre umfassenden Anstrengungen auf dem Gebiet einer nachhaltigen Entwicklung besonders auf. Sowohl im konzeptionellen wie auch im anwendungsbezogenen Bereich hat die Universität Lüneburg Pionierarbeit geleistet. Auch an der TU Darmstadt wurde das Thema der Nachhaltigkeit als Kernaufgabe erkannt, was sich nicht zuletzt durch die Einrichtung einer eigenen „Nachhaltigkeits“-Abteilung in ihrer Verwaltung äußert. Aber auch an weiteren Fachhochschulen, Hochschulen und Universitäten, wie beispielsweise an den Universitäten Freiburg, Bremen, Lübeck, Hamburg, Ulm oder Kassel, wurden bereits interessante und zukunftsfähige Konzepte, Projekte und Aktionen dazu entwickelt und durchgeführt, wie Hochschulen in der Zukunft zu einer nachhaltigeren Entwicklung beitragen können.
Auch der Studiengang Oecotrophologie an der Hochschule Fulda sieht sich in der Verantwortung, sich mit dem Nachhaltigkeitsgedanken zu befassen. So heißt es in der Kurzbeschreibung des Studienganges, dass „...im Fachbereich Oecotrophologie im Rahmen von Projekt-, Praxisund Abschlussarbeiten sowie von Forschungsvorhaben seit vielen Jahren Themen bearbeitet wurden und werden, die eine nachhaltige Entwicklung, mit den Schwerpunkten Gesundheit, Ernährung, Lebensmittelerzeugung und -verarbeitung sowie Umwelt, fördern...“. Des Weiteren soll, laut Prüfungsordnung des Fachbereichs Oecotrophologie, „...das Studium der Oecotrophologie die Studierenden dazu qualifizieren, ihre Arbeit in Verantwortung für Mitwelt und Nachwelt unter besonderer Berücksichtigung von Ethik, Nachhaltigkeit und Ernährungsökologie zu tun...“.
Die besondere Rolle, die Hochschulen insgesamt in der Nachhaltigkeitsdiskussion einnehmen, ergeben sich aus den folgenden sechs Funktionen von Hochschulen: 1. Hochschulen als Verbraucher von Ressourcen, 2. Hochschulen als Lebensmittelpunkt und Arbeitsplatz vieler Menschen, 3. ihre Vorbildfunktion im Bereich des nachhaltigen Wirtschaftens, 4. die Ausbildung von Studierenden und ihre Funktion als Multiplikatoren für eine nachhaltige Entwicklung in der Gesellschaft, 5. Hochschulen als Denkfabriken für eine zukunftsfähige Gesellschaft und 6. die Verantwortung von Hochschulen gegenüber Gesellschaft und Politik.
Oder, wie es das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung ausdrückte: „Hochschulen gehen mit gutem Beispiel voran (...) wie Menschen (...) sozial gerecht, ökologisch verantwortlich und ökonomisch erfolgreich handeln können.“ (INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG, 2002, S. 89).
Bei der vorliegenden Arbeit stellt sich aber die berechtigte Frage, wo die Schnittstelle zwischen Oecotrophologie und Nachhaltigkeit liegt.
Die Gemeinsamkeiten von Nachhaltigkeit und Oecotrophologie finden sich in dem Konzept der „Haushälterische Vernunft“ wieder. Dieses Konzept wurde von der Begründerin der Oecotrophologie, Frau Prof. Dr. Rosemarie von Schweitzer entwickelt, und umfasst die drei Bereiche „personale existenzielle Verantwortung für die Lebenserhaltung“, „familiale Verantwortung für die Persönlichkeitsbildung und die Entfaltung einer Kultur des Zusammenlebens im Alltag“ und „die soziale Verantwortung im Sinne der Berücksichtigung gesellschaftlicher Belange bei der individuellen Haushaltsführung“.
In ähnlicher Form finden sich diese drei Bereiche auch im Nachhaltigkeitsgedanken wieder. Frau von Schweitzer kommt bei ihrem Konzept zu dem Schluss, dass der Mensch nicht zur Übernahme dieser Verantwortung gezwungen werden könne, sondern diese freiwillig annehmen müsse. Wie sich im Verlauf dieser Arbeit zeigt, gestaltet es sich bei der Verantwortung von Nachhaltigkeit sowie der Umsetzung von Nachhaltigkeitskonzepten ähnlich (SCHWEITZER 1983, S. 106f; SCHWEITZER 1991, S. 137, 145ff).
Eine Betrachtung des Themas Nachhaltigkeit aus Sicht der Oecotrophologie liegt, bei den offensichtlichen Gemeinsamkeiten, nahe.
Diese Diplomarbeit befasst sich im ersten Kapitel mit der geschichtlichen und philosophischen Entstehung des Nachhaltigkeitsgedankens. Im Anschluss daran beschreibt das zweite Kapitel eine praxisfähige Kommunikation und Evaluation von Nachhaltigkeit. Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Ressourcenverbrauch von Hochschulen und stelle Möglichkeiten zur Verringerung des Ressourcenverbrauchs dar. Im folgenden vierten Kapitel wird das Thema „Nachhaltigkeit an Hochschulen“ behandelt. In diesem Zusammenhang werden einige praktische Beispiele vorgestellt, wie sich Nachhaltigkeit an Hochschulen umsetzen lässt. Das folgende fünfte nennt einige der bisherigen und zukünftigen Projekte und Aktionen im Bereich einer nachhaltigen Entwicklung an der Hochschule Fulda. Ergänzend werden in diesem Kapitel einige Möglichkeiten für weitere Tätigkeitsfelder genannt, die sich an der Hochschule Fulda umsetzen lassen könnten.
Den Abschluss dieser Arbeit bildet eine kurze Zusammenfassung aller Kapitel sowie ein Ausblick darauf, wie ein Konzept für eine „Nachhaltige Hochschule Fulda“ aussehen könnte.
Die im Literaturverzeichnis am Ende dieser Arbeit genannten Quellen können dar- über hinaus bei weiteren Arbeiten auf dem Gebiet einer nachhaltigen Entwicklung an der Hochschule Fulda dienlich sein. Die Kommunikation eigener Nachhaltigkeitsanstrengungen wird bisher von den meisten Hochschulen noch nicht ausreichend wahrgenommen, sodass diese oftmals nur durch mühsame Recherchen zu finden sind. Viele dieser Dokumente finden sich im Literaturverzeichnis dieser Arbeit.
Kapitel 1: Entwicklung und Bedeutung von Nachhaltigkeit
1.1 Entstehung des Nachhaltigkeitsgedankens
Die ursprüngliche Bedeutung des Begriffes „Nachhaltigkeit“ entstammt nachweislich dem Prinzip des „forstwirtschaftlichen Nachhaltigkeitsdenkens“.
Das Konzept der „Nachhaltigkeit in der Forstwirtschaft“ wurde erstmals im Rahmen der sich zu Beginn des 17. Jahrhunderts aus der Not der Waldvernichtung entwickelnden Forstwirtschaft formuliert. Tatsächlich praktiziert wurde eine nachhaltige Forstwirtschaft regional jedoch bereits im 15. Jahrhundert.
In vielen Regionen Mitteleuropas, besonders solchen mit einer ausgeprägten Bergbau- und Montantradition, wurden die Kapazitäten der Wälder schon im späten Mittelalter überschritten und deren Begrenztheit deutlich. Erst aus diesem Kontext bildete sich regional die eigentliche Forstwirtschaft heraus und löste hier die bis dahin vorherrschende unkontrollierte Ausbeutung der Wälder ab. Der Gedanke einer nachhaltigen Forstwirtschaft kam erstmals in den von den jeweiligen Landesherren erlassenen Forstordnungen zum Ausdruck, deren älteste bekannte die Forstordnung des Bistums Speyer aus dem Jahr 1442 ist (HASEL 2002, S. 138).
Mit diesen von starkem patriarchalischem Denken geprägten Regelwerken, die ihre hohe Zeit zwischen 1500 und 1800 hatten, wollten die Landesherren den Holzbedarf ihrer Untertanen sowie der holzverarbeitenden Gewerbe und Industrien langfristig sicherstellen. Ihr Ziel war ein möglichst sparsamer Umgang mit dem oft schon knapp werdenden Rohstoff. Dazu verpflichteten sie auch die herrschaftlichen Ämter. So schrieb beispielsweise eine Forstordnung für das Fichtelgebirge von 1574 vor, Holzvorräte für Krieg, Brand und andere Notfälle zu bilden (HASEL 2002, S. 307).
Obwohl die Ordnungen insbesondere in Kriegszeiten rasch in Vergessenheit gerieten und später neu gefasst werden mussten, hatten einige doch sehr lange Bestand, so etwa die altbayerische Forstordnung, die von 1568 bis 1852 gültig war (HASEL 2002, S. 139).
Der eigentliche Gedanke der Nachhaltigkeit erfuhr seine erste Ausprägung jedoch erst in den Waldungen der Bergwerke und Salinen. So wird etwa 1661 in einem Ratskanzlerschreiben der Stadt Reichenhall erstmals der Gedanke des „ewigen Waldes“ formuliert: „...Gott hat die Wäldt für den Salzquell erschaffen, auf daß sie ewig wie er continuieren mögen / also solle der Mensch es halten: Ehe der alte ausgehet, der junge bereits wieder zum verhackhen hergewaxen ist...“
(HASEL 2002, S. 307).
Zur Salzgewinnung wurde in Reichenhall Sole verdampft, wozu viel Brennholz benötigt wurde. In den Wäldern um die Saline sollten nur so viele Bäume geschlagen werden, wie im gleichen Gebiet jedes Jahr nachwachsen würden. Die Salinenverwaltung erstellte sogar entsprechende Holzeinschlagspläne (MEISTER 2004, S. 73).
Die erstmalige Verwendung des Begriffes “Nachhaltigkeit”, als Grundlage der Verwendung im heutigen Sinne, wird in der Literatur jedochoftmals dem sächsischen Oberberghauptmann Hans Carl von Carlowitz (GRUNDWALD 2006, S. 14; GROBER 1999, S. 98) zugeschrieben, obwohl von Carlowitz den Begriff „nachhaltig“ an keiner Stelle verwendet hatte (TREMMEL 2003, S. 98). Von Carlowitz, der Rechtsund Staatswissenschaften studiert hatte, war am kursächsischen Hof in Freiberg (Sachsen) zuständig für die Forstwirtschaft in ihrer Funktion als Rohstofflieferant für den Bergbau. Vor dem Hintergrund einer zunehmenden überregionalen Holznot veröffentlichte von Carlowitz 1713, ein Jahr vor seinem Tod, unter dem Titel „Sylvicultura oeconomica oder haußwirthliche Nachricht und Naturmäßige Anweisung zur wilden Baum-Zucht „ das nachweislich erste eigenständige Werk über die Forstwirtschaft, in dem er das im Dreißigjährigen Krieg verloren gegangene forstliche Wissen zusammenfasste und es durch eigene Erfahrungen erweiterte. In diesem Werk formulierte von Carlowitz erstmalig ein „Prinzip der nachhaltenden Nutzung“:
„Wird derhalben die größte Kunst/Wissenschaft/Fleiß und Einrichtung hiesiger Lande darinnen beruhen / wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen
/ daß es eine continuierliche beständige und nachhaltende Nutzung gebe / weiln es eine unentberliche Sache ist / ohne welche das Land in seinem Esse (im Sinne von Wesen, Dasein, d. Verf.) nicht bleiben mag.“
(VON CARLOWITZ 1713, S. 105-106)
Der dem Werk des von Carlowitz zugrundeliegende Gedanke hat seinen Ursprung in einem in der damaligen Zeit sehr akuten Problem, dem Mangel an Brennund Bauholz für die sächsischen Bergwerke. Daher war es weniger ein ökologischer Gedanke, der zu Überlegungen einer langfristigen Sicherstellung des Waldbestandes führte. Vielmehr war es wohl die pure Angst um die eigene Existenz.
Sachsen sah sich der Gefahr ausgesetzt, sein finanzielles Rückrad zu verlieren (GROBER 1999, S. 98). August der Starke, Sachsens Kurfürst und eine der „schillernsten Figuren höfischer Prachtentfaltung“ finanzierte mit den Einnahmen aus dem Verkauf des sächsischen Silbers sein „polnisches Abenteuer “ und seine „unstillbare Baulust und Prunksucht “ (GROBER 1999, S. 98).
Von Carlowitz kritisierte das auf kurzfristigen Gewinn ausgerichtete Denken seines Landesherrn. Ein Kornfeld bringe jährlichen Nutzen, auf das Holz eines Waldes müsse man dagegen Jahrzehnte warten. Trotzdem sei seiner Meinung nach die Umwandlung von Wald zu Ackerflächen und Wiesen ein Irrweg (GROBER 1999, S. 98).
Von Carlowitz befasste sich jedoch nicht nur mit der Frage, wie es langfristig machbar sei, die Bergwerke mit dem nötigen Bauund Brennholz zu versorgen, er befasste sich auch damit, wie das vorhandene Holz möglichst effizient eingesetzt werden könnte. So war Sparsamkeit eine wichtige Botschaft seiner Arbeit. Er erwähnte darin die damals zum Zwecke der Holzeinsparung genutzte Technik der „Holzsparkunst“. Ebenfalls empfahl von Carlowitz, wenn möglich, Stein statt Holz als Baumaterial für Häuser zu nutzen. Dennoch war die Forderung der nachhaltenden Waldbewirtschaftung zentraler Gedanke seiner Arbeit (SCHMIDT 2007, S. 9).
Den Begriff „nachhaltend“ wählte von Carlowitz bewusst in seinem Werk, da ihm der Terminus „pfleglich“, der im Bezug auf die Forstwirtschaft „in hiesigen Landen“ bereits „uralt“ und „gebräuchlich“ sei, nicht weit genug gehe, da er „die langfristige zeitliche Kontinuität von Naturnutzung und den Gedanken des Einteilens und Sparens von Ressourcen nicht ausreichend zum Ausdruck bringe“ (GROBER 1999, S. 98). Bei der Erörterung „wie eine sothane Conservation und Anbau des Holtzes anzustellen, dass es eine continuirliche, beständige und nachhaltende Nutzung gebe“ findet der neue Begriff erstmals Verwendung.
Der Terminus „Nachhaltigkeit“ jedochwurde vermutlich erstmals 1732 von Hermann Friedrich von Göchhausen verwendet. Dieser bezeichnete damit die Bewirtschaftungsweise eines Waldes, bei welcher immer nur so viel Holz entnommen werden dürfe, wie auch nachwachsen könne, sodass der Wald nie zur Gänze abgeholzt werde sondern sich immer wieder regenerieren könne. (TREMMEL 2003, S. 98)
Dieses „ressourcenökologische Prinzip“, welches „das ökonomische Ziel der maximalen dauerhaften Nutzung des Waldes“ mit den „ökologischen Bedingungen des Nachwachsens“ kombinierte, wurde Grundlage für spätere Nachhaltigkeitsüberlegungen. Es bedeutet, nicht von der Substanz an sich zu leben, sondern von den Erträgen einer Substanz, also „von den Zinsen und nicht vom Kapital“ (GRUNWALD 2006, S. 14).
Ursprünglich war Nachhaltigkeit also ein rein wirtschaftliches Prinzip zur dauerhaften Sicherung kontinuierlicher Holzlieferungen für die darauf angewiesenen Bergwerke, Montanbetriebe und den Schiffsbau.
Mit dem Konzept des maximum sustainable yield fand dann der Begriff der Nachhaltigkeit Anfang des 20. Jahrhunderts Eingang in die internationale Forstund, im weiteren Verlauf, auch in die Fischereiwirtschaft (GRUNWALD 2006, S. 14; TREMMEL 2003, S. 98).
Während der so genannten „Bevölkerungsexplosion“ der industriellen Revolution in England zwischen 1750 und 1850 verdreifachte sich der Geburtenüberschuss von vier auf dreizehn pro tausend Einwohner. In dieser Zeit, genauer 1798, verfasste der Engländer Thomas Robert Malthus seinen ’ Essay on the Principle of Population as it Affects the Future Improvement of Society’’ (deutsch 1807: „Versuch über die Bedingung und die Folgen der Volksvermehrung“). In dieser Abhandlung äußerte Malthus die Befürchtung, dass die Bevölkerung bei steigender Pro-Kopf-Versorgung zu einer Vermehrung in geometrischer Progression tendiere, während die Nahrungsmittelproduktion bestenfalls nach Art einer arithmetischen Reihe anwachsen könne (HARBORTH 1993, S. 18).
Wenn die Bevölkerungsvermehrung, wie sie seinerzeit prognostiziert wurde, einmal in Gang gesetzt werden würde, überträfe sie schließlich die Nahrungsmittelproduktion. Die Folge wären Hungersnöte, Epidemien und Kriege. Die einzige Möglichkeit, die Malthus zur Lösung dieser Katastrophe sah, war ein baldiger Stopp des Bevölkerungswachstums etwa durch späte Heirat und sexuelle Enthaltsamkeit (HARBORTH 1993, S. 18).
Malthus’ Abhandlung war, obwohl sie nur die beiden Größen Bevölkerungszahl und Nahrungsmittelproduktion behandelte, die erste systemische Hypothese über Wachstumsgrenzen in einer endlichen Welt (HARBORTH 1993, S. 19).
So ist Malthus auch der unbestrittene Vater der sogenannten „Weltmodelle“, die seit 1970 konzipiert und diskutiert worden sind. Diese Weltmodelle thematisieren weltweite Auswirkungen lokaler Ereignisse, sowohl kurzals auch langfristig, und dienten unter anderem der 1972 veröffentlichen Studie ’ Limits to Growth“ als grundlegendes Modell.
In den Wirtschaftswissenschaften findet sich das Konzept des maximum sustainable yield erstmals in dem von John Hicks in den 1940er Jahren formulierten Begriff des „Einkommens“ (GRUNWALD 2006, S. 16). Danach ist das Einkommen der Teil der zur Verfügung stehenden Gütermenge, der verbraucht werden kann, ohne zukünftige Konsummöglichkeiten einzuschränken. Dieses Verständnis von Einkommen wurde unter anderem bei der Berechnung des Volkseinkommens in der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung aufgegriffen und liegt des Weiteren dem Prinzip „Abschreibung für Abnutzung“ bei Sachgütern zugrunde (GRUNWALD 2006, S. 16).
In der dominierenden neoklassischen Wirtschaftstheorie blieb der Faktor Natur allerdings weitgehend ausgeblendet oder wurde zumindest nicht seinen Knappheiten entsprechend behandelt (GRUNWALD 2006, S. 16).
Mehr als 200 Jahre lang war damit der Begriff Nachhaltigkeit und das Nachhaltigkeitsprinzip im Wesentlichen auf die Forstund Fischereiwirtschaft sowie den steuerlichen Abschreibungsmechanismus begrenzt. Auf alle anderen Bereiche des Wirtschaftens hatte der Nachhaltigkeitsgedanke noch keinen nennenswerten Einfluss.
Dass der Mensch von den natürlichen Grundlagen der Erde anhängig ist, wurde erst thematisiert, als der unbekümmerte Fortschrittsoptimismus gegen Ende der 1960er und Anfang der 1970er Jahre angesichts der negativen Folgen des technischen Fortschritts und der Produktionsund Lebensstile in den Industriestaaten ein Ende fand. Die Wahrnehmung der natürlichen Umwelt änderte sich radikal: Einerseits erschien sie durch den Menschen und seine Technik und Wirtschaft bedroht, andererseits wurde deutlich, dass gerade Technik und Wirtschaft auf eine hinreichend intakte natürliche Umwelt angewiesen sind. Die Erkenntnis, dass die menschliche Wirtschaftsweise die Grundlagen zu zerstören drohte, auf die sie angewiesen war, wirkte vor allem in den Industriestaaten zum Teil wie ein Schock (GRUNWALD 2006, S. 16).
In mehrfacher Hinsicht entscheidend für die weltweite Ausbreitung der Ökologiedebatte war das Jahr 1972. In diesem Jahr erschien die berühmt gewordene Studie ’ Limits to Growth’’ („Die Grenzen des Wachstums“) des „Club of Rome“ (GRUNWALD 2006, S. 17; HARBORTH 1993, S. 21). Diese Studie gilt als eine der Ur-Studien zur nachhaltigen Entwicklung. Sie entstand auf Initiative von und mit Unterstützung des Club of Rome und wurde von der Stiftung Volkswagenwerk gefördert. Erstellt wurde sie von einem Team von 17 Wissenschaftlern am MIT Massachusetts Institute of Technology, im Wesentlichen von Donella H. Meadows und ihrem Mann Dennis L. Meadows.
Bei dem "Club of Rome", der 1968 in Rom gegründet wurde, handelt es sich um eine nicht-profitorientierte nichtstaatliche Organisation, die sich als eine "Denkfabrik und ein Zentrum für Forschung und Handeln, für Innovation und Initiativen" sieht. Der Club sollte Wissenschaftler, Ökonomen, Geschäftsleute, hochrangige Mitarbeiter aus dem öffentlichen Dienst sowie aktive und frühere Regierungsmitglieder aus aller Welt zusammenbringen, welche die Überzeugung vertraten, dass die Zukunft der Menschheit nicht ein für alle Mal festgelegt sei und dass jeder Einzelne etwas zur Verbesserung der Gesellschaft beitragen könne. Er wurde damals als ein neuer Weg die Weltproblematik zu behandeln eingerichtet, mit der die Gesellschaft konfrontiert wurde, weil die bestehenden Wege zu eng und die Regierungen zu stark in Ressorts unterteilt waren.
Die Studie „Die Grenzen des Wachstums“ kam zu dem Ergebnis, dass eine Fortschreibung der damals aktuellen Trends in Bevölkerungswachstum, Ressourcenausbeutung und Umweltverschmutzung im Laufe der nächsten hundert Jahre zu einem ökologischen Kollaps und in der Folge zu einem katastrophalen wirtschaftlichen Niedergang führen werden. Verstärkt wurde die Wirkung des Berichts durch das zeitliche Zusammentreffen mit der ersten Ölkrise 1973.
Mit einem Male war in den Fortschrittsglauben der Nachkriegsperiode der Verdacht eingebrochen, dass wirtschaftlichem Wachstum durch die Endlichkeit der Biosphären Grenzen gesetzt sein könnten. (WUPPERTAL INSTITUT 2006, S. 30).
Der Grundgedanke des Buchs "Die Grenzen des Wachstums" basierte auf dem Modell der "Dynamik komplexer Systeme" einer homogenen Welt, hier als "Weltmodell" bezeichnet. Es berücksichtigte die komplexen Wechselwirkungen zwischen verschiedenen Variablen, unter anderem Bevölkerungsdichte, Nahrungsmittelressourcen, Energie, Material und Kapital, Umweltzerstörung und der Landnutzung. Die Autoren der Studie verwendeten bewusst ein ganz stark vereinfachtes Modell, um die Auswirkungen der verschiedenen Variablen aufeinander auch für Laien verständlich zu repräsentieren.
Mit Hilfe dieses Modells wurde anhand von Computersimulationen und basierend auf der Entwicklung verschiedener hypothetischer "stabilisierender" politischer Maß- nahmen, eine Reihe von Szenarien entwickelt. Diese Szenarien sahen unter anderem, jeweils in unterschiedlichen Kombinationen, einen Standardlauf des Weltmodells anhand der tatsächlichen Rohstoffreserven vor. Das Verhalten des gleichen Weltmodells bei verdoppelten Rohstoffreserven. Das selbe Szenario mit unbegrenzten Rohstoffvorräten sowie mit unbegrenzten Rohstoffvorräten und kontrollierter Umweltverschmutzung aber auch mit unbegrenzten Rohstoffvorräten, Bekämpfung der Umweltverschmutzung, erhöhter landwirtschaftlicher Produktion und einer perfekten Geburtenkontrolle.
Die Ergebnisse aller Szenarien waren immer ähnlich: ein katastrophaler Abfall in der Weltbevölkerung und dem Lebensstandard innerhalb von 50 bis 100 Jahren, wenn die damaligen Trends bezüglich Ressourcenverbrauch, Luftverschmutzung, Bevölkerungswachstum etc. anhielten.
Mit der Studie „Die Grenzen des Wachstums“ stellten Donella und Dennis Meadows erstmals eine „inhaltliche Brücke“ zu dem Begriff „sustained yield forestry“, der bereits damals international gelehrt und verwendet wurde, her. So schrieben sie 1972 in ihrer Studie ‘’ ...it is possible to alter these growth trends and to establish a condition of ecological and economic stability that is sustainable into the future…’ (Zitiert nach: SCHMIDT 2007, S. 10).
Ebenfalls 1972 fand in Stockholm die erste große Umweltkonferenz der Vereinten Nationen statt. Sie war die erste UNO-Weltkonferenz und gilt als eigentlicher Beginn der internationalen Umweltpolitik. Mehr als 1.200 Vertreter aus 112 Staaten nahmen daran Teil. Die Deklaration von Stockholm, die von den Vertretern der teilnehmenden Industrieund Entwicklungsstaaten gemeinsam erarbeitet wurde, enthält einen Teil, in dem 26 Prinzipien für Umwelt und Entwicklung festgeschrieben sind. Ein weiterer Teil beinhaltet 109 Handlungsempfehlungen zur Umsetzung dieser Prinzipien und einen dazugehörigen Aktionsplan. Gemeinsam beschlossen wurden in dieser Konferenz unter anderem ein globales Erdbeobachtungssystem (’’Earthwatch’’) sowie ein internationales Umweltmanagement. In der Stockholm-Deklaration bekennt sich die Weltgemeinschaft in Form der Teilnehmerstaaten erstmals zur grenz- überschreitenden Zusammenarbeit im Umweltschutz. Dem Recht der Staaten auf Ausbeutung der eigenen Ressourcen wird die Pflicht gegenübergestellt, dafür zu sorgen, dass durch Tätigkeiten innerhalb des eigenen Hoheitsgebietes anderen Staaten kein Schaden zugefügt wird. Auf Vorschlag der Stockholmer Konferenz wurde im gleichen Jahr durch die UN-Vollversammlung das UN-Umweltprogramm (UNEP) mit Sitz in Nairobi/Kenia, gegründet. Earthwatch ist heute der Rahmen für das UN-System zur Harmonisierung und Integration seiner Aktivitäten der Umweltbeobachtung und Bewertung unter Führung des UN-Umweltprogramms UNEP.
1974 fand in Bukarest die Weltkonferenz über Wissenschaft und Technologie für eine menschliche Entwicklung des Weltrates der Kirchen (ÖRK) statt. Im Rahmen dieser Weltkonferenz wurde das Studienprogramm „Suche nach einer gerechten, partizipatorischen und überlebensfähigen Gesellschaft (’’Just, Participatory and Sustainable Society’’, JPSS) vorbereitet. 1976 wurde es auf der V. Vollversammlung des ÖRK in Nairobi beschlossen und als eines der Arbeitsschwerpunkte für das nächste Jahrzehnt verabschiedet.
Im Oktober 1974 fand in Cocoyok, Mexiko, ein fünftägiges, von UNEP und der Konferenz der Vereinten Nationen für Handel und Entwicklung (kurz Welthandelsund Entwicklungskonferenz; „United Nations Conference on Trade and Development“; UNCTAD) gemeinsam veranstaltetes Symposium mit dem Thema „Rohstoffnutzung, Umweltschutz und Entwicklung“ statt. Als Ergebnis dieses Symposiums wurde die „Erklärung von Cocoyok“ verabschiedet. (HARBORTH 1993, S. 29)
1975 folgte, der sich inhaltlich der Erklärung von Cocoyok anschließende, so genannte „Dag-Hammarskjöld-Report“ unter dem Titel „Was tun?“. Dieser Report, welcher von dem Dag-Hammarskjöld-Projekt, an dem über 150 Mitglieder aus 48 Ländern der Welt, 14 Organisationen der Vereinten Nationen und 24 Forschungsinstitute mitgewirkt haben, veröffentlich wurde, trug bereits in seinem ersten Kapitel die Überschrift „Plädoyer für eine andersartige Entwicklung“. Dort wurde erstmals neben dem Missstand der „Unterentwicklung“ auch jener der „Überentwicklung“, bezogen auf die verschwenderischen Lebensstile der Industriestaaten, angeprangert (HARBORTH 1993, S. 30).
Im weiteren Verlauf der Entwicklung und Bedeutung von Nachhaltigkeit war ab etwa 1979 nicht mehr nur von „Sustainability“, sondern von „Sustainable Development“,
„Nachhaltiger Entwicklung“, die Rede. In dieser Zusammensetzung, und damit auch in einer anderen Bedeutung, taucht der Begriff erstmals innerhalb des UN- Symposiums „Report prepared for the United Nations Symposium on Interrelations among Resources, Environment, Population, and Development”, das im August in Stockholm stattfand, auf. Wissenschaftlich liegen die Ursprünge des neuen Begriffes in den Forschungen von Donella und Dennis Meadows sowie Jay W. Forrester (HARBORTH 1993, S. 9).
Jedoch erst ab 1980 wurde der Begriff des „Sustainable Development“ in einem etwas größeren wissenschaftlichen und politischen Kreis verwendet. So etwa in der „World Conservation Strategy“, einer Richtlinie für den weltweiten Naturschutz, die gemeinsam von den internationalen Naturschutzorganisationen IUCN (The Conservation Union) und WWF (World Wide Fund for Nature) sowie UN-Organisationen wie UNEP erarbeitet wurde (STEPHAN 2002, S. 112).
1980 erschien in den Vereinigten Staaten von Amerika der Bericht „Global 2000“. Dieser war an den amerikanischen Präsidenten Jimmy Carter gerichtet und thematisierte die Ressourcenund Bevölkerungsproblematik und ihre wechselseitige Verknüpfung. Der Bericht erzielte eine vergleichsweise große Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte (GRUNWALD 2006, S. 17). Verfasst wurde er von dem ’ Council on Environment Quality’ ’ („Rat für Umweltqualität“), der ihn im Juli 1980 vorlegte. Seine wesentliche Funktion war es, "die voraussichtlichen Veränderungen der Bevölkerung, der natürlichen Ressourcen und der Umwelt auf der Erde bis zum Ende dieses Jahrhunderts" zu untersuchen. Er beschreibt und analysiert eine Reihe Problemen, aufgegliedert nach Weltregionen, die 1980 für die Zukunft zu erwarten waren und teilweise heute schon eingetreten sind. Schwerpunkte sind Bevölkerung, Bruttosozialprodukt, Klima, Wasser, Nahrungsmittel, Landwirtschaft, Wälder und Forstwesen, Energie und andere mehr.
Der Bericht endet mit der Perspektive, dass die Zeit bis zum Jahr 2000 auf ein Potenzial globaler Probleme von alarmierendem Ausmaß hindeute. Weltweite Ver- änderung der Politik sei erforderlich, bevor sich diese Probleme weiter verschlimmern und die Möglichkeiten für wirkungsvolles Handeln immer stärker eingeschränkt werden. Angesichts der Dringlichkeit, Reichweite und Komplexität der dem Rat vorliegenden Herausforderungen blieben die auf der ganzen Welt in Gang gekommenen Anstrengungen allerdings weit hinter dem zurück, was erforderlich sei. Es müsse eine neue Ära der globalen Zusammenarbeit und der gegenseitigen Verpflichtungen beginnen, wie sie in der Geschichte ohne Beispiel sei.
Ebenfalls 1980 erschien der unter der Bezeichnung „Brandt-Report“ bekannt gewordene „Nord-Süd-Bericht“ (vollständiger deutscher Titel: "Das Überleben sichern. Gemeinsame Interessen der Industrieund Entwicklungsländer") der „Unabhängigen Kommission für internationale Entwicklungsfragen“. Diese Kommission war auf Anregung des damaligen Präsidenten der Weltbank, Robert S. McNamara, 1977 gegründet worden und wurde von Willy Brandt geleitet. Der Kommission gehören Vertreter aus insgesamt 20 Staaten, die Hälfte davon Entwicklungsländer, an. Zu den Teilnehmern zählten unter anderem der ehemalige Ministerpräsident Schwedens und Autor des später unter der Bezeichnung „Palme-Report“ bekannt gewordenen zweiten Berichtes der Nord-Süd-Kommission, Olof Palme (Kopfmüller et. Al: Nachhaltige Entwicklung Integrativ Betrachten, 2001, S. 23f).
Ihre Hauptaufgabe sah die Kommission darin, die ernsten Probleme von globalen Ausmaßen zu untersuchen, wie sie sich aus den wirtschaftlichen und sozialen Ungleichgewichten der Weltgemeinschaft ergeben und Wege dafür aufzuzeigen, wie angemessene Lösungen für die Entwicklungsprobleme und Armut vorangetrieben werden können. Der viel diskutierte Report gilt mit seinen zukunftsweisenden Strategien und Konzepten bis heute als Meilenstein der Entwicklungspolitik.
Im Anschluss an den Brandt-Report folgte 1983 der sogenannte „Palme-Report“. Dieser Bericht war das zweite Ergebnis der Arbeiten der „Nord-Süd-Kommission“. Er behandelte die globale Perspektive der Entwicklungsthematik noch ausführlicher und brachte sie damit auf die internationale politische Agenda (KOPFMÜLLER 2001, S. 23).
1987 veröffentlichte die „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ ihren auch als „Brundtland-Report“ bekannt gewordenen Zukunftsbericht „Unsere gemeinsame Zukunft“ (’’Our Common Future’’). Dieser beeinflusste die internationale Debatte über Entwicklungsund Umweltpolitik maßgeblich. Er wurde auf zwei internationalen Konferenzen (1987 in London und 1988 in Mailand) eingehend diskutiert und war der auslösende Hauptfaktor für die Umweltkonferenz in Rio de Janeiro 1992.
Die „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ (WCED = ’ World Commission on Environment and Development’’) wurde 1983 von den Vereinten Nationen (UN = ’ United Nations’’) als unabhängige Sachverständigenkommission gegründet. Diese Kommission bestand aus 22 Mitgliedern, allesamt international anerkannte Politiker, Wissenschaftler, Juristen und Diplomaten, aus Afrika, Nordund Südamerika, Asien sowie Ostund Westeuropa und wurde von der Norwegerin Gro Harlem Brundtland sowie dem Sudanesen Mansour Khalid geleitet. Deutschland war in dieser Kommission durch den Politiker Volker Hauff, Bundesverkehrsminister von 1982 bis 1983, vertreten.
Die wesentliche Aufgabe dieser Kommission war es, ein „weltweites Programm des Wandels zu entwickeln“. Darüber hinaus wurde die Kommission insbesondere damit beauftragt, „langfristige Umweltstrategien vorzuschlagen, um bis zum Jahr 2000 und darüber hinaus dauerhaft Entwicklung zu erreichen“ (HAUFF 1987, XIX).
Der Abschlussbericht der Brundtland-Kommission ist deswegen so bedeutend für die internationale Debatte über Entwicklungsund Umweltpolitik, weil hier erstmals das Leitbild einer „nachhaltigen Entwicklung“ dargestellt wurde. Die Kommission versteht darunter eine Entwicklung, „die den Bedürfnissen der heutigen Generation entspricht, ohne die Möglichkeiten künftiger Generationen zu gefährden, ihre eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und ihren Lebensstil zu wählen.“
Das von der Kommission vorgestellte Konzept einer nachhaltigen Entwicklung bildete zum ersten Mal die Grundlage einer integrativen globalen Politikstrategie. So wurden herkömmlich als getrennt betrachtete Problembereiche wie u.a. Umweltverschmutzung in Industrieländern, globale Hochrüstung, Schuldenkrise, Bevölkerungsentwicklung und Wüstenausbreitung in der Dritten Welt in einem Wirkungsgeflecht gesehen, das durch einzelne Maßnahmen nicht würde gelöst werden können.
Der Brundtland-Bericht und die folgende Debatte um die Operationalisierung des Nachhaltigkeitsleitbildes bildeten die wesentliche Grundlage für die in Rio de Janeiro 1992 abgehaltene UN-Konferenz für Umwelt und Entwicklung (UNCED), welche auch als „Erdgipfel“ bekannt wurde (KOPFMÜLLER 2001, S. 26; GRUNWALD 2006, S. 22).
Der Bericht der Brundtland-Kommission hatte auf einen dringenden Handlungsbedarf der internationalen Völkergemeinschaft hingewiesen. Doch die in diesem Bericht erhobenen Forderungen und Vorschläge mussten auch in international verbindliche Verträge und Konventionen umgesetzt werden, um wirksam zu werden. Als Instrument wählten die Vereinten Nationen hierfür die Form einer Konferenz, die genau 20 Jahre nach der 1. weltweiten Umweltkonferenz stattfinden sollte.
Der „Erdgipfel“ in Rio de Janeiro, der 1992 stattfand, wurde von den Vereinten Nationen über mehrere Jahre intensiv vorbereitet. Unter anderem durch Berichte aus über 120 Ländern und durch Expertenarbeitsgruppen aus verschiedenen UN- Gremien wie der UN-Wirtschaftskommission (UNCTAD), dem UN- Entwicklungsprogramm (UNDP) und der Ernährungsund Landwirtschaftsorganisation (FAO) sowie der Weltorganisation für Meteorologie (WMO). An der Konferenz nahmen annähernd 10.000 Delegierte aus 178 Staaten der Erde teil.
Am Ende der Konferenz sollten schließlich Ergebnisse stehen, die das Ziel einer nachhaltigen Entwicklung von Empfehlungen einer unabhängigen Kommission zu politisch und rechtlich verbindlichen Handlungsvorgaben weiterentwickeln sollten. Nicht nur umweltpolitische Probleme waren Gegenstand der Konferenz; vielmehr sollten auch die drängenden globalen Entwicklungsprobleme im umweltpolitischen Zusammenhang behandelt werden. Ziel war es, die Weichen für eine weltweite nachhaltige Entwicklung zu stellen. Dabei war insbesondere die Abhängigkeit des Menschen von seiner Umwelt und die Rückkopplung weltweiter Umweltver- änderungen auf sein Verhalten bzw. seine Handlungsmöglichkeiten zu berücksichtigen.
Schlussendlich kamen in Rio fünf „Dokumente“ zustande, die vor dem Hintergrund der Vielzahl der Interessengegensätze (z.B. beim Thema Wald oder Klimaschutz) von vielen Seiten als ein erfolgreicher Schritt für eine globale Umweltund Entwicklungspartnerschaft gesehen werden. Dazu zählen „Die Deklaration von Rio über Umwelt und Entwicklung“, „Die Klimaschutz-Konvention“, „Die Artenschutz- Konvention“, „Die Walddeklaration“ und, die vielleicht bekannteste Erklärung, „Die Agenda 21“ (GRUNWALD 2006, S. 23).
Dass die Konferenz so erfolgreich verlief und bis heute als zentrales Ereignis der Geschichte der Bemühungen um nachhaltige Entwicklung gilt, ist der außergewöhnlichen Atmosphäre, dem sogenannten „Geist von Rio“, zu verdanken. Dieser entstand aufgrund des besonderen Engagements einzelner Staaten und Staatengruppen sowie der umfangreichen Medienberichterstattung auf der ganzen Welt, die den Druck auf die Entscheidungsträger wahrnehmbar erhöhte (GRUNDWALD 2006, S. 22f).
Zur Umsetzung der Nachhaltigkeitsziele der Rio-Konferenz wurden eine Reihe von Folgeaktivitäten vereinbart. Dazu zählte auch eine Reihe von weiteren Konferenzen der Vereinten Nationen, darunter beispielsweise die Weltbevölkerungskonferenz 1994 in Kairo, der Weltsozialgipfel 1995 in Kopenhagen, aber auch die Klimakonferenz 1997 in Kyoto (GRUNWALD 2006, S. 24).
Die Koordination der verschiedenen Aktivitäten auf globaler Ebene wurde der UN- Kommission für nachhaltige Entwicklung (UN-Commission on Sustainable Development CSD) übertragen (GRUNWALD 2006, S, 24).
In der „United Nations Millennium Declaration“ vom September 2000 wurden die sogenannten Millenniumsziele festgelegt. Diese Ziele sahen vor, extreme Armut und Hunger zu beseitigen, eine für alle zugängliche Grundausbildung sicherzustellen, die Chancengleichheit zwischen Mann und Frau zu fördern, die Kindersterblichkeit zu reduzieren, die Gesundheit von Müttern zu verbessern, epidemische Krankheiten wie HIV/AIDS, Tuberkulose und Malaria zurückzudrängen, die ökologische Nachhaltigkeit sicherzustellen und eine globale Partnerschaft für Entwicklungsangelegenheiten zu etablieren (GRUNWALD 2006, S. 25).
2002 fand, wie vorgesehen, der ’ ’World Summit on Sustainable Development“ (WSSD), der zweite Weltgipfel für nachhaltige Entwicklung, „Rio+10“, in Johannesburg statt. Im Rahmen dieser Konferenz wurde ein Aktionsplan verabschiedet, welcher die grundlegenden Probleme der Menschheit lösen und die Erde schonender bewirtschaften solle als bisher. Dazu wurden neue Ziele und Umsetzungsprogramme für den weltweiten Umweltschutz und die Armutsbekämpfung beschlossen (GRUNDWALD 2006, S. 25).
Auch auf nationaler Ebene fand das Prinzip der Nachhaltigkeit im Anschluss an die beiden Konferenzen in Rio und Johannesburg immer mehr Zuspruch. So fand unter anderem im Jahr 2005 das bereits vierte Kolloquium der Stiftung „Forum für Verantwortung“ statt. Das Thema dieses Kolloquiums lautete in der Konsequenz „Die Zukunft der Erde – was verträgt unser Planet noch“ (JÄGER 2007, S. 13).
Ebenfalls Berücksichtigung fand der Nachhaltigkeitsgedanke in der Zivilgesellschaft. So wurde im Rahmen des „96. Deutschen Katholikentages“ 2006 in Saarbrücken, der unter dem Motto „Gerechtigkeit vor Gottes Angesicht“ stattfand, über den Aspekt der Nachhaltigkeit diskutiert (JÄGER 2007, S. 14).
Nachdem der Gedanke der Nachhaltigkeit auf politischer, wirtschaftlicher und kirchlicher Ebene bereits früh diskutiert wurde, wurde es nicht zuletzt durch den im Jahre 2006 erschienen Film „Eine umbequeme Wahrheit“ (’’An Inconvenient Truth’’) von dem ehemaligen US-Vizepräsidenten Al Gore auch in der breiten Gesellschaft interessiert aufgenommen. Dazu beigetragen haben sicherlich auch die unerwarteten Wetterkatastrophen auf der ganzen Welt und die regelmäßigen und unerfreulichen Meldungen über den Klimawandel und das weltweite Artensterben.
Die nächsten großen “Meilensteine” der Nachhaltigkeitsbewegung auf globaler Ebene sind das Jahr 2015, in dem die im Jahr 2000 verabschiedeten Millenniumsziele erreicht sein sollen, sowie das Jahr 2017, für das, 25 Jahre nach der Konferenz in Rio de Janeiro, eine weltweite Bestandsaufnahme und Evaluierung der bis dahin erreichten und nicht erreichten Ziele vorgesehen ist (GRUNWALD 2006, S. 26).
1.2 Definitionen von Nachhaltigkeit
1.2.1 Frühe Definitionen
Definition nach Hans Carl von Carlowitz (1713)
Bei der Beschreibung, wie dem Raubbau am Wald Einhalt zu gebieten sei, äußert von Carlowitz, dass der traditionelle Begriff „pfleglich“ ihm nicht ausreichend die langfristige zeitliche Kontinuität von Naturnutzung und den Gedanken des Einteilens und Sparens von Ressourcen zum Ausdruck bringe (GROBER 2002, S. 120).
Daraus lässt sich im Umkehrschluss ableiten, „nachhaltend“ bedeute - in der Verwendung durch von Carlowitz - eine „langfristige zeitliche und kontinuierliche Nutzung (von Holz) durch das Einteilen und Sparen von Ressourcen“.
Definition nach Hermann Friedrich von Göchshausen (1732)
Hermann Friedrich von Göchshausen, der 1732 als Erster den Begriff „Nachhaltigkeit“ verwendete, bezeichnete damit die Bewirtschaftungsweise eines Waldes, bei welcher immer nur so viel Holz entnommen werden dürfe, wie auch nachwachsen könne, so dass der Wald nie zur Gänze abgeholzt werde, sondern sich immer wieder regenerieren könne. (GROBER 2002, S. 123; TREMMEL 2003, S. 98)
Definition nach Wilhelm Gottfried Moser (1757)
Auch der Forstmann Wilhelm Gottfried Moser griff das Wort „nachhaltig“ auf, erweiterte es aber in seiner Bedeutung. So beschreibt er in seinem zweibändigen Werk
„Grundsätze der Forst-Oeconomie“ von 1757 systematisch alle Aspekte des Waldbaus: „...so fieng man endlich an, den Holz-mangel schmerzlich zu fühlen. Und dieses hat uns nunmehro gedrungen: 1. auf eine nachhaltige Wirtschaft mit unseren Wäldern. 2. Auf Holzsparkünste. 3. Auf Nachpflanzen und neuen Holz-Anbau sowohl im einzeln, als auch in denen Blössen der Wälder, theils vor uns, theils vor unseren Kindern und Nachkommen zu denken: und dieses ist so vernünftig, gerecht, klug und gesellschaftlich, je gewisser es ist, dass kein Mensch nur blos für sich, sondern auch für andere und die Nachkommenschaft leben müsse...“
(GROBER 2002, S. 123)
Definition nach Georg Ludwig Hartig (1795)
Georg Ludwig Hartig war Leiter des preußischen Forstwesens und einer der bedeutendsten deutschen Forstwissenschaftler. Im Vorwort seines Buches „Anweisung zur Taxation der Forste oder zur Bestimmung des Holzertrages der Wälder“ findet sich ebenfalls der Gedanke der Nachhaltigkeit wieder:
„...es lässt sich keine dauerhafte Forstwirtschaft denken und erwarten, wenn die Holzabgabe aus den Wäldern nicht auf Nachhaltigkeit berechnet ist. Jede weise Forstdirektion muß daher die Waldung des Staates ohne Zeitverlust taxieren lassen und zwar so hoch als möglich, doch so benutzen suchen, dass die Nachkommenschaft wenigstens ebenso viel Vorteil daraus ziehen kann, als sich die jetzt lebende Generation zueignet...“
(GROBER 2002, S. 124)
Mit den Definitionen von Moser und Hartig wurde erstmals im Zusammenhang mit dem Gedanken der Nachhaltigkeit nicht mehr nur eine bewusste Nutzung genannt,
sondern darüber hinaus auch Begriffe wie „Nachpflanzen“ und das „Denken an die Kinder und Nachkommen“ sowie der Gedanke daran, dass „der Mensch nicht blos für sich lebt, sondern auch für andere und die Nachkommen“. Diese Gedanken finden sich im weiteren Verlauf in der Definition der Brundtland-Kommission wieder, die den Überlegungen Mosers auf frappierende Weise ähnelt.
Von „Nachhaltigkeit“ zu „Sustainable“ (1837)
Mit der weltweiten Verbreitung der deutschen Forstwissenschaft und damit auch des Begriffes der Nachhaltigkeit ergab sich die Notwendigkeit, diesen möglichst präzise zu übersetzen. Einer der frühen Vermittler war der Schweizer Forstmeister Karl Albrecht Kasthofer, der um 1800 in Göttingen und im Harz das Forstwesen kennengelernt hatte. Das, wie er sagte, „deutsche Kunstwort“ „nachhaltig“ übersetzte Kasthofer für die französische Ausgabe seiner Schriften mit „produit soutenu et égal d’une forêt“. Diese Übersetzung bleibt ziemlich nahe am Original. Das französische Verb „soutenir“ ist eine Ableitung des lateinischen „sustinere“. Dessen Grundwort ist „tenere“ (halten). Das Bedeutungsfeld von „sustinere“ umfasst: aushalten, aufrechterhalten, unterhalten, stützen, tragen, bewahren, etwas zurückhalten, nachhalten. Ähnlich wie Kasthofer verfuhr der Franzose Adolphe Parade, Absolvent von Tharandt und Professor in Nancy. Er übersetzte Nachhaltigkeit 1837 mit „production soutenu“. Auch bei der Übersetzung ins Englische griff man zu einer Ableitung dieses lateinischen Wortes zurück: “sustained yield forestry“, Vorläufer des Begriffs
„Sustainable“
(GROBER 2002, S. 126).
1.2.2 Moderne Definitionen
Definition nach Donella und Dennis Meadows (1972)
Die 1972 von Donella und Dennis Meadows veröffentlichte und im Anschluss berühmt gewordene Studie „Limits to Growth“ („Die Grenzen des Wachstums“) befasst sich, neben ihren eigentlichen Vorhersagen zur Weltentwicklung, auch vereinzelt mit Lösungsansätzen für die laut den Autoren drohende Katastrophe. So stellen die Verfasser auch erstmals eine „inhaltliche Brücke“ zu dem Begriff „sustained yield forestry“ her, der bereits damals über die reine Forstwirtschaft hinaus international gelehrt und verwendet wurde. So schrieben sie 1972 in ihrer Studie “...it is possible to alter these growth trends and to establish a condition of ecological and economic stability that is sustainable into the future…” (Zitiert nach: SCHMIDT 2007, S. 10).
Damit wurde der Begriff „sustainable“ erstmal in einen anderen Zusammenhang als dem der Forstwirtschaft gebracht.
Definition nach Dag Hammarskjöld (1975)
1975 erschien der von Dag Hammarskjöld herausgegebene „Dag-Hammarskjöld- Report“ mit dem Titel „Was tun?“. Bereits in der Einleitung schreibt Hammarskjöld:
„...another development requires another approach to technology (...) it should aim at: meeting needs; providing meaningful employment; sustaining ecological viability; and making the best possible use of the specific resources of local eco-systems…”
(HAMMARSKJÖLD 1975, S. 17)
Welche Bedeutung Hammarskjöld dem Ziel „sustaining ecological viability“ zugrunde legt, geht aus dem Report jedoch nicht hervor.
Von „nachhaltig“ zu „nachhaltiger Entwicklung“ (1979)
Im weiteren geschichtlichen Verlauf ist ab etwa 1979 nicht mehr nur von
„Sustainability“, sondern von „Sustainable Development“, „Nachhaltiger Entwicklung“, die Rede. In dieser Zusammensetzung, und damit auch in einer anderen Bedeutung, taucht der Begriff laut HARBORTH erstmals innerhalb des UN- Symposiums „Report prepared for the United Nations Symposium on Interrelations among Resources, Environment, Population, and Development”, das im August in Stockholm stattfand, auf (HARBORTH 1993, S. 9).
Definition nach IUCN/WWF/UNEP (1980)
Eingeführt in die Fachdiskussion wurde das Konzept der nachhaltigen Entwicklung 1980 durch die „World Conservation Strategy“, einer Richtlinie für den weltweiten Naturschutz, die gemeinsam von den internationalen Naturschutzorganisationen IUCN (The Conservation Union) und WWF (World Wide Fund for Nature) sowie UN- Organisationen wie UNEP erarbeitet wurde (STEPHAN 2002, S. 112).
Zentrale These dieser Richtlinie ist, dass wirtschaftliche Entwicklung ohne die Erhaltung der Funktionsfähigkeit der Ökosysteme auf lange Sicht nicht zu realisieren ist, und dass ökonomische Gewinne aus einer übermäßigen Nutzung der Natur nur auf Zeit möglich sind (STEPHAN 2002, S. 112).
Definition der Brundtland-Kommission (1987)
In dem 1987 von der „Weltkommission für Umwelt und Entwicklung“ veröffentlichten Zukunftsbericht „Unsere gemeinsame Zukunft“, der als „Brundtland-Report“ bekannt wurde, wird erstmals in der Geschichte der Nachhaltigkeit eine recht genaue Definition des Terminus „nachhaltige Entwicklung“ beschrieben. Diese Definition ist bis heute Grundlage aller folgenden Anstrengungen auf dem Gebiet der Nachhaltigkeit und folgendermaßen beschrieben:
„Dauerha f te Entwicklung ist Entwicklung, die die Bedürfnisse der Gegenwart befriedigt, ohne zu riskieren, dass künftige Generationen ihre eigenen Bedürfnisse nicht befriedigen können. Zwei Schlüsselbegriffe sind wichtig: Der Begriff der „Bedürfnisse“, insbesondere der Grundbedürfnisse der Ärmsten der Welt, die die überwiegende Priorität haben sollten; und der Gedanke von Beschränkungen, die der Stand der Technologie und sozialen Organisation auf die Fähigkeit der Umwelt ausübt, gegenwärtige und zukünftige Bedürfnisse zu befriedigen.“
(HAUFF 1987, S. 46)
Es handelt sich zwar bei der Definition des Brundlandt-Berichtes um eine recht umfassende, aber auch widersprüchliche Aussage. Begründet wurde dies damit, dass die Kommission schon damals „die Weisheit“ besaß, „eine geeignete Balance“ zwischen den verschiedenen Faktoren zu finden (SCHMIDT 2007, S. 10). Das Besondere und „Weise“ an der Definition der Brundtland-Kommission ist es, dass sie einen diplomatischen Kompromiss zwischen ökonomischen, ökologischen und sozialen Zielen der Weltpolitik herstellt:
„Auf der einen Seite soll das Konzept der Nachhaltigkeit einen angemessenen Anteil von den Schätzen dieser Welt für zukünftige Generationen übrig lassen (intergenerationelle Gerechtigkeit), auf der anderen Seite kann man aber den Menschen der Dritten Welt kaum den Zugang zu mehr Wohlstand, und zwar heute, verwehren. Denn ein Mensch aus den Industrieländern beansprucht ein Vielfaches der Weltressourcen verglichen mit einem Menschen aus diesen Ländern. Dies ist die Frage der intragenerationellen Gerechtigkeit.“
(SCHMIDT 2007, S. 10).
1.2.3 Postmoderne Definitionen Definitionen von Nachhaltigkeit nach 1987
Aufgrund des diplomatischen Spagats der Brundtland-Kommission scheint es kaum verwunderlich, dass bis heute, über 30 Jahre nach der ersten Umweltkonferenz in Stockholm, 21 Jahre nach „Unsere gemeinsame Zukunft“, 16 Jahre nach dem
„Erdgipfel“ in Rio de Janeiro und 6 Jahre nach dem zweiten Weltgipfel in Johannesburg keine weltweit einheitliche und anerkannte Definition über „Nachhaltigkeit“ oder „Nachhaltige Entwicklung“ existiert (STEPHAN 2002, S. 112).
Zur Schärfung des Begriffes der Nachhaltigkeit trug auch die Agenda 21, das Aktionsprogramm von Rio, nur wenig Bei. Obwohl sie in mehr als 40 Kapiteln auf über 300 Seiten Handlungsempfehlungen für eine umweltverträgliche, nachhaltige Entwicklung gibt, fehlt eine klare Definition. Sie spricht in der Präambel nur relativ vage von einer "Vereinigung von Umweltund Entwicklungsinteressen".
Vielmehr ist es Praxis geworden, den Begriff den eigenen Interessen entsprechend zu interpretieren. „Nachhaltigkeit“ gehört inzwischen zum alltäglichen Vokabular nicht nur der Nichtregierungsorganisationen und der Politiker, sondern auch der Chefetagen großer Konzerne. So verzeichnet Tremmel gar etwa 60 verschiedene Organisationen und Wissenschaftler mit jeweils eigenen Übersetzungen von
„Sustainability“, bzw. „Sustainable Development“ sowie den dazugehörenden Definitionen (TREMMEL 2003, S. 100ff).
Definition nach Felix Ekardt (2005)
Eine moderne und bündige Definition dazu bietet beispielsweise Felix Ekardt in seinem Buch „Das Prinzip Nachhaltigkeit“ an:
„...Nachhaltigkeit, bzw. nachhaltige Entwicklung meint das Ziel, dass unsere Kinder und Kindeskinder auch morgen noch etwas auf dem Teller haben, und dass überhaupt erstmals alle Menschen dieser Welt etwas auf den Teller bekommen. Es geht also um eine lebenswerte, freiheitliche und friedliche Welt für alle Menschen...“
(EKARDT 2005, S. 25)
Definition nach Herman E. Daly (1996)
Besonders treffend brachte es 1996 Herman E. Daly, ein führender Vertreter der ökologischen Wirtschaftswissenschaften, auf den Punkt. So sagte er
“…Sustainable development is a term that everybody likes, but nobody is sure what it means...”.
(DALY 1997, S. 1)
Zusammengefasst lässt sich daher sagen, dass die Begriffe „Nachhaltigkeit“ und
„nachhaltige Entwicklung“ heute synonym verwendet werden. Für die einzelnen Begriffe existieren aber keine einheitlichen Definitionen und es zeichnet sich auch nicht ab, dass auf nationaler oder internationaler Ebene eine Einigung auf eine allgemeingültige Definition zu erreichen sei. Auch die Entwicklung von Modellen zur Erklärung des Nachhaltigkeitsprinzips hat nicht wesentlich dazu beigetragen, eine allgemeingültige Definition zu finden. Als Grundlage aller Diskussionen um das Thema „Nachhaltigkeit“ lässt sich jedoch allgemeinhin die Definition der Brundtland-Kommission von 1987 verwenden.
Die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ schlägt einen Ausweg aus dem Definitionsdilemma vor: Nachhaltige Entwicklung sei als „regulative Idee“ zu verstehen, „...für die es nur vorläufige und hypothetische Zwischenbestimmungen geben kann. Es ergibt sich nämlich nicht nur das Problem, dass die gesellschaftlichen Vorstellungen von nachhaltig zukunftsverträglicher Entwicklung sowohl zeit-, situationsals auch kulturund wissensabhängig sind. Darüber hinaus hängen die mit dem Leitbild verbundenen Problemempfindungen und politischen Schwerpunktsetzungen vom jeweiligen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Entwicklungsstand ab. Eine für alle Gesellschaften verbindliche Definition scheint deshalb ohne Aussicht auf Erfolg. Folglich kann auch nicht vorgegeben oder definiert werden, wie eine nachhaltig zukunftsverträgliche Gesellschaft oder eine nachhaltige Wirtschaft konkret auszusehen hat...“ (STEPHAN 2002, S. 113).
1.3 Nachhaltigkeitsmodelle
Um dennoch den Grundgedanken von „Nachhaltigkeit“, bzw. „nachhaltiger Entwicklung“ besser zu verstehen, wird oftmals das sogenannte „Nachhaltigkeitsdreieck“ herangezogen. Dieses Modell betrachtet Umwelt, Soziales und Wirtschaft als gleichrangige Elemente von Entwicklung, die miteinander in Einklang gebracht und gegeneinander ausbalanciert werden müssen. Die Entstehung dieses Modells lässt sich heute nicht mehr genau rekonstruieren, vielfach wird aber der Oldenburger Professor Bernd Heins als Urheber des Modells im Jahre 1994 genannt. Andererseits kann ein vergleichbares Nachhaltigkeitsverständnis bereits 1994 in der internationalen Debatte nachgewiesen werden (TREMMEL 2003, S. 37ff, S. 116ff).
In die Diskussion der Enquete-Kommission des Deutschen Bundestages „Schutz des Menschen und der Umwelt“ eingebracht wurde das „Drei-Säulen-Modell“, bzw. das
„magische Dreieck der Nachhaltigkeit“ durch den „Verband der Chemischen Industrie (VCI)“. Bereits 1996 forderte dieser, dass „...wirtschaftliche, ökologische und soziale Aspekte gleichrangig berücksichtigt werden. Wir betrachten Sustainable Development also nicht als ein einseitiges ökologisches, sondern als ein ganzheitliches Zukunftskonzept. Denn jeder dieser drei Bereiche trägt dazu bei, dass eine langfristige und tragfähige Entwicklung möglich wird...“ (TREMMEL 2003, S. 43).
Abbildung 1 zeigt das „Drei-Säulen-Modell“ der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ (TREMMEL 2003, S. 117).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Drei-Säulen-Modell
(Quelle: eigene Darstellung)
Breiten Eingang in die Öffentlichkeit fand das Drei-Säulen-Modell dann durch den 1998 vorgelegten Abschlussbericht der Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ (DEUTSCHER BUNDESTAG 1998, S. 78, S. 129, S. 216).
Abbildung 2 zeigt das sogenannte „Magische Dreieck der Nachhaltigkeit“, welches im Rahmen der Printversion des Abschlussberichtes der Enquete-Kommission
„Schutz des Menschen und der Umwelt“ des 13. Deutschen Bundestages verwendet wurde.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2: magisches Dreieck der Nachhaltigkeit
(Quelle: www.arge.schule-hamburg.de/Archiv/nachhaltmagdreieck.jpg)
Inzwischen wird der dreidimensionale Erklärungsansatz des „magischen Dreiecks der Nachhaltigkeit“ häufig um die politisch-prozessuale Komponente "Institutionen" bzw. "Partizipation" erweitert. Dies geschieht beispielsweise innerhalb des Indikatorenprogramms der Kommission für nachhaltige Entwicklung (CSD) der Vereinten Nationen beziehungsweise mit dem Tetraëder-Modell des Forums Umwelt & Entwicklung. Hiermit soll der zentralen Bedeutung von partizipativen Entscheidungsmechanismen und Strukturen zur Umsetzung von Entscheidungen auf dem Weg hin zu einer nachhaltigen Entwicklung Rechnung getragen werden (STEPHAN 2002, S. 113).
Abbildung 3 zeigt das um den Aspekt „Institutionelles / Partizipation“ erweitertes „magisches Dreieck“ im Sinne des CSD.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: erweitertes magisches Dreieck
(Quelle: eigene Darstellung)
In den in Kapitel vier „Veränderung der Konsumgewohnheiten“ der Agenda 21 angesprochenen „Veränderungen industriegesellschaftlicher Konsumgewohnheiten“, ist davon die Rede, dass diese „zu den wesentlichen Aspekten der sozialen und ökonomischen Dimensionen einer nachhaltigen Politik gehöre“. Dies umfasst aber auch die Förderung der Schulbildung, des öffentlichen Bewusstseins und der beruflichen Ausund Weiterbildung (Kapitel 35 Agenda 21 „Wissenschaft im Dienst der nachhaltigen Entwicklung“) (DEUTSCHER BUNDESTAG 1998, S. 416).
Daher würden Kultur und Bildung, welche ja letztendlich die drei anderen Dimensionen Ökologie, Sozialwesen und Ökonomie beeinflussen, die wichtige Rolle einer vierten Dimension zugewiesen werden (DEUTSCHER BUNDESTAG 1998, S. 417).
Daher kommt die Enquete-Kommission „Schutz des Menschen und der Umwelt“ zu dem Schluss, dass es sich „...bei einer wie auch immer gearteten Nachhaltigkeitsstrategie geometrisch gesehen um ein „Magisches Viereck“ handeln müsse...“ (DEUTSCHER BUNDESTAG 1998, S. 417).
Abbildung 4 zeigt dieses „Magische Viereck“ in der Vorstellung der Enquete- Kommission (DEUTSCHER BUNDESTAG 1998, S. 417).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: magisches Viereck
(Quelle: eigene Darstellung)
Kapitel 2: Nachhaltige Kommunikation und Evaluation
Bei einer gezielten und ernst gemeinten nachhaltigen Entwicklung spielen Kommunikation und Evaluation eine bedeutende Rolle. Getreu dem Motto „Tue Gutes und sprich darüber“ eignen sich für diesen Zweck besonders Nachhaltigkeitsberichte. Um Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen und zu verstehen ist es jedoch wichtig zu wissen, was aus einer Hochschule eine nachhaltige Hochschule macht.
2.1 Definition: Das nachhaltige Unternehmen
Als Grundlage für das Verständnis soll an dieser Stelle die Definition des „nachhaltigen Unternehmens“ herangezogen werden, die vom Institut für ökologische Wirtschaftsforschung und dem Institut für Markt-Umwelt-Gesellschaft entwickelt worden sind. Dabei kamen die Autoren in Form von acht Kriterien zu folgendem Ergebnis:
I. Ein nachhaltiges Unternehmen ist ein Unternehmen, das von Experten und unternehmensunabhängigen Meinungsbildnern als ein nachhaltiges Unternehmen angesehen wird.
II. Ein nachhaltiges Unternehmen ist ein Unternehmen, das über alle Fragen der ökonomischen, sozialen und ökologischen Leistungsfähigkeit und Verantwortlichkeit des Unternehmens mit seinen Stakeholdern kommuniziert.
III. Nachhaltige Unternehmen haben den Nutzen kontinuierlicher Dialogprozesse mit ihren Stakeholdern erkannt und eigene Formen und Methoden zur Anwendung gebracht.
IV. Nachhaltige Unternehmen haben eine Vision, Unternehmensziele und eine übergreifende Geschäftsstrategie, in denen die Überlebensfähigkeit des Unternehmens in Zusammenhang mit der Erreichung von sozialen und ökologischen Zielen gestellt wird.
V. Unternehmen können als nachhaltig angesehen werden, wenn sie bereits über einen längeren Zeitraum ökonomisch erfolgreich gearbeitet haben, und gleichzeitig bezogen auf ihre Branche überdurchschnittliche Leistungen im sozialen und ökologischen Bereich erbracht haben.
VI. Nachhaltige Unternehmen haben in der Vergangenheit bewiesen, dass sie in der Lage sind, schwierige wirtschaftliche und Dilemmasituationen, in denen ökonomische, soziale und ökologische Ziele in Konflikt zueinander stehen, zu meistern.
VII. Nachhaltige Unternehmen verfügen über Managementsysteme, bei denen ökonomische, soziale und ökologische Ziele auch integriert formuliert und ihre Umsetzung kontrolliert werden.
VIII. Nachhaltige Unternehmen informieren die Öffentlichkeit aktiv über ihre Anstrengungen und Ergebnisse auf dem Weg zur Nachhaltigkeit und verwenden dabei freiwillig Kennziffern und Berichterstattungsformen, die einen Vergleich mit anderen Unternehmen und einen Vergleich im Zeitlauf ermöglichen.
(Vergl. INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG, 2002, S. 23ff)
Des Weiteren bezeichnet das Institut „...Nachhaltigkeitsberichterstattung als Bedingung funktionierender Steuerungsfunktionen der Wirtschaft...“ (INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG, 2002, S. 26).
Als Methode einer glaubhaften Darstellung der Definition, Umsetzung und Einhaltung sozialer, ökologischer und ökonomischer sowie anderer ethischer und politisch begründeter Standards unternehmerischen Verhaltens, nennt das Institut zwei prinzipielle Wege.
I. Staatliche Institutionen könnten auf der Basis unternehmensindividueller Verhaltenskodizes (Codes of Conduct) eine Überprüfung ihrer (der der nachhaltigen Unternehmen) Einhaltung als externe Kontrolleure vornehmen und staatliches Sanktionspotenzial bei „Nichteinhaltung“ einsetzen.
II. Mit einem System einer qualifizierten öffentlichen Berichterstattung der Unternehmen könnte auf einen kontinuierlichen öffentlichen Diskurs zur Legitimität des unternehmerischen Handelns gesetzt werden, bei dem das Sanktionspotenzial der öffentlichen Meinungsbildung zum Zuge käme.
(Vergl. INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG, 2002, S. 27)
Zur ersten Möglichkeit bemerkt das Institut, dass diese Sanktionen nur nach einem System gerichtsfester Einzelentscheidungen stattfinden können, und dies auch nur bei Sachverhalten, die von allen Unternehmen gleich gefordert werde. Würden von Unternehmen jedoch immer wieder andere Ziele angestrebt und an stets anderen firmenindividuellen Maßstäben überprüft, würde eine Überprüfung für alle Akteure schwierig. Erschwerend kämen zudem die strengen Maßstäbe der Legalität einer staatlichen Institution, welche kaum die nötige Flexibilität besäße angemessen reagieren zu können, hinzu (INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG, 2002, S. 27).
Allerdings würde auch die zweite, zivilgesellschaftliche Kontrollmöglichkeit viele Probleme mit sich bringen. Ihr großer Vorteil wäre es, dass Unternehmen neben der Legalität auch auf die Legitimität ihres Handelns verwiesen würden, deren Maßstäbe fließend sein können. Jene Maßstäbe, die zur Beurteilung herangezogen würden, wären allerdings nicht durch jahrelange Gesetzgebungsprozesse abgesichert. In einer Zeit, in der Unternehmen mit einer sehr hohen Geschwindigkeit neue Handlungsalternativen entwickeln, mit der sie dem Gesetzgeber immer wieder einen Schritt vorauseilen würden, wäre ein solches zivilgesellschaftliches System schneller und damit unter Umständen auch effektiver als ein auf gerichtsfesten Entscheidungen basierendes System staatlicher Kontrollen, wie in Möglichkeit eins vorgeschlagen. Allerdings basiere ein solches Kontrollsystem auf der öffentlichen Wirkung und hänge damit in hohem Maße von der realen Pressefreiheit und ferner von der mit ihr zusammenhängenden Haftungsrechtsprechung sowie der Qualität des Aktionsund Reaktionspotenziales der kritischen Öffentlichkeit ab (INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG, 2002, S. 27-28).
Das amerikanische Rechtsprinzip des „Public Right to Know“ habe gezeigt, dass staatlich „gewünschte“ Reaktionen und Verhaltensänderungen in der Industrie häufig schneller umgesetzt werden, wenn Presse, Politik und Öffentlichkeit über einen Sachverhalt informiert werden, darüber öffentlich diskutieren und somit Unternehmen unter Druck setzen, als wenn eben diese gewünschten Reaktionen durch harte Rechtsprechung gefordert würden (INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRT- SCHAFTSFORSCHUNG, 2002, S. 28).
Zusammengefasst kommt das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung zu dem Schluss, dass bei der Konzeption zivilgesellschaftlicher Kontrollen von Unternehmen eine Reihe freiwilliger Instrumente der öffentlichen Berichterstattung vorzusehen seien. Nötig wäre dabei die schlüssige Einbindung der Nachhaltigkeitsberichterstattung in die sich entwickelnden Strukturen der Weltpolitik (Global Governance). Gerade große, im Blickpunkt der Öffentlichkeit stehende Unternehmen würden die Notwendigkeit erkennen, sich der Umsetzung der Vision einer nachhaltigen Gesellschaft anzuschließen und über ihre Ziele und Fortschritte Rechenschaft abzulegen. Die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten erscheine daher besonders für große Unternehmen geboten. Auch der Blick auf die im Umbruch befindlichen gesellschaftlichen Steuerungsstrukturen, soweit sie die Wirtschaft betreffen, lasse die Notwendigkeit größerer Transparenz in Bezug auf die Verantwortung und Leistung der Unternehmen klar erkennen. Die sich entwickelnde, umfangreiche Eigenverantwortlichkeit der Wirtschaft, wie sie sich beispielsweise in der Substitution von Gesetzen durch freiwillige Vereinbarungen ausdrücke, erfordere ein hohes Maß an Offenheit. Nur eine solche Offenheit könne sicherstellen, dass der Wirtschaft die Ernsthaftigkeit und der Erfolg der freiwilligen Bemühungen auch geglaubt werden können. (INSTITUT FÜR ÖKOLOGISCHE WIRTSCHAFTSFORSCHUNG, 2002, S. 28, S. 34).
Die Fragen, wen Nachhaltigkeitsberichte überhaupt erreichen sollen, wie sie gestaltet sein könnten, welche Angaben sie enthalten sollten oder auch welche gesetzliche Aspekte Berücksichtigung finden müssen, sollen im weiteren Verlauf dieses Kapitels erläutert werden.
Was für Unternehmen Gültigkeit hat, gilt nicht zwingend in gleicher Weise für Hochschulen. Unter einer nachhaltigen Entwicklung wird im ökonomischen Sinne etwas gänzlich anderes verstanden als im Kontext einer Hochschule. Unternehmen sind grundsätzlich auf Gewinn ausgerichtet. So verwundert es kaum, dass der Begriff nachhaltig sich sogar im deutschen Recht, genauer im „Gesetz zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung“ (SchwarzArbG) wiederfindet. Dort heißt es unter §1 Abs. 2 „...Schwarzarbeit leistet, wer Dienstoder Werkleistungen erbringt oder ausführen lässt...“ und unter Abs. 3 „...dieser Absatz findet keine Anwendung für nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtete Dienstoder Werkleistungen...“. Und weiterhin “...als nicht nachhaltig auf Gewinn gerichtet gilt insbesondere eine Tätigkeit, die gegen geringes Entgelt erbracht wird...“.
Im Umkehrschluss ergibt sich daraus die Interpretation, dass eine Tätigkeit, die gegen Entgeld erbracht wird, nachhaltig auf Gewinn ausgerichtet ist. Übertragen auf Unternehmen führt diese Interpretation zu der Vermutung, dass eine nachhaltige Entwicklung im unternehmerischen Sinne eine Entwicklung ist, die langfristig die Einnahme von Entgeldern für erbrachte Tätigkeiten sicherstellt.
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- Quote paper
- Benedikt Gries (Author), 2008, Nachhaltigkeit an Hochschulen - Beitrag für eine Konzeption einer nachhaltigen Hochschule Fulda, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/114441
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