“The drying up of the waves of Chinese migration to the Nanyang (the South Seas, as the Chinese called Southeast Asia) during the Second World War, and in particular after the establishment of the People’s Republic of China in 1949, has meant that over half the ‘Chinese’ now resident in Southeast Asia are local-born and that even the minority who were born in China have for the most part been continuously resident in Southeast Asia for two, three or more decades”, stellte Mary F. Somers Heidhues bereits 1974 fest. Dies belegt, dass es kein unerwartet aufkeimendes Problem durch plötzlich kulminierende Zuströme von „Chinesen“ war, welches 1969 zu gewaltsamen ethnischen Unruhen in Malaysia geführt hatte. Wie kam es zu diesen Spannungen und wie versuchte man sie wieder in den Begriff zu bekommen?
Waren in der Geschichte oft desolate ökonomische Zustände und damit verbundene soziale Missstände ursächlich für Krisen und Spannungen, so bestand doch in Malaysia, wie auch in einigen anderen Staaten Südostasiens, ein vergleichsweise stark ausgeprägtes positives Wirtschaftswachstum.
Inhaltsangabe
I. Vorüberlegungen und Einführung
II. Historie und Hintergrund der Besiedlungen
1. Ursprünge; Sprachgruppen und Handelsbeziehungen
2. Auslöser und Siedlungsbedingungen
3. Weitere Entwicklungen im 19./20.-Jahrhundert
III. Organisation und Struktur der Chinesen in Malaysia
1. Eigentümlichkeiten der Ethnie und soziologischer Rahmen
Soziologischer Rahmen
Mentalität und Eigentümlichkeit der chinesischen Sozialisation
2. Organisationsweisen
3. Einflüsse auf die Organisation und Folgen
4. Stärken und Schwächen der Organisationsweise
IV. Chinesen in der Wirtschaft Malaysias
1. Die Organisation und Eigentümlichkeiten in der Wirtschaft
2. Entwicklung der Chinesen in der Wirtschaft Malaysias
Bis zur Unabhängigkeit
Seit der Unabhängigkeit
V. Chinesen und die Politik Malaysias
1. Perzeptionen der Chinesen im politischen Kontext
2. Orientierungsmuster und Struktur der Chinesen in der Politik
3. Entstehung politischer Aktivität und Entwicklung
VI. Die Chinesen in Malaysia ab 1969
1. 1969 – Wahlen, Unruhen, Hintergründe
2. Die Jahre nach 1969 und die New Economic Policy
3. Folgen der New Economic Policy
VII. Der Einfluss der Chinesen im Gesamtzusammenhang
VIII. Literaturverzeichnis
1. Literatur
2. Zeitschriften
3. Internetseiten
I. Vorüberlegungen und Einführung
“The drying up of the waves of Chinese migration to the Nanyang (the South Seas, as the Chinese called Southeast Asia) during the Second World War, and in particular after the establishment of the People’s Republic of China in 1949, has meant that over half the ‘Chinese’ now resident in Southeast Asia are local-born and that even the minority who were born in China have for the most part been continuously resident in Southeast Asia for two, three or more decades”[1], stellte Mary F. Somers Heidhues bereits 1974 fest. Dies belegt, dass es kein unerwartet aufkeimendes Problem durch plötzlich kulminierende Zuströme von „Chinesen“ war, welches 1969 zu gewaltsamen ethnischen Unruhen in Malaysia geführt hatte. Wie kam es zu diesen Spannungen und wie versuchte man sie wieder in den Begriff zu bekommen?
Waren in der Geschichte oft desolate ökonomische Zustände und damit verbundene soziale Missstände ursächlich für Krisen und Spannungen, so bestand doch in Malaysia, wie auch in einigen anderen Staaten Südostasiens, ein vergleichsweise stark ausgeprägtes positives Wirtschaftswachstum.
Natürlich greift diese Sichtweise zu kurz, fehlt es doch an den nötigen Ausdifferenzierungen, welche im Rahmen dieser Arbeit vorgenommen werden. Einleitend ist zunächst zu klären was überhaupt betrachtet wird, wenn von „Chinese“ die Rede ist.
Während man global gesehen wohl selten Abgrenzungsprobleme hat, bezüglich der Frage was ein „Chinese“ ist – zumindest klärt das in der Regel die Rechtslage durch den Status der Staatsbürgerschaft – kann es wiederum in einer vergleichsweise kleinen Region wie dem Staat Malaysia durchaus zu Abgrenzungsschwierigkeiten kommen. Insbesondere wenn die Rechtslage ein Streitpunkt ist und auf die Nationalitätenfrage auch das Emigrationsland versucht Einfluss zu nehmen.
Was macht die Abgrenzung so kompliziert? In Malaysia gibt es Immigranten aus „Festland-China“ bereits seit Beginn des 15. Jahrhunderts.[2] In Kap. II soll näher auf die Siedlungsgeschichte in ihren Entwicklungen eingegangen werden. Neben neuen Immigranten gibt es aber auch viele Chinesen, heutzutage sogar die Majorität, die außerhalb Chinas geboren sind. Unter ihnen kann man wiederum differenzieren zwischen jenen, die ihre kulturellen Eigentümlichkeiten weiter praktizieren, an der ursprünglichen Kultur und Tradition der Festlandchinesen festhalten, und solchen, die in mehr oder minder starker Ausprägung die Kultur und Religionen Malaysias adaptiert haben und die Sprache der Malaien lernten. So sprechen einige vor Generationen übergesiedelte „Chinesen“[3] heute teilweise wenig oder gar kein Chinesisch mehr, werden jedoch von den Bewohnern der jeweiligen Staaten Südostasiens als Chinesen betrachtet und tun dies auch selbst. Manche empfinden sich in einigen Belangen als Chinesen in anderen Dingen wiederum nicht. Heidhues unterscheidet zwischen „ethnic Chinese“, die sich selbst als Chinesen betrachten und auch von den Malaien als Chinesen betrachtet werden, aber keine chinesische Staatsbürgerschaft besitzen und den „Chinese nationals“, welche offiziell über eine chinesische Staatsbürgerschaft verfügen. Fortan soll lediglich eine differenzierte Formulierung verwendet werden, wenn der Kontext sich auf eine bestimmte (Teil-) Gruppe bezieht oder die Verständlichkeit im allgemeinen dies verlangt. Ansonsten soll die allgemeine Formulierung der Chinesen Verwendung finden.
Die Situation im multiethnischen Malaysia war und ist, dass soll vorweggenommen sein, gekennzeichnet durch eine Diskrepanz zwischen Bevölkerungs- und Volkseinkommensanteilen zugunsten der chinesischen Minderheit. Wie war es zu diesem Einfluss der chinesischen Bevölkerungsminderheit in Malaysia gekommen und wie gestaltete er sich in der Entwicklung?
Hierzu werden zuerst die Immigration und Besiedlung der Chinesen in Malaysia in einem kurzen historischen Überblick beschrieben und ihre Hintergründe benannt (Kap. II). Anschließend wird auf die Organisation der Chinesen eingegangen, deren Ursächlichkeiten aufgezeigt und auch die Folgen, sowie Stärken und Schwächen dieser Organisation erörtert (Kap. III). Im Folgenden sind dann die Chinesen im Rahmen der Wirtschaft Malaysias Betrachtungsgegenstand (Kap. IV), sowie ihr politischer Einfluss, insbesondere in seiner Entwicklung (Kap. V). Eine Betrachtung der neueren Entwicklungen seit 1969, sowie eine Skizzierung der bestimmenden Reformen, wie z.B. der New Economic Policy wird im nächsten Abschnitt vorgenommen (Kap VI). Die Arbeit schließt ab mit einer Darstellung des chinesischen Einflusses im Gesamtzusammenhang.
Die Quellenlage zu diesem Thema ist so umfangreich wie mannigfaltig, sowohl bezüglich der historischen Darstellung der Siedlungsbewegungen und der Skizzierung der sich langsam entwickelnden Struktur der chinesischen Ethnie in Malaysia, als auch in Bezug auf die Rolle der Chinesen in Wirtschaft und Politik. Oftmals wurde das Thema jedoch für die gesamte Region Südostasien behandelt, wobei die vergleichende Darstellung dann in einigen Fällen auf Kosten spezieller Eigentümlichkeiten der Chinesen in Malaysia im Vordergrund steht. Besonders hilfreich waren gleichsam die Arbeiten von Vennewald und Heidhues, aufgrund ihrer übersichtlichen, klaren Struktur und ihren Darstellungen in übergeordneten Zusammenhängen, sowie die Arbeit von Schwinghammer, wegen ihrer detaillierten Beschreibung der NEP einschließlich deren Hintergründe und Folgen.
II. Historie und Hintergrund der Besiedlungen
1. Ursprünge; Sprachgruppen und Handelsbeziehungen
Wie kam es überhaupt zu einer Bevölkerung Malaysias durch Chinesen und was waren die Beweggründe für diese Siedlungsströme?
Wie bereits erwähnt, siedelten schon zu Beginn des 15. Jahrhundert die ersten Chinesen in Malaysia, wobei es sich um Händler insbesondere aus der Chinesischen Provinz Fujian[4] handelte. Sie sprachen bald die malaiische Sprache und verschmolzen auch sonst mit der Kultur Malaysias. Sie fungierten den Engländern bei der Gründung der „Settlements“ Penang (1786), Singapur (1819) und Malacca (1824) (auch „Straits-Settlements“)[5] als Mittler zu den Sultanen; eine Position die, wie noch zu sehen sein wird, nicht das letzte mal von den Auslandschinesen eingenommen wurde und auch im Hinblick auf ihre Entwicklung in Malaysia nicht ohne Bedeutung bleiben sollte.
Weitere Besiedlungen in den folgenden Jahrhunderten folgten dann den beständigen Handelswegen.
Neben den Handelsbeziehungen spielten auch Sprachgruppen eine gewichtige Rolle, wobei sicherlich in einigen Fällen kausale Überschneidungen bestehen. Die Tatsache nämlich, dass es besonders im Süden Chinas, dem vorwiegenden Herkunftsgebiet der Auslandschinesen, eine Vielzahl von verschiedenen Dialekten und Sprachgruppen gab, brachte es mit sich, dass sich bereits zu Beginn der Immigrationsentwicklungen nach Sprachgruppen orientierte Siedlungsstrukturen bildeten. Vennewald nennt 9 Sprachgruppen, deren Anteil an den Auslandschinesen in Malaysia sich im Laufe der Zeit nicht maßgeblich änderte. Besonders wichtig für Malaysia sind hierbei die Sprachgruppen der Hokkien, der Hakka und der Kantonesen, die zusammen durchgehend zwischen 70 und 80% der Exilchinesen stellten.[6] Heidhues vertieft diese „Herkunftsarchitektur“ bezüglich der Sprachgruppen indem sie zusätzlich die Verbindungen zwischen Sprachgruppe und deren entsprechenden Siedlungsgebiete aufzeigt.[7] Übereinstimmend mit Vennewald kennzeichnet sie dabei die Hokkien (Besiedlungen insbesondere in Penang), die Hakka (Sabah und Westmalaysia), sowie die Kantonesen (Westmalaysia außerhalb Penang und Malacca) als für Malaysia bedeutend. Weiter führt sie aber auch aus, dass die Unterteilung nach Sprachgruppen heute von geringer werdender Relevanz ist, was auf die Dominanz des Mandarin (Hochchinesisch) im Bildungswesen zurückzuführen sei. Vennewald hebt jedoch die Sprachgruppenzugehörigkeit als einen wichtigen Organisationsaspekt der Chinesen hervor. Genauer soll dies aber im Abschnitt zur Organisation der Auslandschinesen (Kap. III) betrachtet werden.
Ein neben den Handelsbeziehungen und den Sprachgruppen wichtiger Bestimmungsfaktor für die Besiedlung einzelner ausgewählter Regionen war im weiteren Verlauf der Nachzug der Familien. Waren anfangs wenige oder gar keine Frauen mitemigriert, was vermehrt zu Mischehen in Malaysia führte und somit eine Akkulturation unterstützte, kam es nun zu größeren Einwanderungsströmen auch von Frauen. Bemerkenswert für den Anfang der Siedlungsbewegungen ist, dass es in einzelnen Regionen isoliert auftretende Familiennamen oder zumindest besondere Häufungen gab. Mit einer allgemeinen Anwerbung von „Kulis“[8], durch die Kolonialherren und vor allem durch Chinesen selbst im 19. Jahrhundert, die sich nicht an bestimmte Herkunftsregionen Chinas, noch an spezielle Sprachgruppen wandte und somit unpersönlich war, verlor diese direkte Verbindung zwischen Herkunftsregion in China und Siedlungsgebiet in Südostasien zunehmend an Bedeutung.
2. Auslöser und Siedlungsbedingungen
Dies waren die primären, richtungsangebenden Aspekte der Siedlungsströme. Was aber waren die wichtigsten Auslöser?
Zunächst einmal waren es neben einer geographisch-expansiven Handelstätigkeit die zunehmend schlechte Lage auf dem Festland. Als Gründe hierfür sind u.a. zu nennen, die Taiping-Revolte[9], sowie die Aushöhlung der Strukturen durch die eindringenden Engländer (Opiumkrieg; 1840-42), in deren Folge gesellschaftliche Instabilität wuchs. Ein anderer Grund war aber auch die Perspektive eines erweiterten Arbeitsmarktes durch die Einbindung der südostasiatischen Region, sowie zunehmende Überbevölkerung in den Ballungszentren Südchinas.
Die meisten Chinesen, vor allem jene die aus wirtschaftlicher Opportunität nach Malaysia gekommen waren, wollten nach einer Zeit des Geldverdienens ihren Lebensabend - in Wohlstand wie sie hofften - wieder in China verbringen. Dennoch stellten die Chinesen Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts im heutigen Westmalaysia bereits rund 30% der Bevölkerung[10], wenn dieser Anteil auch ständig schwankte, besonders aber in den Jahren der massiven Anwerbung von Arbeitern gegen Ende des 19 Jahrhunderts stieg. Heidhues spricht hierbei von “Menschentransporten die einem Viehtransport ähnelten“.[11] Wenn auch die Mehrheit in der gleichen Periode wieder nach China zurückkehrte, so kamen ständig neue Immigranten aus China, die Ihren Platz einnahmen.
3. Weitere Entwicklungen im 19./20.-Jahrhundert
Als ein in der Hochkolonialphase bestehendes Reiseverbot und die Besiedlung außerhalb der Städte für Chinesen vielerorts abgeschafft wurde, löste das eine Besiedlungsbewegung Anfang des 20. Jahrhunderts in den ländlichen Gebieten aus, jedoch waren dies neue Immigranten und seltener Umsiedler aus den Städten.
Nachdem britisches Kolonial-Kapital den bisherigen Wirtschaftsbetrieb durch kapitalintensive, aufwendigere Produktionsverfahren in weiten Bereichen unrentabel werden ließ, kam es zu einer Zäsur des Erwerbsverhaltens der meisten Immigranten. Viele wechselten in den Kreditsektor oder wechselten vermehrt von der Produktion in den Handel. Diese neue Wirtschaftsweise löste weitere Einwanderungsströme aus. Um 1990 waren von 17,8 Mio. Einwohnern Malaysias rund 30% chinesischer Herkunft.[12]
Ein Ende der Einwanderung lässt sich um 1950 bestimmen, u. a. aufgrund der Abschottung Chinas nach außen. Zudem kehrten einige der ehemaligen Kulis nach China zurück, insbesondere nach Ende des zweiten Weltkrieges, bedingt durch die starken Modernisierungstendenzen. Jene die diese für sich nutzen konnten, blieben und waren oftmals erfolgreich.
Weil bemerkenswert, sei zuletzt erwähnt, dass die Volksrepublik China die Einbürgerung der Chinesen durch südostasiatische Aufnahmeländer erst in den siebziger Jahren anerkannte.
III. Organisation und Struktur der Chinesen in Malaysia
“The involvement of Southeast Asia’s Chinese minorities in commercial activities is their first and most important common characteristic.“[13]
[...]
[1] Heidhues 1974: Introduction, 1.
[2] Vennewald 1990: 34.
[3] Fortan wird – nachdem die unterschiedlichen Gruppen dargestellt wurden, für die der Begriff der Chinesen Verwendung findet – auf die Anführungszeichen verzichtet.
[4] Zur Vereinheitlichung von Ortsnamen wird im Folgenden stets die Deutsche Bezeichnung verwendet.
[5] Die Straits-Settlements, die noch auf die English East India Company zurückgehen, die sozusagen das Tor nach Malaysia für Großbritannien aufgestoßen hatte, wurden 1826 zu einer Kronkolonie zusammengefasst. Während die Straits-Settlements als Kronkolonie von den Briten direkt verwaltet wurden, unterstanden die weiteren neun Malaiischen Sultanate (Johore, Kedah, Kelantan, Negri Sembilan, Pahang, Perak, Perlis, Selangor und Trengganu) britischen Residenten, dessen Rat von den Sultanen einzuholen war. Brunei, Sarawak und Sabah in Nordborneo waren ab 1888 britisches Protektorat.
[6] Vennewald 1990: Kap.3 und Tabelle 35 im Anhang.
[7] Heidhues 1974: 4-7.
[8] Unter „Kulis“ werden die Minen- und Plantagenarbeiter in den Kolonien der Staaten Südostasiens verstanden die zu diesem Zweck angeworben wurden.
[9] Aufstandsbewegung in China (1850-64) die sich gegen die herrschende Dynastie richtete und unvergleichliche Verwüstung anrichtete, sowie schätzungsweise 30 Mio. Menschen das Leben kostete. Ziel neben dem Ende der Dynastie war eine vollkommene Gleichstellung aller. (vgl. CHINA, Staiger, Brunhild, 1980/Erdmann)
[10] Siehe Tabelle Schwinghammer 1998: 10. (→ o. Trengganu + Johore)
[11] Heidhues 1974: 16
[12] Heidhues in Südostasienhandbuch 1999: 365.
[13] Heidhues 1974: 8.
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