In dieser Bachelorarbeit wird die Frage aufgestellt, ob, beziehungsweise welche, nicht-medikamentösen Ansätze in der CMD-Therapie als effektiv bewertet werden können und ob diese im Alltag der Dentalhygienikerin und Präventionsmanagerin umsetzbar sind. Durch die Untersuchungsergebnisse soll die Berufsgruppe mit dem gewonnenen Wissen in der Lage sein, Patienten bei akuten und chronischen Schmerzen helfen zu können und ein Voranschreiten beziehungsweise eine Entstehung der Erkrankung zu verhindern.
Die "Craniomandibuläre Dysfunktion" (CMD) beschreibt Störungen im Bereich der Kaumuskulatur und/oder des Kiefergelenks, die struktureller, funktioneller, biochemischer und psychischer Ätiologie sein können und schmerzhafte oder nicht schmerzhafte Beschwerden hervorrufen. Die Symptome sind vielfältig und reichen von Zahnschmerzen bis zu Tinnitus und Schlafstörungen. Diese Komplexität an Symptomen, die eine CMD hervorrufen kann und die multifaktorielle Ätiologie sorgen dafür, dass die Beschwerden oft erst spät oder gar nicht erkannt werden und eine Chronifizierung der Beschwerden die Folge ist.
Derzeit haben sich als Therapieverfahren für die CMD Aufklärung, Okklusionsschienen, Physiotherapie/Selbsttherapie, Psychotherapie, Cyclobenzaprin, Antidepressiva, Analgetika und Benzodiazepine bewährt bzw. wurden durch Studien als effektiv bewertet. Aufgrund der Tatsache, dass die Dentalhygienikerin (DH) und Präventionsmanagerin die Patienten in der Regel häufiger antrifft als der Zahnarzt und dass vor jeder Behandlung eine allgemeinmedizinische Anamnese erhoben werden sollte, können Verhaltensänderungen und gesundheitliche Veränderungen schneller durch diese bemerkt werden.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretischer Hintergrund
2.1 Ätiopathogenese der CMD
2.2 Diagnostik
2.3 Nicht Medikamentöse Therapieverfahren
2.3.1 Kinesio Taping
2.3.2 Akupunktur
2.3.3 Aurikulotherapie
2.3.4 Photobiomodulation (PBM)
2.3.5 Okklusionsschienen
2.3.6 Manuelle Therapie
2.4 Delegationsrahmen
3 Material und Methode
3.1 Auswahl der Datenbank
3.2 Suchstrategie
3.3 Ein- und Ausschlusskriterien
4 Ergebnisse
4.1 Therapie mit Kinesio Taping
4.2 Therapie mit Akupunktur
4.3 Therapie mit Licht
4.4 Therapie mit Schiene
4.5 Physiotherapie
4.6 Therapie mit Aufklärung
5 Diskussion
5.1 Diskussion der einzelnen Studien und ihrer Ergebnisse
5.2 Konsequenzen für die Praxis
6 Fazit
7 Literaturverzeichnis
8 Anhangsverzeichnis
Anhang I: Themenblatt
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Prozess der Studienfindung
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Einteilung der Achse I in die verschiedenen Diagnosegruppen
Tabelle 2: Die 12 somatischen Diagnosen der DC/TMD
Tabelle 3: Suchstrategien der systematischen Literaturrecherche
Tabelle 4: Evidenzklassen
Tabelle 5: Ein- und Ausschlusskriterien der systematischen Literaturanalyse
Tabelle 6: Einteilung der berücksichtigten Studien in Themenbereiche
Tabelle 7: Übersicht der einbezogenen Studien
Tabelle 8: Übersicht der Studien und deren einbezogenen Diagnosen
Abkürzungsverzeichnis
AAOP American Academy of Orofacial Pain
A-PRI affective pain rating index
AlGaAs Aluminium-Gallium-Arsenid
CAD computer-aided design
CAM computer-aided manufacturing
CMD Craniomandibuläre Dysfunktion
CPG chronic pain grade classification
DC/TMD Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders
DH Dentalhygieniker/in
GaAlAs Gallium-Aluminium-Arsenid
GaAs Galliumarsenid
GAD-7 Generalizied Anxiety Disorder Scale -7
GCPS Graded Chronic Pain Scale
HeilprG Heilpraktikergesetz
IMMPACT Initiative on Methods, Measurement, and Pain Assessment in Clinical Trial
InGaAs Indiumgalliumarsenid
JFLS Jaw Functional Limitation Scale
LEDs light-emitting diodes /Leuchtdioden
LLLT low-level laser therapy
M./Mm. Musculus/Musculi
MRT Magnetresonanztomografie
N. Nervus
NCBI National Center for Biotechnology Information
NLM U.S. National Library of Medicine
NTI-tss Nociceptive Trigeminal Inhibition – tension suppression system
PHQ Patient Health Questionnaire
PBM Photobiomodulation
PPI present pain intensity
PSI Parodontaler Screening -Index
RCT Randomized Controlled Trial
RDC/TMD Research Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders
S-PRI sensory pain rating index
SAR sit-and-reach
SCL-90 Symptom-Checkliste 90
SF-MPQ Short Form-McGill Pain Questionnaire
T-PRI total pain rating index
TMD temporomandibular disorders
VAS visuelle Analogskala
ZFA Zahnmedizinische Fachangestellte
ZHG Zahnheilkundegesetz
Im Folgenden wird auf die Nennung der einzelnen Geschlechter (z. B. Dentalhygieniker/in oder Dentalhygieniker/Dentalhygienikerin) zugunsten eines besseren Leseflusses verzichtet. Bei allgemeinen Personenbezügen ist grundsätzlich von alle Geschlechtsidentitäten die Rede.
Zusammenfassung
Theoretischer Hintergrund/Forschungsproblem: Die craniomandibuläre Dysfunktion zeichnet sich durch eine Vielzahl von Symptomen und einer multifaktoriellen Ätiologie aus. Durch diese Komplexität der Erkrankung wird sie oft erst zu spät oder gar nicht festgestellt, wodurch die Schmerzen chronisch und die Lebensqualität der Betroffenen, aber auch des Umfelds, massiv beeinträchtigt werden können. Zielstellung: Ziel dieser systematischen Literaturanalyse ist es, herauszufinden ob es wissenschaftlich nachgewiesene nicht medikamentöse Ansätze in der CMD Therapie gibt und wie bzw. ob sie in der Dentalhygiene und im Präventionsmanagement umsetzbar sind. Fragestellung: Es wurde die Frage aufgestellt, ob bzw. welche nicht medikamentösen Ansätze in der CMD Therapie als effektiv bewertet werden können und ob diese im Alltag einer Dentalhygienikerin und Präventionsmanagerin umsetzbar sind. Auf Grundlage dieser Fragestellung wurden zwei Nullhypothesen formuliert. Die erste Nullhypothese lautete, dass es keine wissenschaftlich nachgewiesenen nicht medikamentösen Ansätze in der CMD Therapie gibt und die zweite, dass Maßnahmen der nicht medikamentösen Ansätze nicht durch eine Dentalhygienikerin durchgeführt werden dürfen. Methoden: Die systematische Literaturanalyse erfolgte mit drei Suchstrategien über die Online -Datenbank PubMED. Mithilfe von Filtern und den aufgestellten Ein- und Ausschlusskriterien wurden die Treffermengen immer weiter eingrenzt, sodass am Ende 14 Studien für die systematische Literaturanalyse herangezogen wurden. Ergebnisse: Die meisten Studien konnten einen positiven Nutzen der verschiedenen Therapieansätze zeigen. Einige Studien sind auf Grundlage des Delegationsrahmens auch durch die Dentalhygienikerin und Präventionsmanagerin umsetzbar, wenn entsprechende Vorkenntnisse bestehen. Fazit: Weitere Studien zu nicht medikamentösen Ansätzen mit entsprechender sample size und einem validen Beobachtungszeitraum sind notwendig. Außerdem sollte jede Praxis einen CMD Kurzbefund einführen und in die Prophylaxesitzungen implementieren. Schlüsselwörter: CMD Therapie, Dentalhygiene, Präventionsmanagement, nicht medikamentöse Ansätze, Delegationsrahmen
1 Einleitung
Die „Craniomandibuläre Dysfunktion“ (CMD) beschreibt Störungen im Bereich der Kaumuskulatur und/oder des Kiefergelenks, die struktureller, funktioneller, biochemischer und psychischer Ätiologie sein können und schmerzhafte oder nicht schmerzhafte Beschwerden hervorrufen (Kehr, o. J.). Die Symptome sind vielfältig und reichen von Zahnschmerzen bis zu Tinnitus und Schlafstörungen (Kares, 2008a; Kehr, o.J.). Diese Komplexität an Symptomen, die eine CMD hervorrufen kann und die multifaktorielle Ätiologie sorgen dafür, dass die Beschwerden oft erst spät oder gar nicht erkannt werden und eine Chronifizierung der Beschwerden die Folge ist (Kehr, o. J.). Chronische Schmerzen stellen nicht nur den behandelnden Therapeuten vor eine Herausforderung, sondern vor allem die betroffene Person selbst. Die Chronifizierung kann bei den Betroffenen Angstzustände, Hilflosigkeit, Depressionen und soziale Probleme auslösen. Daraus resultiert eine Abnahme der Lebensqualität, die sowohl die betroffene Person als auch ihr Umfeld betrifft (Fussnegger, 2016). Die Prävalenz der CMD liegt in verschiedenen Ländern laut Untersuchungen zwischen 14 – 40 %, wobei Frauen anderthalb bis zweimal häufiger als Männer betroffen sind (Kares, 2008a).
Derzeit haben sich als Therapieverfahren für die CMD Aufklärung, Okklusionsschienen, Physiotherapie/Selbsttherapie, Psychotherapie, Cyclobenzaprin, Antidepressiva, Analgetika und Benzodiazepine bewährt bzw. wurden durch Studien als effektiv bewertet (Ahlers et al., 2015; Kares, 2010).
Aufgrund der Tatsache, dass die Dentalhygienikerin (DH) und Präventionsmanagerin die Patienten in der Regel häufiger antrifft als der Zahnarzt und dass vor jeder Behandlung eine allgemeinmedizinische Anamnese erhoben werden sollte, können Verhaltensänderungen und gesundheitliche Veränderungen schneller durch diese bemerkt werden (Kempf, 2018). Die Präventionsmanagerin befasst sich vor allem mit den verschiedenen Stufen der Prävention. So gilt es, eine Entstehung von Krankheiten zu verhindern (Primärprävention), diese möglichst früh zu erkennen (Sekundärprävention) und ein Voranschreiten der Erkrankung zu unterbinden (Tertiärprävention) (Bundesgesundheitsministerium, 2019). In diesem Zusammenhang gilt es auch die Quartärprävention zu berücksichtigen, welche eine nicht bedarfsgerechte Medizin verhindern und vor einer Überversorgung schützen soll (Kühlein, Maibaum & Klemperer, 2018).
Vor diesem Hintergrund wurde in Bezug auf die Bachelorarbeit die Frage aufgestellt, ob bzw. welche nicht medikamentösen Ansätze in der CMD Therapie als effektiv bewertet werden können und ob diese im Alltag der DH und Präventionsmanagerin umsetzbar sind. Durch die Untersuchungsergebnisse soll die Berufsgruppe mit dem gewonnenen Wissen in der Lage sein, Patienten bei akuten und chronischen Schmerzen helfen zu können und ein Voranschreiten bzw. eine Entstehung der Erkrankung zu verhindern.
Auf Grundlage der Fragegestellung wurden zwei Nullhypothesen formuliert:
1. Es gibt keine wissenschaftlich nachgewiesenen nicht medikamentösen Ansätze in der CMD Therapie.
2. Maßnahmen der nicht medikamentösen Ansätze dürfen nicht durch eine DH durchgeführt werden.
Ziel dieser Bachelorarbeit, in Form einer systematischen Literaturanalyse, ist es, herauszufinden welche nicht medikamentösen Ansätze in der CMD Therapie effektiv sind und wie bzw. ob sie in der Dentalhygiene und im Präventionsmanagement umsetzbar sind. Dafür wird im nächsten Kapitel zunächst der theoretische Hintergrund erläutert, welcher dazu dient, ausreichend Hintergrundwissen zur CMD, zur Diagnostik dieser und der verwendeten nicht medikamentösen Therapien, die in den Studien durchgeführt wurden, zu erlangen. Für die Beurteilung der Umsetzbarkeit der einzelnen Therapieansätze durch die DH muss vor allem überprüft werden, ob diese delegierbar sind, weshalb im zweiten Kapitel ebenfalls der Delegationsrahmen erläutert wird. Im dritten Kapitel wird der Material- und Methodenteil dargestellt, in welchem genau beschrieben wird, wie die Auswahl der einzelnen Studien stattgefunden hat. Nach diesem Kapitel werden anschließend die Ergebnisse der Studien zusammengefasst und in Kurzform nochmals tabellarisch aufgeführt. Das fünfte Kapitel stellt den Diskussionsteil dar, in welchem die einzelnen Studien und die Ergebnisse dieser untereinander verglichen und kritisch hinterfragt werden. Außerdem sollen Konsequenzen für die Praxis in diesem Teil der Arbeit, auch auf Grundlage des Delegationsrahmens, aufgezeigt werden. Ein abschließendes Fazit rundet die systematische Literaturanalyse ab.
2 Theoretischer Hintergrund
Dieses Kapitel beschäftigt sich damit die theoretischen Kenntnisse zu vermitteln, die zum Verständnis dieser systematischen Literaturanalyse notwendig sind.
2.1 Ätiopathogenese der CMD
Bei der CMD handelt es sich zusammengefasst um myofasziale Schmerzen, Diskusverlagerung sowie entzündliche oder degenerative Veränderungen des Kiefergelenks, wie Arthralgie, Arthritis oder Arthrose (Kares, 2008a; Reißmann & John, 2007). Im internationalen Raum wird von temporomandibular disorders (TMD) gesprochen (Kares, 2008a). Es wird von einer multifaktoriellen Ätiologie ausgegangen, welche auf dem biopsychosozialen Modell basiert. Demnach gibt es drei Hauptgruppen ätiologischer Ursachen. Die erste Gruppe beinhaltet okklusal-anatomische Faktoren, die zweite Gruppe berücksichtigt neuromuskuläre Faktoren, z. B. Parafunktionen und Habits und die dritte Gruppe umfasst psychosoziale Faktoren. Dadurch, dass sich der Anteil der Gruppen bei jedem individuell unterschiedlich ausprägt, kommen verschiedene Symptomprofile zustande (Ververs, Ouwerkerk, van der Heijden, Steenks & De Wijer, 2004). Die Komplexität der Symptome und die multifaktorielle Ätiologie sorgen dafür, dass die CMD oft gar nicht oder erst zu spät erkannt wird. Daraus kann eine Chronifizierung des Schmerzes resultieren (Kehr, o.J.). Akute Schmerzen sorgen dafür, dass der Körper geschützt wird, da sie den Körper in Alarmbereitschaft versetzen und in der Regel nur von kurzer Dauer sind. Chronische Schmerzen hingegen schädigen den Organismus auf Dauer, da die Leistungsfähigkeit dauerhaft gehemmt wird (Kares, 2008a). Die Chronifizierung kann psychosoziale Folgen haben, welche nicht nur für den Betroffenen, sondern auch für sein Umfeld eine Belastung darstellen. Es entstehen Angstzustände und depressive Verstimmungen woraus Vermeidungsverhalten und Rückzug resultieren. Dadurch wiederum entstehen soziale Konflikte. All diese Umstände sorgen für eine verminderte Lebensqualität (Fussnegger, 2016; Kares, 2008a). Es gilt deshalb Schmerzen frühzeitig zu erkennen und zu intervenieren (Kares, 2008a). Das nachfolgende Unterkapitel stellt die Diagnostik der CMD dar.
2.2 Diagnostik
Es gibt verschiedene Instrumente, welche zur Diagnostik der CMD dienen. In dieser systematischen Literaturanalyse werden nur die Diagnostiksysteme erläutert, welche in dieser Arbeit Anwendung gefunden haben. Die Research Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders (RDC/TMD) wurden 1992 auf Grundlage von internationalen Expertenempfehlungen und verfügbaren empirischen Daten entwickelt (Dworkin, 2010; Dworkin & LeResche, 1992). Sie gelten als internationaler Goldstandard, da sie weltweit ausgiebig für die Forschung genutzt werden und bereits in 18 Sprachen übersetzt wurden (Dworkin, 2010; Hanskamp, 2015). Es handelt sich dabei um ein zweiachsiges System, welches sowohl somatische (Achse I) als auch schmerzbezogene psychosoziale (Achse II) Parameter erfasst. Die Achse I wird ferner in drei Diagnosegruppen differenziert, welche in der nachfolgenden Tabelle dargestellt werden (Hirsch, 2003).
Tabelle 1: Einteilung der Achse I in die verschiedenen Diagnosegruppen (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Es erfolgen klinische Untersuchungen und eine Einschätzung der Intensität und Qualität des Schmerzes, um den Patienten in eine der Diagnosegruppen einzuteilen. Es ist möglich, dass bei einem Patienten multiple Diagnosen vorkommen, allerdings kann nur eine Diagnose innerhalb der Diagnosegruppe pro Gelenk gestellt werden (Hirsch, 2003). Die Achse II berücksichtigt die schmerzbezogene Beeinträchtigung täglicher Aktivitäten, die depressive Verstimmung und unspezifische somatische Symptome. Für die Ermittlung dieser können verschiedene Fragebögen herangezogen werden.
Vor dem Hintergrund, dass die Validität (Sensitivität und Spezifität) der RDC/TMD für die Achse I nicht ausreichend war, wurde 2014 ein neuer Leitfaden auf dessen Grundlage entwickelt (Hanskamp, 2015; Schiffman et al., 2014). Der Begriff hat sich in Diagnostic Criteria for Temporomandibular Disorders (DC/TMD) geändert und beinhaltet insgesamt zwölf Diagnosen, welche sich in schmerzbezogen und nichtschmerzbezogen unterteilen lassen (Leiggener, Jochum & Türp, 2016). Die folgende Tabelle zeigt die einzelnen Diagnosen.
Tabelle 2: Die 12 somatischen Diagnosen der DC/TMD (eigene Darstellung nach Leiggener et al., 2016)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Achse II wird, wie bei den RDC/TMD, mit umfangreichen Instrumenten erhoben, welche den Empfehlungen der Initiative on Methods, Measurement, and Pain Assessment in Clinical Trial (IMMPACT) folgen. Diese beziehen die Schmerzintensität, die körperliche Funktionsfähigkeit allgemein und krankheitsspezifisch und die emotionale Funktionsfähigkeit in die Bewertung mit ein (Schiffman et al., 2014; siehe Anhang S. 69).
Der anamnestische Index nach Fonseca wurde in der brasilianisch-portugiesischen Sprache geschrieben und dazu entwickelt, um auf Grundlage der Anzeichen und Symptome die Schwere einer CMD zu bewerten. Der Index entspricht einem Fragebogen mit zehn Fragen, welche jeweils drei Antwortmöglichkeiten haben. Anhand der Antwort gibt es Punkte, die anschließend addiert werden und dadurch eine Klassifikation der CMD erlauben. Die Antwortmöglichkeiten sind „ja (zehn Punkte)“, „manchmal (fünf Punkte)“ und „nein (null Punkte)“. Hat der Proband nach Ausfüllen des Fragebogens null bis 15 Punkte erreicht, hat er keine Anzeichen und Symptome einer CMD. 20 bis 45 Punkte entsprechen einer milden, 50 bis 65 Punkte einer moderaten und 70 bis 100 Punkte einer schweren CMD (Pires, de Castro, Pelai, de Arruda & Rodrigues-Bigaton, 2018).
2.3 Nicht Medikamentöse Therapieverfahren
Dieses Unterkapitel dient dazu die einzelnen nicht medikamentösen Ansätze, die in den verwendeten Studien untersucht wurden, genauer zu beleuchten und das nötige Hintergrundwissen über diese zu vermitteln.
2.3.1 Kinesio Taping
Die Technik des Kinesio Tapings wurde als erstes von einem japanischen Chiropraktiker in den 1970er Jahren beschrieben. Es handelt sich dabei um ein latexfreies, elastisches Klebeband, welches unter Spannung auf die Haut des Patienten aufgebracht wird. Das Kinesio Tape entspricht der Dicke der Haut, wodurch es sensorische Reize und die Wahrnehmung seines Gewichts vermeidet. Es besteht aus 100 % Baumwollgewebe, welches einen elastischen Polymer-Strang beinhaltet und dadurch ein schnelles Trocknen der Körperfeuchtigkeit begünstigt und den Bewegungsumfang nicht einschränkt (Coskun Benlidayi, Salimov, Kurkcu & Guzel, 2016; do Carmo Silva Parreira et al., 2014). Die Kombination der Dehnungsfähigkeit des Kinesio Tapes und die Anwendung über den gedehnten Muskel erzeugt beim Zurückkehren in die Neutralposition Konvulsionen in der Haut des Patienten. Die Konvulsion reduziert den Druck in den Mechanorezeptoren, welche sich unterhalb der Dermis befinden, wodurch nozizeptive Reize verringert werden. Außerdem sollen die Konvulsionen dafür sorgen, dass sich die Rekrutierung der Muskeln durch inhibitorische und exzitatorische neuromuskuläre Mechanismen verändern. In Abhängigkeit von der Richtung, in der das Tape angebracht wurde, ist der Mechanismus entweder inhibitorisch oder exzitatorisch (do Carmo Silva Parreira et al., 2014).
2.3.2 Akupunktur
Bei der Akupunktur handelt es sich um ein therapeutisches Hilfsmittel, welches bereits 2500 Jahre alt ist und ursprünglich aus dem fernen Osten stammt. In der traditionellen chinesischen Medizin wird die Akupunktur durch Einsetzen von sehr dünnen Nadeln in bestimmte Punkte, mit einer genauen anatomischen Position, auf der Hautoberfläche entlang energetischer Linien durchgeführt. Diese energetischen Linien werden Meridiane genannt und sollen den Energiefluss (Qì) in Einklang bringen und die natürlichen Heilungsmechanismen von Körper und Seele stimulieren. Die chinesische Definition wurde von vielen Studien in biologische, biochemische und neurophysiobiologische Wirkungsbegriffe „übersetzt“. Es wurde gezeigt, dass zum Zeitpunkt des Einführens der Nadeln, die Spiegel von b-Endorphin, Endorphinen, Enkephalinen, Serotonin und Dopamin im Blut und Gehirn ansteigen. Außerdem werden durch das Einführen der Nadeln Immunmodulatoren freigesetzt, welche den lipolytischen Prozess verbessern und einen Einfluss auf die Freisetzung von Adrenalin und Noradrenalin haben (Noiman, Garty, Maimon, Miller & Lev-Ari, 2010).
2.3.3 Aurikulotherapie
Die Aurikoltherapie ist Teil der traditionellen chinesischen Medizin und befasst sich mit der Akupunktur des Ohrs. Ende der 1950er Jahre wurde die Ohrakupunktur durch den französischen Physiker Dr. Paul Nogier weiterentwickelt. Er konnte zeigen, dass verschiedene Regionen des Ohrs und spezifische Organe eindeutige funktionelle Beziehungen und Abhängigkeiten zueinander haben. Ausgehend von diesen Beziehungen kann die Nadelung und/oder Stimulation einer oder mehrerer Ohrakupunkturpunkte durchgeführt werden, um bestimmte Organfunktionen zu behandeln (Gao et al., 2012; Nogier, 1987). Als Ergebnis des technologischen Fortschritts hat sich nicht nur der Behandlungsumfang erweitert, sondern auch die Methoden, die genutzt werden, um die Ohrakupunktur durchzuführen. Diese haben sich von Metallnadeln über Elektroakupunktur bis zur Laserakupunktur entwickelt (Round, Litscher & Bahr, 2013).
2.3.4 Photobiomodulation (PBM)
Die Photobiomodulation wird auch als low-level laser therapy (LLLT) bezeichnet und bezieht den Gebrauch von Lasern oder Leuchtdioden (LEDs) mit einer Wellenlänge vom sichtbaren Lichtspektrum (l = 400 nm) bis zur Infrarotstrahlung (l = 1,064 nm) und einer Energie von unter 500 mW mit ein (Brochado et al., 2018; Hamblin, 2018). Die PBM umfasst die Absorption von Photonen durch das natürliche Chromophor Cytochrom-c-Oxidase, welches die metabolische Sauerstoffreduktionsreaktion katalysiert. Außerdem beschleunigt es den Atmungsstoffwechsel und hat die Zellteilung, die Antioxidantien- und Redox-Regulierung, die Verhinderung des Zelltods, die Wiederherstellung des Zellstoffwechsels und die Reduzierung von Schmerzen und Entzündungen zur Folge (Brochado et al., 2018). Es wurde herausgefunden, dass eine Therapie mit PBM Cyclooxigenase-2 in Zellkulturen hemmt (da Cunha, Firoozmand, da Silva, Camargo & de Oliveira, 2008; Sakurai, Yamaguchi & Abiko, 2000). Auch konnten stimulierende Effekte auf die Fibroblastenfunktion und die Reparatur des Bindegewebes festgestellt werden (Skinner, Gage, Wilce & Shaw, 1996). Es wurde ebenfalls ein Effekt auf die periphere Nervenstimulation und Regulierung der Mikrozirkulation suggeriert, indem der Teufelskreis der Entstehung und die Entwicklung des Schmerzes unterbrochen wird und es dadurch zu einer Analgesie kommt. Die Hemmung der neuronalen Aktivität könnte für den therapeutischen Effekt verantwortlich sein und dafür, dass die Laserbestrahlung selektiv die nozizeptiven Signale der peripheren Nerven hemmt (da Cunha et al., 2008). Es gibt außerdem verschiedene Arten von Lasern, welche abhängig von ihrer Leistung den Soft - oder Hardlasern zugeordnet werden. Softlaser haben eine Leistung von bis zu 500 mW, Hardlaser haben eine Leistung mit mehr als 500 mW (Mettraux, 2016). Je nach Leistung und Wellenlänge des Lasers werden sie verschiedenen Laserklassen zugeordnet, welche das Gefährdungspotential wiedergeben (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 1997). Softlaser lassen sich demnach der Laserklasse 3B und Hardlaser der Laserklasse 4 zuordnen und benötigen Sicherheitsvorkehrungen, wie Schutzbrillen oder eine Abschirmung, da sie bei fehlendem Schutz irreversible Haut- und Augenschäden oder Brand- und Explosionsgefahr verursachen können (Deutsche Gesetzliche Unfallversicherung, 1997; Mettraux, 2016). Außerdem gibt es verschiedene Lasersysteme, wie CO2-, Erbium- oder Dioden-Laser. Die berücksichtigten Studien haben alle Dioden-Laser verwendet, welche immer unterschiedliche Wellenlängen haben. Bei den CO2- oder Erbium-Lasern gibt es feste Wellenlängen (Borges et al., 2018; Brochado et al., 2018; Da Fonseca Rodrigues et al., 2019; Magri, Carvalho, Rodrigues, Bataglion & Leite-Panissi, 2017; Mettraux, 2016).
2.3.5 Okklusionsschienen
Okklusionsschienen unterstützen die Harmonisierung der Muskel- und Kiefergelenkfunktion, bezwecken die Ausschaltung okklusaler Interferenzen und Reduktion von Para- funktionen und dienen zum Schutz der Zahnhartsubstanz (Ahlers et al., 2015; Klasser, Greene & Lavigne, 2010; Naeije & Hansson, 1991; Sheikholeslam, Holmgren & Riise, 1986; Solberg, Clark & Rugh, 1975). Stabilisierungsschienen werden meist als Kurzzeitschienen verwendet, um eine Änderung der horizontalen und/oder vertikalen Kieferrelation vorzugeben. Eine anteriore Repositionierungsschiene kann bei Diskusverlagerungen Verwendung finden und hilft bei der Wiederherstellung einer zentrischen Kondylenposition. Hierbei ist, aufgrund der höheren Invasivität, eine besonders gewissenhafte Diagnostik und Indikationsstellung für die Therapie notwendig, um keine dysfunktionellen Veränderungen hervorzurufen (Ahlers et al., 2015; Farrar, 1972; Williamson, 2005). Die Nociceptive Trigeminal Inhibition - tension suppression system (NTI-tss) Vorrichtung soll durch punktförmige Belastung der Incisivi nächtliche Muskelverspannungen verringern, indem der körpereigene nozizeptive Inhibitionsreflex des Nervus (N.) trigeminus‘ stimuliert wird (Conti, Corrêa, Lauris & Stuginski-Barbosa, 2015; Kares, 2008b).
2.3.6 Manuelle Therapie
Die manuelle Therapie ist eine physische Behandlung, welche von Physiotherapeuten, Chiropraktikern, Osteopathen oder anderem Fachpersonal für die Behandlung von muskuloskelettalen Schmerzen und Beeinträchtigungen ausgeübt wird. Sie beinhaltet Massagetherapie, Gelenkmobilisierung und Manipulation (French, Brennan, White & Cusack, 2011; Nagata et al., 2019). Es wird davon ausgegangen, dass es myofasziale Ketten gibt, welche durch den gesamten Körper verlaufen und alle Körperteile unterstützen. Dadurch hat eine funktionelle Einschränkung in einer bestimmten Region Auswirkungen auf den gesamten Körper. Diese Verbindung besteht ebenfalls zwischen den ischiocruralen und suboccipitalen Muskeln, weshalb eine Dehnung der ischiocruralen Muskulatur eine Spannungslösung im suboccipitalen Weichgewebe bewirkt (Heredia-Rizo et al., 2013; Rodriguez-Blanco et al., 2015). Die Manipulation der Wirbelsäule kann angewendet werden, um die normale Segmentmechanik auf der manipulierten Ebene wiederherzustellen und den nozizeptiven Reflexbogen auf der eingeschränkten Ebene zu unterbrechen, wodurch die Schmerzfreiheit und Muskelentspannung gefördert wird (Herzog, Scheele & Conway, 1999).
Im nachfolgenden Kapitel wird der Delegationsrahmen erläutert, um später die Umsetzbarkeit der einzelnen Therapieverfahren in der Dentalhygiene und im Präventionsmanagement nachzuvollziehen.
2.4 Delegationsrahmen
Der Delegationsrahmen für Zahnmedizinische Fachangestellte (ZFA) wurde am 16. September 2009 von dem Vorstand der Bundeszahnärztekammer ergänzt und beschlossen. Es handelt sich bei der DH nicht um ein eigenes Berufsbild, sondern um eine Aufstiegsfortbildung, weshalb es keinen gesonderten Delegationsrahmen für dieses Berufsfeld gibt. Je höher eine Mitarbeiterin qualifiziert ist, desto mehr Delegationsmöglichkeiten können erworben werden. Für die Delegation müssen jedoch einige Grundsätze beachtet werden. Zunächst muss es sich vor allem um eine delegationsfähige Leistung nach § 1 Abs. 5, 6 des Zahnheilkundegesetzes (ZHG) handeln. Zu diesen Leistungen zählen die radiologische Untersuchung mit Erstellen von Röntgenaufnahmen, Dokumentation, Herstellen von Situationsabdrücken, Kariesprävention, Prävention von Parodontalerkrankungen, Aufgaben im konservierenden/prothetischen Bereich sowie der Kieferorthopädie. Einige Leistungen sind lediglich dem Zahnarzt vorbehalten. Zu den spezifischen Leistungen des Zahnarztes zählen die Untersuchung des Patienten, die Diagnosestellung und Aufklärung, die Therapieplanung, die Entscheidung über sämtliche Behandlungsmaßnahmen, invasive diagnostische und therapeutische Eingriffe, Injektionen und sämtliche operative Eingriffe. Sollten diese Tätigkeiten von einer Mitarbeiterin ausgeübt werden, macht diese sich strafbar. Wenn der Zahnarzt Kenntnis darüber hat, macht er sich ebenfalls strafbar und wird laut § 18 ZHG mit einer Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe bestraft. Für die Delegation der Leistungen an die Mitarbeiterin muss diese dafür qualifiziert sein und der Zahnarzt muss sich von der Qualifikation überzeugt haben. Seitens des Zahnarztes gibt es eine Anordnungs-, Weisungs- und Aufsichtspflicht (Bundeszahnärztekammer, 2009).
Nachdem nun das notwendige Hintergrundwissen vermittelt wurde, wird im dritten Kapitel die Vorgehensweise zur Auswahl der berücksichtigen Studien erläutert.
3 Material und Methode
Damit die Herangehensweise dieser systematischen Literaturanalyse nachvollzogen werden kann, dient dieser Teil der Arbeit dazu, diese genauestens zu erläutern. Dafür wird zunächst auf die Auswahl der Datenbank eingegangen.
3.1 Auswahl der Datenbank
Die systematische Literaturrecherche wurde mit der englischsprachigen Online -Datenbank PubMed durchgeführt, welche vom National Center for Biotechnology Information (NCBI) entwickelt, verwaltet und kostenlos online von der U.S. National Library of Medicine (NLM) zur Verfügung gestellt wird. Die Hauptkomponente von PubMed ist die Datenbank MEDLINE. PubMed umfasst über 30 Millionen Zitationen und deckt Felder der Biomedizin und Gesundheit sowie Teile von Lebens-, Verhaltens-, Chemiewissenschaften und Bioingenieurwesen ab (NCBI, 2020).
3.2 Suchstrategie
Für die Literaturrecherche über die Online -Datenbank PubMed wurden drei Suchstrategien angewendet. In jeder Suchstrategie wurde nach dem Begriff „ TMD therapy“ gesucht, welcher bei den ersten beiden Suchstrategien durch den Booleschen Operator „AND‘ ‘ einmal mit „self-care“ und einmal mit „acupuncture“ verbunden wurde. Durch die Verwendung des Booleschen Operators „AND‘‘ wird die Treffermenge eingeschränkt, da die Dokumente beide Wörter enthalten müssen. Bei der dritten Suchstrategie wurde „injection“ durch den Booleschen Operator „ NOT “ ausgeschlossen und lediglich Dokumente angezeigt, die nur den Begriff „TMD therapy“ enthielten. Durch die Filter „ Randomized Controlled Trial “ und „ 5 years“ fand eine weitere Eingrenzung statt. Studien in einem größeren Zeitraum konnten nicht berücksichtigt werden, da die Treffermenge in einem nicht zu handhabenden Rahmen war.
Tabelle 3: Suchstrategien der systematischen Literaturrecherche (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
3.3 Ein- und Ausschlusskriterien
Für die Berücksichtigung von Studien der systematischen Literaturanalyse wurden Ein- und Ausschlusskriterien formuliert. Es wurden lediglich randomisierte und kontrollierte Studien berücksichtigt, da sie der Evidenzklasse Ib entsprechen und diese bei der Wirksamkeit medizinischer Maßnahmen eine valide Grundlage bilden (Blümle, Meerpohl, Wolff & Antes, 2009).
Tabelle 4: Evidenzklassen (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der Datenbank wurde lediglich auf die Online -Datenbank PubMed zurückgegriffen, wodurch ausschließlich englischsprachige Studien berücksichtigt werden konnten. Somit wurden andere Datenbanken oder Sprachen für die Literaturanalyse ausgeschlossen. Für den Veröffentlichungszeitraum wurden nur Studien, die nicht älter als fünf Jahre waren und bis zum 19.05.2020 bereitgestellt wurden, berücksichtigt. Somit wurden alle älteren Studien oder Studien, die nach dem 19.05.2020 veröffentlicht wurden, ausgeschlossen. Bezüglich des Forschungsgebiets wurden alle nicht medikamentösen Ansätze, welche in der Praxis umsetzbar waren, mit einbezogen. Medikamentöse Ansätze, Injektionen oder Therapieansätze deren Umsetzbarkeit in der Praxis schwierig sind, wie z. B. die Gehirnstimulation, wurden für diese Arbeit ausgeschlossen. Ein weiteres Ausschlusskriterium waren zusätzliche Erkrankungen zur CMD, wie Fibromyalgie oder Schlafapnoe.
Tabelle 5: Ein- und Ausschlusskriterien der systemischen Literaturanalyse (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Bei der ersten Suchstrategie (TMD therapy AND self care) gab es insgesamt 112 Treffer. Mit der zweiten Suchstrategie (TMD therapy AND acupuncture) konnten 57 Literaturstellen gefunden werden und über die dritte Suchstrategie (TMD therapy NOT injection) wurden 3259 Treffer erzielt. Nachdem mit dem Filter „Randomized Controlled Trial“ selektiert wurde, blieben bei der ersten Suchstrategie noch 25, bei der zweiten noch 14 und bei der dritten noch 297 Literaturstellen übrig. Es fand eine weitere Eingrenzung mit dem Filter „5 years“ statt. Somit konnte die Treffermenge bei der ersten und zweiten Suchstrategie auf fünf und bei der dritten auf 91 reduziert werden. Nach Durchsicht der Titel in Bezug auf die Forschungsfrage blieben insgesamt 32 Literaturstellen übrig. Diese 32 gefilterten Stellen wurden unter Berücksichtigung der vorher formulierten Ein- und Ausschlusskriterien anhand ihrer Abstracts überprüft. Dabei wurden 12 Stellen verworfen, womit noch 20 Literaturstellen übrig blieben. Zwischen den drei Suchstrategien gab es allerdings vier Duplikate, wodurch sich die Anzahl der Studien auf 16 reduzierte.
Diese 16 Studien wurden in der Deutschen Zentralbibliothek für Medizin – Informationszentrum Lebenswissenschaften als Volltext herausgesucht. Zwei dieser Studien waren allerdings weder online noch in der Bibliothek als Volltext erhältlich. Auf Nachfrage bei einem Mitarbeiter der Bibliothek wurde die Auskunft gegeben, dass das Abonnement einiger Journals nicht mehr verlängert wurde und neuere Versionen somit nicht mehr verfügbar seien. Die zwei Studien wurden somit für die systematische Literaturanalyse ausgeschlossen, womit insgesamt 14 Literaturstellen vollständig gelesen und mit einbezogen wurden. Auf der nachfolgenden Seite ist der Prozess der Literaturrecherche noch einmal bildlich mithilfe eines flowcharts dargestellt. Die letzte Suchabfrage über PubMed erfolgte am 19.05.2020.
Abbildung 1: Prozess der Studienfindung (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4 Ergebnisse
Nachdem die Herangehensweise zur Auswahl der vorliegenden Studien genau erläutert wurde, befasst sich dieser Teil der Arbeit nun damit, diese zu beschreiben und die Ergebnisse darzustellen. Für eine bessere Übersicht wurden die ausgewählten Studien dieser systematischen Literaturanalyse sechs Themenbereichen zugeteilt. In jeweils vier Studien wurde die Auswirkung von Licht und Auswirkungen einer Therapie durch Aufklärung untersucht. Physiotherapeutische Ansätze wurden in drei Studien evaluiert. In jeweils einer Studie wurde der Effekt von Kinesio Taping, Akupunktur und einer Schienentherapie überprüft.
Tabelle 6: Einteilung der berücksichtigten Studien in Themenbereiche (eigene Darstellung)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
4.1 Therapie mit Kinesio Taping
Coskun Benlidayi et al. (2016) untersuchten in ihrer Studie die Wirksamkeit von Kinesio Taping bei CMD. Sie wollten die zusätzlichen Effekte, falls es welche gab, gegenüber herkömmlicher Therapie mit Beratung und Kieferübungen bewerten. Die Arbeitshypothese lautete, dass Kinesio Taping eine zusätzliche Verbesserung bei der Schmerzlinderung und der funktionellen Mobilität bei CMD bewirkt. Das Studiendesign war randomisiert, kontrolliert und single-blind. Ein follow-up erfolgte beim Entfernen des zweiten Kinesio Tapes und nach sechs Wochen. Zu Beginn der Studie wurden 33 Probanden mit einer diagnostizierten CMD gemäß den Forschungsdiagnostikkriterien für CMD randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt, eine Kontrollgruppe (n = 16) und eine Versuchsgruppe (n = 17). Der drop-out lag bei n = 5, wodurch in beiden Gruppen n = 14 waren und sich die Teilnehmeranzahl auf n = 28 reduzierte. Beide Gruppen erhielten eine Aufklärung zur Lebensweise zusammen mit Anweisungen für Kieferübungen. Die Übungen beinhalteten sowohl Mobilisierungsübungen als auch Kräftigungsübungen. Diese wurden achtmal pro Sitzung und dreimal am Tag für sechs Wochen wiederholt. Zusätzlich wurde bei der Versuchsgruppe das Kinesio Tape insgesamt zweimal angebracht. Jede Anwendung des Tapes hielt für drei Tage. Nach Auswertung der Ergebnisse konnten die Forscher feststellen, dass sich in beiden Gruppen die aktive Mundöffnung vom Ausgangsbefund signifikant verbessert hatte, wobei dies vor allem für die Versuchsgruppe galt (p = 0,003). Die Verbesserung war von der ersten bis zur sechsten Woche in der Kontrollgruppe nicht signifikant (p = 0,032). Die Veränderung der aktiven Mundöffnung des Ausgangsbefunds war in der Versuchsgruppe in der ersten und sechsten Woche signifikant höher als in der Kontrollgruppe (p = 0,034 bzw. p = 0,003). Es trat eine größere Verbesserung in der Versuchsgruppe von der ersten bis zur sechsten Woche ein (p = 0,031). Bezüglich der rechten Laterotrusion wurde über die Zeit bei der Versuchsgruppe eine signifikante Verbesserung festgestellt, nicht jedoch bei der Kontrollgruppe. In Bezug auf die linke Laterotrusion zeigten beide Gruppen ähnliche Verbesserungen vom Ausgangsbefund zum ersten und zweiten follow-up. Ebenfalls konnte der Schmerz beim Abtasten des Musculus (M.) temporalis vom Ausgangsbefund bis zum ersten und zweiten follow-up in der Versuchsgruppe signifikant reduziert werden (p = 0,016 bzw. p = 0,005). Die Verbesserung vom ersten zum zweiten follow-up war zwischen den untersuchten Gruppen ähnlich (p = 0,494). Es gab keinen Unterschied bezüglich der visuellen Analogskala (VAS) in der Reduktion des M. masseters. Obwohl eine Reduktion des Kiefergelenks zwischen der VAS vom Ausgangsbefund bis zur sechsten Woche in der Versuchsgruppe signifikant höher als in der Kontrollgruppe war (p = 0,046), gab es in beiden Gruppen keine statistisch signifikante Verbesserung vom ersten bis zum zweiten follow-up. Bezüglich der selbstberichteten klinischen Messungen konnte in der Versuchsgruppe keine signifikante Verbesserung vom Ausgangsbefund beobachtet werden. Eine Verbesserung war in der Versuchsgruppe beim ersten follow-up signifikant sichtbar. Während sich die funktionellen Einschränkungen in der Versuchsgruppe nach dem ersten Besuch weiter verbesserten, blieb die selbstberichtete Kaueffizienz über die erste Woche hinaus fast unverändert. Probanden der Versuchsgruppe berichteten beim ersten und zweiten follow-up über eine höhere subjektive Behandlungseffektivität (p = 0,000 für beide Wochen), als Probanden der Kontrollgruppe. Ein Vergleich der Ergebnisse vom Fragebogen bezüglich der Achse II ergab, dass sich alle Parameter (Schmerz-, Depressions- und Beeinträchtigungswerte) in der Versuchs-, nicht jedoch in der Kontrollgruppe signifikant verbesserten (p = 0,000, p = 0,046 bzw. p = 0,026). Die Arbeitshypothese konnte bestätigt werden. Coskun Benlidayi et al. (2016) kamen zu dem Fazit, dass eine Kombination aus Kaumuskelübungen, Beratung und Kinesio Taping zusätzliche Vorteile in Schmerzlinderung, Verbesserung der Beeinträchtigung und eine Erhöhung der Kiefergelenksbeweglichkeit im Vergleich zur Beratung und Übungen allein bringt. Kinesio Taping könnte als ein alternativer oder unterstützender Ansatz bei der Handhabung von CMD dienen (Coskun Benlidayi et al., 2016)
4.2 Therapie mit Akupunktur
Grillo et al. (2015) untersuchten in ihrer Studie, ob Akupunktur bei der Behandlung von CMD nützlich sein könnte. Das Ziel der Studie war es die Wirksamkeit von Akupunktur bei Patienten mit myogener CMD im Vergleich zu einer Kontrollgruppe mit einer Schiene zu bewerten. Es wurde keine Null- oder Arbeitshypothese formuliert. Das Studiendesign war randomisiert und kontrolliert. Ein follow-up erfolgte nach vier Wochen. Zu Beginn der Studie wurden 40 Probanden mit einer diagnostizierten CMD gemäß den Forschungsdiagnostikkriterien für CMD nach Achse I randomisiert in zwei Gruppen eingeteilt. Eine Akupunkturgruppe und eine Schienengruppe, beide mit jeweils n = 20. Es gab keinen drop-out. Beide Gruppen mussten sich vor und nach der Behandlung verschiedenen Einschätzungen unterziehen. Dazu zählten die Beurteilung der Schmerzintensität, die maximale Mundöffnung ohne Schmerz, die Druckschmerzschwelle und oberflächliche Elektromyographie. Die Akupunkturgruppe erhielt insgesamt vier Sitzungen traditionelle Akupunktur, mit einer Länge von 20 Minuten pro Sitzung, einmal die Woche. Es wurden zehn Akupunkturpunkte berücksichtigt: LI14 (Hegu), LI11 (Quchi), SI19 (Tinggong), LR2 (Xingjian), GB20 (Fengchi), GB21 (Jianjing), GB34 (Yanglingquan), BL2 (Zanzhu), CV23 (Lianquan) und TE23 (Sizhukong). Die Schienengruppe wurde mit einer flachen Okklusionsschiene behandelt. Zusätzlich wurden die Probanden über die CMD, Ernährung (weiche Nahrung) und mögliche Parafunktionen (Nägel kauen, Gähnen mit weit offenem Mund usw.) informiert, um sie für eine gute Mitarbeit zu sensibilisieren. Die Schiene sollte nur nachts getragen werden. Einmal pro Woche sollten die Probanden wiederkommen, um mögliche Anpassungen der okklusalen Kontakte vorzunehmen. In beiden Gruppen zeigte sich eine ähnliche Reduktion der Schmerzintensität (p < 0,001). Die maximale Mundöffnung stieg ebenfalls in beiden Gruppen signifikant an. Vor allem die Druckschmerzschwelle des linken M. masseter erhöhte sich in der Akupunkturgruppe. Der quadratische Mittelwert war beim rechten M. temporalis im Ruhezustand in der Schienengruppe (p < 0,05) vermindert. Für die anderen Variablen im Ruhezustand und in der maximalen Interkuspidation waren die Werte statistisch nicht signifikant, aber es konnte eine Reduktion des quadratischen Mittelwerts in der Ruheposition (linker M. masseter, rechter und linker M. temporalis) bei der Akupunkturgruppe beobachtet werden. Grillo et al. (2015) kamen zu dem Schluss, dass Akupunktur die Schmerzintensität bei CMD reduziert und die Leistungen der Unterkieferbewegung fördert. Ein Vergleich beider Behandlungen zeigte, dass beide gleichermaßen die Schmerzintensität reduzierten und die Mundöffnung erhöhten und als Strategie zur Kontrolle chronischer Schmerzen im Zusammenhang mit CMD angesehen werden können (Grillo et al., 2015).
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- Lina Bongert (Author), 2020, Nicht-medikamentöse Ansätze in der CMD Therapie. Effektivität und Umsetzbarkeit in der Dentalhygiene und im Präventionsmanagement, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1129497
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