In der vorliegenden Arbeit werden zunächst zwei wissenschaftliche Theorien vorgestellt und erläutert. Die erste Theorie, "komplexe Aufgaben zerlegen", umfasst eine strukturierende Unterstützungsmaßnahme des Scaffoldings nach Reiser. Die zweite Theorie, "faires bzw. kontrolliertes Experimentieren: Variablenkontrolle", umfasst die Prinzipien die einem kontrollierten Experiment, aus welchem valide Informationen gewonnen werden können, zu Grunde liegen. Anschließend werden beide Theorien im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit diskutiert. Daraufhin wird die Fragestellung der Arbeit formuliert. Im Folgenden werden in der Analyse der Aufgabe beide Theorien zur Beantwortung der Fragestellung herangezogen und auf ihre Anwendbarkeit innerhalb der Aufgabe analysiert. Abschließend wird ein Fazit gezogen, welches die Erkenntnisse der Arbeit zusammenfasst.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Komplexe Aufgaben zerlegen
Faires bzw. kontrolliertes Experiment: Variablenkontrolle
Diskussion
Fragestellung
Wie viel Wasser braucht die Pflanze zum Wachsen?
Analyse der Aufgaben
Fazit
Literaturverzeichnis
Einleitung
In der vorliegenden Arbeit werden zunächst zwei wissenschaftliche Theorien vorgestellt und erläutert. Die erste Theorie, komplexe Aufgaben zerlegen, umfasst eine strukturierende Unterstützungsmaßnahme des Scaffoldings nach Reiser (2004). Die zweite Theorie, faires bzw. kontrolliertes Experimentieren: Variablenkontrolle, umfasst die Prinzipien die einem kontrollierten Experiment, aus welchem valide Informationen gewonnen werden können, zu Grunde liegen. Anschließend werden beide Theorien im Hinblick auf ihre Vereinbarkeit diskutiert. Daraufhin wird die Fragestellung der Arbeit formuliert. Im Folgenden werden in der Analyse der Aufgabe beide Theorien zur Beantwortung der Fragestellung herangezogen und auf ihre Anwendbarkeit innerhalb der Aufgabe analysiert. Abschließend wird ein Fazit gezogen, welches die Erkenntnisse der Arbeit zusammenfasst.
Komplexe Aufgaben zerlegen
Komplexe Aufgaben zerlegen (decomposing complex tasks) ist eine strukturierende Maßnahme des Scaffoldings nach Reiser (2004). Seine Definition des Scaffolding Begriffs schließt sich an Wood et. al (1976) an und umfasst Maßnahmen, mit denen die Lehrkraft einem Lernenden hilft, eine Aufgabe zu bewältigen, zu deren Bewältigung er alleine nicht fähig wäre. Reiser (2004) unterscheidet zwischen strukturierenden und problematisierenden Maßnahmen. Das Zerlegen komplexer Aufgaben zählt zu den strukturierenden Maßnahmen, mit dem Ziel der Komplexitätsreduktion. Die Anforderungen der Lernsituation werden so angepasst, dass sie für den Lernenden bewältigbar sind (vgl. Kleickmann et al., 2010). Die Reduktion der Komplexität ist eine gute Maßnahme, um das Arbeitsgedächtnis zu entlasten, was gerade bei naturwissenschaftlichen Sachverhalten nützlich ist. So haben die Schüler die Möglichkeit und kognitive Kapazität ihre Erfahrungen einzuordnen und mit ihrem bisherigen Wissen in Verbindung zu setzen (vgl. Kleickmann, 2012). Durch die Zerlegung kann beispielsweise eine Art Leitfaden geschaffen werden, der dabei hilft, die erforderlichen Schritte, Maßnahmen und deren Reihenfolge, die zur Bewältigung der Aufgabe notwendig sind, zu sehen und zu ergreifen, wodurch sich mehr auf die inhaltliche Lösung konzentriert werden kann. (vgl. Reiser, 2004). Ein weiteres Beispiel ist die Sequenzierung, indem ein komplexer Sachverhalt in eine Folge von nachvollziehbaren, weniger komplexen Einheiten gegliedert wird (vgl. Kleickmann et al. 2010). Kleickmann (2012 nach Möller, 2006) schreibt, dass ein positiver Effekt von strukturierender Maßnahmen auf den Lernerfolg der Schüler gemessen werden konnte. Allerdings wurde nicht der isolierte Effekt der Zerlegung komplexer Aufgaben (in Form von Sequenzierung), sondern gleichzeitig auch die strukturierte Gesprächsführung untersucht. Reiser (2004) betont zwei relevante Nutzen von strukturierenden Scaffolding Maßnahmen. Die Lernenden sollen einerseits durch die Zerlegung der komplexen Aufgabe bei der Lösung genau dieser spezifischen Aufgabe unterstützt werden. Gleichzeitig sollen sie aber auch aus ihrer Erfahrung lernen und dadurch ihre Leistung bei zukünftigen Aufgaben verbessern. Reiser fordert dementsprechend das Anwenden dieser strukturierenden Maßnahme als Strategie gegenüber den Schülern explizit zu machen, damit diese sie zukünftig selbst als metakognitive Strategie nutzen können. Man könnte kritisch anmerken, dass hierdurch nicht der Aufbau eigener Strategien unterstützt, eventuell sogar behindert wird (vgl. Molenaar et al., 2011). Es könnten ebenso Schwierigkeiten auftreten, wenn die Scaffolding Strategie, in diesem Fall die Art der Zerlegung der Aufgabe oder die vorgegebenen Handlungsschritte, zu weit entfernt vom Denken der Schüler sind (vgl. Reiser 2004). Kleickmann (2012) argumentiert zudem, dass komplexe Aufgaben an manchen Stellen auch für einen problemorientierten Unterricht genutzt werden können, und dass durch deren Zerlegung ggf. der anspruchsvolle, herausfordernde Charakter der Aufgabe verloren gehen kann. Er betont die richtige Dosis der Zerlegung, um eine Balance zwischen Herausforderung (der komplexen Aufgabe) und Unterstützung (durch die Scaffolding Strategie) zu schaffen.
Faires bzw. kontrolliertes Experiment: Variablenkontrolle
Um naturwissenschaftlichen Fragestellungen nachzugehen, werden meist Experimente durchgeführt. Die Planung eines Experiments resultiert aus der zu Grunde liegenden Fragestellung und Hypothese, die untersucht werden soll. Aus der Fragestellung und Hypothese lässt sich schlussfolgern, welche Variablen untersucht werden sollen. Um aus Experimenten aussagekräftige Ergebnisse ableiten zu können, müssen faire bzw. kontrollierte Experimente durchgeführt werden. Es muss darauf geachtet werden, pro Durchgang nur eine Variable zu verändern (vgl. Leuchter, 2017). Diese kontrollierte Variablenveränderung wird als Variablenkontrollstrategie bezeichnet (vgl. Chen & Kahr 1999). Für die Anwendung der Variablenkontrollstrategie sind drei Variablen von Bedeutung - die unabhängige (fokale) Variable, die abhängige Variable und die Kontrollvariablen. Die unabhängige Variable (Testvariable) wirkt einen potentiellen Einfluss auf die abhängige Variable (Messvariable) aus. Um ein faires bzw. kontrolliertes Experiment zu erzeugen, müssen alle übrigen Kontrollvariablen (Störvariablen) konstant gehalten, d.h. kontrolliert werden, um den direkten Einfluss der unabhängigen Variable auf die abhängige Variable untersuchen zu können (vgl. Haslbeck, 2019 nach Koehler, 2015). Ein kontrolliertes Experiment zeichnet sich folglich dadurch aus, dass der zu beobachtende Effekt oder Messwert der abhängigen Variable allein auf die fokale, unabhängige Variable zurückzuführen ist (vgl. Koerber 2006). Möchte man z.B. mit einem kontrollierten Experiment die Wirkung, die ein Gewicht eines Gegenstandes (welcher am Pendel hängt) auf die Pendelbewegung hat, messen, so darf nur der Gegenstand bzw. dessen Gewicht als unabhängige Variable verändert werden. Die Länge des Pendelseils, und der Punkt an dem es gestartet wird, müssen als Kontrollvariablen konstant gehalten werden. So kann der direkte Einfluss des Gewichts (Ursache) auf die Pendelbewegung (Wirkung) beobachtet werden. Künsting et al. (2009) unterscheiden zwischen zwei Varianten der Variablenkontrollstrategie. Wenn alle Variablen, außer der unabhängigen Variable, eliminiert oder konstant gehalten werden können, ist nur ein Experimentiervorgang nötig und wird als Variabelkontrollstrategiee within definiert . Wenn nicht alle Variablen eliminiert werden können, muss die Variablenkontrollstrategie between angewendet werden. Das Experiment muss in zwei Ansätzen durchgeführt und das Erste mit dem Zweiten verglichen werden, um so das Ergebnis eindeutig auf die unabhängige Variable zurückführen zu können. Die Variablenkontrollstrategie kommt in den drei Teilkompetenzen des Experimentierens zu tragen. Sie muss beim Planen des Experiments berücksichtigt (welche ist die fokale Variable, welche Variablen müssen kontrolliert werden ect.) und beim Durchführen angewendet werden. Beim Auswerten eines Experimentes gibt sie Auskunft darüber, ob es sich um ein valides Experiment handelt (vgl. Chen und Klahr, 1999). Laut Haslbeck (2019) ist die Beherrschung der Variablenkontrollstrategie nicht nur im naturwissenschaftlichen Kontext relevant, sondern das damit erlernte analytische und systematische Vorgehen kann gewinnbringend im Alltag, z.B. bei der Beurteilung ob Informationen valide sind, angewendet werden. Es stellt sich des Weiteren die Frage, ob und wann Kinder die Variablenkontrollstrategie beherrschen bzw. fähig sind, sie zu erlernen. In einer Studie von Inhelder und Piaget konnte aufgezeigt werden, dass Sieben- bis Neunjährige nicht in der Lage waren, die Variablenkontrollstrategie selbstständig anzuwenden (vgl. Leuchter, 2017 nach Inhelder und Piaget, 1964). Dies deckt sich mit den Ergebnissen von Bullock und Sodian, welche ebenfalls feststellten, dass Grundschulkinder nicht in der Lage waren, spontan ein kontrolliertes Experiment zu erzeugen. Wenn sie allerdings die Wahl haben, entschieden sich 40% der achtjährigen und 60% der neunjährigen Schüler für ein kontrolliertes Experiment (vgl. Koerber, 2006 nach Bullock und Sodian, 2003). Leuchter und Ape (2016) kamen hingegen in ihrer Studie zum Ergebnis, dass weniger als 10% der Vier- bis Sechsjährigen in der Lage waren, zwischen zwei Auswahlmöglichkeiten, mit der korrekten Anwendung der Variablenkontrollstrategie, zu wählen (vgl. Leuchter, 2017 nach Ape und Leuchter, 2016). Man konnte hierdurch einerseits schlussfolgern, dass das Verständnis zur Nutzung der Variablenkontrollstrategie sich erst im Sekundarschulalter entwickelt und zum anderen, dass Grundschulkinder bereits über ein implizites Verständnis der Variablenkontrollstrategie verfügen. Zudem sind sie in der Lage ein explizites Verständnis der Variablenkontrollstrategie durch Förderung zu erlernen. Schwichow et al. zeigen durch ihre Metaanalyse, dass dies am effektivsten durch die Demonstration von kontrollierten Experimenten und durch einen kognitiven Konflikt geschieht. Hierbei macht es allerdings keinen Unterschied, ob die Schüler selbst experimentieren oder nicht (vgl. Schwichow et al., 2016 nach Schwichow et al., 2015)
Diskussion
Wie bereits im vorherigen Teil der Arbeit herausgestellt wurde, handelt es sich bei dem Zerlegen komplexer Aufgaben um eine strukturierende Scaffolding Maßnahme, die dazu dient Komplexität zu reduzieren, um hierdurch die Schüler beim Lösen von Aufgaben zu unterstützen, zu denen sie alleine nicht fähig wären (vgl. Reiser 2004). Die Variablenkontrollstrategie hingegen ist eine Strategie des Experimentierens, deren Anwendung notwendig ist, um kontrollierte Experimente durchführen und aus ihnen valide Schlüsse ziehen zu können (vgl. Leuchter 2017). Die Zerlegung komplexer Aufgaben, als Maßnahme der Unterstützung, ist von der Lehrperson bzw. einer sachkundigeren Person durchzuführen. Die Variablenkontrollstrategie hingegen ist ein Prinzip, das für alle experimentierenden Personen gilt, also vom Schüler selbst angewendet werden muss. Die Fähigkeit Experimente unter Berücksichtigung der Variablenkontrollstrategie zu planen und durchzuführen, entwickelt sich ohne Unterstützung allerdings sehr langsam (vgl. Haslbeck, 2019 nach Lazonder und Kamp, 2012), was sich auch in den oben genannten Studien widerspiegelt. Es besteht Einigkeit darüber, dass es beim forschenden Lernen und dem Erlernen wissenschaftlicher Denk- und Arbeitsweisen, aufgrund der inhaltlichen Komplexität, strukturierender Maßnahmen seitens der Lehrperson bedarf. Das Beherrschen der Variablenkontrollstrategie kann allgemein als sehr komplexe Aufgabe angesehen werden, da sie einerseits in allen drei Teildimensionen des Experimentierens zu tragen kommt (vgl. Haslbeck 2019) und andererseits die Identifikation, der aus der Hypothese resultierenden Variablen und deren kontrollierte Veränderung, ein hohes Maß an Komplexität mit sich bringt. Grundschüler besitzen zwar die kognitive Fähigkeit ein Verständnis für die Variablenkontrollstrategie aufzubauen, benötigen hierbei aber Unterstützung, welche durch eine strukturierende Maßnahme, zum Beispiel durch das Zerlegen komplexer Aufgaben, gegeben werden kann. Die entwicklungspsychologische Forschung zeigt, dass es wichtig ist kleinschrittig vorzugehen, also die komplexe Aufgabe des Experimentierens zu zerlegen. Dadurch können sich die Schüler zunächst auf eine Variable konzentrieren, um so das Prinzip der Hypothesenprüfung durch kontrollierte Experimente und das der Variablenkontrolle zu verstehen und mit ihren bisherigen Konzepten in Verbindung setzen zu können. Strukturierenden Scaffolding Maßnahmen konnte ein positiver Effekt bezüglich des kontrollierten Experimentierens zugeschrieben werden (vgl. Koeber, 2006). Zudem ist der von Reiser (2004) geforderte Langzeiteffekt von Scaffolding Maßnahmen mit dem Ziel der Beherrschung der Variablenkontrollstrategie vereinbar. Ziel ist es nämlich, dass der Schüler durch die strukturierende Maßnahme nicht nur bei einer konkreten Aufgabe die Variablenkontrollstrategie korrekt anwenden kann, sondern dass er durch die Zerlegung erkennen kann, welches Prinzip dahinter steht. Da der Demonstration von kontrollierten Experimenten ein positiver Effekt für das Erlernen der Variablenkontrollstrategi e zugeschrieben wurde (vgl. Schwichow et al. 2016), könnte man beispielsweise die Demonstration eines kontrollierten Experiments in Teilschritte zerlegen, um zu verdeutlichen wie man die fokale Variable identifiziert und die übrigen kontrolliert. Die Schüler könnten wie Reiser (2004) fordert, durch ihre Erfahrungen lernen und im Optimalfall diese Strategie zukünftig selbst anwenden.
Fragestellung
Wie kann die Aufgabe „Wie viel Wasser braucht die Pflanze zum Wachsen?“ unter Berücksichtigung der Theorien komplexe Aufgaben zerlegen und faires bzw. kontrolliertes Experiment: Variablenkontrollstrategie analysieren?
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- Quote paper
- Jana Mayer (Author), 2020, Aufgabenanalyse unter Berücksichtigung der Theorien "komplexe Aufgaben zerlegen" und "faires/kontrolliertes Experiment", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1137970
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