In wohl keinem einem anderen Säkulum wurde das Leben der Menschen so sehr von Gewalt bestimmt, wie im 17. Jahrhundert. Dass vor allem der Dreißigjährige Krieg vielerorts zur „kulturbedrohenden Grenzerfahrung“ für die Bevölkerung wurde, geht aus vielen zeitgenössischen Selbstzeugnissen hervor. Aber wie sieht es mit der Täterperspektive aus? Sie ist seltener. Das von Jan Peters edierte Tagebuch eines unbekannten Söldners bietet eine solche Perspektive. Über 25 erlebte Kriegsjahre legt dieser Söldner Zeugnis ab und gibt so einen aufschlussreichen Einblick in seine Lebenswelt und die Bedeutung der Gewalt darin. Welche Rolle die Gewalt im Tagebuch des Söldners genau spielt, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Nach einer einleitenden Schärfung des frühneuzeitlichen Gewaltbegriffs sowie einer knappen Hinführung zum Thema, soll vor allem die Bedeutung der Gewalt im Leben des unbekannten Söldners zur Sprache kommen, ferner die Strategien mit denen er diese rechtfertigt oder missbilligt und abschließend die sprachliche Realisierung der Gewalt im Tagebuch.
Inhalt
Einleitung S. 3
1. Gewalt in deutschsprachigen Selbstzeugnissen des Dreißigjährigen Krieges S. 3
1.1. Zum Begriff der „Gewalt“ in der Frühen Neuzeit S. 4
1.2. Der Dreißigjährige Krieg als Schreibmotivation S. 5
1.3. Schreibende Söldner S. 5
2. Gewalt im Leben des unbekannten Söldners S. 6
2.1. Versuch einer Lebensbeschreibung S. 6
2.2. Militärische Gewalt S. 7
2.3. Zivile Gewalt S. 7
3. Die Bewertung der Gewalt S. 7
3.1. Legitimation und Delegitimation S. 8
3.2. Gewalt abseits moralischer Bewertung S. 8
4. Die Sprache der Gewalt S. 9
4.1. Dokumentarischer Stil S. 9
4.2. Verrohung und Zynismus S. 10
4.3. Verdrängungsmechanismen S. 11
Zusammenfassung S. 12
Quellen- und Literaturverzeichnis S. 13
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
1 Gewalt in deutschsprachigen Selbstzeugnissen des Dreißigjährigen Krieges
1.1 Zum Begriff der „Gewalt“ in der Frühen Neuzeit
1.2 Der Dreißigjährige Krieg als Schreibmotivation
1.3 Schreibende Söldner
2 Gewalt im Leben des unbekannten Söldners
2.1 Versuch einer Lebensbeschreibung
2.2 Militärische Gewalt
2.3 Zivile Gewalt
3 Die Bewertung der Gewalt
3.1 Legitimation und Delegitimation
3.2 Gewalt abseits moralischer Bewertung
4 Die Sprache der Gewalt
4.1 Dokumentarischer Stil
4.2 Verrohung und Zynismus
4.3 Verdrängungsmechanismen
Zusammenfassung
Quellen- und Literaturverzeichnis
Quellenverzeichnis
Literaturverzeichnis
Einleitung
In wohl keinem einem anderen Säkulum wurde das Leben der Menschen so sehr von Gewalt bestimmt, wie im 17. Jahrhundert.[1] Dass vor allem der Dreißigjährige Krieg vielerorts zur „kulturbedrohenden Grenzerfahrung“[2] für die Bevölkerung wurde, geht aus vielen zeitgenössischen Selbstzeugnissen[3] hervor. Aber wie sieht es mit der Täterperspektive aus? Sie ist seltener. Das von Jan Peters edierte Tagebuch eines unbekannten Söldners[4] bietet eine solche Perspektive. Über 25 erlebte Kriegsjahre legt dieser Söldner Zeugnis ab und gibt so einen aufschlussreichen Einblick in seine Lebenswelt und die Bedeutung der Gewalt darin. Welche Rolle die Gewalt im Tagebuch des Söldners genau spielt, steht im Mittelpunkt dieser Arbeit. Nach einer einleitenden Schärfung des frühneuzeitlichen Gewaltbegriffs sowie einer knappen Hinführung zum Thema, soll vor allem die Bedeutung der Gewalt im Leben des unbekannten Söldners zur Sprache kommen, ferner die Strategien mit denen er diese rechtfertigt oder missbilligt und abschließend die sprachliche Realisierung der Gewalt im Tagebuch.
1 Gewalt in deutschsprachigen Selbstzeugnissen des Dreißigjährigen Krieges
240 Selbstzeugnisse liegen aus der Zeit des Dreißigjährigen Krieges vor,
und in den meisten davon ist der Krieg zentrales, ja alles beherrschendes Thema.[5] Aber wie sieht das frühneuzeitliche Verständnis von „Gewalt“ aus? Und warum schrieb man über selbige? Diesen Fragen widmen sich die folgenden Ausführungen.
1.1 Zum Begriff der „Gewalt“ in der Frühen Neuzeit
Im Gegensatz zu heute verstand man in der Frühen Neuzeit unter „Gewalt“ in erster Linie die Durchsetzung von Herrschaft (lat. potestas) und damit ein legitimes Machtmittel.[6] Dagegen wurde Gewalt, die sich dieser Herrschaft widersetzte, als rechtswidrige und zu sanktionierende Gewalt (lat. violentia) gedeutet.[7] Diese Unterscheidung zwischen legitimer und illegitimer Gewalt ist für das Verständnis frühneuzeitlichen Gewaltauffassung zentral.[8] Sie zeigt, dass Gewalt nicht von vornherein als gut oder schlecht, richtig oder falsch bewertet wurde, sondern in hohem Maße kontextabhängig war[9] und immer einer Legitimation bedurfte.[10] Ob gewalttätiges Handeln als legitim oder illegitim anzusehen war, entschied zuallererst die Beziehungskonstellation: Wer auf der „hierarchischen Leiter“ höher stand, übte prinzipiell die legitime potestas aus.[11] Allerdings war die Grenze zwischen potestas und violentia fließend[12] und illegitime Gewalt bedeutete zuweilen nur ein höheres Maß an physischer Gewalt.[13] Man kann also von einer Toleranzschwelle ausgehen, die unterschiedlich hoch ausfallen konnte.[14]
1.2 Der Dreißigjährige Krieg als Schreibmotivation
Wenn in den Selbstzeugnissen des Dreißigjährigen Krieges von Gewalt die Rede ist, dann besonders häufig im Sinne der illegitimen violentia.[15] Dieser Umstand verwundert nicht angesichts der verheerenden Auswirkungen, die der Krieg vielerorts hatte. So forderte dieser Krieg (wie vermutlich alle Kriege gleichermaßen) zum Schreiben heraus – sei es zur Verarbeitung des Erlebten oder schlicht, um Zeugnis für die Nachwelt abzulegen.[16] Und diesem Bedürfnis folgten keineswegs nur akademische Kreise, denn auch Nonnen und Bauern brachten ihre Eindrücke zu Papier.[17] Daneben ist freilich zu bemerken, dass speziell das Schreiben über Gewalt nicht selten auch der reinen Propaganda diente:[18] Die geschilderten Grausamkeiten sollten Gegengewalt legitimieren oder den Feind verunglimpfen.
1.3 Schreibende Söldner
Auch Söldner berichteten im 17. Jahrhundert über ihre Erlebnisse. Blickt man aber auf die Zeit des Dreißigjährigen Krieges und sucht dort den einfachen, schreibenden Söldner, so wird die Quellenlage merklich dünner. Gewiss, es gibt derartige Selbstzeugnisse, doch entweder sind sie allzu fragmentarisch oder der Krieg findet darin praktisch keine Erwähnung.[19] Oder aber die Schriften wurden von ranghohen Adeligen verfasst.[20] Damit kommt dem zu Beginn genannten Tagebuch eines unbekannten Söldners eine herausragende Bedeutung zu. Welche Rolle die Gewalt im Leben dieses Söldners genau spielte, soll nun untersucht werden.
2 Gewalt im Leben des unbekannten Söldners
Im Leben des Söldners gehörte Gewalt ohne Frage zur alltäglichen Erfahrung. Schließlich hatte er den Kriegsdienst zum Beruf und die Gewaltausübung damit zum Handwerk gemacht[21] – er tötete für Lohn und Brot.[22] So zog der Söldner der Gewalt quasi nach.
2.1 Versuch einer Lebensbeschreibung
Die Identität des Söldners, dessen Aufzeichnungen die Jahre 1625-1649 beschreiben, kann nicht zweifelsfrei geklärt werden.[23] Er muss aber über einen Bildungsgrad verfügt haben, der deutlich über dem des durchschnittlichen Söldners lag. Dies zeigt sich nicht nur daran, dass er seine Erlebnisse überhaupt niederschrieb,[24] sondern unter anderem auch dort, wo er Kenntnisse über die Wilhelm-Tell-Sage oder die Bibel offenbart.[25] Er kämpfte abwechselnd in venezianischen, ligistischen oder schwedischen Diensten und zog fast 25 Jahre lang quer durch Mitteleuropa.[26] So wurde sein Leben durch das „Prinzip Unbeständigkeit“[27] bestimmt, denn nicht nur die Fahne wechselte – auch Beuteglück und Nahrungssituation schwankten ständig.[28] In diesem unsteten Alltag bildete die Familie des Söldners die wichtigste soziale Größe,[29] sie folgte ihm wohin er auch ging. Zwei Mal heiratete der Söldner und zeugte fünf Kinder, von denen zwei überlebten.
[...]
[1] Vgl. Ralf Pröve: Gewalt und Herrschaft in der Frühen Neuzeit. Formen und Formenwandel von Gewalt, in: Zeitschrift für Geschichtswissenschaft 47, 1999, 792-806, hier 792.
[2] Johannes Burkhardt: Der Dreißigjährige Krieg, Frankfurt/Main 1992.
[3] Vgl. Benigna v. Krusenstjern: Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: Historische Anthropologie, 1994, Heft 3, 462-471.
[4] Vgl. Jan Peters (Hg.): Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg. Eine Quelle zur Sozialgeschichte, Berlin 1993.
[5] Vgl. Benigna von Krusenstjern: Buchhalter ihres Lebens. Über Selbstzeugnisse aus dem 17. Jahrhundert, in: Klaus Arnold u.a. (Hg.): Das dargestellte Ich. Studien zu Selbstzeugnissen des späten Mittelalters und der frühen Neuzeit, Bochum 1999, 139-146, hier 139-143.
[6] Vgl. Pröve: Gewalt und Herrschaft, 796.
[7] Vgl. ders.: Violentia und Potestas. Perzeptionsprobleme von Gewalt in Söldnertagebüchern des 17. Jahrhunderts, in: Markus Meumann / Dirk Niefanger (Hg.): Ein Schauplatz herber Angst. Wahrnehmung und Darstellung von Gewalt im 17. Jahrhundert, Göttingen 1997, 24-42, hier 32.
[8] Vgl. Michaela Hohkamp: Grausamkeit blutet, Gerechtigkeit zwackt. Überlegungen zu Grenzziehungen zwischen legitimer und nicht-legitimer Gewalt, in: Magnus Eriksson / Barbara Krug-Richter (Hg.): Streitkulturen. Gewalt, Konflikt und Kommunikation in der ländlichen Gesellschaft (16.-19. Jahrhundert), Köln 2003, 59-79, hier 78.
[9] Vgl. Markus Meumann: Herrschaft oder Tyrannis? Zur Legitimität von Gewalt bei militärischer Besetzung, in: Claudia Ulbrich u.a. (Hg.): Gewalt in der Frühen Neuzeit. Beiträge zur 5. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit im VHD, Berlin 2005, 173-188, hier 181.
[10] Vgl. Claudia Ulbrich u.a. (Hg.): Gewalt in der Frühen Neuzeit. Beiträge zur 5. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit im VHD (Historische Forschungen 81), Berlin 2005, 9-14, hier 12.
[11] Vgl. Hohkamp: Grausamkeit blutet, Gerechtigkeit zwackt, 65.
[12] Vgl. Pröve: Violentia und Potestas, 34.
[13] Vgl. Horst Carl: Gewalttätigkeit und Herrschaftsverdichtung. Die Rolle und Funktion organisierter Gewalt in der Frühen Neuzeit, in: Claudia Ulbrich u.a. (Hg.): Gewalt in der Frühen Neuzeit. Beiträge zur 5. Tagung der Arbeitsgemeinschaft Frühe Neuzeit im VHD (Historische Forschungen 81), Berlin 2005, 141-144, hier 141f.
[14] Vgl. Pröve: Gewalt und Herrschaft, 806.
[15] Vgl. Meumann: Herrschaft oder Tyrannis, 179.
[16] Vgl. Krusenstjern: Buchhalter ihres Lebens, 144.
[17] Vgl. Vgl. Benigna von Krusenstjern / Hans Medick: Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 148), Göttingen 1999, 28.
[18] Vgl. Meumann: Herrschaft oder Tyrannis, 174.
[19] Vgl. Peter Burschel: Himmelreich und Hölle. Ein Söldner, sein Tagebuch und die Ordnungen des Krieges, in: Benigna v. Krusenstjern / Hans Medick (Hg.): Zwischen Alltag und Katastrophe. Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 148), Göttingen 1999, 181-194, hier 182.
[20] Vgl. Pröve: Violentia und Potestas, 29.
[21] Vgl. Pröve: Violentia und Potestas, 31.
[22] Vgl. Michael Sikora: Söldner – historische Annäherung an einen Kriegstypus, in: Geschichte und Gesellschaft 29, 2003, 210-238, hier 218.
[23] Vgl. Peters: Söldnerleben, 23-26. Peters vermutet hinter dem Unbekannten einen Rheinländer namens Peter Hagendorf.
[24] Vgl. Dinges: Soldatenkörper in der Frühen Neuzeit. Erfahrungen mit einem unzureichend geschützten, formierten und verletzten Körper in Selbstzeugnissen, in: Richard van Dülmen (Hg.): Körper-Geschichten (Studien zur historischen Kulturforschung V), Frankfurt am Main 1996, 71-98, hier 72.
[25] Peters: Söldnerleben, 13 bzw. 41.
[26] Vgl. Pröve: Violentia und Potestas, 31.
[27] Peters: Söldnerleben, 223.
[28] Ebd., 223f.
[29] Vgl. Burschel: Himmelreich und Hölle, 189.
- Arbeit zitieren
- Lars Gewehr (Autor:in), 2006, „so haben wir das dorff, angezundet vndt lassen brenen“ - Gewalt im Tagebuch eines unbekannten Söldners aus dem Dreißigjährigen Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113221
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