Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Begriff der Niedrigschwelligkeit in niedrigschwelligen Angeboten. Dabei werden einige Versuche der Begriffsdefinition miteinander vorgestellt und es werden Qualitätskriterien der Niedrigschwelligkeit als Platzhalter für eine fehlende genaue Definition vorgestellt. Die Funktionen der Niedrigschwelligkeit im Kontext der Sozialen Arbeit werden kurz vorgestellt: Die Hauptfunktionen der Adressierbarkeit der Klient*innen für das Hilfesystem sowie die spezifische Problembearbeitung. Zum Praxisbezug wird das Krisentelefon des Bonner Vereins für gemeindenahe Psychiatrie e.V. mit den gefundenen Qualitätskriterien als niedrigschwelliges Angebot identifiziert und es wird an diesem Beispiel illustriert, welche Umsetzungsdimensionen der Niedrigschwelligkeit wie in diesem Angebot erfüllt werden. Im Abschluss wird konkludiert, dass für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik der Niedrigschwelligkeit eine arbeitsbereichübergreifende Definition für Niedrigschwelligkeit gefunden werden muss.
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Ein Definitionsversuch für Niedrigschwelligkeit
Unterschiedliche Perspektiven auf Niedrigschwelligkeit
Gemeinsame Qualitätskriterien als Grundlage von Niedrigschwelligkeit
Funktionen niedrigschwelliger Angebote
Die Umsetzung von Niedrigschwelligkeit am Beispiel des Krisentelefons
Fazit
Literaturverzeichnis
Zusammenfassung
Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Begriff der Niedrigschwelligkeit in niedrigschwelligen Angeboten. Dabei werden einige Versuche der Begriffsdefinition miteinander vorgestellt und es werden Qualitätskriterien der Niedrigschwelligkeit als Platzhalter für eine fehlende genaue Definition vorgestellt. Die Funktionen der Niedrigschwelligkeit im Kontext der Sozialen Arbeit werden kurz vorgestellt: Die Hauptfunktionen der Adressierbarkeit der Klient*innen für das Hilfesystem sowie die spezifische Problembearbeitung. Zum Praxisbezug wird das Krisentelefon des Bonner Vereins für gemeindenahe Psychiatrie e.V. mit den gefundenen Qualitätskriterien als niedrigschwelliges Angebot identifiziert und es wird an diesem Beispiel illustriert, welche Umsetzungsdimensionen der Niedrigschwelligkeit wie in diesem Angebot erfüllt werden. Im Abschluss wird konkludiert, dass für eine wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Thematik der Niedrigschwelligkeit eine arbeitsbereichübergreifende Definition für Niedrigschwelligkeit gefunden werden muss.
SCHLAGWÖRTER: Niedrigschwelligkeit, niedrigschwellige Angebote
Einleitung
Niedrigschwellige Angebote sind ein etabliertes Mittel in der Sozialen Arbeit. Ob in der Suchthilfe, der offenen Jugendarbeit oder Streetwork-Angeboten, Niedrigschwelligkeit wird in verschiedensten Settings als Mittel angewandt, Klienten zu erreichen, die sich über mittel- und hochschwelligere Kanäle nicht erreichen lassen oder sich auf anderem Wege dem Zugang sozialarbeiterischer Hilfsangebote entziehen. Der Autor dieser Arbeit hat selbst mehrjährige Berufserfahrung in unterschiedlichen Angebotsstrukturen vorzuweisen, die sich als niedrigschwellig bezeichnen. Bei der Suche nach Literatur sowie einheitlichen Definitionen von zentralen Begriffen sowie Leitfäden über methodisches Vorgehen und professionsethische Positionen Sozialer Arbeit in niedrigschwelligen Angeboten fällt auf, dass der Begriff der Niedrigschwelligkeit nicht in allen Anwendungskontexten die gleiche inhaltliche, fachliche und handlungspraktische Bedeutung hat. Diese Arbeit will deshalb versuchen, einen Einblick in den Begriff der Niedrigschwelligkeit zu geben und auf das Fehlen dieser eindeutigen Definition von Niedrigschwelligkeit einzugehen. Dabei sollen einige Definitionsversuche exemplarisch dargestellt werden und über inhaltliche Grundlagen von Niedrigschwelligkeit ein Zugang zu einer möglichen Definition gefunden werden. Methodisch wird hierfür vorgegangen indem zuerst versucht wird, eine Definition für Niedrigschwelligkeit zu finden und auf Kriterien von Niedrigschwelligkeit einzugehen. Nachdem dies geschehen ist illustriert das Beispiel des Krisentelefons des Bonner Vereins für gemeindenahe Psychiatrie e.V., wie sich Niedrigschwelligkeit in der Praxis der offenen Telefonberatung umsetzen lässt und ob der Versuch einer einheitlichen Definition anhand dieses Praxisbeispiels möglich sein kann. Das abschließende Fazit soll versuchen zu konkludieren, ob und welche wissenschaftstheoretische Zukunft Niedrigschwelligkeit haben kann. Den Einstieg in die Thematik bildet nun im nächsten Abschnitt der Versuch, eine Definition von Niedrigschwelligkeit herauszustellen.
Ein Definitionsversuch für Niedrigschwelligkeit
Wie bereits einleitend angesprochen ist eine einheitliche Definition von Niedrigschwelligkeit für die meisten Autoren abhängig vom Arbeitsbereich, in dem sich Sozialarbeiter*innen[I] bewegen. So versuchen zwar Autor*innen wie Höllmüller (2017, S.31) Niedrigschwelligkeit unter der einfachen Hilfe ohne Kontrolle in berufsethischem Rahmen einzuordnen, dieser Zugang lässt sich allerdings nicht auf alle Angebote mit niedrigschwelligem Charakter übertragen. Das liegt nicht daran, dass sich verschiedene Konzepte niedrigschwelliger Angebote unabhängig voneinander entwickelt haben, sondern fußt darin, dass eine einheitliche Definition nie im Wissenschaftsaustausch herausgestellt wurde und deshalb auch nicht in Lexika oder anderen Standardwerken der Sozialen Arbeit zu finden ist (Stark 2012, S. 1). So zeichnet sich der Begriff im Anwendungskontext dadurch aus, dass er oft genutzt, jedoch selten ausdifferenziert wird. Der nachfolgende Abschnitt versucht, exemplarisch einige Perspektiven auf Niedrigschwelligkeit aufzuzeigen und zu erklären, warum sie jeweils für eine arbeitsbereichsübergreifende Definition in der Sozialen Arbeit unzulässig sind. Unterschiedliche Perspektiven auf Niedrigschwelligkeit Einige Definitionsversuche wie Lutz (vgl. Lutz 2008) versuchen, die Niedrigschwelligkeit in eine Position als Gegenpol zur Hochschwelligkeit einzuordnen. Letzteres bezeichnet als Gegenpol ein Angebot, welches mit höheren Hürden und Verbindlichkeiten verbunden ist. Dieser Ansatz ist insofern unvollständig, da er die Niedrigschwelligkeit auf ihre fehlenden Voraussetzungen im Gegensatz zur Hochschwelligkeit reduziert und nicht darauf eingeht, dass es in unterschiedlichen Settings Klient*innen gibt, die nur unter den Voraussetzungen, die Niedrigschwelligkeit gerade selbst als Konzept schafft, Zugang zu Hilfsangeboten finden können oder wollen. Die Feststellung, dass sich mit Niedrigschwelligkeit also nicht einfach nur ein Konzept oder ein methodisches Vorgehen beschreiben lässt, welches einen Kontrast zu anderen Konzepten oder Methoden bildet, öffnet den Raum für die bereits einleitend gestellte Frage nach einem professionsethischen Fundament für niedrigschwellige Angebote sowie einem Erklärungsbedarf für Unterschiede in verschiedenen sozialarbeiterischen Arbeitsfeldern. Leider lässt sich auch hier bereits schnell feststellen, dass eine einheitliche professionsethische Grundlage für die unterschiedlichen Handlungsfelder zwar von vielen Autor*innen beschworen wird, aber nicht klar in wissenschaftlicher Literatur herausgestellt wurde. Eine eher sozialökonomische Perspektive (Bellermann 2004) versucht z.B., die Niedrigschwelligkeit in eine erweiterte Form des Disability-Ansatzes einzuordnen. So sei die Verortung der Niedrigschwelligkeit unter einem Verständnis des Erweiterns von räumlicher Barrierefreiheit (in Bezug auf körperlich beeinträchtigte Menschen wie im Disability-Ansatz vorgesehen) auf die Minimierung von Barrieren aller Art im Sinne eines Abbaus von Selektionsmechanismen zu verstehen. Bellermann sieht die Grundmaxime der Niedrigschwelligkeit also als eine Erreichbarkeit von sozialen Gütern für alle Teilnehmer der Gesellschaft. Dieser Zugang versucht eine inkludierende, ganzheitliche Betrachtung, schwächelt aber gerade dadurch, dass sich gerade marginalisierte Gruppen durch die Unterordnung in eine größere Kohorte gesellschaftlich benachteiligter Menschen in ihrer eigenen Problemlage missverstanden und diskriminiert fühlen können. Außerdem verwässert diese Perspektive die institutionelle Strukturierung von Hilfsangeboten. So müssten Einrichtungen demnach der Vollständigkeit halber mit allen sozialarbeiterischen Hilfsangeboten ausgestattet sein, die das deutsche Hilfesystem anbietet, um keine Bedürfnisgruppe zu exkludieren. Bellermanns Perspektive ist also ebenso nicht als Grundlage für Niedrigschwelligkeit in allen Arbeitsbereichen der Sozialen Arbeit geeignet. Trotz der Unvollständigkeit der hier exemplarisch aufgeführten Definitionsgrundlagen lässt sich die Position von Stark (vgl. Stark 2012, S. 1) halten, dass sich Niedrigschwelligkeit bis jetzt noch nicht in einer einheitlichen Definition unterbringen lässt. Nichtsdestotrotz teilen sich alle Konzepte von Niedrigschwelligkeit im Rahmen sozialarbeiterischer Angebote und Maßnahmen einige Qualitätskriterien, die ebendiese Angebote bieten müssen, um als niedrigschwellig gelten zu können. Gibt es keine eindeutige Definition, so gibt es immerhin diese Kriterien, die als Anbahnung einer Definition dienen können, deshalb versucht der nachfolgende Abschnitt, diese gemeinsamen Qualitätskriterien herauszustellen.
Gemeinsame Qualitätskriterien als Grundlage von Niedrigschwelligkeit
Für die Niedrigschwelligkeit lassen sich viele der im vorherigen Abschnitt gestellten Definitionsversuche finden und keiner davon ist universell übertragbar. Nachdem bereits herausgestellt wurde, dass Niedrigschwelligkeit nicht auf den Gegensatz zu Hochschwelligkeit, noch im weitesten Sinne auf professionsethische Grundlagen reduzieren lässt, soll ein Ausblick auf die Gemeinsamkeiten niedrigschwelliger Angebote eine Antwort darauf geben, welche gemeinsamen Qualitätskriterien eine Grundlage von Niedrigschwelligkeit im Sinne einer Definition bilden können. Es sei hier bereits darauf verwiesen, dass in Anbetracht der inhaltlichen und vor allem seitenanzahltechnischen Beschränkungen dieser Arbeit in diesem Definitionsversuch nicht genau auf die professionsethischen Begründungen(hier in erster Linie auf systemtheoretische Ansätze bezogen, da diese den Rahmen deutlich sprengen würden) für die nun folgenden Qualitätskriterien eingegangen werden kann. Außerdem gibt es einige weitere Autor*innen, die allgemein zulässige Qualitätskriterien anbieten (z.B. Redemeyer & Block, 2011 S.22-30), der folgende Ansatz bietet aber ein für die meisten Arbeitsbereiche sehr allumfassendes Konstrukt von Kriterien an, mit dem sich verallgemeinernd eine Aussage darüber treffen lässt, ob ein Angebot als niedrigschwellig bezeichnet werden kann oder nicht. Hartmann (2008) stellt hierfür einige zentrale Kriterien heraus, die sich in allen Anwendungskontexten Niedrigschwelliger Angebote wiederfinden. So ist der Ansatz strukturgebend, bezieht sich aber trotzdem explizit darauf, dass es keine grundsätzliche Trennung zwischen den verschiedenen Schwellen von Angebotsformen gibt und es immer auf die konkrete Ausgestaltung des Angebots in Bezug zu den Bedürfnissen der Zielgruppe ankommt. Hartmann verweist dabei auf folgende Qualitätskriterien: Offenheit im Sinne einer offenen und zeitnahen Verfügbarkeit des Angebots für eine bestimmte Zielgruppe, die mit dem Angebot erreicht werden soll. Das Nichtvorhandensein formaler Hürden bzw. falls dies nicht möglich ist eine möglichst sehr geringe Anforderung von formalen Hürden gekoppelt an die Inanspruchnahme des Angebots. Hartmann konkretisiert hier unter anderem auf einen direkten Zugang ins Angebot, keine Erforderlichkeit von Antragsstellung, eine zeitnahe Teilnahme- und Hilfeinanspruchnahmemöglichkeit, keine Kosten sowie keine komplizierte Terminbindung. Hartmann fordert weiterhin Alltagsnähe, da davon auszugehen ist, dass die Zielgruppe in ihrem Alltag belastet und/oder überfordert und deshalb durch diese weitere Verringerung von Anforderungen Entlastung stattfindet und eine gute Integration in den Alltag wichtig ist. Die Möglichkeit individueller Settings soll die Berücksichtigung individueller Bedarfe gewähren. Außerdem muss hierdurch die Notwendigkeit von Umstrukturierung oder Neuschaffung von Angeboten bzw. deren Anpassungsbedarf aufgedeckt werden. Die Flexiblen Zugangswege sollen im Sinne von direktem Zugang und Vermittlung von anderen Einrichtungen und Diensten sowie mit Überleitung in Hilfeangebote z.B. des Jugendamtes oder des Allgemeinen Sozialen Dienstes möglich sein. Die Nutzung des Angebots soll nicht stigmatisierend, der Ort ist positiv belegt und eine Art „Komm- und Gehstruktur“ enthalten - hiermit sollen auch schwerer erreichbare Klient*innengruppen angesprochen werden, dafür kann es jedoch nötig werden, dass sie dort aufgesucht werden müssen, wo sie sich aufhalten. Mit Anonymität und Vertraulichkeit verlangt Hartmann, dass anonyme Kontaktaufnahme möglich sein muss, da die Zuwendung mit persönlichen Problemen an Dritte immer mit Gefühlen wie Schuld, Versagen oder Scham belegt sind. Anonymität und Vertraulichkeit beinhalten deshalb auch, dass einzelne Fallbesprechungen in größeren Projektgremien wie z.B. einer Stadtratssitzung zu unterbinden sind. Die Freiwilligkeit und Auftragsorientierung kann im Fall von Betreuung durch den Allgemeinen Sozialen Dienst oder das Jugendamt sowie Formen der gesetzlichen Betreuung und anderer juristischer Auflagen im Sinne von drohenden Interventionen oder Kontrollauflagen eingeschränkt sein, trotzdem plädiert Hartmann, dass eine Orientierung am Hilfebedarf der Nutzer*innen weiterhin ermöglicht, weitgehende Hilfe anzubieten. Die Berücksichtigung einer angemessenen Informations- und Kommunikationsform und die Beachtung spezieller kultureller religiöser oder weltanschaulicher Hintergründe ist in der Niedrigschwelligkeit nicht als Spezialisierung eines Angebots auf bestimmte Gruppen zu verstehen, das Angebot soll die spezielle Lebenslage dieser Gruppen jedoch berücksichtigen. Eine Unterbringung von Angeboten unter einem Dach und in vertrauten Räumen sowie Nutzer*innenfreundliche Öffnungszeiten orientieren sich am Alltag der Nutzer*innen und berücksichtigen Zeiten, in denen den Nutzer*innen Raum für Kontakt möglich ist. Hier spielt auch die Berücksichtigung biografischer Zeitfenster mit ein, die sich auf bestimmte Phasen der persönlichen Krise sowie Zeiten, in denen Bereitschaft für Veränderung und die Annahme von Unterstützung vorhanden ist, bezieht. Als letztgenanntes Kriterium empfiehlt Hartmann die Anschlussfähigkeit und Durchlässigkeit zu anderen Angeboten, explizit die Transparenz der Angebote und Arbeitsweisen und die Durchlässigkeit der Regelangebote sollen hier arbeitsfeld- und leistungsbereichsübergreifend wirken, also Verbindungen zwischen Nutzer*innen und anderen Diensten, Beratungsstellen und Trägern schaffen. Mit diesen Kriterien bekommt das schwierig zu definierende Konstrukt Niedrigschwelligkeit einen Rahmen, in dem Angebote bewertet und eingeschränkt eingeordnet werden können. Hier tut sich die Frage auf, warum diese Unterscheidung zwischen den Anforderungsschwellen eines Angebots überhaupt Notwendigkeit erfährt. Um auf diese Fragestellung eine Antwort zu geben beschäftigt sich das nächste Kapitel mit der grundsätzlichen Existenzbegründung für niedrigschwellige Angebote und geht dann auf die Funktionen von Niedrigschwelligkeit ein.
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1 Aaus Gründen der gendergerechten Sprache das Gendersternchen verwendet sowie auf Personalpronomen verzichtet wird um möglichst alle Geschlechtsidentitäten anzusprechen. So sind also immer alle Geschlechtsidentitäten gemeint, falls dies nicht explizit anders herausgestellt wird. Dabei wird sich am Leitfaden für geschlechtersensible und inklusive Sprache der Universität zu Köln (2013) orientiert.
- Quote paper
- Andreas Ette (Author), 2018, Niedrigschwellige Angebote in der Sozialen Arbeit, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1137910
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