„Sie beschreiben ihren Zustand selber als den seeligsten, den sie jemals erfahren“ – so
berichtet Gotthilf Heinrich Schubert in der dreizehnten Vorlesung seiner Ansichten von der
Nachtseite der Naturwissenschaft (1814) über die Empfindungen von Patienten während
einer magnetischen Behandlung. Nicht nur diese Passage aus Schuberts Werk evoziert das
Bild einer harmonischen Therapie, in der der Magnetiseur seinen Patienten in einen heilsamen
und entspannenden Zustand, den so genannten Somnambulismus, versetzt, ihm
Kraft überträgt und ihn am Ende gestärkt wieder erwachen lässt. In der Tat ist die Heilung
von nervösen Störungen durch solch eine Behandlung durchaus denkbar – doch impliziert
dieser „seelige Zustand“, in dem der Patient sich völlig in die Hände seines Magnetiseurs
begibt, nicht auch Risiken?
In den Ansichten ist von solchen möglichen Gefahren nicht die Rede; vielmehr schwärmt
Schubert wiederholt von der „wunderbare[n] Sympathie“ zwischen Magnetiseur und Patient.
Auch der Mediziner Carl Gustav Carus (1789-1869) zeigt sich fasziniert von dieser
besonders wohltuenden Beziehung und beschreibt sie als „eine Art Vermählung zweier
Nerven“. Und Johann Wilhelm Ritter (1776-1810), Physiker und Philosoph, stellt sogar
eine Analogie zwischen Magnetkur und Liebesbeziehung her: Letztere sei wie eine gegenseitige
Magnettherapie, „beyde Theile [seien] sich Magnetiseur und Somnambüle“. Genau
diese Ansicht spiegelt sich beispielsweise in Achim von Arnims Erzählung Die Majoratsherren
(1820) wider: Zwischen dem Majoratsherrn und Esther besteht eine telepathische
Verbindung, durch die sie ihn an ihren Gedanken teilhaben lässt und die von beiden als
gegenseitige Liebe verstanden wird. Arnim verwendet das Motiv des Magnetismus also,
„um getrennte Seelen in Sehnsucht miteinander zu verbinden“.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Der „seelige Zustand“ des Patienten
- Die „wunderbare Sympathie“ zwischen Magnetiseur und Patient
- Die psychische Verschmelzung zweier Individuen
- Die ethische Problematik des Rapports
- Die Bedeutung des Willens
- Die Verantwortung des Magnetiseurs
- Identität und Selbstbestimmung
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den ethischen Aspekten des animalischen Magnetismus, einer umstrittenen Therapieform des 18. und 19. Jahrhunderts. Anhand von Gotthilf Heinrich Schuberts „Ansichten von der Nachtseite der Naturwissenschaft“ (1808) werden die Auswirkungen dieser Therapieform auf die Selbstbestimmung und Identität des Patienten untersucht.
- Die Bedeutung des Willens für die moralische Selbstbestimmung
- Die ethische Problematik des Rapports zwischen Magnetiseur und Patient
- Die Auswirkungen des Magnetismus auf die Identität des Patienten
- Die Verantwortung des Magnetiseurs für den Patienten
- Die Rolle des Magnetismus in der romantischen Literatur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Forschungsfrage und den theoretischen Rahmen der Arbeit vor. Sie erläutert die Bedeutung des animalischen Magnetismus im Kontext der romantischen Epoche und die Relevanz der ethischen Dimension dieser Therapieform.
Das zweite Kapitel analysiert Schuberts Beschreibung des „seeligen Zustands“ des Patienten während der magnetischen Behandlung. Es wird untersucht, ob dieser Zustand tatsächlich nur positive Effekte hat oder ob er auch Risiken birgt.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der „wunderbaren Sympathie“ zwischen Magnetiseur und Patient, die Schubert als ein zentrales Element der Magnetkur beschreibt. Es wird untersucht, ob diese Sympathie tatsächlich nur eine positive Beziehung darstellt oder ob sie auch eine Form der Abhängigkeit impliziert.
Das vierte Kapitel analysiert die psychische Verschmelzung zweier Individuen, die durch den Magnetismus entstehen kann. Es wird untersucht, welche Folgen diese Verschmelzung für die Identität und Selbstbestimmung des Patienten haben kann.
Das fünfte Kapitel befasst sich mit der ethischen Problematik des Rapports zwischen Magnetiseur und Patient. Es wird untersucht, ob der Patient während der Therapie seine Autonomie und Selbstbestimmung aufgibt und ob dies ethisch vertretbar ist.
Das sechste Kapitel analysiert die Bedeutung des Willens für die moralische Selbstbestimmung und die ethische Verantwortung des Magnetiseurs. Es wird untersucht, ob der Magnetiseur die Macht, die er über den Patienten hat, verantwortungsvoll nutzt.
Das siebte Kapitel befasst sich mit der Frage, wie der Magnetismus die Identität des Patienten beeinflusst. Es wird untersucht, ob die Veränderungen, die der Patient während der Therapie erfährt, positiv oder negativ zu bewerten sind.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den animalischen Magnetismus, die Selbstbestimmung, die Identität, die ethische Verantwortung, den Rapport, den Willen, die romantische Epoche und Gotthilf Heinrich Schubert.
- Quote paper
- Regina Männle (Author), 2007, Ethische Aspekte des animalischen Magnetismus, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112821