Brauchen MigrantenInnen ihre Tradition zur Integration?

Eine Auseinandersetzung mit dem Thema am Beispiel türkischer Mitbürger


Seminararbeit, 2007

16 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

1. Einleitung

2. Die Türken in Deutschland

3. Annahmen über die Türken

4. Tradition, Parallelgesellschaft und Ethnozentrismus

5. Der Versuch einer Erklärung

6. Zwischen den Welten oder mit Beiden

7. Resümee

Quellenangabe

Vorwort

Wenn ich gefragt werde, wie Türken hier in Deutschland leben, dann kann ich nicht wirklich etwas dazu sagen, obwohl mein Nachbarn Atmacan heißen. Sie sind eine junge türkische Familie mit zwei kleinen schulpflichtigen Mädchen. Frau Atmacan geht nur mit Kopftuch und mit langen Mantel vor die Türe, auch wenn sie nur 5 Minuten im Hof Wäsche aufhängt, aus der Küche duftet es immer äußerst lecker, jedoch anders wie bei mir, wenn ich koche. Die Mädchen sagen nichts zu mir, wenn ich mit ihnen sprechen möchte, aber das Ehepaar grüßt mich freundlich. Ich sehe immer wieder andere türkische Personen zu Besuch kommen. Herr Atmacan fährt täglich zur Arbeit, alle sprechen gut deutsch und außerdem haben sie Angst vor meinen kleinen Hund, einem Dackel.

Wenn ich mit ihm spazieren gehe, so komme ich in der nächsten Strasse an einer Moschee vorbei, die in letzter Zeit stark in den Medien Schlagzeilen machte, da dort ein Internat für türkische Jugendliche ganz nach alter Tradition eröffnet werden sollte. Gehe ich mit meinem Hund in die andere Richtung so komme ich nach wenigen Metern ebenfalls zu einem großen Mietshaus, in dem nur türkische Familien wohnen und das ein Treffpunkt ist. So gehen an meiner Wohnung öfters Männer mit Kopfbedeckung und Bart vorbei und sie unterhalten sich auf Türkisch. Aber was, kann ich durch all die Beobachtungen und Begegnungen, die der oberflächlich sind schon über meine türkischen Mitbürger sagen?

Ich könnte jetzt all die „Auffälligkeiten“ so definieren, dass alle Türken hier so sind und es so sehen, dass sie eigentlich gar nichts mit mir oder dem Land, das ich meine Heimat nenne, zu tun haben wollen. Mein anderer Nachbar tut dies, er spricht von der Familie nur abfällig von den Türken und nennt sie nie bei ihrem Familiennamen, er meint, dass sie doch dort hin zurückkehren sollten, wo sie herkommen sind. Er ist ein sehr unzufriedener, unangenehmer und launischer Artgenosse. Ihn würde ich gerne dorthin schicken, wo er zuvor gewohnt hat.

1. Einleitung

Dies ist eine Beschreibung eines nachbarschaftlichen Verhältnisses und vielleicht auf dieser Ebene doch auch typisch für das größere System. Ganz klar ist es eine sehr oberflächliche Beschreibung und Zuordnung – aber vielleicht ist auch dies typisch.

Ortfried Schäffter schreibt als Herausgeber in seinem Buch „Das Fremde“ „erst wenn Grenzen zu Kontaktflächen werden, wird Fremdheit zu bedeutsamer Erfahrung. So lässt sich festhalten, dass nur dann, wenn wir uns näher gekommen sind, die Fremdheit des anderen überhaupt erst in Erscheinung tritt“[1]

Ich komme nicht näher in Kontakt mit meinen türkischen Nachbarn, die Kontaktfläche ist die zufällige Begegnung außerhalb des Hauses und es wäre eigentlich schon spannend zu wissen, wie sie mich beschreiben würden, aus diesen kurzen Wahrnehmungen heraus.

Meine Überlegung gehen in die Richtung, ob es hier in Deutschland überhaupt zu so einer wirklichen Begegnung zwischen den von uns bezeichneten „Ausländern“ und den Deutschen kommt, so dass das Fremde in seiner Eigenart, Ursprünglichkeit oder Angepasstheit erkannt und akzeptiert werden kann, oder ob Stereotypen und übernommene Behauptungen im negativen Sinn über die Fremden, welche in Deutschland mengenmäßig die türkischen Mitbürger zugeordnet werden, eine Integration verhindern. Steht auf der einen Seite das Andere mit seiner Tradition und dem gegenüber das Deutsche mit seinem nationalen Stolz, das sich schwer tut, Fremdartigem die Hand zu reichen? Haben wir übersehen, dass die Gastarbeiter keine Gäste mehr sind, die nach dieser Definition wieder gehen, sondern Arbeiter, Mitbürger, die bleiben oder in Zeiten der Globalisierung hin und her pendeln?

2. Die Türken in Deutschland

Mit der Türkei wurde am 31. Oktober 1961 im wirtschaftlichen Aufschwung ein Anwerbe-Abkommen abgeschlossen. Es wurden dabei vor allem ungelernte Arbeiter angeworben, die einige Jahre in Deutschland arbeiten und dann wieder in ihre Heimat zurückkehren sollten. Es gab in Deutschland damals weitaus mehr Arbeit als Arbeitskräfte und „sollte das Wirtschaftswunder anhalten brauchte die westdeutsche Industrie dringend junge, fleißige, kräftige und vor allem genügsame, die Löhne nicht noch höher treibende, keine Überstunden scheuende Handarbeiter.“[2]

So kamen neue Arbeiter in unser Land aus Italien, Griechenland, Spanien, dem ehemaligen Jugoslawien und „was die Zuwanderung aus der Türkei betrifft, so erfasste sie zunächst ausschließlich Menschen – weit überwiegend Männer – die, befristete Arbeitsverhältnisse in Deutschland erhielten. Die Mehrzahl von ihnen stammte aus ländlichen Regionen im Osten der Türkei, also aus wirtschaftlich zurück gebliebenen Teilen des Landes. (…) Man kann sich – auch ohne Untersuchungen nach der Methoden der Sozialwissenschaft – gut vorstellen, was dies für sie bedeutete: Die Lösung aus dem engen Familienverband, die Reise in ein fremdes Land, dessen Sprache und Lebensgewohnheiten sie nicht kannten, in dessen komplizierten und unpersönlichen Räderwerk sie als völlig Unwissende und Unerfahrene erschienen. Dabei rechneten sie sich als Muslime zu den Auserwählten und als Türken zu einer stolzen Nation. Eine brisante Lage, die sie zunächst nur deshalb annahmen, weil sie sie als vorläufig betrachteten. Dass sie in der Lage waren, den Angehörigen in der Türkei Geld zu überweisen, stärkte ihr Selbstbewusstsein. Die Möglichkeit, sie mindestens einmal im Jahr zu besuchen, machte die Trennung erträglicher.[3]

Jedoch folgte im Jahre 1973 die Ölkrise und damit verbunden eine Weltwirtschaftskrise und es wurde beschlossen die Anwerbung einzustellen. Mehr als 900.000 Türken lebten damals in Deutschland. Viele wollten zurück, hatten jedoch ihr Ziel genügend Geld anzusparen noch nicht erreicht und die Zahl der türkischen Einwanderer nahm, trotz Bemühungen der Rückführung und Einreisebegrenzung stetig zu. Die Rückkehr wurde nach dem Anwerbestopp als zu großes Risiko empfunden, weil damit der Weg, später nach einmal nach Deutschland zu gehen, verschlossen war.

Außerdem kamen durch die Familien- und Ehegattenzusammenführung immer mehr Angehörige aus der Türkei nach. So blieben natürlich die Familien und mittlerweile lebt die zweite und dritte Generation hier. Bald wurde die Formel umgedreht, denn die Ausländer nahmen nun den Deutschen die Arbeit weg und verhinderten deren Wohlstand. Forderungen nach Deutschland den Deutschen kamen auf, Anschläge auf Asylantenwohnungen und Übergriffe auf ausländische Mitbürger häuften sich. Am 31.12.2003 lebten hier zu Lande 1877661 türkische Staatsbürger. Mehr als 600000 sind inzwischen eingebürgert und dennoch scheint es schwierig, sie als Deutsche zu sehen.

[...]


[1] Ortfried Schäffter, S. 12

[2] Bernt Engelmann, S. 38

[3] Rudolf Schmidt, S. 110

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Brauchen MigrantenInnen ihre Tradition zur Integration?
Untertitel
Eine Auseinandersetzung mit dem Thema am Beispiel türkischer Mitbürger
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Landshut, ehem. Fachhochschule Landshut
Veranstaltung
Das Eigene und das Fremde
Note
1
Autor
Jahr
2007
Seiten
16
Katalognummer
V113216
ISBN (eBook)
9783640136650
ISBN (Buch)
9783640139507
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Brauchen, MigrantenInnen, Tradition, Integration, Eigene, Fremde
Arbeit zitieren
Monika Fraunhofer (Autor:in), 2007, Brauchen MigrantenInnen ihre Tradition zur Integration?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/113216

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