Diese Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Dokumentation in der Sozialen Arbeit. Dabei wird der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Salzburg (Österreich) näher betrachtet. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen sorgen dafür, dass die Kinder- und JugendhilfeträgerInnen der einzelnen Bundesländer in Österreich eine Leistungsdokumentation führen müssen. Obwohl der Dokumentation viel Bedeutung beigemessen wird, gibt es in der Literatur nur wenige Forschungsbeiträge zu diesem Thema.
Mit Hilfe eines Online-Fragebogens, der an ausgewählte PartnerInnen der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg ausgesendet wurde, konnte die aktuelle Dokumentationspraxis in Salzburg erstmals erhoben werden. Im Zuge der Untersuchung wurden Herausforderungen und Probleme der gegenwärtigen Dokumentationsweise ersichtlich, die zu verschiedenen Handlungsempfehlungen für die Praxis führten. Technische Innovationen, wie das sprachbetriebene Dokumentationssystem MobiDic, können den anspruchsvollen Rahmenbedingungen der Kinder- und Jugendhilfe gerecht werden und die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen berücksichtigen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
1.1. Ausgangslage
1.2. Forschungsfrage und Zielsetzung
1.3. Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise
1.4. Relevanz und Bezug zu Sozialer Innovation
2. Begriffsklärung, Geltungsraum und angewandte Methode
2.1. Definition Dokumentation
2.2. Geltungsraum Soziale Arbeit und Kinder- und Jugendhilfe Salzburg
2.3. Ermittlung des Veränderungsbedarfs und angewandte Methode
3. Theorie und Rahmenbedingungen
3.1. Warum wird in der Sozialen Arbeit dokumentiert?
3.1.1. Informationsfunktion
3.1.2. Argumentationsfunktion
3.1.3. Reflexionsfunktion
3.1.4. Arbeitsorganisierende Funktion
3.1.5. Legitimationsfunktion
3.1.6. Verpflichtungsfunktion
3.1.7. Evaluationsfunktion
3.1.8. Sozialplanungsfunktion
3.1.9. Weitere Funktionen und Ziele von Dokumentation
3.1.10. Zusammenfassung der Funktionen und Ziele von Dokumentation
3.2. Rahmenbedingungen der Dokumentation in der Sozialen Arbeit
3.3. Rechtlicher Rahmen
3.3.1. Grundlegendes und Entstehungsgeschichte
3.3.2. Bundesebene
3.3.3. Landesebene
3.4. Datenschutz
3.4.1. Allgemein
3.4.2. Verschwiegenheitspflicht
3.4.3. Auskunftsrechte und Datenverarbeitung
3.5. Digitalisierung der Dokumentation
3.6. Zwischenfazit: Professionalisierung der Dokumentation
4. Exkurs „MobiDic“ als alternatives Dokumentationssystem
4.1. Bezug, Vorgeschichte und Werdegang
4.2. Was ist MobiDic?
4.2.1. Time. Quality. Mobility
4.2.2. Wie funktioniert MobiDic?
4.3. MobiDic – die Zukunft der Dokumentation?
5. Methode
5.1. Forschungsdesign
5.2. Online Fragebogen
5.3. Inhalt der Fragen / Items
5.4. Kategorisierung von Erhebungsmerkmalen
5.5. Zielgruppe, Stichprobe und Repräsentativität
5.6. Kriterien der Teilnahme an der Umfrage und nähere Beschreibung der Stichprobe
5.7. Pretest, Aussendung und Rücklauf
5.8. Auswertungsverfahren
6. Ergebnisse
6.1. Teilnahme und Rücklaufquote
6.2. Demografie – Angaben zur Person und Anstellungsverhältnis
6.3. Dokumentationsweise und Rahmenbedingungen
6.4. Praktikabilität von Dokumentationskonzepten und digitalen Systemen
6.5. Dokumentationsaufwand
6.6. Stimmungsbild der MitarbeiterInnen gegenüber der aktuellen Dokumentationspraxis
6.7. Veränderungsbedarf
7. Fazit und Ausblick
7.1. Formulierung des IST-Zustandes der Dokumentationspraxis in der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg
7.2. Handlungsempfehlungen für die Praxis
7.2.1. Schaffung einheitlicher Systeme
7.2.2. Optimierung von digitalen Lösungen
7.2.3. Dokumentations-Konzepte und Leitfäden erstellen oder überarbeiten
7.2.4. MobiDic als mögliche Alternative
7.3. Abschließendes Resümee und Anregungen für weitere Forschungen
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Anhang A: Zuordnung der Fragebogenitems zu den Kategorien
Anhang B: Aufschlüsselung des Dokumentationsaufwandes
Anhang C: Online-Fragebogen
Zusammenfassung
Die vorliegende Masterarbeit beschäftigt sich mit dem Thema der Dokumentation in der Sozialen Arbeit. Dabei wird der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg näher betrachtet. Die Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen sorgen dafür, dass die Kinder- und JugendhilfeträgerInnen der einzelnen Bundesländer in Österreich eine Leistungsdokumentation führen müssen. Obwohl der Dokumentation viel Bedeutung beigemessen wird, gibt es in der Literatur nur wenige Forschungsbeiträge zu diesem Thema.
Mit Hilfe eines Online-Fragebogens, der an ausgewählte PartnerInnen der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg ausgesendet wird, kann die aktuelle Dokumentationspraxis in Salzburg erstmals erhoben werden. Im Zuge der Untersuchung werden Herausforderungen und Probleme der gegenwärtigen Dokumentationsweise ersichtlich, die zu verschiedenen Handlungsempfehlungen für die Praxis führen. Technische Innovationen, wie das sprachbetriebene Dokumentationssystem MobiDic, können den anspruchsvollen Rahmenbedingungen der Kinder- und Jugendhilfe gerecht werden und die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen berücksichtigen.
Schlüsselwörter: Dokumentation, Leistungsdokumentation, Kinder- und Jugendhilfe, Dokumentationspraxis, Technische Innovation, sprachbetriebene Dokumentationssysteme, MobiDic
Abstract
This master's thesis deals with the topic of documentation in social work. The area of child and youth welfare Salzburg is considered closer. The regulations of the Federal Law on the Principles of Assistance for Families and Educational Aids ensure that the child and youth welfare agencies of the individual federal states in Austria have to provide a performance-documentation. Although the documentation is given much importance, there are few publications in the literature on this topic.
With the help of an online questionnaire, which is sent out to selected partners of the child and youth welfare Salzburg, the current documentation practice in Salzburg can be ascertained for the first time. The investigation shows challenges and problems of the current way of documentation, which lead to different recommendations for practice. Technical innovations, such as the voice-operated documentation system MobiDic, can meet the challenging requirements of child and youth welfare and take the needs of employees into account.
Keywords: documentation, performance documentation, child and youth welfare, documentation practice, technical innovation, language-operated documentation systems, MobiDic
Danksagung
Ein herzliches Dankeschön geht an meine Betreuerin, Mag. Dr. Daniela Molzbichler, die mich bei meinem Vorhaben, über ein derartiges Thema zu schreiben, sehr unterstützt hat und sich viel Zeit für meine Anliegen genommen hat.
Ich bedanke mich bei meinen großartigen Teammitgliedern von MobiDic, die gemeinsam eine anfängliche Idee zu einem innovativen Produkt entwickelt haben. Lena, Elias, Luca und Michael, dank euers Engagements und eurer Unterstützung konnte das Projekt weiter wachsen und große Aufmerksamkeit erzeugen.
Ein besonderer Dank gilt meiner Mutter, die mich auf meinem Weg Richtung Masterabschluss stets begleitet und unterstützt hat.
Danke an meine guten Freunde, die mir in der Zeit des Schreibens Motivation geschenkt haben und mich in seltenen Fällen auch von der Arbeit ablenken konnten.
1. Einleitung
Die Soziale Arbeit kämpft seit langer Zeit mit dem Ansehen ihrer Profession. Der von außen kommende ökonomische Druck auf soziale Einrichtungen und Dienste nimmt ständig zu. Um auf dem Markt bestehen zu können, müssen sich die Einrichtungen an die geforderten Kriterien der Wirtschaftlichkeit, Effizienz und Effektivität anpassen, da die Leistungen der Sozialen Arbeit vielfach öffentlich ausgeschrieben werden. Die Leistungsvereinbarungen unterliegen strengen Wirkungskontrollen und müssen anhand einer Dokumentation nachgewiesen werden können (Lutz, 2008, S. 3f). Die Dokumentation spielt in der Sozialen Arbeit also eine wesentliche Rolle für die Qualitätsüberprüfung und Legitimation der Profession. Der hohe Stellenwert der Dokumentation in der Sozialen Arbeit wird durch die Gesetzgebung in Österreich verdeutlicht. So kommt es, dass in verschiedenen Bereichen der Sozialen Arbeit gesetzliche Bestimmungen zur Dokumentation vorgegeben werden. Im Kinder- und Jugendhilfegesetz etwa, dem viele in Österreich ansässigen Einrichtungen in der Sozialen Arbeit unterstellt sind, wird bereits auf Bundesebene die Notwendigkeit einer Dokumentation verankert (B-KJHG, 2013, §9).
Weil das Thema der Dokumentation in der Sozialen Arbeit so wichtig ist und es gleichzeitig wenige Evaluationen und Erkenntnisse diesbezüglich gibt, versuche ich mit dieser Arbeit einen Teil der offenen Lücke zu schließen. Das Thema wird in der Literatur nur wenig behandelt und erhält insgesamt wenig Aufmerksamkeit, was bereits Timms (1972, S. 12f) kritisierte. Viele AutorInnen nehmen die Dokumentation in der Sozialen Arbeit einfach hin, ohne darüber zu diskutieren und gehen nicht auf die damit einhergehenden Probleme ein (ebd.). Auch Trede & Henes (2018, S. 5) müssen in einem der wenigen Sammelwerke zum Thema der Dokumentation feststellen, wie wenig bislang über das Thema nachgedacht wurde, obwohl die Dokumentation doch als Ausweis von Professionalität in der pädagogischen Arbeit gilt. Sie vermuten die Nicht-Thematisierung der Dokumentation findet statt, weil sie einen eher unbeliebten Teil der Arbeit für SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen darstellt (ebd.). Auch O’Rourke (2010) muss als Konklusion ihrer Recherche feststellen, dass die Dokumentation in der Literatur der Sozialen Arbeit vernachlässigt und vermieden wird. Das Thema wird trotz seiner Wichtigkeit nicht einmal in Handbüchern wie „Handbuch Sozialer Arbeit“ von Otto & Thiersch (2011) erläutert, dort fehlen wesentliche Begriffe wie Berichterstattung, Aktenführung oder eben Dokumentation. Es ist also generell festzuhalten, dass es rund um die Dokumentation wenig Forschung und Literatur gibt, was äußerst bedenklich ist, da vor allem in der Sozialen Arbeit die Aufzeichnungen von Fachkräften als Teil der Lebensgeschichte der KlientInnen gelten und für Straf- und Zivilverfahren ausschlaggebend sein können (Wilkins, 2013, S. 1). Das Festhalten von Sachverhalten ist ein wesentlicher Bestandteil in der Sozialen Arbeit und nimmt einen großen Teil der Arbeitszeit in Anspruch. Bereits vor 20 Jahren hat Ames (1999, S. 228) geschätzt, dass SozialarbeiterInnen etwa 10 - 60 % ihrer täglichen Arbeitszeit für derartige Tätigkeiten verwenden. Sie erkannte bereits den enormen Aufwand, der mit der Dokumentationsarbeit verbunden ist, und dennoch haben sich seither nur wenige AutorInnen mit der Dokumentationspraxis beschäftigt, die sich mittlerweile stark verändern hat. Der Zeitaufwand scheint sich auch Jahre später nicht zu verringern, im Gegenteil, denn viele SozialarbeiterInnen sehen sich mit einem erhöhten Dokumentationsaufwand konfrontiert und haben gleichzeitig weniger Zeit zur Verfügung (Diebäcker, Ranftler, Strahner & Wolfgruber, 2009, S. 5). Für den Dokumentations- und Verwaltungsaufwand werden durchschnittlich rund 1/5 der Zeitressourcen verwendet (Mayrhofer & Raab-Steiner, 2007, S. 85). Dokumentation erfüllt eine Vielzahl an Funktionen (siehe Kapitel 3.1) und dient als Controlling-Instrument1 für soziale Einrichtungen. Damit wird versucht, dem ökonomischen Druck gerecht zu werden und Soziale Arbeit messbar und quantifizierbar zu machen.
Sich einem Thema zu widmen, welchem so viel Bedeutung zugemessen wird und gleichzeitig bislang so wenig behandelt und bearbeitet wurde, ist mir ein besonderes Anliegen. Im Rahmen des Studiums „Soziale Innovation“ an der Fachhochschule Salzburg wird den Studierenden vermittelt auf gesellschaftliche Herausforderungen des 21. Jahrhunderts zu reagieren (FH Salzburg, 2019a, o.S.). Die Dokumentation kann als moderne Herausforderung der Arbeitswelt angesehen werden. Technische Innovationen, wie sie beispielsweise in Kapitel 4 anhand des Projekts „MobiDic“ beschrieben werden, können den hohen Ansprüchen einer professionellen Dokumentation gerecht werden und auf die damit einhergehenden Probleme reagieren.
Vor allem in Österreich fehlen wichtige wissenschaftlichen Erkenntnisse zum Thema der Dokumentation in der Sozialen Arbeit. Es gibt diesbezüglich kaum Untersuchungen oder Evaluationen. Deshalb wird mit der vorliegenden Arbeit versucht, einen Beitrag zur weiteren Erforschung des Feldes rund um die Dokumentation in der Sozialen Arbeit zu leisten. Dabei fokussiert sich die vorliegende Masterthesis auf das Bundesland Salzburg. Die aktuelle Dokumentationspraxis der Kinder- und Jugendhilfe im Bundesland Salzburg soll hiermit erstmals näher beleuchten werden. Dazu wird ein IST-Zustand formuliert, um in weiterer Folge die aktuellen Probleme und Herausforderungen aufzuzeigen und Handlungsempfehlungen für die Praxis zu geben.
Um einen ersten Überblick über die aktuelle Lage der Dokumentationspraxis in der Sozialen Arbeit zu bekommen, wird im Folgenden die Ausgangslage geklärt und der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Salzburg zunächst mit Zahlen veranschaulicht.
1.1. Ausgangslage
Bislang gibt es noch keine offiziellen Zahlen was den bürokratischen Arbeitsaufwand bzw. den Dokumentationsaufwand in Salzburg angeht. Es gibt keine Erhebungen darüber, wie viele soziale Einrichtungen in Salzburg dokumentieren. Auch in spezifischeren Bereichen wie der Kinder- und Jugendhilfe, auf welchen der Fokus dieser Arbeit gelegt wird, gibt es generell noch wenig Forschungsbeiträge in Österreich, was auch von Höllmüller & Schmid (2017, S. 57) kritisiert und gefordert wird. Die beiden Autoren meinen, dass bislang kein Interesse an der Forschung in der Kinder- und Jugendhilfe besteht. Man kann aber anhand der Daten von Statistik Austria erahnen wie viele Einrichtungen in Salzburg dokumentieren. Im Folgenden wird ein kleiner Überblick über die aktuellen Zahlen aus der Kinder- und Jugendhilfestatistik 2017 gegeben.
In Salzburg erhielten 2017 insgesamt 1984 Kinder und Jugendliche eine Unterstützung der Erziehung. Unterstützung der Erziehung wird gewährt, wenn eine Kindeswohlgefährdung2 vorliegt bzw. durch die Maßnahme Gefährdungen im Wohnumfeld verhindert werden können. (Statistik Austria, 2018, S. 13f). Neben der Unterstützung der Erziehung erfasst die Kinder- und Jugendhilfestatistik auch die Anzahl an Kindern und Jugendlichen, die im Rahmen der Vollen Erziehung betreut werden. Volle Erziehung erfolgt meist durch eine auf Dauer angelegte Betreuung in teilstationären oder stationären sozialpädagogischen Wohnformen.
2017 befanden sich in Salzburg 784 Kinder und Jugendliche im Rahmen der Vollen Erziehung (Statistik Austria, 2018, S. 20). Von diesen sind 553 in sozialpädagogischen Einrichtungen untergebracht gewesen und der Rest (29,5 %) lebte bei Pflegepersonen (ebd., S. 25). Die fremduntergebrachten Kinder und Jugendlichen wurden 2017 in insgesamt 46 bewilligten sozialpädagogischen Einrichtungen untergebracht (ebd., S. 32). Darunter zählen Wohneinrichtungen mit 24-Stunden-Betreuung und Wohnplätze für betreutes Wohnen. Hinzu kommen noch Hilfen für junge Erwachsene, die im Jahr 2017 67 Personen zwischen 18 und 21 Jahren durch ambulante Angebote gewährt wurden und 172 jungen Erwachsenen in Form von stationärer Hilfe angeboten wurde (ebd., S. 27f). In der mobilen Jugendarbeit/ Streetwork gab es 2017 2555 Einzelfallberatungen und Betreuungen (ebd., S. 44) und es wurden 3867 Kinder und Jugendliche im Rahmen des Sozialen Dienstes betreut (ebd. S. 49). Die Salzburger Kinder- und Jugendhilfe bietet 38 verschiedene Angebote und Leistungen an. Das Angebot der Kinder- und Jugendhilfe ist also sehr vielschichtig. Neben den stationären und ambulanten Angeboten werden auch zahlreiche Kurse, Beratungen und Gruppenaktivitäten offeriert. Im Jahr 2016 gab es über 6.000 Kurse, Beratungen und Aktivitäten, an denen 40.244 Teilnahmen angemeldet wurden (Land Salzburg, 2018, S. 127). Der für diese Arbeit interessante Bereich ist allerdings jener, der die Erziehungshilfen betrifft. Denn diese Bereiche sind vor allem mit der Dokumentation konfrontiert. „Zur unmittelbaren Durchführung der Erziehungshilfen werden private Kinder- und Jugendhilfeorganisationen herangezogen, wenn sie nach Ziel und Ausstattung dazu geeignet sind. Sie erfüllen im Auftrag des Landes Salzburg Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe“ (Land Salzburg, 2018, S. 141). Die privaten Kinder- und Jugendhilfeorganisationen, welche auch die Grundlage dieser Studie bilden, werden im Kapitel 2.2 genannt.
Die Erziehungshilfen im Land Salzburg nehmen jährlich zu, wie Abbildung 1 zeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.1: Erziehungshilfen im Land Salzburg (Land Salzburg, 2018, S. 143)
Diese Zahlen sollen einen die Größe der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg veranschaulichen. Konkrete Zahlen über den Dokumentationsaufwand oder administrative- bzw. bürokratische Tätigkeiten gibt es für Salzburg, wie bereits erwähnt, noch nicht. Es gibt außerdem keine exakten Angaben über die MitarbeiterInnenanzahl in der Kinder- und Jugendhilfe. Wie schwierig es generell ist, Zahlen über die Größe des sozialen Sektors zu erhalten, zeigt die kürzlich erschienene „Berufsbiografien im sozialen Sektor – Studie“ (BeSo-Studie). In ganz Österreich fehlen spezifische Daten zur Bestimmung des Berufsbildes der Sozialen Arbeit (Schüll, Berner & Jakob, 2018, S.12). Um die Größe eines Sektors bestimmen zu können, müssen eigene Wege zur Identifikation von Näherungswerten gefunden werden (ebd.). In der Studie konnte so ein Näherungswert von 1500 - 2000 angestellten Personen im Sozialen Sektor ermittelt werden (ebd., S.14). Die großen Einrichtungen des Landes Salzburg beschäftigen ca. 915,5 Vollzeitäquivalente, das entspricht 1106 sozialarbeiterisch tätigen Personen (ebd., S. 15). Diese Zahlen beziehen sich jedoch auf den gesamten Sozialen Sektor in Salzburg. Für die Kinder- und Jugendhilfe fehlen derartige Näherungswerte noch.
Neben der Einschätzung wie groß der Bereich der Kinder- und Jugendhilfe ist und wie viele Einrichtungen mit Dokumentation konfrontiert sein könnten, ist es auch relevant zu wissen, unter welchen Umständen und Rahmenbedingungen Dokumentation erfolgt.
Der sozialarbeiterische Alltag ist geprägt von vielen Einflüssen und schwierigen Situationen, die rasche und professionelle Handlungen von den Fachkräften verlangen. Neben den erzieherischen Betreuungstätigkeiten, stehen zahlreiche bürokratische Tätigkeiten auf dem Tagesplan der SozialarbeiterInnen. Dazu zählen unter anderem Berichte jeglicher Art zu verfassen, Ausfüllen diverser Formulare und das Erledigen diverser Bürotätigkeiten, wie etwa der Emailverkehr. Neben diesen Tätigkeiten steht auch noch die täglich anfallende Dokumentation über verschiedenste Vorkommnisse, Interventionen und Entwicklungen der KlientInnen an. Vor allem die Dokumentation nimmt im Arbeitsalltag viel Zeit in Anspruch. Wie bereits in der Einleitung erwähnt, verwenden SozialarbeiterInnen 1/5 ihrer Arbeitszeit für Dokumentations- und Verwaltungsaufgaben. Im Sozialbereich ist die aufgebrachte Zeit für bürokratische Tätigkeiten besonders kritisch zu betrachten und sollte sich auf ein Minimum reduzieren, denn die dafür verwendete Zeit fehlt letztendlich bei der eigentlichen Betreuungsarbeit der KlientInnen (Ofsted, 2010, S. 13). Gesetzliche Rahmenbedingungen aber auch eine professionelle und qualitativ hochwertige Arbeitsweise verlangen eine Dokumentation, die verschiedenste Anforderungen erfüllen muss. Es ergibt sich also ein Konflikt den SozialarbeiterInnen täglich, neben den alltäglichen Herausforderungen des Berufes, zusätzlich lösen müssen. Diese Ansprüche stellen eine hohe Belastung für die Fachkräfte dar und können dazu führen, dass die im Sozialbereich tätigen Personen schneller überfordert sind.
In einer Studie aus England, die 2010 bei SozialarbeiterInnen durchgeführt wurde, zeigte sich besonders bei neuen SozialarbeiterInnen eine Überforderung mit der Falllast. Knapp die Hälfte der 452 befragten Personen, die als neu qualifizierte SozialarbeiterInnen eingestuft wurden, geben an, dass sie dem Schutz von Kindern und Jugendlichen nicht nachkommen können, da die Arbeitslast zu hoch ist (Ofsted, 2010, S. 10). Diese Ergebnisse decken sich mit der aktuellsten Sozialarbeits-Studie von 2014-2015 aus Großbritannien, durchgeführt von Liquid Personnel, bei der 1571 SozialarbeiterInnen aus unterschiedlichen Bereich befragt wurden. Hier geben knapp die Hälfte (46 %) der Personen an, dass sie die Falllast nicht bewältigen können (Liquid Personnel & Munro, 2015, S. 17). Außerdem bestätigen 66 % der TeilnehmerInnen, dass sich die Arbeitslast in den letzten 12 Monaten erhöht hat (ebd., S. 18). Bei steigender Falllast werden SozialarbeiterInnen gleichzeitig mit Kürzungen konfrontiert. So wird etwa das Verwaltungspersonal gekürzt, was für 89 % der antwortenden Personen einen negativen Effekt hat, da dies für die SozialarbeiterInnen mehr administrativen Aufwand bedeutet und in weiterer Folge weniger Zeit für die Arbeit im Feld bleibt (ebd., S. 7). Abbildung 2 zeigt die negativen Auswirkungen der Kürzungen des Verwaltungspersonals auf die SozialarbeiterInnen:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.2: Auswirkungen von Kürzungen des Verwaltungspersonals (Liquid Personnel & Munro, 2015, S. 7)
Es gibt Angaben darüber, dass die Fachkräfte beispielsweise Berichte in ihrer Freizeit schreiben müssen, da die reguläre Arbeitszeit dazu nicht ausreicht, was auch gesundheitlich bedenklich ist (Ofsted, 2010, S.10). 46 % der 4141 befragten Personen gaben an, dass sie nicht genug Zeit haben, um mit den Kindern und Jugendlichen so effektiv zu arbeiten, wie sie sich das wünschen (ebd., S. 13). Von denen, die angaben, zu wenig Zeit zu haben, nennen 55 % die elektronische Dokumentation als Grund dafür, wie aus Abbildung 3 hervorgeht.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.3: Gründe für zu wenig Zeit um die Bedürfnisse der Kinder und Jugendlichen zu erfüllen (Ofsted, 2010, S. 14)
Knapp ein Drittel der befragten Personen aus der englischen Ofsted-Studie gab an, dass elektronische Dokumentationssysteme effektiv sind. Die Systeme werden dabei als gute Idee empfunden, gehören aber noch verbessert (ebd., S. 19). Dabei wird die aufwändige, meist elektronische Dokumentationsarbeit als mühsam empfunden und Unzufriedenheit mit dem Dokumentationssystem kann sich einstellen. Viele SozialarbeiterInnen sehen das Entstehen der Probleme in den elektronischen Verarbeitungssystemen (Wilkins, 2013, S. 1f). Diese Unzufriedenheit oder Frustration kann dazu führen, dass die Dokumentation daraufhin vernachlässigt wird und nicht mehr gewissenhaft geführt wird. Sie wird in der Praxis meist nicht mit großer Hingabe erledigt und als bürokratische Tätigkeit abgetan oder mit einer Verwaltungstätigkeit gleichgesetzt (vgl. Ley & Seelmeyer, 2014, S. 51; Lehmann, 2015, S. 58; Ames, 1999, S. 228).
Obwohl EDV-Lösungen eigentlich dabei helfen sollten, Arbeitsprozesse schneller abzuwickeln, wird die dort gemachte Dokumentationsarbeit als mühsam empfunden. Veraltete Systeme gehören überarbeitet, sodass eine Qualitätssteigerung erreicht werden kann, wie ein kompletter Neuanfang der IT-Lösungen im Sozialbereich in der Steiermark zeigt. Dort will man bis 2022 ein umfassendes EDV-Projekt abschließen und den Sozial-, Behinderten- und Pflegebereich auf den neuesten Stand der Technik bringen (Schemeth, 2017, S. 19).
Da die Dokumentation als fremdbestimmt gilt, entwickeln SozialarbeiterInnen das Gefühl, die Dokumentation sei nur eine weitere Auflage der Behörden und macht für die eigentliche Arbeit keinen Sinn. Nicht nur in England, sondern auch in Österreich wird die zunehmende Dokumentation und der bürokratische Aufwand als Grund für eine zunehmende Belastung in der Arbeit als SozialarbeiterIn oder ErzieherIn genannt (Eickhoff, Gaubitsch & Melinz, 2008, S. 67). Bei einer durchgeführten Studie des AMS zu Berufsbiografien von SozialarbeiterInnen und ErzieherInnen wird die Entwicklung des Arbeitsfeldes kritisiert. Die zunehmende Bürokratie und der dafür verwendete Aufwand lassen wenig Zeit für die Arbeit mit dem Klientel (ebd., S. 93). Circa 35 % der Befragten gaben „zu viel Bürokratie“ als Beeinträchtigung oder Hemmnis bei der Berufsausübung an (siehe Abbildung 4).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.4: Beeinträchtigungen und Hemmnisse bei der Berufsausübung (Eickhoff, Gaubitsch & Melinz, 2008, S. 72, eigene Hervorhebung)
Das Bundesland Kärnten sticht durch ausführliche Evaluationen im Jahr 2015 (mobile Dienste) und 2017 (betreutes Wohnen) positiv vom Rest Österreichs heraus, wo wenig bis gar keine Evaluationen oder Forschungen in der Kinder- und Jugendhilfe gemacht werden (Höllmüller & Schmid, 2017, S. 58). Die bereits erwähnte Steiermark musste sich in allen Bezirken bis 2018 einem neuen Modell für die Kinder- und Jugendhilfe anpassen, welches von diversen Umstrukturierungen betroffen war (ebd. S. 64). Hierzu haben Studierende im Rahmen einer Lehrveranstaltung 29 Interviews mit AkteurInnen der Kinder- und Jugendhilfe durchgeführt. Dabei wurde festgestellt, dass die Systemverbesserung zu einem erhöhten Arbeitsaufwand insbesondere in der Dokumentation führte (ebd., S. 66). Es wurde im Zuge dieser Studie auch explizit nach dem Dokumentationsaufwand gefragt, woraus sich eine Tendenz zum erhöhten Aufwand nach der Umstellung feststellen lies, wie Abbildung 5 zeigt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.5: Bewertung des Dokumentationsaufwandes (Höllmüller & Schmid 2017, S. 67)
In Wien sehen sich SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen mit einem erheblichen zeitökonomischen Problem konfrontiert. In den Einrichtungen steigen die KlientInnenzahlen, die verschärftere Problemlagen aufweisen als früher, und die Personalressourcen bleiben gleich bzw. sinken (Diebäcker et al, 2009, S. 5). Gleichzeitig steigt der Dokumentationsaufwand, der als zeitaufwendig und belastend empfunden wird (ebd.).
Die steigende Bürokratie und der zunehmende administrative Aufwand fordern Standardisierungen der Prozesse. Bei einer Befragung von Fachkräften in Jugendämtern und freien TrägerInnen der Erziehungshilfe, die von ForscherInnen der Universität Bielefeld durchgeführt wurde, sind die Fachkräfte nach der Empfindung der standardisierten Dokumentation gefragt worden, die meist EDV-basiert ist und Erfassungsbögen beinhalten. Von 137 antwortenden Personen empfinden 92 % der Fachkräfte eine Standardisierung der Dokumentation als positiv (Polutta, 2014, S. 157). Auch die Standardisierung der Formulierung von Zielen bei Hilfeplanüberprüfungen wird durchaus positiv bewertet, denn 36 % der Antwortenden sehen eine Standardisierung von Zielen als „Sehr gut“ und 51 % bewerten dies mit „Gut“ (ebd., S. 153). Die Bereitschaft zur Standardisierung ist zwar gegeben wird aber nur bei der Hälfte aller Fälle als eine Entlastung angesehen (ebd., S. 158).
Während es genaue Erhebungen und jährliche Evaluationen darüber gibt, wie sich Bereiche in der Sozialen Arbeit entwickeln, welche Angebote gesetzt wurden und welche Mittel für Dienstleistungen aufgebracht wurden, wie etwa die Kinder- und Jugendhilfestatistik jährlich berichtet, stellte sich heraus, dass es nur wenige Forschungsbeiträge im Sozialbereich darüber gibt, wie sich administrative Tätigkeiten gestalten, wie viel Aufwand betrieben wird und wie die Fachkräfte derartige Tätigkeiten empfinden. Speziell die Kinder- und Jugendhilfe gilt als kaum erforschtes Teilgebiet der Sozialen Arbeit und lässt vor allem in Österreich noch viel Platz für wichtige Erkenntnisse.
1.2. Forschungsfrage und Zielsetzung
In der Sozialen Arbeit ist eine vollständige und qualitativ hochwertige Dokumentation3 nicht nur unverzichtbar und essenziell für ein professionelles Arbeiten (Merchel, 2018, S. 18), sondern in manchen Bereichen wie in der Kinder- und Jugendhilfe sogar gesetzlich vorgeschrieben. Einrichtungen, die dem Kinder- und Jugendhilfegesetz unterstellt sind, müssen daher eine schriftliche Leistungsdokumentation erbringen (B-KJHG, 2013, §9). Der Begriff der Leistungsdokumentation verrät bereits, dass Dokumentation auch eine gewisse Leistung sichtbar machen soll (vgl. Merchel, 2018; Reichmann, 2016). Man sollte meinen, dass eine notwendige Tätigkeit wie die Dokumentation, der so viel Bedeutung beigemessen wird, bestens erforscht ist, doch dem ist nicht so.
Da es speziell in Österreich nur sehr wenige Beiträge von AutorInnen zu diesem Thema gibt, versuche ich mit dieser Arbeit einen Teil der Wissenslücke zu schließen. Dabei konzentriere ich mich auf den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe im Bundesland Salzburg und versuche dort einen IST-Zustand der aktuellen Dokumentationspraxis zu formulieren. Die übergeordnete Forschungsfrage lautet daher: „Wie gestaltet sich die aktuelle Dokumentationspraxis in der Kinder- und Jugendhilfe im Bundesland Salzburg?“ Zur Beantwortung der Forschungsfrage werden folgende Teilziele angestrebt:
- Die derzeit gängige Dokumentationsweise soll durch diese Studie im Bundesland Salzburg näher beleuchtet werden, um Auskunft darüber zu erhalten, mit welchen Medien dokumentiert wird und ob digitale Systeme tatsächlich eine höhere Übersichtlichkeit generieren und den Arbeitsaufwand erleichtern.
- Es wird versucht ein Stimmungsbild der MitarbeiterInnen in der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg, bezogen auf die aktuelle Dokumentationsroutine, zu generieren und festzustellen, wie sie Dokumentation empfinden und welche Verbesserungsvorschläge es gibt.
- Ein weiterer Schwerpunkt dieser Studie liegt bei der Bestimmung des tatsächlichen Zeitaufwandes für die Dokumentationsarbeiten. Dazu gibt es einige Studien mit unterschiedlichen Ergebnissen in verschiedenen Bereichen der Sozialen Arbeit. Mit dieser Arbeit soll eine brauchbare Erkenntnis über den tatsächlichen Dokumentationsaufwand in der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg gewonnen werden.
- Mit der Analyse des IST-Zustandes können Probleme aufgezeigt werden und in weiterer Folge Handlungsempfehlung für die Praxis gegeben werden.
Zusammengefasst versucht diese Arbeit also den aktuellen IST-Zustand der Dokumentationspraxis in der Kinder- und Jugendhilfe im Bundesland Salzburg zu ermitteln und zu analysieren. Im Zuge dessen, werden die Rahmenbedingungen, unter welchen Dokumentation stattfindet, näher beleuchtet und ein möglicher Veränderungsbedarf erhoben werden. Als Student der Sozialen Innovation ist es mir bei der Erforschung der Dokumentationspraxis in der Kinder- und Jugendhilfe ein besonderes Anliegen auf die bestehenden Schwierigkeiten hinzuweisen und entsprechende Handlungsempfehlungen zu geben, die zu einer verbesserten Praxis beitragen können.
Das übergeordnete Ziel dieser Arbeit ist es, Klarheit über ein so wichtiges Thema zu erhalten und einen Beitrag für weitere Forschungsarbeiten zu liefern. Denn mit der bedeutungsvollen Aufgabe der Dokumentation wird den Fachkräften eine große Verantwortung aufgetragen. Sie kann nicht zuletzt ausschlaggebend für den weiteren Verlauf der Lebensgeschichte der KlientInnen sein.
1.3. Aufbau der Arbeit und Vorgehensweise
Nachdem ein Überblick der aktuellen Forschungslage gegeben und die Zielsetzung dieser Arbeit geklärt wurde und der Bezug zum Studium der „Sozialen Innovation“ in Kapitel 1.4 erläutert wird, folgt in Kapitel 2 die Auseinandersetzung mit den wesentlichen Begriffen. Dort wird der Begriff der „Dokumentation“ genauer definiert und die unterschiedlichen Dokumentationsarten genannt. Anschließend wird die Bedeutung der Dokumentation in der Sozialen Arbeit und der Geltungsraum der Kinder- und Jugendhilfe auf das Bundesland Salzburg mit den relevanten, privaten PartnerInnen des Landes ausdifferenziert. Danach wird beschrieben, wie der Bedarf einer Veränderung der Dokumentationspraxis ermittelt werden kann. In Kapitel 3 folgen der theoretische Input und eine ausführliche Auseinandersetzung mit aktuellen Beiträgen aus der Literatur zum Thema Dokumentation in der Sozialen Arbeit. Es werden zunächst die zahlreichen Funktionen und die Daseinsberechtigung der Dokumentation dargelegt. Anschließend wird der Rahmen, in welchem Dokumentation passiert, aufgezeichnet. Darunter zählen die teils schwierigen Arbeitsbedingungen der SozialarbeiterInnen und das Arbeitsumfeld, sowie der gesetzliche Rahmen, in welchem sich die Dokumentation in der Sozialen Arbeit bewegt. Konkret wird hier auf die Bestimmungen des Kinder- und Jugendhilfegesetzes eingegangen. Nachdem kurz auf den Datenschutz, der ein wesentliches Kriterium für die Dokumentation im sozialen Bereich darstellt, eingegangen wird, folgt eine Beschreibung des Trends der Digitalisierung in der Dokumentation. Hier werden Vor- und Nachteile einer EDV-gestützten Dokumentation genannt. Anschließend wird aufgrund des theoretischen Inputs im Kapitel 3.6 zusammengefasst, wie eine professionelle Dokumentation auszusehen hat und was sie erfüllen sollte. Das Kapitel 4 stellt das eigens vorangetriebene Projekt „MobiDic“ vor, welches eine mögliche Alternative zu herkömmlichen Dokumentationssystemen in der Sozialen Arbeit darstellen kann. Im methodischen Teil (Kapitel 5) wird der zur Erhebung verwendete Online-Fragebogen vorgestellt und der Inhalt der Items umrissen. Des Weiteren wird näher auf die Zielgruppe und die Stichprobe eingegangen und der Ablauf der Umfrage samt den Teilnahmekriterien geschildert. Es folgt die Präsentation der Ergebnisse in Kapitel 6 ehe die Formulierung des IST-Zustandes der Dokumentationspraxis in der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg und Handlungsempfehlungen die vorliegende Arbeit abschließen.
1.4. Relevanz und Bezug zu Sozialer Innovation
Wolfgang Zapf bezeichnet soziale Innovationen als neue Wege, um gewünschte Ziele zu erreichen. Dabei hebt er besonders neue Organisationsformen, neue Lebensstile sowie neue Regulierungen hervor, die einen Richtungswechsel des sozialen Wandels erlauben. Zapf sieht in den sozialen Innovationen das große Potential, dass sie durch neue Wege (Praktiken) die bestehenden Probleme besser lösen, als dies mit alten Strategien möglich war (Zapf, 1989, S.177). „Soziale Innovationen können Voraussetzungen, Begleitumstände oder Folgen technischer Innovation sein“ (ebd.). Ein Zugang zum sozialen Wandel ergibt sich durch den Begriff der Modernisierung, der einen Teil von sozialen Veränderungsprozessen beschreibt (Gillwald, 2000, S. 7). In der Modernisierungstheorie werden Mechanismen, Folgen und Begleiterscheinungen von technischem Fortschritt in den Blick genommen, was für diese Arbeit passend erscheint, da sich Dokumentation zunehmend modernisiert und digitalisiert. Dabei ist die soziale Innovation in diesem Kontext als die kleinste Einheit als Veränderung im sozialen Gefüge zu sehen, während die Reform oder Revolution als größte Veränderung gilt (Howaldt, Kesselring, Kopp & Schwarz, 2014, S. 11). Sozialer Wandel findet dabei auf verschiedenen Ebene statt. Dokumentation scheint zunächst nur ein Phänomen in der Mikro-Ebene darzustellen, wo SozialarbeiterInnen oder SozialpädagogInnen mit ihrem täglichen Handeln die gesellschaftlichen Verhältnisse reproduzieren. Doch auf Organisationsebene oder in der Meso-Ebene werden Vorgaben gemacht, wie Dokumentation auszusehen hat. Hier werden quasi Normen und Werte vorgelegt, die in der Mikro-Ebene gelebt werden sollen. Bezogen auf die Dokumentation könnte man die Gesetzgebung als Makro-Ebene betrachten. Gesetze, wie das KJH-Gesetz, geben die Notwendigkeit einer Dokumentationsführung vor. Die Meso- und die Mikro-Ebene unterliegen dieser Gesetzgebung und müssen sich dieser Struktur anpassen. Auf Makro-Ebene können auch Entscheidungen getroffen werden, die auf der Meso- und Mikro-Ebene einen erhöhten administrativen und bürokratischen Aufwand, um wieder beim Beispiel der KJH zu bleiben, bedeuten können. In weiterer Folge müssen sich die Individuen und Kleingruppen auf der Mikro-Ebene damit abfinden und nehmen Strukturveränderungen in Kauf, was möglicherweise bedeutet, dass sie mehr Zeit in Dokumentation oder andere administrative Tätigkeiten stecken müssen und folglich aufgrund von mangelnder Zeitressourcen weniger Zeit für ihre KlientInnen haben, die am meisten unter solchen Veränderungen leiden. Diese Skizzierung soll verdeutlichen wie die einzelnen Ebenen miteinander verbunden sind.
Bezieht man nun den Begriff der Modernisierung auf das Thema der Dokumentation, so kann eine Digitalisierung bzw. Optimierung von Dokumentationssystemen eine richtungsweisende Veränderung darstellen. Im weiteren Verlauf dieser Arbeit wird immer wieder darauf eingegangen, dass technische Erneuerungen, wie beispielsweise ein sprachbetriebenes System (siehe Kapitel 4), zu einer Arbeitserleichterung und vor allem einer enormen Zeitersparnis im Sozialbereich beitragen können. Eine Optimierung der Dokumentationspraxis kann wesentliche Veränderungen in der täglichen Arbeit von SozialarbeiterInnen und SozialpädagogInnen bewirken, da, wie von Wolfgang Zapf erwähnt, neue Organisationsformen und Regulierungen entstehen können. Diese werden dabei von neuen Praktiken erreicht, die eine bessere Lösung als aktuelle bzw. alte Strategien bieten.
Deswegen erscheint es so wichtig, die Dokumentationspraxis im Sozialbereich näher zu erforschen und gegebenenfalls zu verändern bzw. zu optimieren, um neue und effektivere Lösungen für die Praxis zu finden. Eine zu starke Optimierung kann allerdings dazu führen, dass hohe Standardisierungsmaßnahmen4 keinen Platz mehr für wesentlichen Inhalte lassen (vgl. Moch, 2018, S. 66). Moderne Dokumentationslösungen laufen Gefahr, den Fokus zu stark auf die Qualitätskontrolle und auf den Wirkungsnachweis zu legen5. Dadurch können beschreibende und erzählerische Elemente in der Dokumentation fehlen, die für die Nachvollziehbarkeit und Interpretation jedoch wichtig sind. Dies führt dazu, dass weitere Werkzeuge und Tools zusätzlich zu den modernen Lösungen eingesetzt werden müssen, was mit einem zeitlichen Mehraufwand verbunden ist (vgl. Kreidenweis 2018, S. 246ff).
Deswegen müssen neue Innovationen so konzipiert sein, dass sie Platz für das Wesentliche lassen und dennoch effizienter als aktuelle Systeme arbeiten. Diese Studie versucht Probleme und Herausforderungen der aktuellen Dokumentationsroutine aufzuzeigen und alternative Lösungsvorschläge bzw. Handlungsempfehlungen vorzustellen, die in der Kinder- und Jugendhilfe Salzburg Anwendung finden können.
2. Begriffsklärung, Geltungsraum und angewandte Methode
Nachdem die Ausgangslage geklärt und ein Bezug zum Thema geschaffen wurde, werden im folgenden Kapitel der Begriff der Dokumentation definiert und der Geltungsraum dieser Arbeit festgelegt. Außerdem wir erklärt, wie ein möglicher Veränderungsbedarf bei den MitarbeiterInnen erhoben werden kann, sodass Handlungsempfehlungen für die aktuelle Dokumentationspraxis generiert werden können.
2.1. Definition Dokumentation
Häufig wird mit dem Begriff „Dokumentation“ etwas Geschriebenes assoziiert. Es wird an Texte gedacht, die besonders wichtig sind. Es gibt aber auch Dokumente, die bildliche Darstellungen oder Statistiken beinhalten. Auch Gegenstände aus vergangener Zeit können beispielsweise ein früheres Leben dokumentieren. Dokumentarfilme schildern etwas über einen bestimmten Sachverhalt oder können in einer Autobiografie die Lebensgeschichte eines Menschen dokumentieren. Gemeinsam ist all diesen Dokumenten, dass sie etwas Vergegenständlichtes und von Menschen Geschaffenes beschreiben (Blandow, 2001, S. 42). Eine besondere Klasse von Dokumenten sind jene, die im Rahmen einer beruflichen Aufgabe erstellt werden. Die Erstellung solcher Dokumente erfüllen den Zweck einer beruflichen Tätigkeit. Diese Art der Dokumentation versucht Informationen zu sammeln, um vergangene oder zukünftige Arbeiten auszuwerten. Dokumentation im beruflichen Kontext dient dazu, Entscheidungsprozesse nachvollziehbar zu machen und ein gemeinsames Vorgehen zu erreichen. Eine derartige Dokumentation ist nichts naives, sondern beinhaltet vorgegebene Zwecke und greift im sozialarbeiterischen Kontext erheblich in das Schicksal Dritter ein (ebd., S. 42f). Wenn im Folgenden von Dokumentation die Rede ist, ist damit jene gemeint, die im beruflichen Kontext der Sozialen Arbeit bzw. in der Kinder- und Jugendhilfe ausgeübt wird.
Dokumentation ist ein zweckbezogenes Verfahren, um pädagogische Abläufe festzuhalten und diese der fachlichen Kommunikation zur Verfügung zu stellen (Moch, 2018, S. 57f). Das primäre Ziel der Dokumentation ist es, ein durch Beobachtung vertieftes Wissen über einen Sachverhalt zur Verfügung zu stellen (ebd., S. 64). Dokumentation reicht von handschriftlichen Notizen, Berichten und Hilfeplänen bis hin zu elektronischer Fach-Software, die Leistungsberichte und Informationen zusammentragen können. Sie ist nicht das Ergebnis einer linearen Ansammlung von Informationen, sondern vielmehr ein Prozess, in welchem Sachverhalte mit Bedeutungen belegt werden (Moch, 2018, S. 59f; Busch, 2018, S. 78).
Andere AutorInnen unterscheiden zwischen Aktenführung und Dokumentation. Aktenführung meint das „Erstellen, Bearbeiten und Ändern und Aktualisieren von Dokumenten“ (Brack & Geiser, 2009, S. 27), während die Dokumentation das Ergebnis der Aktenführung ist und die „Sammlung und Ablage der auf Papier oder akustisch, optisch oder elektronisch gespeicherten Daten in der Organisation“ bildet (ebd., S. 27). In diesem Sinne umfasst Dokumentation alle gespeicherten Daten, die für verschiedene weitere Prozesse der KlientInnen wichtig sind.
Der Dokumentationsbegriff umfasst so viele Bedeutungen, da darunter meist viele verschiedene Arten zusammengefasst werden, die jedoch unterschieden werden können:
Das Land Oberösterreich schreibt beispielsweise bestimmte Dokumentationsinstrumente in sozialpädagogischen Einrichtungen vor. Dort muss ein Teamprotokoll geführt werden, welches die Ergebnisse der gemeinsamen Reflexion in Teamsitzungen beinhalten soll, es muss eine Tagesdokumentation geführt werden, die den Betreuungsalltag festhält und es muss eine eigene Dokumentation über besondere Vorkommnisse geben, welche die Normalität des pädagogischen Alltags überschreiten (Land Oberösterreich, 2013, S. 19f). Gesetzlich vorgeschrieben ist in der Kinder- und Jugendhilfe jedenfalls eine ausführliche Leistungsdokumentation, welche im österreichischen Bundes- Kinder- und Jugendhilfegesetz 2013 (B-KJHG 2013) in § 9 (2) und (3) festgelegt wird. Hier wird ersichtlich welche Angaben eine Dokumentation jedenfalls zu beinhalten hat. Aus der Dokumentation muss ersichtlich sein, welche Zuständigkeit verantwortlich ist (in Salzburg sind das die verschiedenen Jugendämter und Bezirkshauptmannschaften, siehe Kapitel 3.3.1), wer die LeistungserbringerInnen (die jeweilige beauftragte Einrichtung) ist, welche verantwortlichen Fachkräfte hinzugezogen wurden und welche Dauer bzw. welchen Umfang die erbrachten Leistungen beinhaltet haben. §9 (3) des B-KJHG legt außerdem fest, welche Inhalte die Dokumentation über Leistungen beinhalten soll. Dort müssen jedenfalls Angaben zum Inhalt der Gefährdungsmitteilungen bezogen auf die Art und den Umfang der Gefährdung erkenntlich sein. Des Weiteren soll die Sozialanamnese, also die gesellschaftliche Position und das soziale Umfeld (Familiensituation, Beruf, private Interessen und Freizeitverhalten), aus der Dokumentation hervorgehen. Die Leistungsdokumentation muss auch Inhalte des Hilfeplans enthalten sowie Daten von Auskunftspersonen. Im Salzburger Kinder- und Jugendhilfegesetz werden diese Bestimmung im §55 übernommen und in (2) ergänzt: „Die Dokumentation hat fortlaufend zu erfolgen…“ (S.KJHG, 2017, §55 (2)). Hier wird also eine kontinuierliche Berichterstattung verlangt. Bei der Gefährdungsmitteilung wird zusätzlich noch eine Einschätzung der Dringlichkeit des Verdachts einer Kindeswohlgefährdung verlangt.
Diese gesetzlich festgelegten Kriterien an eine schriftliche Dokumentation der Leistungserbringung stellen aber nur eine Mindestanforderung für die jeweiligen TrägerInnen und Einrichtungen dar. In den Erläuterungen des Bundesgesetzes über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche wird explizit darauf hingewiesen, dass es sich hierbei nur um die „…notwendigsten Inhalte der Dokumentation im Sinne von Mindeststandards…“ (B-KJHG – Beilagen, 2013, S.16) handelt. Für fachliches Handeln ist es aber außerdem wichtig, alle Informationen und Schriftstücke heranzuziehen, die für einen Fall relevant sind. Zu diesen gehören beispielsweise psychologische oder psychiatrische Gutachten oder Beschlüsse und Urteile der Zivil- und Strafgerichte (ebd., S.16). In den Beilagen des Salzburger Kinder- und Jugendhilfegesetze (S.KJHG – Beilage, 2015, S. 58) werden Stellungnahmen von Schulen als weiteres wichtiges Schriftstück angeführt. Die Leistungsdokumentation dient dem Geldgeber also als Überprüfungsinstrument, um nachzuprüfen, was mit den gegebenen Ressourcen passiert. Wenn im Folgenden die Rede von einer gesetzlich vorgeschriebenen Dokumentation ist, dann ist damit die eben beschriebene Leistungsdokumentation gemeint. Nur diese ist verpflichtend für die Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, um nachweisen zu können, welche Leistungen in welchem Umfang erbracht wurden.
In der Praxis geht die Dokumentation aber weit über den Nachweis von eingesetzten Mitteln hinaus und dient nicht nur der Leistungsüberprüfung, sondern sie dient vielmehr den einzelnen Fachkräften als Informationsgrundlage, die für ein professionelles Arbeiten erforderlich ist (siehe Kapitel 3.1.1). Neben der Leistungsdokumentation sind vor allem Alltagsdokumentationen, die beispielsweise in sozialpädagogischen Wohneinrichtungen gemacht werden, oder die personenbezogenen- bzw. klientenbezogenen Dokumentationen ausschlaggebend für die eigentliche Betreuungsarbeit, da sie die relevanten Informationen der KlientInnen bereitstellen.
So schreibt beispielsweise die Stadt Salzburg 2015 ein Konzept für die Soziale Arbeit im Amt. Die klientenbezogene Dokumentation oder Aktenführung wird dort als wichtige professionelle Arbeit beschrieben. Dokumentation soll reflektiert, systematisch, zielgerichtet, objektivierbar, effektiv und effizient gestaltet sein (Stadt Salzburg, 2015, S. 17).
Busch (2018, S.77) meint, dass „Dokumentation“ im alltäglichen Vokabular der Jugendhilfe gebraucht wird, durch die unterschiedliche Verwendung des Terminus aber keine einheitliche Bedeutung besteht. Weil der Begriff so unterschiedlich in vielen verschiedenen Kontexten verwendet wird, wäre eine Präzisierung für spezielle Bereiche erforderlich (ebd.).
Für diese Arbeit erweist sich die Definition von Ute Reichmann als recht passend. Sie definiert die Dokumentation für die Soziale Arbeit. Laut Reichmann umfasst diese Art der Dokumentation „…den Schriftverkehr, die Aktendokumentation und das schriftliche Informations- und Organisationsmanagement in den Sozialinstitutionen“ (Reichmann, 2016, S. 9). Die von Reichmann erwähnten Sozialinstitutionen beschränken sich für die vorliegende Arbeit auf die PartnerInnen der Kinder- und Jugendhilfe des Landes Salzburg, die im nächsten Kapitel genauer beschrieben werden.
2.2. Geltungsraum Soziale Arbeit und Kinder- und Jugendhilfe Salzburg
Dokumentation in der Sozialen Arbeit hat einen besonderen Stellenwert, da sie einer der wenigen Faktoren in diesem Bereich ist, die Leistungen messbar macht und die Profession zu einem gewissen Grad rechtfertigen kann. Der steigende ökonomische Druck verlangt von der Sozialen Arbeit eine Rechtfertigung, da die erbrachten Leistungen nicht auf einen Blick ersichtlich sind, denn Soziale Arbeit ist einen Beruf, der soziale Teilhabe von Personen unterstützt, denen weniger Ressourcen oder Chancen zur Verfügung stehen als anderen (Reichmann, 2016, S. 68).
Der österreichische Berufsverband der Sozialen Arbeit (OBDS) hält sich an die internationale Definition der Sozialen Arbeit und auch hier wird sichtbar wie Komplex dieses Feld ist.
Soziale Arbeit fördert als praxisorientierte Profession und wissenschaftliche Disziplin gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen und den sozialen Zusammenhalt sowie die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen. Die Prinzipien sozialer Gerechtigkeit, die Menschenrechte, die gemeinsame Verantwortung und die Achtung der Vielfaltbilden die Grundlage der Sozialen Arbeit. Dabei stützt sie sich auf Theorien der Sozialen Arbeit, der Human-und Sozialwissenschaften und auf indigenes Wissen. Soziale Arbeit befähigt und ermutigt Menschen so, dass sie die Herausforderungen des Lebens bewältigen und das Wohlergehen verbessern, dabei bindet sie Strukturen ein (OBDS, 2017, S. 2).
Der OBDS (2017, S. 5) definiert die Handlungsfelder der Sozialen Arbeit in folgende Bereiche:
- Kinder, Jugend, Familie
- Alte Menschen
- Materielle Grundsicherung
- Gesundheit
- Straffälligkeit
- Beruf und Bildung
- Migration und Integration
- Internationale Sozialarbeit/ Entwicklungsarbeit
Für den Bereich „Kinder, Jugend, Familie“ gibt es eine klare gesetzliche Vorgabe zur Führung einer Leistungsdokumentation, wie im vorigen Kapitel bereits beschrieben wurde. Deshalb müssten die Kinder- und Jugendhilfeorganisationen eine entsprechende Dokumentation vorweisen können. Für die anderen Bereiche der Sozialen Arbeit gelten andere gesetzliche Bestimmungen und es ist teilweise nicht gesetzlich vorgeschrieben eine Dokumentation vorzuweisen. Daher beschränkt sich diese Arbeit auf den Bereich „Kinder, Jugend, Familie“. Zu diesem Bereich zählt die Kinder- und Jugendhilfe, welche im Folgenden mit KJH abgekürzt wird. Aufgrund der örtlichen Gebundenheit und dem persönlichen Bezug, widmet sich diese Arbeit genauer der Kinder- und Jugendhilfe des Bundeslandes Salzburg.
Die Kinder- und Jugendhilfe Salzburg fördert die Entwicklung von Kindern und Jugendlichen und sichert ihr körperliches und seelisches Wohl (Land Salzburg, o.J.a). Neben dem Wohl der Kinder und Jugendlichen will die KJH auch Familien in der Erziehung der Kinder unterstützen. Es soll ein gewaltfreier Umgang miteinander stattfinden (ebd.). Wenn die Erziehungsberechtigten das Wohl der Minderjährigen nicht mehr gewährleisten können, wird die KJH aktiv und hat die Aufgabe bei der Betreuung und Unterstützung der Eltern zu sorgen und die Entwicklung Minderjähriger durch Angebote der Pflege und Erziehung bzw. durch Erziehungsmaßnahmen zu fördern (ebd.).
Zur unmittelbaren Durchführung der Erziehungshilfen werden private Kinder- und Jugendhilfeorganisationen herangezogen, wenn sie nach Ziel und Ausstattung dazu geeignet sind. Sie erfüllen im Auftrag des Landes Salzburg Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe (Land Salzburg, 2018, S. 141).
Für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe zählt das Land Salzburg auf ihrer Homepage 15 PartnerInnen auf (Land Salzburg, o.J.b). Als PartnerInnen werden folgende TrägerInnen genannt:
- Therapeutisch Ambulante Familienhilfe (TAF)
- Die Notschlafstelle für Jugendliche der Caritas Salzburg
- EINSTIEG- Einstieg ins Berufsleben GmbH
- Kinderdorf Salzburg der GÖK – Gesellschaft Österreichischer Kinderdörfer
- JaWS – Jugend am Werk Salzburg GmbH
- KOKO – Kontakt und Kommunikationszentrum für Kinder und Jugendliche GmbH
- Verein PEPP – Pro Eltern Pinzgau & Pongau
- PRO JUVENTUTE Dienste GmbH
- Rainbows – für Kinder in stürmischen Zeiten
- Rettet das Kind – Salzburg
- Salzburger Jugendhilfe
- SOS-Kinderdorf Salzburg
- Sozialpädagogischen Familienbetreuung des Vereins Spektrum
- Verein menschen.leben
- Zentrum ELF
Der Geltungsbereich dieser Arbeit beschränkt sich daher auf diese Einrichtungen der Salzburger Kinder- und Jugendhilfe. Dazu werden die MitarbeiterInnen der 15 PartnerInnen des Landes Salzburg bezüglich ihrer Dokumentationspraxis mit einem Online-Fragebogen befragt. Die Aussagekraft der Ergebnisse beschränkt sich deshalb auf diese TrägerInnen. Folglich können Aussagen über die aktuelle IST-Lage der Dokumentationspraxis im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe in Salzburg gemacht und Tendenzen festgestellt werden. Diese haben jedoch keine Allgemeingültigkeit, da es sich bei der Umfrage um keine Vollerhebung handelt, sondern nur eine Stichprobe herangezogen werden kann (mehr zur Repräsentativität in Kapitel 5.5).
Im weiteren Verlauf dieser Arbeit werden des Öfteren Aussagen über die „Soziale Arbeit“ bzw. den „Sozialbereich“ gemacht. Dies ist der Fall, da in der Literatur kaum handlungsfeldspezifische Aussagen über die KJH gemacht werden. Wenn diese Begrifflichkeiten fallen, ist immer auch die KJH gemeint.
2.3. Ermittlung des Veränderungsbedarfs und angewandte Methode
Ziel dieser Arbeit ist es unter anderem, die aktuelle Dokumentationspraxis in der KJH zu analysieren und einen Bedarf oder Wunsch nach Veränderung hinsichtlich der aktuellen Situation zu ermitteln.
Ein Bedarf beschreibt die Spannung zwischen einem Mangelempfinden und der Aussicht auf eine mögliche Befriedigung dieses Mangels. Dabei wird der IST- mit dem SOLL- Zustand abgeglichen (Schlutz, 2006, S. 41). Der Bedarf ist also ein dynamisches Konstrukt und keine feste, statische Größe. Um einen Bedarf feststellen zu können, sind komplexe Prozesse und Methoden notwendig (Müller, Goebel & Couné, o.J., S.5). Dabei wird zwischen direkten und indirekten Methoden unterschieden:
Indirekte Methoden sind jene, die bereits auf existierende Informationen und Daten zurückgreifen und diese zusammentragen. Recherchen in Datenbanken oder im Internet dienen der Informationsgewinnung. Ebenso können Studienerkenntnisse zusammengetragen werden oder Expertenwissen herangezogen werden (ebd., S.5).
Bei den direkten Methoden müssen die Daten mit Hilfe von qualitativen und/oder quantitativen Verfahren erst gewonnen werden. Mit diesen werden Personen befragt oder beobachtet, sodass originäre Daten entstehen. „Direkte Methoden haben den Vorteil, dass gezielt problem- und entscheidungsrelevante Informationen und Daten bei den konkret im Feld tätigen Personen erfasst werden können. Diese liegen dann exklusiv und aktuell vor“ (ebd., S. 7). Es ist durchaus sinnvoll direkte und indirekte Methoden zu kombinieren. Die Auswahl ist allerdings abhängig von den verfügbaren Ressourcen (ebd. S. 8).
Um ein Bild der Dokumentationspraxis in der KJH Salzburg zu erhalten wäre zunächst der IST-Stand festzustellen. Unter dem IST-Zustand versteht man die Analyse der aktuellen Situation (Collin, 2010, S. 17). Da es rund um das Thema der Dokumentation keine öffentlich zugänglichen Analysen oder Evaluation gibt, gestaltet sich die Darstellung der aktuellen IST-Lage als schwierig. Vor allem im Bundesland Salzburg liegen keine Daten, Evaluationen oder Analysen rund um dieses Thema vor. Deshalb muss der IST-Stand in Salzburg mit dieser Arbeit erst bestimmt werden. „Der Ist-Zustand wird durch Dokumentenanalyse oder die verschiedenen anderen Methoden wie Selbstaufschreibung, Befragung oder Beobachtung ermittelt“ (Collin, 2010, S. 17). Dabei dienen MitarbeiterInnen, Führungskräfte und zur Verfügung stehende Dokumente als Quelle der Analyse (ebd.). Zur Bestimmungen der IST-Lage werden Fragen an die MitarbeiterInnen und Führungskräfte der KJH Einrichtungen zur aktuellen Dokumentationspraxis (wie viel Zeit wird für die tägliche Dokumentation aufgebracht, welche Medien werden für die Dokumentation verwendet, wie zufrieden sind die MitarbeiterInnen mit der aktuellen Praxis, etc.) gestellt. Diese Befragung soll mit einem Online-Fragebogen erfolgen. Es wird also eine direkte Methode angewandt, da die Daten nicht vorliegen, sondern erst erhoben werden müssen. Auf die Methode wird in Kapitel 5 näher eingegangen. Für die weitere Bestimmung ist es erforderlich die MitarbeiterInnen-Anzahl im Bereich der KJH-Salzburg, also jene, die täglich mit der Dokumentation konfrontiert sind, zu erheben. Um die MitarbeiterInnen-Anzahl in der KJH zu bestimmen wurde versucht auf existierende Daten zurückzugreifen, die, wie sich bei der späteren Recherche herausstellte, nicht existieren6 und bei den einzelnen TrägerInnen der KJH erst erfragt werden mussten. Diese Arbeit bietet also einen ersten Einstieg in eine Analyse der aktuellen Dokumentationspraxis in der KJH des Landes Salzburg. Sie versucht den aktuellen IST-Zustand zu ermitteln und in weiterer Folge zu analysieren, wo eventuell Veränderungen notwendig sind, um die Zufriedenheit der MitarbeiterInnen zu steigern. Mit Hilfe von entsprechend erstellten Handlungsempfehlungen kann außerdem die Dokumentationspraxis optimiert werden und Empfehlungen für eine möglichst effiziente Bewältigung der anfallenden Last an Dokumentationsarbeiten gegeben werden.
Im nächsten Kapitel folgt eine theoretische Auseinandersetzung mit dem Thema der Dokumentation. Es wird erklärt, welchen Anforderungen Dokumentation unter bestimmten Rahmenbedingungen gerecht werden muss.
3. Theorie und Rahmenbedingungen
Es wurde bereits darauf eingegangen, dass gesetzliche Vorgaben und ein professionelles Arbeiten die Notwendigkeit einer Dokumentation verlangen. Darüber hinaus gibt es in der Literatur verschiedenste weitere Gründe, warum in der Sozialen Arbeit dokumentiert werden sollte. Bei näherer Betrachtung der Thematik wird deutlich wie komplex sich Dokumentation gestaltet, welche Funktionen sie erfüllt und welchen Anforderungen sie gerecht werden muss.
3.1. Warum wird in der Sozialen Arbeit dokumentiert?
Alle Schreib und Dokumentationsaufgaben sind ein Teil zur Umsetzung der Hilfeprozesse (Reichmann, 2016, S. 9). Durch die Verschriftlichung der Kommunikation lassen sich Inhalte über einen langen Zeitraum transportieren. Die Informationen werden somit dauerhaft festgehalten und lassen sich jederzeit wieder abrufen. Die ursprüngliche Intention für das Festhalten eines Sachverhaltes ist später nicht mehr erkennbar (ebd., S. 15).
Taylor und White (2000, S. 141ff) sehen drei wichtige Aufgaben der Dokumentation in der Sozialen Arbeit:
1. Die Dokumentation dient als schriftliche Erinnerungshilfe für die MitarbeiterInnen.
2. Dokumentation dient der Kontrolle und Legitimierung und weist nach, dass die Aufgabenwahrnehmung den fachlichen und rechtlichen Standards entspricht.
3. Das Schreiben an sich stellt kommunikative und interaktive Ordnungen her. Diese Ordnungen beeinflussen die Wirkung der Sozialen Arbeit.
Für die verschiedenen Institutionen in der Sozialen Arbeit hat die Dokumentation aber noch weitaus mehr Funktionen zu leisten.
3.1.1. Informationsfunktion
Diese Funktion beschreibt die Erfassung, Speicherung, Ablage und Weiterverarbeitung der Informationen. Somit wird sichergestellt, dass die Zusammenarbeit innerhalb der Institution erfolgen kann, da die Inhalte für die Arbeit zugänglich sein müssen. In der Sozialen Arbeit werden Inhalte wie personenbezogenen Stammdaten, Informationen über Verläufe, Einschätzungen, Diagnosen, Gerichtsurteile, behördliche Gutachten und verschiedene Berichte festgehalten und dokumentiert, um nur einige Beispiele zu nennen. Wie und welche Inhalte erfasst werden, ist je nach Institution unterschiedlich (Reichmann, 2016, S. 38f).
Dokumentation dient als Instrument der gegenseitigen Information und Kontrolle für die jeweiligen Einrichtungen und stellt sicher, dass alle Fachkräfte auf demselben Wissenstand sind und um ihre Aufgaben und Funktionen Bescheid wissen (Blandow, 2001, S. 45).
Hillmeier (2018, S. 95f.) beschreibt Dokumentation als eine Arbeitserleichterung im Alltag, diese stellt dem gesamten Team wesentliche Information zur Verfügung.
3.1.2. Argumentationsfunktion
Zusammenfassende Textvorlagen werden in der Sozialen Arbeit oft als Grundlage für fachliche Entscheidungen und Abwägungen herangezogen und als Argument verwendet (Reichmann, 2016, S. 39). Als wesentlichen Punkt eines Plädoyers für Dokumentation nennt Merchel (2018, S. 20) diese als Grundlage für rechtliche Überprüfungen in Form von strafrechtlicher, aufsichts- und haftungsrechtlicher oder auch arbeitsrechtlicher Prüfungsvorgänge. Dokumentation ist Bestandteil rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns und dient der verwaltungsgerichtlichen Überprüfung als Grundlage (Hillmeier, 2018, S. 94).
3.1.3. Reflexionsfunktion
Schreibprozesse haben das Potential selbstkritische Reflexionen auszulösen, wenn unklare und schwierige Arbeitssituationen aufgetreten sind. Durch reflektierende Dokumentationsformen kann eine emotionale Entlastung stattfinden und die Frustration bearbeitet werden (Reichmann, 2016, S. 39f).
Außerdem verhilft die Dokumentation zu einem professionelleren Handeln, da vorher festgelegte Ziele ein bestimmtes Handeln erzwingen und durch die nachträgliche Verschriftlichung der angewandten Methoden Reflexionsprozesse in Kraft getreten werden, die das eigene Handeln hinterfragen und verbessern (Merchel, 2018, S. 18).
Dokumentation dient der Reflexion und Selbstevaluation, denn sie kann feststellen, ob ein Handeln verbessert oder verschlechtert wurde und sie kann kontrollieren, ob eine gewisse Qualität eingehalten wurde (Blandow, 2001, S. 46). Hillmeier (2018, S. 93f.) beschreibt Dokumentation als eine Ausdrucksform fachlichen Handelns. Er bezeichnet sie als Werkzeug für professionelle Sozialpädagogik.
3.1.4. Arbeitsorganisierende Funktion
Diese Funktion der Dokumentation dient der Kooperation und Kollaboration. Sie regelt Routinen, steuert Abfolgen von Arbeitsabläufen und gewährleistet eine gleichbleibende Arbeitsqualität. Bei Übergaben, Vertretungen und arbeitsteiligen Aufgaben ist dies besonders wertvoll (Reichmann, 2016, S. 40).
Ley & Seelmeyer (2014, S. 51) sehen Dokumentation nicht nur als professionelle Selbstvergewisserung, sondern sie dient auch als Nachweis für individuelle Rechenschaft und der organisationalen Vernetzung und Inkenntnissetzung der KollegInnen. Dokumentation dient in der Sozialen Arbeit außerdem als Schnittstellenfunktion „zwischen Klientensysteme, Sozialarbeiterinnen, Organisation und sozialpolitischer Legitimation der Sozialarbeit“ (Brack & Geiser, 2009, S. 16). Dokumentation erleichtert den Wechsel des Personals und hilft bei einer Urlaubs- bzw. Krankheitsvertretung die Arbeit zu erleichtern. Die schriftliche Dokumentation bietet zudem eine Arbeitserleichterung bei einem Wechsel der örtlich zuständigen Kinder- und Jugendhilfe-TrägerInnen und vereinfacht die interdisziplinäre Zusammenarbeit (B-KJHG – Beilage, 2013, S.16).
3.1.5. Legitimationsfunktion
Dokumentation dient auch dazu, die Rechtmäßigkeit nachzuweisen. Bei Beschwerden, Anzeigen oder Kontrollen wird die korrekte Handlung der SozialarbeiterInnen anhand der Dokumentation überprüft (Reichmann, 2016, S. 41).
Merchel (2018, S. 17) sieht die Hauptaufgaben der Dokumentation ebenfalls in der Legitimation der Arbeit. Durch die meist öffentliche Finanzierung der Sozialen Arbeit, gibt es einen politischen Druck zur Legitimierung des Handelns in zweierlei Hinsicht: was passiert mit den zur Verfügung gestellten Ressourcen (Leistungsdokumentation) und welche Ergebnisse werden mit den Ressourcen erzeugt (Wirkungskontrolle). Eine transparente Dokumentation soll diesen Anforderungen gerecht werden und Außenstehenden die erbrachte Leistung erkennbar machen (ebd.).
Auch Blandow (2001, S. 44) schreibt der Dokumentation die Funktion der Legitimation zu, welche das Handeln rechtfertigt und einen Nachweis für Dritte bietet.
In den Beilagen des Bundesgesetzes über die Grundsätze für Hilfen für Familien und Erziehungshilfen für Kinder und Jugendliche finden sich die ausformulierten Ziele einer schriftlichen Dokumentation über die Leistungserbringung. Auch hier spricht man, wie auch Taylor & White, Reichmann und Merchel es unter den Begriff der Legitimation zusammenfassen, von einer Nachvollziehbarkeit der einzelnen Schritte und Entscheidungen (B-KJHG – Beilage, 2013, S.16). Die Dokumentation dient dabei zur Überprüfung der Leistungserbringung für die Fachaufsicht des Landes (ebd.).
3.1.6. Verpflichtungsfunktion
Manche Dokumentationen gehören zu vertraglichen oder vertragsähnlichen Texten. Verträge und Vereinbarungen müssen erfüllt und eingehalten werden. Bei Nichteinhaltung können Sanktionen drohen (Reichmann, 2016, S. 41f). Darunter fällt auch die gesetzliche Vorgabe einer Leistungsdokumentation (siehe Kapitel 3.3).
3.1.7. Evaluationsfunktion
Der österreichische Berufsverband der Sozialen Arbeit (OBDS) zählt in seinem Berufsbild der Sozialarbeit explizit das Dokumentieren und Evaluieren zu den berufsspezifischen Tätigkeiten (OBDS, 2017, S. 4). Dokumentierte Daten können sozialwissenschaftlich ausgewertet werden. Evaluationen in der Sozialforschung dienen dazu, die Qualität und Wirkung von Maßnahmen in der Sozialen Arbeit zu messen (Reichmann, 2016. S. 42f).
Dokumentation dient der Organisation als Evaluationsinstrument, denn dadurch können vermeintliche Inputs überprüft und Interventionsprozesse kontrolliert werden, was dem Qualitätsmanagement der Organisation dient (Merchel, 2018, S. 19). Organisationsmitglieder erlangen durch die Fixierung von Regeln und Entscheidungen ein bestimmtes Wissen und profitieren von den Ergebnissen und Handlungen anderer Mitglieder, die sie in der Dokumentation nachlesen können (ebd., S. 20).
Verschiedenen Autoren behaupten also, dass Dokumentation zur Überprüfung von Leistung und Wirkung in der Sozialen Arbeit dient und zur Qualitätsentwicklung (vgl. Hillmeier, 2018, S. 94f.) beiträgt, da eine Wirkungsüberprüfung auch vielfach von den Geldgebern verlangt wird. Die Sozialpolitik sucht nach Möglichkeiten die Kosten zu reduzieren und möchte die eingesetzten Mittel als möglichst effektiven Output zurückbekommen. Deswegen ist der Nachweis von Wirkungen und Effektivität von sozialpädagogischen Leistungen so wichtig (Eberitsch, Frese & Nüsken, 2009 ,S. 12). Außerdem trägt man die Verantwortung für die Hilfeempfänger und die Soziale Arbeit an sich gewinnt durch den Nachweis der Leistungserbringung an Anerkennung (ebd.). Dem Gedanken, Verlaufsdokumentationen, Leistungsdokumentationen und Ergebnisdokumentationen würden eine Wirkung sichtbar machen, haben sich bereits einige Kinder- und JugendhilfeforscherInnen gewidmet und versucht ein Evaluationssystem zu entwickeln. So hat sich beispielsweise in Deutschland das System „EVAS“ etabliert, welches eine nutzerorientierte Dokumentation erlaubt und zugleich eine Evaluation möglich macht, sodass Effekte bzw. Wirkungen in der Kinder- und Jugendhilfe sichtbar gemacht werden können (Mascenaere & Knab, 2004, S. 21). Das Dokumentationssystem wird mit über 40.0000 dokumentierten Hilfen in 3 verschiedenen Ländern (darunter auch Österreich) als größtes Verfahren zur Qualitätsentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe genannt (IKJ, o.J.). Mit dem Einsatz von verschiedenen Erhebungsbögen zu unterschiedlichen Zeitpunkten erfolgt die Datenerfassung, welche anschließend von EVAS ausgewertet wird und Wirkungen sichtbar machen soll (Frey, 2008, S. 98).
Der Ausbau solcher Dokumentations-, Controlling- und Bewertungssystemen erfolgt „…nicht notwendiger Weise im Sinne der sozialpädagogischen Wirkungsforschung, sondern vielmehr aus pragmatischen Gründen der Steuerbarkeit über Indikatoren und Controllingdaten“ (Polutta, 2014, S. 96). Die Forderung nach einer Wirkungsüberprüfung der Kinder- und Jugendhilfe führt zur vermehrten Entwicklung solcher Controllinginstrumente. Diese Instrumente sind häufig mit neuen Dokumentationsprodukten verbunden (ebd., S. 118).
3.1.8. Sozialplanungsfunktion
Dokumentation kann auch Auskunft darüber geben, wie sich die Soziallandschaft entwickelt. Um solche Entwicklungen einschätzen zu können, werden Sozialdaten aus den Dokumentationen gesammelt und öffentliche TrägerInnen befragt (Reichmann, 2016, S. 43).
3.1.9. Weitere Funktionen und Ziele von Dokumentation
Trede & Henes (2018, S. 6f.) beschreiben Dokumentation als widersprüchlich, da sie einerseits dabei helfen soll einen Sachverhalt zu verstehen, für welchen man andererseits aber ein gewisses Vorverständnis benötigt, um diesen überhaupt dokumentieren zu können. Durch die Dokumentation sollen soziale Wirklichkeiten erfasst werden (Erhöhung der Komplexität) und andererseits benötigt man diese, um sozialpädagogisches Handeln zu operationalisieren (Reduktion von Komplexität).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abb.6: Komplexität der Dokumentation (eigene Darstellung nach Trede & Henes, 2018, S. 7)
Dokumentation soll also die Komplexität von sozialen Wirklichkeiten erhöhen und gleichzeitig die Komplexität reduzieren, um das sozialpädagogische Handeln sichtbar zu machen, wie Abbildung 6 zeigt.
Die Stadt Salzburg (2015, S. 17) sieht den Nutzen der Dokumentation bzw. Aktenführung in verschiedenen Bereichen. Sie dient den SozialarbeiterInnen als Gedächtnisstütze und als Arbeits- und Terminplanungsmittel. Außerdem dient sie der Selbstkontrolle und Grundlage einer Evaluation der eigenen Arbeit, als Basismaterial für das Erstellen von Berichten, als Leistungsnachweis und bietet Orientierungshilfen für Stellvertretungen. Dokumentation dient der Organisation als Sachverhaltsdarstellung oder Problembeschreibung, als Nachweis für erbrachte Leistungen und den damit verbundenen Aufwand, als Nachweis für erreichte Ergebnisse und für die Jahresstatistik. Außerdem dient klientenbezogene Aktenführung externen Adressaten als Beweismittel bei Beschwerden oder gerichtlichen Auseinandersetzungen, als Rechenschaftsbericht gegenüber Behörden, als Grundlage für andere Stellen, die mit dem Fall befasst sind und als Datenmaterial für sozialpolitische Postulate und Forschungsvorhaben (ebd.).
Das Land Oberösterreich formuliert spezifische Ziele und Grundsätze für die Kinder- und Jugendhilfe. Diese können aber in jedem Bundesland unterschiedlich sein, da die Erlassung der Ausführungsgesetze den einzelnen Bundesländern obliegt (B-VG, 2014, Art. 12). In der KJH Oberösterreich sind die Ziele der Dokumentation:
- Die Verschriftlichung von Planungsprozessen
- Das Nachvollziehbarmachen des Betreuungsprozesses
- Das Erstellen einer Grundlage für die Reflexion innerhalb der sozialpädagogischen Einrichtung
- Das Erstellen einer Grundlage für die Darstellung/ Kontrolle im Einzelfall
- Die Informationsweitergabe innerhalb und außerhalb der sozialpädagogischen Einrichtung (Land Oberösterreich, 2013, S. 19)
3.1.10. Zusammenfassung der Funktionen und Ziele von Dokumentation
Zusammenfassend lässt sich also sagen, dass Dokumentation eine Vielfalt an Funktionen erfüllt. Nach Zauner (2016, S. 181) ist es also gut möglich, dass diese miteinander in Konflikt treten können bzw. Spannungsfelder entstehen, da politische, rechtliche, aber auch fachliche und persönliche Interessen und Werte aufeinanderprallen.
Die Frage „Warum in der Sozialen Arbeit dokumentiert wird“ lässt sich mit diesem groben Überblick nun beantworten. Dokumentation erfüllt wesentliche Aufträge und Funktionen, die unverzichtbar erscheinen. Sie dient neben der Legitimation, Strukturierung, Ordnung und Erinnerung, auch als rechtlicher Nachweis für die SozialarbeiterInnen und kann somit bei Entscheidungen und rechtlichen Prozessen ausschlaggebend sein. Es ist nicht nur eine administrative Tätigkeit, sondern stellt zugleich eine Informationssammlung und Informationsvermittlung, Beschreibung von Eindrücken, Beobachtungen und Erzählungen, Grundlage für Entscheidungen, Handlungsschritte, Reflexion und Evaluation dar und dient außerdem noch der Forschung (Zauner, 2016, S. 181). Die Recherche hat allerdings gezeigt, dass besonders viel Wert auf die Legitimationsfunktion und Evaluationsfunktion von Dokumentation gelegt wird, da diese am häufigsten in der Literatur zu finden war.
Es wurde versucht die Funktionen nach dem Beispiel von Reichmann (2016, S. 37ff) aufzugliedern. Dabei ist aufgefallen, dass viele AutorInnen ähnliche Funktionen wie Reichmann definierten, zum Teil waren sie ganz klar einzuordnen, andererseits wurden auch Funktionen gefunden, die nicht eindeutig zugewiesen werden konnten, diese wurden in Kapitel 3.1.9 zusammengefasst. Nicht selten überschneiden sich die Funktionen und gehen ineinander über. Die Gründe, warum in der Sozialen Arbeit dokumentiert wird, sind auch stark davon abhängig in welchem Bereich oder in welcher Institution Dokumentation stattfindet. Ebenso unterschiedlich gestalten sich auch die Funktionsschwerpunkte der Dokumentation in den Institutionen. Während beispielsweise eine größere Einrichtung viel Wert auf die Informationsfunktion und arbeitsorganisierende Funktion in ihrer Dokumentation legen kann, weil sie so groß ist und bei vielen MitarbeiterInnen bzw. einer hohen KlientInnenanzahl der Überblick schnell verloren geht, konzentrieren sich neu eröffnete und kleinere Einrichtungen möglicherweise vor allem auf die Reflexionsfunktion, da die emotionale Belastung noch im Vordergrund steht und das eigene Handeln hinterfragt wird. Hier wird allerdings deutlich, dass es subjektive Unterschiede geben kann und sich die dokumentierenden Personen eines jeweils unterschiedlichen Gebrauchs bedienen können. Es kann also festgehalten werden, dass Funktionen und Anforderungen an eine Dokumentation stark variieren können und je nach Bedarf ein anderer Schwerpunkt gewählt werden kann, da sich die Rahmenbedingungen in der Sozialen Arbeit auch unterschiedlich gestalten können.
3.2. Rahmenbedingungen der Dokumentation in der Sozialen Arbeit
„Aus Sicht von in der Praxis arbeitenden Fachkräften handelt es sich bei den Kontaktdokumentationen, Entwicklungsberichten, schriftlichen Stellungnahmen, Wirkungsnachweisen und Beiträgen zur statistischen Datenerfassung häufig um ungeliebte und als wenig sinnhaft erlebte Arbeitsanteile. Die damit zusammenhängenden Schreibarbeiten binden enorm Zeit und Energie“ (Reichmann, 2016, S. 8).
Weiters schreibt Reichmann (ebd.), dass auch langjährige MitarbeiterInnen in der Sozialen Arbeit häufig mit den Anforderungen der Dokumentation überfordert sind. Es entsteht aufgrund des Zeitmangels ein Konflikt zwischen der Aufmerksamkeit für die KlientInnen und der Erfüllung der Dokumentationspflicht. Schriftliche Kommunikation ist aufwendiger als mündliche Kommunikation, da Gefühle, Haltungen und persönliche Bezüge nicht mit Mimik und Gestik ausgedrückt werden können. Diese müssen durch abstraktere Beschreibungen ergänzt werden (ebd., S. 15).
In der Sozialen Arbeit sind die Arbeitsprozesse nur selten planbar. Störungen und Unterbrechungen gehören im Arbeitsalltag zur Normalität. Für eine professionelle Dokumentation braucht es aber Raum, um konzentriert reflektieren und formulieren zu können. Dieser Raum ist in der Praxis aber kaum vorhanden (ebd., S. 21). Im Schnitt sind für die Dokumentation und zur Anfertigung von regelmäßigen Berichten 20 % der Arbeitszeit einzuplanen. Diese Zeit wird oft nicht eingerechnet und der Dokumentationsaufwand wird häufig unterschätzt. Ressourcenmängel und arbeitsbedingte Unterbrechungen sorgen für eine schlechtere Qualität der Dokumentation (ebd., S. 22). Eine qualitativ hochwertige Dokumentation hängt mit einem effektiven Zeitmanagement zusammen. Dazu sollten geplante Zeiten im Alltag fixiert werden, wo am besten wenig Störungen zu erwarten sind (ebd., S. 76f). Leider ist in der Praxis oft selten Zeit für eine störungsfreie Schreibphase, wie Reichmann sie empfiehlt, und die Dokumentation wird vernachlässigt bzw. auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Die Zeit für das ungestörte dokumentieren kann deshalb oft erst nach Dienstende gefunden werden oder zu wesentlich späteren Zeitpunkten (nach Tagen oder Wochen). So kommt es, dass Fachkräfte ihre Berichte und Schreibarbeiten in der Freizeit erstellen müssen (Ofsted, 2010, S.10). Mit dieser zeitlichen Distanz zum dokumentationswürdigen Inhalt kann ein Verlust der Qualität der Dokumentation einhergehen, da Informationen in der Zwischenzeit verloren gehen können.
Wie bereits erwähnt wird die Dokumentation als eher unbeliebter Teil der sozialarbeiterischen Tätigkeit wahrgenommen und nimmt dabei auch noch sehr viel Zeit in Anspruch (Diebäcker et al, 2009, S. 5f). Umso bedenklicher ist diese Tatsache zu betrachten, wenn die getätigte Dokumentation das eigentliche Ziel verfehlt und häufig nicht richtig erledigt wird. Trede und Henes (2018, S. 6) nennen 3 Gründe warum die Dokumentation manchmal nicht brauchbar ist:
1. Dokumentationen sind nur kleine Ausschnitte aus der Realität und haben wenig Bezug zum pädagogischen Alltag, insbesondere, wenn sie als nachträgliche Legitimation von Entscheidungen oder Prozessen geschrieben werden.
2. Dokumentation kann eine etikettierende Wirkung haben und sich als Teil der Akte verselbstständigen, wenn sie falsch geschrieben wird und zu viel Interpretationsspielraum zulässt.
3. Die Dokumentation beschreibt selten die tatsächliche Handlung, da sie meist rückwärtsgewandt passiert oder erstrebenswerte pädagogische Ziele beinhaltet.
Dokumentation ist häufig von den Zwecken anderer bestimmt und nicht von den Personen, die diese verfassen. Dritte, wie etwa die GeldgeberInnen, Jugendhilfe oder die Institution selbst, verlangen eine Dokumentation. Diese Fremdbestimmung führt dazu, dass Dokumentation als „lästig“ angesehen wird. Derartige Assoziationen von Tätigkeiten, die täglich zu erfüllen sind, erzeugt Widerstände (Blandow, 2001, S. 49).
Zauner (2016, S. 182) erklärt, warum die Dokumentation fremdbestimmt wird. Sie dient nämlich, wie schon mehrfach erwähnt, als Legitimationsgrundlage und als Leistungsnachweis für sozialpolitische Financiers. Die Förderungen basieren in Österreich auf Leistungsverträgen, deren Erfüllung unter anderem mittels Leistungsdokumentation nachgewiesen wird. Die Soziale Arbeit muss sich zunehmend auch ökonomisch beweisen und die Leistungen messbar und vergleichbar machen, was sich in der Sozialen Arbeit als sehr schwierig erweist, da die sozialarbeiterische Tätigkeit prozesshaft und zirkulär erfolgt und die Leistung nicht wie etwa in der Betriebswirtschaft an ein Produkt gekoppelt ist (ebd. S. 183). Der Legitimationsdruck kann dazu führen, dass die Dokumentation nicht mehr den fachlichen Kriterien entspricht, sondern lediglich betriebswirtschaftliche Anforderungen erfüllt (ebd. S. 184). Der steigende ökonomische Druck verändert die Handlungspraxis in den sozialen Einrichtungen derartig, dass AutorInnen sogar von einer Deprofessionalisierung sprechen (Diebäcker et al., 2009, S. 1). Denn verschiedenste Umstrukturierungen und Anforderungen an Leistungsnachweisen bzw. Wirkungskontrollen erschweren und verhindern professionelles Handeln, da der Blick auf das Wesentliche in der Sozialen Arbeit verloren geht. Hinzu kommt der Zeitmangel, der die Interaktions- oder Beziehungsverhältnisse zwischen Fachkräften und KlientInnen negativ beeinflusst (ebd., S. 6).
In der Sozialen Arbeit werden mit Hilfe der Dokumentation Beobachtungen, Wahrnehmungen und damit verbundene Bewertungen festgehalten. Sie konstruiert die soziale Wirklichkeit (Zauner, 2016, S. 187f). Neben den Dokumentationsvorgaben der Organisation bzw. Einrichtung, nehmen auch die Wahrnehmungen und Theorien der aktenführenden Fachkräfte Einfluss auf die Konstruktion der Fälle. Persönliches Interesse und Vorerfahrungen können die Dokumentation beeinflussen (ebd. S. 188). Dadurch entstehen Bilder von den KlientInnen, welche von verschiedenen SozialarbeiterInnen erstellt werden und anhand der geführten Dokumentation nachgelesen werden können. Die KlientInnen haben dabei nur wenig Einfluss darauf, wie sich der Betreuer oder die Betreuerin entscheidet einen Sachverhalt zu beschreiben (ebd., S. 189).
In jedem Dokumentationsvorgang bilden sich die Strukturen, Ziele und Schwerpunkte der Institution oder die Vorstellungen der dokumentierenden Person ab (Molch, 2018, S. 58). So kann angenommen werden, dass die Fachkräfte auch Emotionen und eigene Wertvorstellungen, beispielsweise nach einem unmittelbaren Konflikt mit den KlientInnen, in die Dokumentation miteinbeziehen. Die KlientInnen können in der Regel keinen Einfluss auf die niedergeschriebenen Inhalte nehmen und müssen auf die Professionalität der BetreuerInnen vertrauen.
Dokumentation hat den Anspruch Sachverhalte festzuhalten und zu schildern. Besonders schwierig gestaltet sich die Darstellung von komplexen Sachverhalten wie die Aufzeichnung von pädagogischem Handeln, welches inhaltlich und in seiner Dynamik erfasst werden soll. Beispiele dafür können etwa Erlebnisse von Besuchen im Elternhaus der Kinder und Jugendlichen sein, die fremduntergebracht sind oder Verläufe von Elterngesprächen. Hier müssen neben dem einzelnen Sachverhalt auch Entwicklungen, Ursachen von ausgelösten Ereignissen und die möglichen Folgen von bestimmten Handlungen dokumentiert werden. In solchen Fällen werden nicht nur Sachverhalte festgehalten, sondern auch Ereignisse samt einer Bedeutung zugeordnet (Moch, 2018, S. 60).
Um einen Sachverhalt festzuhalten, wird ein gewisses Vorverständnis benötigt. Dieses Vorwissen prägt die Dokumentation eines Ereignisses, welches erst beobachtet wird und einem dokumentationswürdigen Muster entspricht. Dieses aufgeschriebene Ereignis führt wiederum zu einem veränderten Vorwissen. Dokumentation ist also ein selbstreferenzieller Prozess (Moch, 2018, S. 61f). So kann es in der Praxis passieren, dass dadurch unterschiedliche Dokumentationsschwerpunkte von den Fachkräften gesetzt werden. Von den DokumentatorInnen wird dem Sachverhalt also eine bestimmte Bedeutung zugeschrieben, die von der gemachten Beobachtung, Vorerfahrungen und den möglichen Folgen abhängig ist (ebd., S. 63).
Vor diesem Hintergrund erklärt sich Moch die häufig auftretenden Schwierigkeiten im Prozess der Dokumentation. Probleme treten auf, weil entweder ein zugrundeliegendes Vorverständnis nicht beachtet wird oder weil bestimmte Vorstellungen der Fachkräfte die dokumentationswürdigen Ereignisse einschränken. Es kann auch vorkommen, dass der Gegenstand der Dokumentation vom Kontext isoliert wird und in weiterer Folge keine differenzierte Sichtweise stattfindet (ebd., S. 64).
3.3. Rechtlicher Rahmen
Wie schon mehrfach erwähnt, ist die Dokumentation in der Sozialen Arbeit gesetzlich verankert. Eine gesetzliche Vorschrift zur Notwendigkeit einer zu führenden Dokumentation zeugt von allerhöchster Wichtigkeit und lässt keine Ausnahmen zu. Soziale Einrichtungen und soziale Dienste unterliegen vielfach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz. Die rechtliche Vorlage bezieht sich dabei aber nicht auf die personenbezogene Dokumentation (beispielsweise Alltagsdokumentation von Kindern und Jugendlichen), sondern auf die Leistungsdokumentation der jeweiligen Einrichtung, also Arbeitsschritte und methodischen Vorgehen der Fachkräfte, sowie gegebenenfalls Fehlverhalten in der Betreuung (Busch, 2018, S. 85). Die erwähnten PartnerInnenorganisationen der KJH-Salzburg, unterliegen dem Kinder- und Jugendhilfegesetz und müssen sich an die Bestimmungen einer vorgeschriebenen Leistungsdokumentation halten.
[...]
1 Dokumentation wird häufig zur Überprüfung der eingesetzten Mittel verwendet, dient der Qualitätskontrolle und als Wirkungsnachweis (mehr dazu im Kapitel 3.1.7)
2 Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor „wenn eine gegenwärtige oder zumindest unmittelbar bevorstehende Gefahr für die Kindesentwicklung abzusehen ist, die bei ihrer Fortdauer eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes mit ziemlicher Sicherheit voraussehen lässt“ (BGB, 2014, § 1666).
3 Wie eine vollständige und qualitativ hochwertige Dokumentation aussieht und welchen Anforderungen sie gerecht werden muss, wird in Kapitel 3.6 zusammenfasst.
4 z.B.: eng geführte Raster in Dokumentationssystemen oder vorgegebene Leitfragen
5 siehe Kapitel 3.1.7
6 Weder in den Jahresberichten der einzelnen TrägerInnen, noch in den Sozialberichten des Landes Salzburg und auch nicht in der Kinder- und Jugendhilfestatistik sind MitarbeiterInnenzahlen aufgelistet.
- Arbeit zitieren
- Paul Laireiter (Autor:in), 2019, Dokumentation in der Sozialen Arbeit. Wie technische Innovationen die Dokumentationspraxis verändern (können), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1138667
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