Das Ziel dieser Studie ist es, den Einfluss der Arbeitszeitautonomie auf das psychische Wohlbefinden, in Abhängigkeit der Selbstführungskompetenz, im Kontext des mobil-flexiblen Arbeitens zu ermitteln. Dazu wurden Daten eines Online-Befragungsbogens mit einer Bevölkerungsstichprobe (n=127) analysiert. Unter Verwendung einer hierarchischen Regression fand die Autorin heraus, dass steigende Arbeitszeitautonomie für die Probanden mit niedriger Selbstführungskompetenz mit sinkendem psychischem Wohlbefinden assoziiert ist, während das Wohlbefinden für die Gruppe mit hoher Selbstführungskompetenz konstant bleibt. Weitere Untersuchungsergebnisse zeigen, dass zunehmendes Alter einen positiven Effekt auf das subjektive Wohlbefinden hat. Insbesondere Alleinerziehende fühlen sich im mobilen Arbeiten wohler als Alleinstehende oder Paare ohne Kinder.
Als Folge des Lockdowns im Frühjahr 2020, welcher in Deutschland von der Bundesregierung aufgrund der COVID-19-Pandemie beschlossen wurde, mussten viele Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen plötzlich ihre Büroarbeit ins Homeoffice verlagern, um wirtschaftliche Aktivitäten der Organisationen aufrechtzuerhalten und gesundheitliche Risiken zu vermeiden. Mobil-flexible Arbeit ermöglicht ein orts- und zeitunabhängiges Arbeiten. Abend- und Wochenendarbeit sind in dieser Arbeitsform aufgrund von Arbeitszeitautonomie keine Seltenheit. Beim mobil-flexiblen Arbeiten verwischen die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitsalltag. Die Art und Weise der Arbeitsorganisation beeinflusst das Wohlbefinden. Entscheidend für die Beurteilung des Wohlbefindens ist die Selbst- und Fremdbestimmtheit der Arbeitszeitgestaltung. Dabei spielt insbesondere die Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie deren Beinflussbarkeit, eine bedeutende Rolle.
Inhaltsverzeichnis
Kurzfassung / Abstrakt
Inhaltsverzeichnis
Verzeichnisse
Abbildungsverzeichnis
Verzeichnis der Abkürzungen
1 Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Ziel und Forschungsfrage
1.3 Aufbau der Studie
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Disruptive Veränderung der Arbeitsorganisation in Unternehmen durch COVID-19
2.2 Digitale Transformation
2.3 Flexible Arbeitsformen - rechtliche Rahmenbedingungen
2.3.1 Begriffe
2.3.2 Arbeitsschutzrechtliche Vorgaben
2.3.3 Auswirkungen auf Mobilarbeit
2.3.4 Zeitliche und räumliche Flexibilität
2.4 Selbstführung
2.5 Das psychische Wohlbefinden
2.5.1 Hedonismus und Eudämonismus
2.5.2 Positive Psychologie
2.5.3 Wohlbefinden im organisationalen Kontext
3 Forschungsbedarf
3.1 Forschungslücke
3.2 Forschungsfrage
4 Methodik
4.1 Das Forschungsdesign
4.2 Erhobene Daten und Messinstrumente
4.2.1 Soziodemographische Daten
4.2.2 Arbeitszeitautonomie
4.2.3 Erfassung der Selbstführungskompetenz
4.2.4 Der Workplace-PERMA-Profiler
4.3 Die Untersuchungsdurchführung
4.4 Die Stichprobenbeschreibung
5 Ergebnisse
5.1 Zusammenhang von Wohlbefinden und Arbeitszeitautonomie
5.1.1 Deskriptive Statisitik für Autonomie und Wohlbefinden
5.1.2 Personen mit niedriger Selbstführungskompetenz
5.1.3 Personen mit hoher Selbstführungskompetenz
5.1.4 Vergleich beider Zusammenhänge
5.1.5 Vergleich der Werte für das Wohlbefinden beider Gruppen
5.2 Darstellung nach Alter, Geschlecht und Bildung
5.2.1 Darstellung nach Alter
5.2.2 Darstellung nach Geschlecht
5.2.3 Darstellung nach Bildungsgrad
5.2.4 Darstellung nach Familien- und Lebensform
5.2.5 Darstellung nach Beschäftigungsbereich
5.3 Zusammenfassung
6 Diskussion und Handlungsempfehlung
6.1 Einordnung der Ergebnisse für die Praxis
6.2 Handlungsempfehlungen
6.3 Einfluss soziodemografischer Faktoren auf das Wohlbefinden
6.4 Limitationen
7 Fazit und Ausblick
Anhang
Literaturverzeichnis
Verzeichnisse
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 : Veränderung der Arbeitslosenquote aller Erwerbstätigen in Deutschland gegenüber Vorjahr (2019) in Prozent im Vergleich zu 2020
Abbildung 2 : Rangfolge nach dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2020 (EUROPEAN COMMISSION 2021)
Abbildung 3: Komponenten des hedonistischem Wohlbefindens
Abbildung 4: Kerndimensionen des psychologischen Wohlbefindens und ihre theoretischen Grundlagen
Abbildung 5 : Domänen und Gegenstandsbereiche von Selbstführung
Abbildung 6 : Nutzung von Homeoffice bei berufstätigen Internetnutzer:innen.. 27 Abbildung 7 : Vergleich der Gruppen mit hoher und niedriger Selbstführungskompetenz
Abbildung 8 : Darstellung der Wohlbefinden-Werte in Abhängigkeit vom Alter der Personen
Abbildung 9 : Darstellung der Wohlbefinden-Werte in Abhängigkeit vom Alter der Personen, nur für die Männer
Abbildung 10 : Boxplots - Verteilung der Wohlbefinden-Werte für Männer und Frauen
Abbildung 11 : Flexplot: Verteilung der Werte des Wohlbefindens in den einzelnen Gruppen
Abbildung 12 : Mittelwerte des Wohlbefindens nach Familien- und Lebensform46 Abbildung 13 : Mittelwerte des Wohlbefindens nach Beschäftigungsbereichen.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 : Soziodemografika der Stichprobe
Tabelle 2 : Deskriptive Statistik für Arbeitszeitautonomie und Wohlbefinden, gesplittet nach niedriger und hoher Selbstführungskompetenz
Tabelle 3 : Abhängigkeit von Wohlbefinden und Arbeitszeitautonomie bei niedriger Selbstführungskompetenz
Tabelle 4: Abhängigkeit von Wohlbefinden und Arbeitszeitautonomie bei hoher Selbstführungskompetenz
Tabelle 5: Vergleich der Werte des Wohlbefindens beider Gruppen
Tabelle 6 : Wohlbefinden gesplittet nach Geschlecht, deskriptive Parameter
Tabelle 7 : Mittelwerte, Streuung und einfaktorielle Varianzanalyse des Wohlbefindens nach den Stufen der Bildungsabschlüsse
Verzeichnis der Abkürzungen
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kurzfassung / Abstrakt
Als Folge des Lockdowns im Frühjahr 2020, welcher in Deutschland von der Bundesregierung aufgrund der COVID-19-Pandemie beschlossen wurde, mussten viele Arbeitnehmer:innen plötzlich ihre Büroarbeit ins Homeoffice verlagern, um wirtschaftliche Aktivitäten der Organisationen aufrechtzuerhalten und gesundheitliche Risiken zu vermeiden. Das Ziel dieser Studie ist es, den Einfluss der Arbeitszeitautonomie auf das psychische Wohlbefinden, in Abhängigkeit der Selbstführungskompetenz, im Kontext des mobil-flexiblen Arbeitens zu ermitteln. Dazu wurden Daten des Online-Befragungsbogens mit einer Bevölkerungsstichprobe (n=127) analysiert. Unter Verwendung einer hierarchischen Regression fand die Autorin heraus, dass steigende Arbeitszeitautonomie für die Probanden mit niedriger Selbstführungskompetenz mit sinkendem psychischem Wohlbefinden assoziiert ist, während das Wohlbefinden für die Gruppe mit hoher Selbstführungskompetenz konstant bleibt. Weitere Untersuchungsergebnisse zeigen, dass zunehmendes Alter einen positiven Effekt auf das subjektive Wohlbefinden hat. Insbesondere Alleinerziehende fühlen sich im mobilen Arbeiten wohler als Alleinstehende oder Paare ohne Kinder.
1 Einleitung
Im folgenden Kapitel der Einleitung wird die Problemstellung und Relevanz des Themas erfasst und in die aktuelle Situation eingebettet. Die daraus hervorgehende Zielsetzung der Arbeit wird skizziert.
1.1 Problemstellung
In den letzten Jahren fand in Deutschland einer Abkehr von klassischen Arbeitsstrukturen und Arbeitszeitformen durch gesellschaftliche Entwicklungen wie Digitalisierung, Globalisierung und Wertewandel statt.
Während der Covid-19-Krise ist mobil-flexibles Arbeiten häufig zur Pflicht für viele Arbeitnehmer:innen geworden. Das tägliche Arbeitsleben spielt sich, durch die Corona-Pandemie, zunehmend entfernt vom Büro, wie z. B. Zuhause in den eigenen vier Wänden im „Homeoffice“, ab.
Mobil-flexible Arbeit ermöglicht ein orts- und zeitunabhängiges Arbeiten. Abend- und Wochenendarbeit sind in dieser Arbeitsform aufgrund von Arbeitszeitautonomie keine Seltenheit. Beim mobil-flexiblen Arbeiten verwischen die Grenzen zwischen Privatleben und Arbeitsalltag. Die Art und Weise der Arbeitsorganisation beeinflusst das Wohlbefinden. Entscheidend für die Beurteilung des Wohlbefindens ist die Selbst- und Fremdbestimmtheit der Arbeitszeitgestaltung (PIELE und PIELE 2017). Dabei spielt insbesondere die Dauer und Lage der Arbeitszeit sowie deren Beinflussbarkeit, eine bedeutende Rolle (BEERMANN 2017).
Einerseits ist die Flexibilität eine Ressource, um privaten Anforderungen gerecht zu werden, andererseits reglementiert das Arbeitszeitgesetz sie klar.
Die Arbeitsform des mobil-flexiblen Arbeitens bringt einige Vorteile mit sich. So können Pendelzeiten eingespart, der ökologische Fußabdruck verringert und die Möglichkeit einer Work-Life-Balance verbessert werden, indem die Koordination beruflicher und privater Verpflichtungen erleichtert werden.
Trotz der neu gewonnenen Autonomie und Selbstbestimmtheit kann manchmal die eigene psychische und physische Gesundheit zu kurz kommen. Um gesund, effizient und erfolgreich mobil-flexibel zu arbeiten, müssen daher gewohnte Struktu- ren aufgerissen und neue Denkweisen etabliert werden. Dabei stehen Selbstführung und Autonomie in einer Wechselbeziehung. Selbstführende Mitarbeitende haben ein höheres Niveau an Arbeitsengagement und effektiver Leistung, weil sie verbesserte kognitive Funktionen haben und ihre psychologischen Ressourcen effektiv nutzen können, um die gewünschten Ziele zu erreichen (HARUNAVAMWE et al. 2020).
1.2 Ziel und Forschungsfrage
Die Intention dieser Masterthesis ist es daher, die Auswirkungen von Arbeitszeitflexibilität im Rahmen des Arbeitszeitgesetzes auf das Wohlbefinden zu analysieren. Betrachtet werden nur Arbeitnehmer:innen, die mindestens zwei Tage wöchentlich mobil flexibel arbeiten.
Ausgehend von dieser Situation stellt sich die Frage, wie sich die Folgen fremdoder selbstbestimmter zeitlicher Flexibilität auf das Wohlbefinden der Arbeit- nehmer:innen in Abhängigkeit zu ihrer Selbstführungskompetenz auswirken.
In der Forschungsfrage werden Chancen, Risiken und Herausforderungen der Transformation klassischer Arbeitszeitstrukturen hin zu flexiblen Arbeitszeitstrukturen näher betrachtet. Dabei wird die Rolle der Selbstführungskompetenz für die Abhängigkeit des Wohlbefindens der Mitarbeitenden von deren Arbeitszeitautonomie beurteilt.
1.3 Aufbau der Studie
Die Basis der Überlegungen für die Konstruktion der anschließenden Studie leitet sich aus dem beschriebenen Problem und dem Ziel ab.
Das zweite Kapitel soll - anhand vorhandener Literatur - einen Überblick über aktuelle Veränderungen im Arbeitskontext der Corona-Pandemie, die zeitbezogene Flexibilisierung der Arbeitszeit und die Rolle der Selbstführungskompetenz sowie das daraus folgenden Wohlbefinden verschaffen.
Das dritte Kapitel widmet sich dem Forschungsbedarf und der daraus resultierenden Forschungsfrage.
Im vierten Kapitel soll eine quantitativ-explorative Studie mittels standardisiertem Fragebogen ermitteln, welche Auswirkungen die Arbeitszeitautonomie in Abhängigkeit von der Selbstführungskompetenz auf das Wohlbefinden von Arbeit- nehmer:innen hat. Das Kapitel widmet sich dem Aufbau des Fragebogens, der Erhebung der Probanden durch die Stichprobe, dem Untersuchungsdesign sowie der Untersuchungsdurchführung.
Im Fokus des fünften Kapitel stehen wesentliche Erkenntnisse. Zunächst werden dafür die deskriptiven Ergebnisse der Stichprobe dargestellt und im Anschluss beschreiben weiterführende Analysen besondere Ergebnisse bezüglich der erhobenen soziodemografischen Daten.
Das siebte Kapitel umfasst die Diskussion der Ergebnisse, vergleicht sie mit dem aktuellen Forschungsstand, um darauf aufbauend Handlungsempfehlungen zu geben. Es schließt mit einem Fazit und einem Ausblick auf die Zukunft.
2 Theoretischer Hintergrund
Die Corona-Pandemie wirkt als Katalysator des Megatrends Digitalisierung. Die Nutzung mobiler Endgeräte ermöglicht es, Tätigkeiten jederzeit und überall auszuführen. Diesen Trend gab es schon länger, jedoch hat es die Organisationen bisher noch nicht verstärkt in diese Richtung gezogen, ein weitergehender Impuls wurde durch das COVID-19 Virus ausgelöst. Diese „neue Normalität“ formt einen Pfad in die Zukunft unserer Gesellschaft.
Mobil-flexibel zu arbeiten ist allerdings in einigen Situationen des Privatlebens kaum möglich, je nachdem ob beispielsweise Kinder betreut werden müssen oder die Größe des Wohnraums nicht ausreicht. Das erfordert in der Zukunft die weitere Gestaltung von Arbeitsort und -zeit.
Die Gestaltung von Arbeits- und Privatleben hat durch diese neue Arbeitsform an Bedeutung gewonnen. Das Arbeitszeitgesetz steht an etlichen Stellen auf dem Prüfstand.
Auf Basis dieser Überlegungen werden in den folgenden Abschnitten die disruptive Veränderung der Arbeitsorganisation durch Corona, die digitale Transformation, die flexiblen Formen des Arbeitens sowie die Elemente Selbstführung und Wohlbefinden thematisiert.
2.1 Disruptive Veränderung der Arbeitsorganisation in Unternehmen durch COVID-19
Der Begriff „disruptiv“ leitet sich aus dem Englischen ab und wird übersetzt mit „zerstören, etwas Bestehendes auflösen“. Durch stark wachsende Innovationen können Vorgänge, Prozesse, Geschäftsmodelle oder ein gesamter Markt disruptiv verändert werden.
Die Coronakrise ist die schwerste Pandemie seit der Grippepandemie 1918/1920. Die wirtschaftlichen Folgen werden verglichen mit den ganz großen Krisen im Laufe des letzten Jahrhunderts, insbesondere mit der Depression der 1930er Jahre, aber auch mit der weltweiten Finanzkrise 2008. Die Krise zeigt, dass die Bedeutung der Digitalisierung noch viel schneller und stärker zunimmt als vorher angenommen und prognostiziert.
Die durch die Covid-19-Pandemie verursachte Disruption ist beispiellos, und die daraus resultierenden wirtschaftlichen und sozialen Maßnahmen haben zu massiven Veränderungen geführt (KRISHNAMURTHY 2020). Um die Ausbreitung des Virus einzudämmen, haben Regierungen auf der ganzen Welt soziale Distanzierungsmaßnahmen, Abriegelungen und die Einstellung persönlicher Kontakte außerhalb des unmittelbaren Haushalts verhängt. Die Pandemie hatte somit massive Auswirkungen auf die Organisationen. Innerhalb weniger Wochen mussten Unternehmen ihre Aktivitäten komplett auf ein Online-Arbeits-Szenario umstellen.
Diese disruptiven Entwicklungen führten zu Verwerfungen am Arbeitsmarkt, wie die Abbildung 1 zeigt. So verzeichnete die Personengruppe ohne Berufsausbildung das höchste Wachstum der Arbeitslosenquote. Gering-qualifizierte und Ungelernte sind wahrscheinlich die Verlierer der Transformation. Aber auch bereits erworbene Qualifikationen verlieren schneller an Wert, was die Bedeutung der Notwendigkeit für ein lebenslanges Lernen unterstreicht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1 : Veränderung der Arbeitslosenquote aller Erwerbstätigen in Deutschland gegenüber Vorjahr (2019) in Prozent im Vergleich zu 2020 (BUNDESAGENTUR FÜR ARBEIT 2021)
Die Folgen der COVID-19-Pandemie für die Arbeitnehmer:innen spiegeln sich u. a. in neuen Formen der Arbeit wie dem mobil-flexiblen Arbeiten wider. Der Ausbruch von COVID-19 rund um den Globus zwang Unternehmen dazu, innovativ zu sein und ihre Arbeitsweise zu ändern. Büros haben an Bedeutung verloren und die Arbeit von zu Hause aus wurde plötzlich obligatorisch. Dieses Bedürfnis nach Arbeit von zu Hause aus treibt die digitalen Fähigkeiten der Belegschaft und die Entwicklung der Arbeitsumgebung mit noch nie dagewesener Geschwindigkeit voran. Die massenhafte Einführung mobiler Arbeit ist eine einschneidende geschäftliche Veränderung. Innerhalb weniger Tage nach dem Ausbruch der Krankheit wurde die Arbeit von zu Hause aus, die bis dahin nur sporadisch von Unternehmen und Organisationen praktiziert wurde, zur Pflicht - eine Frage des physischen und finanziellen Überlebens. Um die Ausbreitung des Virus zu verhindern und die Arbeitnehmer:innen zu schützen, wiesen Regierungen auf der ganzen Welt die Arbeitgeber an, ihre Büros zu schließen und den Arbeitnehmer:innen Gelegenheit zu geben, von zu Hause aus zu arbeiten - also mobile Arbeit zu leisten.
Um die Pandemie einzudämmen beschloss der Deutsche Bundestag im März 2020 eine Pflicht für Arbeitgeber, Homeoffice, überall dort, wo es möglich ist, anzubieten (BUNDESREGIERUNG 2021). Ein Großteil der Mitarbeitenden ist dabei dem mobil-flexiblen Arbeiten positiv aufgeschlossen. Gründe dafür sind insbesondere die freie Zeiteinteilung, die Flexibilität von Ort und im Umgang mit der Zeit (KELLNER et al. 2020).
Die flächendeckende schnelle Einführung mobil-flexiblen Arbeitens hat Auswirkungen auf die gewohnten Arbeitsstrukturen, z. B. das Kommunizieren, das Interagieren mit Kolleg:innen und die Arbeitszeitverteilung. Die COVID-19-Pandemie ist ein singuläres Ereignis, das die Arbeitswelt neu ausrichtet. Ihre Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Lebensgrundlagen der Menschen hat das Konzept der digitalen Transformation in den Fokus gerückt. Dies gilt insbesondere für stark betroffene Belegschaften. Weil mobiles Arbeiten unumgänglich wurde, mussten neue Arbeitsmodelle entwickelt und eingesetzt werden. Begriffe wie Telearbeit, Teleworking, Arbeiten von zu Hause aus, Arbeiten in der Ferne, virtuelles Arbeiten, EWork, E-Commuting, mobiles Arbeiten, flexibler Arbeitsplatz, digitale Nomaden wurden verwendet, um die aktuellen Arbeitsformen zu beschreiben und die digitale Transformation der Belegschaften anzustoßen.
2.2 Digitale Transformation
Für den Ausdruck „Digitale Transformation“ gibt es gegenwärtig noch keine allgemeingültige Definition (SCHALLMO und RUSNJAK 2017, S. 3). Den Begriff erklärt die DMK E-Business GmbH dahingehend: „Die Digitale Transformation ist der Veränderungsprozess in Gesellschaft und Unternehmen durch digitale Technologien. Im engeren Sinn für Organisationen: Ausrichtung von Prozessen, Produkten, Dienstleistungen und Geschäftsmodellen an die Bedingungen einer vollständig vernetzten digitalen Welt.“ (DMK E-BUSINESS 2021)
Die digitale Transformation umfasst gesamtgesellschaftliche, soziale, wirtschaftliche und ethische Aspekte, die das Leben immer mehr beeinflussen. In dem Maße, wie sich Individuen zunehmend dem digitalen Leben anpassen, ist auch die Wirtschaft angehalten, mit der Zeit zu gehen, um den Anschluss an Nutzer, Entwicklungen und nicht zuletzt an die Weltökonomie nicht zu verlieren.
Da Covid-19 leicht von Mensch zu Mensch übertragbar ist, mussten sich Unternehmen auf eine digitale Transformationsreise begeben, die den Menschen in den Mittelpunkt stellt und die Einführung von Technologien priorisiert, um die Sicherheit und das Wohlbefinden der Menschen zu gewährleisten. Die Coronavirus-Pande- mie hat Unternehmen in eine neue Realität gezwungen und zu einer digitalen Transformation der Arbeitswelt geführt. Eine große Auswirkung der Pandemie auf die Belegschaften von Unternehmen waren Forderungen nach sozialer (physischer) Distanz und der damit verbundene Lockdown. Unternehmen mussten sich auf virtuelle Arbeitsumgebungen einstellen, um die Mitarbeiter vor dem Virus zu schützen. Die digitale Transformation wurde beschleunigt, da neue Technologien eingesetzt, Geschäftsmodelle und Arbeitsumgebungen verändert werden. Covid-19 ermöglichte eine digitale Transformation, die den Menschen, die Art und Weise, wie er arbeitet und den Einfluss auf seine tägliche Arbeitszeit (GRUIA et al. 2020) in den Mittelpunkt stellt.
Die neue Arbeitswelt wird laut Dahik et al. (2020) eine Mischung aus Büro- und Heimarbeit sein, was zu einem Hybridmodell führt. Infolgedessen müssen Unternehmen Technologien und digitale Infrastrukturen implementieren, um die soziale Konnektivität von Remote-Arbeit zu unterstützen. Auch für das Wohlbefinden der Mitarbeitenden ist es wichtig, einige Bürotätigkeiten in einer virtuellen Umgebung zu replizieren. Unternehmen müssen die Möglichkeiten der Technologie nutzen, um die Sicherheit und das Wohlbefinden der Mitarbeiter:innen in den Vordergrund zu stellen.
Schon vor dem Coronavirus wurde viel über die Zukunft der Arbeit diskutiert und darüber, wie sich die Arbeitswelt durch die Automatisierung verändert. Jetzt kann man davon ausgehen, dass durch die Pandemie der Automatisierungsprozess der Arbeitswelt beschleunigt wurde und die digitale Transformation in einem schnelleren Tempo stattfindet. Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Kluft, die sich durch Covid-19 zwischen gering- und hochqualifizierten Arbeitskräften vergrößert hat (AARTS et al. 2021). Die starke Ausbreitung dieser Infektionskrankheit hat die Unternehmen gezwungen, Maßnahmen zu ergreifen, um die Risiken der neuen Arbeitsumgebungen zu mindern. Es wird davon ausgegangen, dass sich für digitale Organisationen und Unternehmen mit durchgängig computerisierten Geschäftsprozessen, der Wandel hin zu hybriden Arbeitsformen auch nach dieser Zeit fortsetzen wird. Diese Pandemie, mit großen Auswirkungen auf die Unternehmen, hat den digitalen Transformationsprozess beschleunigt, da jeder Geschäftsbereich nach Möglichkeit digital wird, um den physischen Kontakt zwischen Menschen zu minimieren. Da die Menschheit diese Phase durchläuft, wird es weiterhin Veränderungen geben und neue technologische und Geschäftsmodell-Innovationen werden auftreten (GRUIA et al. 2020).
Der Megatrend Digitalisierung hat aufgrund neuer Technologien einen fundamentalen Wandel der Arbeitswelt ausgelöst. Deutschland hatte sich bisher lt. DESI (Maß der Digitalisierung von Wirtschaft und Gesellschaft) nur im Mittelfeld der 28 EU Mitgliedsstaaten bewegt. Corona hat deutlich gezeigt, wie in Abbildung 2 dargestellt, dass Deutschland in Rückstand geraten ist und nunmehr den Zwang hat, zu interagieren.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2 : Rangfolge nach dem Index für die digitale Wirtschaft und Gesellschaft (DESI) 2020 (EUROPEAN COMMISSION 2021)
Hindernisse gibt es bei den deutschen Unternehmen unter anderem aufgrund mangelnder Akzeptanz der Digitalisierung durch die Belegschaften (29 Prozent der Unternehmen gaben dies als Hürde an) sowie wegen des Mangels an Fachkräften mit Digitalkompetenz (28 Prozent) (BITKOM e. V. 2017).
Viele Unternehmen sehen große Potentiale in der Digitalisierung, aber auch Herausforderungen, wie die Aus- und Weiterbildung der Arbeitnehmer:innen. Durch den digitalen Strukturwandel müssen viele Beschäftigte in andere Bereiche bzw. Berufe wechseln (ELEARNING JOURNAL 2020).
2.3 Flexible Arbeitsformen - rechtliche Rahmenbedingungen
2.3.1 Begriffe
Vielfach werden Begriffe wie "Homeoffice", "Telearbeit" und "mobiles Arbeiten" synonym verwendet. Es ist jedoch zu differenzieren.
Der Begriff "Homeoffice" ist ein umgangssprachlicher Begriff, der in keinem Gesetz und auch in keiner Verordnung verwendet wird. In dieser Arbeit wird in einem erweiterten Sinn Homeoffice als Synonym für Mobilarbeit verwendet.
Der Begriff "Telearbeit" findet sich in § 2 Abs. 7 der Arbeitsstättenverordnung. Danach sind "Telearbeitsplätze vom Arbeitgeber fest eingerichtete Bildschirmarbeitsplätze im Privatbereich der Beschäftigten, für die der Arbeitgeber eine mit den Beschäftigten vereinbarte wöchentliche Arbeitszeit und die Dauer der Einrichtung festgelegt hat. Ein Telearbeitsplatz ist vom Arbeitgeber erst dann eingerichtet, wenn Arbeitgeber und Beschäftigte die Bedingungen der Telearbeit arbeitsvertraglich oder im Rahmen einer Vereinbarung festgelegt haben und die benötigte Ausstattung des Telearbeitsplatzes mit Mobiliar, Arbeitsmitteln einschließlich der Kommunikationseinrichtungen durch den Arbeitgeber oder eine von ihm beauftragte Person im Privatbereich des Beschäftigten bereitgestellt und installiert ist.“ (PIEPER 2019).
Aus der Arbeitsstättenverordnung folgt kein Anspruch einer Arbeitnehmer:in auf einen Telearbeitsplatz bzw. eine Tätigkeit im "Homeoffice". Vielmehr sieht die Verordnung die Festlegung des Telearbeitsplatzes durch eine Vereinbarung vor.
Lediglich in der Corona-Pandemie hat der Gesetzgeber zeitlich befristet bis zum 30.06.2021 als Maßnahme zur Kontaktreduktion im Betrieb einen Anspruch der Beschäftigten auf eine Tätigkeit außerhalb des Betriebs normiert, ohne allerdings den Begriff "Homeoffice" zu verwenden. Nach § 2 Abs. 4 SARS-CoV-2-Arbeits- schutzverordnung hatte „der Arbeitgeber den Beschäftigten im Fall von Büroarbeit oder vergleichbaren Tätigkeiten anzubieten, diese Tätigkeiten in deren Wohnung auszuführen, wenn keine zwingenden betriebsbedingten Gründe entgegenstehen.“ (BMAS 2021)
Von der "Telearbeit" ist die "mobile Arbeit" zu unterscheiden.
Bei der "mobilen Arbeit" erbringt der Beschäftigte seine Arbeitsleistung mittels eines mobilen Endgeräts von einem beliebigen Ort außerhalb des Betriebs aus. Das kann, muss aber nicht, seine Wohnung sein. Der Beschäftigte darf im Grundsatz seinen Arbeitsort autonom bestimmen. Die Gesetzesbegründung zur Arbeitsstättenverordnung enthält folgende Begriffsbestimmung:
"Mobiles Arbeiten (gelegentliches Arbeiten von zu Hause aus oder während der Reisetätigkeit, Abrufen von E-Mails nach Feierabend außerhalb des Unternehmens, Arbeit zu Hause ohne eingerichteten Bildschirmarbeitsplatz usw.) unterliegt nicht der Arbeitsstättenverordnung; es handelt sich dabei nicht um Telearbeit im Sinne der Verordnung. Mobiles Arbeiten ist vielmehr ein Arbeitsmodell, das den Beschäftigten neben der Tätigkeit im Büro noch Arbeiten außerhalb der regulären Arbeitszeit zu Hause oder unterwegs ermöglicht (ständige Zugangsmöglichkeit über Kommunikationsmittel zum Unternehmen/Betrieb)." (BUNDESRAT 2016) Ein Anspruch auf mobiles Arbeiten existiert ebenso wenig wie ein Anspruch auf einen "Telearbeitsplatz" bzw. einen "Homeoffice-Arbeitsplatz".
Es bedarf also in jedem Fall einer Vereinbarung zwischen der Arbeitgeberseite und dem Beschäftigten.
Der Koalitionsvertrag für die laufende 19. Legislaturperiode sieht vor, einen rechtlichen Rahmen für mobile Arbeit zu schaffen. Der erste Gesetzentwurf vom 05.10.2020 sah einen verbindlichen Rechtsanspruch für Arbeitnehmer:innen auf mindestens 24 Tage pro Jahr für mobiles Arbeiten vor (GIESEN 2021). Das Kanzleramt hat den Entwurf mit der Begründung abgelehnt, er sei für die weitere Abstimmung zwischen den Bundesministerien nicht geeignet, weil der Koalitionsvertrag keinen Anspruch auf Home-Office vorsehe. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) hat daraufhin einen neuen Referentenentwurf vom 14.01.2021 vorgelegt. Statt eines verbindlichen Rechtsanspruchs auf mobile Arbeit soll es nur noch eine Erörterungspflicht zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer über die mobile Arbeit geben (GIESEN 2021).
2.3.2 Arbeitsschutzrechtliche Vorgaben
Das Arbeitszeitgesetz hat den Zweck, „die Sicherheit und den Gesundheitsschutz der Arbeitnehmer in der Bundesrepublik Deutschland... zu gewährleisten und die Rahmenbedingungen für flexible Arbeitszeiten zu verbessern“ (BMAS 2018, S. 46). Es knüpft an den Begriff der Arbeitszeit an. Dieser wird als „die Zeit vom Beginn bis zum Ende der Arbeit ohne die Ruhepausen“ definiert (BMAS 2018, S. 46). Daraus folgt, dass das Arbeitszeitgesetz uneingeschränkt auch für alle Formen des flexiblen bzw. mobilen Arbeitens gilt.
Da der Zweck des Gesetzes die Sicherheit und der Gesundheitsschutz der Beschäftigten ist, dürfen diese nicht auf die arbeitszeitrechtlichen Vorgaben verzichten, indem sie beispielsweise ohne Ruhepause freiwillig durcharbeiten, um früher Feierabend zu machen. Das Gesetz schützt die Beschäftigten insofern auch vor sich selbst.
Dies vorausgeschickt sind die Vorgaben nach dem Arbeitszeitgesetz, die auch für mobiles Arbeiten gelten, die folgenden:
(a) Ruhepausen
„Die Arbeit ist durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 6 bis 9 Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit von mehr als 9 Stunden insgesamt zu unterbrechen. Die Ruhepausen können in Zeitabschnitte von jeweils mindestens 15 Minuten aufgeteilt werden. Länger als sechs Stunden hintereinander dürfen Arbeitnehmer nicht ohne Ruhepause beschäftigt werden“ (BMAS 2018, S. 46-47).
Daraus folgt, dass auch beim mobilen Arbeiten die Ruhepause im Voraus feststehen muss, und dass der Arbeitgeber zumindest kontrollieren muss, dass der Beschäftigte seine gesetzlichen Ruhepausen auch tatsächlich nimmt.
(b) Höchstarbeitszeit
„Die werktägliche (Montag bis Samstag) Arbeitszeit der Arbeitnehmer darf 8 Stunden nicht überschreiten. Sie kann auf bis zu 10 Stunden nur verlängert werden, wenn innerhalb von sechs Kalendermonaten oder innerhalb von 24 Wochen im Durchschnitt 8 Stunden werktäglich nicht überschritten werden“ (BMAS 2018, S. 46).
Ein Mobilarbeitnehmer darf also, wenn er in einer 5-Tage-Arbeitswoche tätig ist, durchschnittlich 9,6 Stunden pro Tag mobil arbeiten. In einer 4-Tage-Woche könnte ein Mobilarbeitnehmer bis zu 10 Stunden pro Arbeitstag arbeiten.
Nach § 16 Abs. 2 S. 1 ArbZG ist ein „Arbeitgeber verpflichtet, die über die werktägliche Arbeitszeit des § 3 S. 1 ArbZG hinausgehende Arbeitszeit der Arbeitnehmer aufzuzeichnen und ein Verzeichnis der Arbeitnehmer zu führen.“ (BMAS 2018, S. 64) .
Arbeitet ein mobiler Arbeitnehmer also über 8 Stunden werktäglich, sind diese Zeiten von Gesetzes wegen festzuhalten.
(c) Ruhezeit
„Die Arbeitnehmer müssen nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben“ (BMAS 2018, S. 47).
Die Ruhezeit muss an einem Stück gewährt werden. Es ist nicht zulässig, die Ruhezeit in mehrere kürzere Ruhezeiten aufzuteilen, selbst wenn diese in der Summe elf oder mehr Stunden betragen (OLG Karlsruhe).
2.3.3 Auswirkungen auf Mobilarbeit
Da es sich bei dem Arbeitszeitgesetz um ein Schutzrecht für Arbeitnehmer:innen handelt, sind die dortigen Regelungen nicht zu Lasten der Beschäftigten veränderbar. Jede noch so freiwillige oder geringfügige Arbeitsleistung, z. B. das Lesen einer dienstlichen E-Mail, ist daher bei der Berechnung der täglichen oder wöchentlichen Höchstarbeitszeit zu berücksichtigen (KÖRLINGS 2019).
Der Arbeitgeber, der die Einhaltung der Ruhepausen zu überwachen hat, ist gut beraten, dem Mobilarbeitnehmer auch bei einer Arbeitszeit von weniger als 9 Stunden per sé mindestens 45 Minuten Ruhepause i. S. d. § 4 ArbZG zu gewähren (BMAS 2018).
Erheblich problematischer erscheint die Umsetzung der gesetzlichen Ruhezeitregelung, da pro 24 Stunden elf Stunden für jede Arbeitstätigkeit, nach vorherrschender Meinung auch für geringfügige Tätigkeiten, gesperrt sind, z. B. darf beim Lesen einer E-Mail um 23 Uhr der Arbeitsbeginn nicht vor 10 Uhr des Folgetages liegen.
2.3.4 Zeitliche und räumliche Flexibilität
Zeitliche und räumliche Flexibilität stehen in einem komplexen Verhältnis zum Wohlbefinden.
Zeitliche Flexibilität
In der Literatur finden sich mehrere Konzepte, die die Kontrolle oder Handlungsfähigkeit von Arbeitnehmer:innen in Bezug auf die Flexibilität am Arbeitsplatz betonen. Autonomie beinhaltet die Fähigkeit, die eigene Zeit (Anfangs- und Endzeiten der Schichten, Pausen, freie Tage, Urlaub und die Gesamtzahl der Arbeitsstunden) sowie den Arbeitsort so zu kontrollieren, dass sie den individuellen Bedürfnissen entsprechen und eine zufriedenstellende Work-Life-Balance erreicht werden kann (MOEN et al. 2008). Jeffrey Hill et al. (2008) definieren ein ähnliches Konzept, nämlich die Arbeitsplatzflexibilität als die Fähigkeit von Arbeitnehmern, Entscheidungen zu treffen, die beeinflussen, wann, wo und wie lange sie sich mit arbeitsbezogenen Aufgaben beschäftigen. Da Autonomie die Anpassung der Arbeitszeit an Verpflichtungen, Bedürfnisse und Aktivitäten im Privatleben ermöglicht, wird erwartet, dass sie ein besseres Gleichgewicht zwischen Arbeit und Nicht-Arbeit fördert (FAGAN et al. 2012). Basierend auf meta-analytischen Untersuchungen kommt Byron (2005) zu dem Schluss, dass individuelle Zeitplanflexibilität negativ mit Konflikten zwischen Arbeit und Familie zusammenhängt. Hughes und Parkes (2007) fanden heraus, dass eine hohe individuelle Arbeitszeitkontrolle die negativen Auswirkungen längerer Arbeitszeiten auf die Beziehungen zwischen Arbeit und Familie abpuffert.
Räumliche Flexibilität
Frühere Studien zeigen, dass sich die bezahlte Arbeit vorwiegend in den traditionellen Arbeitsorten, also in der Fabrik und im Büro, bewegte. Weniger als 3 % der Erwerbstätigen in der EU arbeiteten 2007 ganz oder fast die ganze Zeit von zu Hause (PARENT-THIRION et al. 2007). 2019 lag der Anteil der Erwerbstätigen in Deutschland, die wenigstens manchmal mobil-flexibel arbeiteten bei 13% und damit noch unter dem EU-Durchschnitt von 16% (GARNADT et al. 2020, S. 10). Erst im Februar 2021 betrug der Anteil der Erwerbstätigen, die ab und zu im Homeoffice arbeiteten, 49% (siehe Abbildung 6).
Ein viel diskutiertes Thema ist die Auswirkung der räumlichen Flexibilität auf die Zufriedenheit und das Wohlbefinden in Bezug auf das Familienleben und die Betreuung von Kindern. Die Ansicht, Telearbeit oder Homeoffice habe das Potenzial, die Work-Life-Balance zu verbessern, basiert häufig, entweder implizit oder explizit, auf der Idee, räumliche Flexibilität biete größere Autonomie. Es wird argumentiert, dass räumliche Flexibilität und die Möglichkeit, zu Hause zu arbeiten, für die Analyse der Work-Life-Balance von zentraler Bedeutung sind (FELSTEAD et al. 2002).
Die kritischen Ansichten betonen jedoch, dass der Einzug der Arbeit in die private Sphäre die familiären Beziehungen zwischen Partnern und Kindern negativ beeinflussen kann, da die gleichzeitige Anforderung besteht, sowohl der beruflichen als auch der häuslichen Rolle nachzukommen (MARUYAMA und TIETZE 2012).
In einer europäischen Studie stellen Anttila et al. (2015) fest, dass insbesondere die Flexibilität der Arbeitszeit nicht nur positive Konnotationen für den Einzelnen und seine Familie hat. Ein Vergleich verschiedener Arbeitszeitdimensionen ist notwendig, um die unterschiedlichen Auswirkungen der Arbeitszeitautonomie auf die Work-Life-Balance zu erfassen. Im Gegensatz dazu aber war die räumliche Flexibilität nicht mit der wahrgenommenen Work-Life-Balance verbunden. Dies steht im Einklang mit der bestehenden Literatur (Maruyama und Tietze, 2012; SULLIVAN 2012).
Die dargestellten Ergebnisse rechtfertigen die Aussage, dass eine Kombination von zeitlicher und räumlicher Flexibilität nicht zwingend positiv mit dem Wohlbefinden der Mitarbeitenden korreliert.
2.4 Selbstführung
Das 21. Jahrhundert zeichnet sich durch immer schnellere Veränderungen aus. Wirtschaftliche, gesellschaftliche und technologische Veränderungsprozesse werden weniger berechenbar. Dabei veraltet Wissen immer schneller. Die Wirtschaft bedient sich, um diesen Sachverhalt beschreiben zu können, des Akronyms VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity und Ambiguity). Eine bedeutende Ressource dabei ist, sich selbst führen zu können, um sich diesem Wandel erfolgreich anpassen zu können (KARCH und MÜLLER 2020, S. 13).
Das klassische Büro schafft externe Rahmenbedingungen, um die tägliche Arbeit zu strukturieren und sicherzustellen. Diese Struktur bricht in einem Vollzeit-Home- Office weg und muss von dem Mitarbeitenden selbst geschaffen werden. Das mobil-flexible Arbeiten bietet mehr Autonomie und Gestaltungsspielraum einerseits, andererseits erfordert es mehr Organisation und Disziplin. Sich selbst stärker zu führen gewinnt an Bedeutung. Mitarbeitende sind darüber hinaus als Folge der Job-Autonomie stärker auf ihre eigenen kognitiven und verhaltensbezogenen Selbstbeeinflussungsstrategien angewiesen, da die externen Anweisungen und Hinweise fehlen, Entscheidungen müssen eigenständig getroffen werden. Hacker und Weth (2008) weisen darauf hin, dass bei neuartigen Ausführungsbedingungen bewährte Routinen oder vorhandenes Wissen für die Ausführung von zielgerichteten willentlichen Tätigkeiten, wie z. B. bei der abrupten Umstellung der Büroarbeit ins Homeoffice, nicht mehr ausreichen. Denkleistungen müssen die Regulation unterstützen, um erforderliche Entscheidungen in den Handlungsphasen selbständig treffen zu können.
Selbstführung basiert auf verschiedenen theoretischen Hintergründen. Viele dieser Theorien gehen davon aus, dass Selbstführung die Grundlage jeglicher Führung ist, was die Notwendigkeit verdeutlicht, ihre Bedeutung zu verstehen.
Die Theorie über Selbstführung hat in den letzten Jahren eine beachtliche Aufmerksamkeit bei Führungskräften und Wissenschaftlern erlangt. Sie hat ihren Ursprung in den 1980er Jahren in den Vereinigten Staaten. Die Grundlage bilden verschiedene Theorien der Selbstbeeinflussung und Selbstregulation, aber auch Facetten der Persönlichkeitsentwicklung und emotionaler Intelligenz. International gibt es inzwischen viele Untersuchungen, die alle zu einem Ergebnis führen: Selbstführung ist eine Fähigkeit, die ausgebildet und geübt werden kann (KARCH und MÜLLER 2020, S. 19).
Basierend auf zahlreichen Studien und Beratungen von Mitarbeitenden und Führungskräften in vielen Arbeitsumgebungen, auf vielen Organisationsebenen, legen Manz und Sims drei Grundannahmen zur Selbstführung zugrunde. Erstens: Jeder praktiziert bis zu einem gewissen Grad Selbstführung, aber nicht jeder ist ein effektiver Selbstführer. Zweitens: Effektive Selbstführung kann erlernt werden und ist daher nicht auf Personen beschränkt, die sich als "geborene" Selbststarter, selbstgesteuert oder selbstmotiviert beschreiben. Drittens: ist Selbstführung für Führungskräfte, Manager und Nicht-Manager gleichermaßen relevant - also für jeden, der arbeitet. (MANZ und SIMS 2001, S. 78)
Houghton und Neck definieren Selbstführung als „Selbstbeeinflussung zur Bestimmung der Vorgehensweise und der Förderung der eigenen Motivation, um wünschenswertes Verhalten und eine erstrebenswerte Leistung zu erreichen.“ (2002, S. 672)
Müller und Braun weisen darauf hin, dass Selbstführung über Selbstmanagement hinausgeht. Während Selbstmanagement sich in erster Linie an vorgegebenen Zielen orientiert und selbstbestimmtes Handeln weitgehend operativ und instrumentell versteht, inkludiert Selbstführung eine Ausrichtung an eigenen Visionen, Präferenzen und Perspektiven. Sie definieren Selbstführung als „einen Prozess, der sich primär in Personen abspielt. Personen führen sich selbst, indem sie, von für sie bedeutsamen Visionen und Zielvorstellungen geleitet, eine befriedigende individuelle und soziale Identität entwickeln möchten. Geführt werden «innere Mitarbeiter», bei denen es sich um psychische Potenziale und Ressourcen handelt, die bewusst aktiviert und absichtsvoll genutzt werden, um selbst gesetzte Ziele häufiger, schneller und mit besseren Ergebnissen erreichen zu können.“ (MÜLLER und BRAUN 2009, S. 13)
Der theoretische Hintergrund zeigt, dass Selbstführung in jedem Individuum steckt, aber wie Individuen diese Fähigkeiten erkennen, nutzen und entwickeln, kann sehr unterschiedlich sein.
Untersuchungen zeigen, dass Selbstführung mit zahlreichen positiven Auswirkungen einhergeht, zu denen Arbeitszufriedenheit, Selbstwirksamkeit, Arbeitsleistung, Stressresistenz sowie Kreativität, Leistungsbereitschaft und Eigeninitiative zählen (NECK et al. 2019, S. 6). Unternehmen nutzen organisatorische und administrative Arbeitsweisen, die immer höhere Anforderungen an die Flexibilität der Mitarbeitenden stellen, auf Selbstorganisation und -disziplin aufbauen und so deren Kontrolle über die Erledigung ihrer täglichen Arbeitsaufgaben erhöhen. Diese Arbeitsweisen bieten Chancen für persönliches Wachstum und die Koordination von Arbeits- und Privatleben. Die daraus resultierenden Anforderungen an die zunehmende Autonomie und Selbstorganisation können aber die Kapazitäten der Mitarbeitenden überfordern, zur Belastung werden und Stress auslösen. Darüber hinaus reagieren Mitarbeitende zunehmend selbstausbeuterisch auf hohe Arbeitsbelastungen und große Anforderungen an die Selbstorganisation. Dies beeinträchtigt ihr Wohlbefinden (MUHR et al.).
2.5 Das psychische Wohlbefinden
Die WHO betrachtet den Begriff Gesundheit aus salutogenetischer Perspektive als "... ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und nicht nur das Fehlen von Krankheit oder Gebrechen" (WHO 2006, S. 1). In ihrer Definition werden verschiedene Dimensionen der Gesundheit betrachtet, biologische, psychologische und soziale Faktoren. Die psychische Gesundheit ist dabei ein Teilaspekt des Gesundheitsbegriffs und wird von der WHO als ein „Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, die normalen Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und etwas zu ihrer Gemeinschaft beitragen kann“ (WORLD HEALTH ORGANIZATION, S. 1), definiert.
Die Bezeichnung psychische Gesundheit (psychological health) und psychisches Wohlbefinden (psychological well-being) werden weitgehend gleichbedeutend verwendet. Das psychische Wohlbefinden ist ein wesentlicher Bestandteil der Fähigkeit eines Menschen, ein erfülltes Leben zu führen, einschließlich der Fähigkeit, Beziehungen aufzubauen und zu pflegen, zu studieren, zu arbeiten oder Freizeitinteressen nachzugehen und alltägliche Entscheidungen z. B. über Bildung, Beschäftigung oder Wohnen zu treffen.
Das psychische Wohlbefinden kann in hedonistische und eudämonistische Ansätze eingeteilt werden. (RYAN und DECI 2001)
2.5.1 Hedonismus und Eudämonismus
Zum Wohlbefinden gibt es zwei Forschungsansätze. Der eine Ansatz betrachtet Wohlbefinden als hedonistisches (oder auch subjektives) Wohlbefinden. Der Hedonismus zählt zu den ältesten Glückstheorien. Hier geht es um eine Perspektive, die ein subjektives Wohlbefinden der Individuen selbst ausmacht. Man fragt die Menschen „Wie geht es euch?“ Die Antworten darauf sind die Antworten auf die Frage, ob sie ein hohes Wohlbefinden haben. Dazu zählen die positiven Komponenten wie Freude, Glücklichsein oder Zufriedenheit.
Das subjektive Wohlbefinden (Subjective well-being) beinhaltet eine generelle Bewertung der Lebensqualität einer Person aus ihrer eigenen Perspektive (DIENER et al. 2018). Es setzt sich aus einer kognitiven Komponente, der Einschätzung, wie zufrieden ist der Mensch mit seinem Leben (Lebenszufriedenheit) und der emotionalen (affektiven) Komponente, die die Häufigkeit positiver Emotionen und die Seltenheit negativer Emotionen umfasst (Grundstimmung/Lebensgefühl), zusammen (siehe Abbildung 3).
Menschen, die eine Vielzahl von positive Emotionen erfahren, erleben nicht notwendigerweise weniger negative Emotionen. Positives Wohlbefinden ist nicht die Abwesenheit negativer Emotionen.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 3: Komponenten des hedonistischem Wohlbefindens (eigene Darstellung, angelehnt an DIENER et al. 1999)
Eine zweite Perspektive schaut sich dies etwas ganzheitlicher an. Sie nennt sich eudämonisches Wohlbefinden . Im Zentrum der eudämonischen Glücksdefinition steht, dass Individuen ein wahres Selbst haben und ob sie mit dem wahren Selbst in Kongruenz leben. Durch die Erfüllung der grundlegenden psychologischen Bedürfnisse nach Autonomie, Kompetenz und sozialer Eingebundenheit entstehen als Nebenprodukt positive Gefühle.
Die eudämonische Perspektive umfasst die Untersuchung von Konstrukten und Prozessen, die mit optimalem psychologischen Funktionieren zusammenhängen, wie z. B. Sinn und Zweck im Leben, Charakterstärken, persönliches Wachstum, Resilienz, Optimismus, Hoffnung und Selbstbestimmtheit.
Bereits in seiner Arbeit „Nikomachische Ethik“, geschrieben 350 v. Chr., erklärte Aristoteles, dass das höchste aller durch menschliches Handeln erreichbaren Güter ''Eudaimonia'' sei, was mit „Glückseligkeit" übersetzt werden kann.
Ryff und Singer beschrieben den eudämonischen Ansatz „Erkenne dich selbst und werde, was du bist.“ Sie veranschaulichten im Folgenden die Kernelemente und theoretischen Grundlagen des psychologischen Wohlbefindens (s. Abbildung 4):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 4: Kerndimensionen des psychologischen Wohlbefindens und ihre theoretischen Grund-lagen (RYFF und SINGER 2008)
Eudämonie und Hedonismus sind nach wie vor zeitgemäße Theorien, die in Gestalt von subjektivem und psychologischem Wohlbefinden als Grundstein in die positive Psychologie eingegangen sind. Der hedonistische Ansatz steht allerdings in der Kritik, in der Erhebung von Wohlbefinden zu eindimensional zu sein. In Anlehnung an Aristoteles schlug Seligman (2004) ursprünglich vor, dass die drei wesentlichen Elemente des Wohlbefindens oder "authentischen Glücks" Vergnügen, Engagement und Bedeutung sind. In einer späteren Arbeit bietet er zwei weitere Elemente an - Beziehungen und Vollendung (SELIGMAN 2011). Durch eine leichte Modifikation von Aristoteles' Frage „Was ist das Gute, das wir um unser selbst willen wählen und nicht weil es einen Beitrag zu etwas anderem leistet, das wir schätzen?“ kommt Seligman zu der Frage „Was sind die "Elemente", die freie Menschen um ihrer selbst willen wählen?“ Nach Seligman sind diese fünf Elemente mit dem Akronym PERMA ( P ositive Emotions, E ngagement, R elationships, M eaning und A chievement) "die beste Annäherung an das, was Menschen um ihrer selbst willen verfolgen" (2011, S. 97), und definieren zusammen das Wohlbefinden.
Forgeard et al. (2011) empfehlen, aufgrund der vielschichtigen Natur des Wohlbefindens ebenfalls objektive und subjektive Faktoren zur Messung heranzuziehen und heben daher die Bedeutung des PERMA-Modells hervor, welches beide Ansätze integriert.
Das von Martin Seligman entwickelte PERMA-Modell und seine Theorien prägen den Wissenschaftszweig der Positiven Psychologie. Im Folgenden wird darauf näher eingegangen.
2.5.2 Positive Psychologie
Positive Psychologie beschäftigt sich mit der Forschungsfrage, wie Menschen kognitiv emotional und psychosozial aufblühen, wie sie sich wohlbefindlich fühlen und entwickeln können. „Positive Psychologie ist das Wohlbefinden, der Königsweg zum Messen des Wohlbefindens ist das Aufblühen des Einzelnen und das Ziel der Positiven Psychologie besteht darin, dieses Aufblühen zu verstärken.“ (SELIGMAN 2015, 29f)
Diese Forschungsrichtung implementierte Martin Seligman. Er hielt dazu im Jahre 1999 eine Grundsatzrede vor der American Psychology Association. Dabei sagte er, die Gesellschaft brauche eine Abkehr von der Defizitorientierung, also der Suche nach Entstehung und Entwicklung einer Krankheit. Um das Leben der Menschen zu verbessern, brauche es eine neu ausgerichtete Wissenschaft, die das Verständnis und den Aufbau der positivsten Eigenschaften eines Individuums hervorhebt: Optimismus, Mut, Arbeitsethik, Zukunftsorientierung, zwischenmenschliche Fähigkeiten, die Fähigkeit zur Freude und Einsicht und soziale Verantwortung (SELIGMAN 1999).
Die positive Psychologie beschäftigt sich mit dem Wohlbefinden und dem damit verbundenen Aufblühen des Menschen. Sie hat ihre Befunde aus theoretischen Konzepten, theoretischen Grundlegungen und deren empirischer Überprüfung. Sie ist eine rein empirische Wissenschaft, die sich auf Erfahrungen und systematische Beobachtung stützt, d. h. es kann wissenschaftlich gesagt werden, welche Faktoren das Wohlbefinden der Menschen steigern und in welchem Lebenskontext sich Menschen tatsächlich wohlbefindlich fühlen. Ihr liegt ein fünfgliedriges Schema zu Grunde, das PERMA-Modell. Perma steht für die angloamerikanischen Begriffe: Positive Emotions (P), Engagement (E), Relationships (R), Meaning (M) und Accomplishment (A).
Es gibt also fünf Bereiche, an denen Wohlbefinden ausgerichtet werden kann, die empirisch belegt sind und zum Aufblühen von Individuen durch die Verstärkung dieser führen können.
Positive Gefühle (Positive Emotions) umfassen verschiedenste Emotionen, wie Glück, Freude, Dankbarkeit, Hoffnung und Zufriedenheit.
Engagement und Motivation (Engagement) sind grundlegende Faktoren, um Lebenszufriedenheit aufbauen zu können.
Positive Beziehungen (Relationships) beschreibt das Konstrukt sozialer Beziehungen. Wesentlich ist, positive Beziehungen zu finden, zu halten und zu leben. Menschen brauchen ein unterstützendes Umfeld, um Wohlbefinden leben zu können und aufzublühen.
Der vierte Faktor Sinn (Meaning) verlangt, eine Sinnhaftigkeit in Lebenskontexten wie Arbeits- und Lernkontexten zu finden, und zwar in dem, was man macht und in dem, was man lebt. Das ist grundlegend, um die Motivation zu stützen, um das Selbstwirksamkeitsgefühl zu stabilisieren.
Zielerreichung (Accomplishment) beinhaltet das Gefühl, auf Ziele hinzuarbeiten und diese zu erreichen sowie die Fähigkeit, Aufgaben effektiv zu meistern und zu beherrschen. Menschen brauchen das Gefühl, Dinge vorangebracht zu haben oder zu sehen, dass diese sich entwickeln. Oder wenn man sich auf die Fortschritte fokussiert und feststellt, es ist besser als beim letzten Mal. Wenn Menschen sich als wirksam erleben, steigert sich ihr Wohlbefinden.
2.5.3 Wohlbefinden im organisationalen Kontext
Weniger als die Hälfte aller Beschäftigten weltweit arbeiten in Unternehmen, die Gesundheit und Wohlbefinden aktiv fördern. Noch weniger arbeiten für Unternehmen, die Wohlbefinden als strategisches Instrument betrachten, das einen echten Mehrwert für das Umsatzwachstum und den Gewinn darstellt. Zahlreiche Studien und Untersuchungen legen jedoch nahe, dass Wohlbefinden ein äußerst wirkungsvolles Element ist, das wichtig für das Engagement der Mitarbeitenden, die Produktivität des Unternehmens, die Bindung von Talenten sowie für Kreativität und Innovation sein kann. (DORNAN 2010)
Im organisationalen Kontext haben sich einige Modelle, wie das PERMA-Modell (siehe Kap. 2.5.2), die Self Determination Theory und das Job-Demand-Resour- ces-Modell bewährt, die den Entstehungsprozess von Wohlbefinden erklären.
Self Determination Theory (SDT): Mit der Selbstbestimmungstheorie unterscheiden Deci und Ryan intrinsische und extrinsische Motivation. Für die intrinsische Motivation benennen sie drei bedeutsame psychologische Bedürfnisse: die Faktoren Selbstbestimmung, Kompetenz und soziale Eingebundenheit. Werden alle drei Faktoren befriedigt, führt das zum Wohlbefinden des Individuums. Werden die Ziele, Normen und Handlungsstrategien, mit denen sich ein Individuum identifiziert, in ein kohärentes Selbstkonzept integriert, sprechen Deci und Ryan von integrierter Regulation. Integriert regulierte Handlungen sowie intrinsisch motivierte Handlungen haben einen internalen, den höchsten Grad der Selbstbestimmung (CENTER FOR SELF-DETERMINATION THEORY 2021).
Die Grundlage des Job-Demand-Ressource-Modells (JD-R) sind die Arbeitsanforderungen auf der einen Seite und die Arbeitsressourcen auf der anderen. Im Falle nicht optimaler Arbeitsanforderungen bzw. ihrer Häufung besteht die Gefahr der Erschöpfung oder auch des Burnouts (Gesundheitsbelastungen). Nicht passende Arbeitsressourcen führen zur Distanzierung der Mitarbeitenden von der eigenen Arbeit (motivationaler Prozess). Beide Arbeitsmerkmale haben nicht nur eigenständige Effekte auf das Wohlbefinden, sondern beeinflussen sich auch gegenseitig. Arbeitsanforderungen können physischer, sozialer und organisatorischer Natur sein. Sie sind negativ und wirken belastend, wenn die Bewältigung von Arbeitsanforderungen hoher Anstrengung bedarf und sich Arbeitnehmerinnen nicht mehr ausreichend erholen können. Sie spielen eine zentrale Rolle, können zu Burnout und Gesundheitsproblemen, aber auch zu potenziell negativen organisatorischen Ergebnissen wie der Absicht, die Organisation zu verlassen, führen. Arbeitsressourcen sind Bedingungen, die Arbeitsprozesse ermöglichen oder vereinfachen und Wachstum/Entwicklung anregen. Eine Erhöhung der Ressourcen, die körperlicher, psychologischer, sozialer oder organisationaler Art sein können, beispielsweise Partizipation, Selbstbestimmung, Aufgabenvielfalt, Sinn- haftigkeit, führen zu mehr Engagement und Wohlbefinden am Arbeitsplatz (SCHAUFELI und BAKKER 2004).
Die SDT sieht die Faktoren Selbstbestimmung, Kompetenz und soziale Eingebundenheit, die sich auch als PERMA-Komponenten wiedererkennen lassen, als ursächlich für Motivation und Wohlbefinden. Das JD-R-Modell definiert bestimmte Arbeitsanforderungen und -ressourcen und deren Interagieren als Ursachen, womit auf Engagement und Wohlbefinden als Resultat beeinflusst werden. Das PERMA-Modell bezieht die Arbeitsanforderungen nicht ein. Es sieht jedes Element als Bestandteil von Wohlbefinden. Butler und Kern (2016) verglichen in ihrer Studie mehrere Modelle zum Wohlbefinden, woraus das PERMA-Modell mit seiner fünffaktoriellen Struktur als das angemessenste Modell resultierte.
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- Quote paper
- Manuela Faber (Author), 2021, Arbeitszeitautonomie und Wohlbefinden im mobil-flexiblen Arbeiten. Auswirkungen für Arbeitnehmer/innen in Abhängigkeit von der Selbstführungskompetenz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1141089
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