Im Zentrum Heinrich von Kleists Novelle „Verlobung in St. Domingo“ steht das Schicksal der 15-jährigen Mestize Toni. Es gibt in dieser Arbeit die Frage zu klären, wie Tonis Weg zur Selbstfindung verläuft und ob womöglich ihr Tod ein Zeichen des Scheiterns darstellt. Kann Toni den Ansprüchen gerecht werden, die von außen an sie herangetragen werden und findet sie zu ihrer eigenen Identität und Persönlichkeit?
Dabei erscheint es mir wichtig, auf drei Diskurszusammenhänge einzugehen. Zum einen öffnet Kleist im Bild des Rassenkonflikts das Dilemma der Frage nach der ethnischen und kulturellen Herkunft Tonis aus. Dabei werde ich nicht nur auf ihr eigenes Selbstbild eingehen, sondern auch auf die Außenperspektive ihrer Familie und ihres Verlobten. Ebenfalls wird die Frage nach ihrer Weiblichkeit aufgeworfen. Die 15-Jährige steht sich gerade in ihrer Liebesbeziehung und in der Institution der Ehe aus dem Blickwinkel des 19. Jahrhunderts, einer geschlechtlich bestimmten Rangordnung unterworfen. Die Unterwürfigkeit der Mestize ergeben sich zudem aus ihrer Familienkonstellation und der Beziehung zu ihrer Mutter.
Tonis Weg der Selbstfindung wird in dieser Arbeit unter den Bedingungen der von außen an sie herangetragenen Anforderungen, Erwartungen und Vorurteilen nachvollzogen und ihre Selbstidentifikation anhand ihres Handlungsstranges in der kleistschen Novelle beschrieben.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Schwarz oder Weiß? Tonis Hautfarbe im Rassendiskurs
- Kind oder Frau? Tonis Weiblichkeit im Geschlechterdiskurs
- Tochter oder Geliebte? Tonis Handeln im Familiendiskurs
- Fazit
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit analysiert Tonis Weg zur Selbstfindung in Heinrich von Kleists Novelle „Verlobung in St. Domingo“. Die Analyse konzentriert sich auf Tonis Identitätskrise, die aus ihrem ambivalenten Platz im Rassendiskurs, im Geschlechterdiskurs und im Familiendiskurs resultiert. Ziel ist es, zu untersuchen, wie Tonis Handeln von diesen Diskursen geprägt wird und ob sie trotz der an sie herangetragenen Erwartungen und Vorurteile zu ihrer eigenen Identität findet.
- Tonis Position im Rassendiskurs: Die Rolle ihrer Hautfarbe und ihre Erfahrungen mit dem europäischen Rassendenken.
- Tonis Weiblichkeit: Wie sie in den Geschlechterrollen des 19. Jahrhunderts gefangen ist und sich gleichzeitig nach Autonomie sehnt.
- Tonis Loyalitäten: Die Spannung zwischen ihren Pflichten gegenüber ihrer Familie und ihren eigenen Wünschen und Gefühlen.
- Tonis Tod: Eine mögliche Interpretation als Zeichen des Scheiterns oder als Resultat ihrer misslichen Lage.
Zusammenfassung der Kapitel
1. Einleitung
Die Einleitung stellt die zentrale Figur der Novelle, die 15-jährige Mestize Toni, vor. Sie beleuchtet Tonis Lebensumfeld in der von Aufständen geprägten Kolonie St. Domingo und führt den Leser in die Konflikte zwischen den schwarzen und weißen Einwohnern ein. Tonis Beziehungen zu ihrer Familie und zu dem Schweizer Offizier Gustav von der Ried werden als zentrale Elemente der Handlung vorgestellt. Die Arbeit stellt die Frage, wie Tonis Weg zur Selbstfindung verläuft und welche Rolle ihre Beziehungen dabei spielen.
2. Schwarz oder Weiß? Tonis Hautfarbe im Rassendiskurs
Dieses Kapitel analysiert die Bedeutung von Tonis Hautfarbe im Kontext des Rassendiskurses der Novelle. Tonis „ins Gelbliche gehende Gesichtsfarbe“ (S. 189, Z. 23) macht sie zu einer ambivalenten Figur zwischen den zwei Polen „Schwarz“ und „Weiß“. Der Erzähler zeigt, wie Tonis Hautfarbe von den verschiedenen Akteuren instrumentalisiert wird, um ihre Loyalitäten und ihre Rolle im Kampf der Rassen zu bestimmen.
Schlüsselwörter
Die zentralen Schlüsselwörter und Themen der Arbeit sind: Rassendiskurs, Geschlechterdiskurs, Familiendiskurs, Selbstfindung, Identitätskrise, Mestizin, Kolonie, St. Domingo, Heinrich von Kleist, „Verlobung in St. Domingo“. Die Arbeit beschäftigt sich mit Tonis Position in diesen Diskursen und untersucht, wie diese ihre Handlungsweisen und ihre Selbstwahrnehmung prägen.
- Quote paper
- Clarissa Hohlfeld (Author), 2020, Tonis Identitätskrise in "Verlobung in St. Domingo" von Heinrich von Kleist, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1133672