Dieser Essay beschäftigt sich mit verschiedenen Verständnissen von Inklusion und ihrer Entstehung. Spezifische und allgemeine Konzepte von Inklusion werden dabei ebenso beleuchtet wie Inklusion in den Wissenschaftsdisziplinen und Ebenen von inklusiver Bildung. Abschließend wird ein Fazit gezogen.
Pluralität von lnklusionsverständnissen
In diesem Essay geht es um die Thematik eines pluralistischen Verständnisses von Inklusion. Ziel ist, verschiedene Aspekte des lnklusionsbegriffes aufzuzeigen.
a) Etymologie
Das Femininum »Inklusion« stammt aus dem lateinischen inclusio. Synonyme sind unter anderem Einfügung, Einschluss, Einschub und Einbettung (vgl. Digitales Wörterbuch der deutschen Sprache).
b) Perspektiven auf Inklusion
Der lnklusionsbegriff kann auf global-internationaler, ,,nationaler, regionaler und Einzelschulebene durch die je vorhandenen spezifischen Kontextbedingungen interpretiert und adaptiert [werden]." (Werning 2014, S. 605)
Für die globale Perspektive ist zum einen die Salamanca-Erklärung der UNESCO aus dem Jahr 1994 relevant. Darin steht, ,, dass Schulen alle Kinder, unabhängig von ihren physischen, intellektuellen, sozialen, emotionalen, sprachlichen oder anderen Fähigkeiten aufnehmen sollen." (UNESCO 1994, S. 4)
Zum anderen die Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen von 2006, die das Recht auf Bildung von Menschen mit Behinderungen beinhaltet (vgl. §24 (1)). ,,Um dieses Recht ohne Diskriminierung und auf der Grundlage der Chancengleichheit zu verwirklichen, gewährleisten die Vertragsstaaten ein integratives Bildungssystem auf allen Ebenen und lebenslanges Lernen" (ebd.).
Die nationale Perspektive auf Inklusion kann anhand des Grundgesetzes festgemacht werden. In Artikel 3 (3) heißt es: ,,Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden." An dieser Stelle wird der Begriff »Inklusion« nicht explizit verwendet. Zentral ist hierbei die Benachteiligung von Menschen, die anhand multipler Kennzeichen beschrieben wird.
Das Schulgesetz von Baden-Württemberg stellt eine von vielen regionalen Perspektiven auf Inklusion dar. 2015 gab es u.a. anhand eines zusätzlichen additiven Passus eine Änderung des Schulgesetzes: ,,In den Schulen wird allen Schülern ein barrierefreier und gleichberechtigter Zugang zu Bildung und Erziehung ermöglicht. Schüler mit und ohne Behinderung werden gemeinsam erzogen und unterrichtet (inklusiv,e Bildung)." (Landtag von Baden-Württemberg 15.07.2015, § 3 (3)) Anzumerken ist, dass die regionale Perspektive beliebig differenziert werden kann.
c) Spezifisches und allgemeines Konzept von Inklusion
Werning (2014, S. 605-607) nimmt eine Differenzierung des Inklusionsbegriffes vor, die er mit zwei Konzepten verknüpft: dem spezifischen Konzept und dem allgemeinen Konzept.
Beim spezifischen Konzept von Inklusion beschränkt sich Inklusion „auf Kinder und Jugendliche mit Behinderungen bzw. Beeinträchtigungen.“ (ebd.) Das Schulgesetz von Baden-Württemberg ist ein Beispiel hierfür. Auch die in Kap. a) zitierte internationale Salamanca-Erklärung bezieht sich ausschließlich auf Schulen und Kinder.
Das allgemeine Konzept von Inklusion beschreibt Inklusion als ein umfassendes Konzept des menschlichen Zusammenlebens und bezieht sich auf den pädagogischen und organisationalen Umgang mit Heterogenität. Dies bedeutet, dass Inklusion nicht nur den schulischen Bereich - und somit Kinder und Jugendliche - betrifft, sondern weitreichender zu sehen ist. Wie bereits in Kap. a) aufgezeigt, verfügt beispielsweise das deutsche Grundgesetz über ein solch allgemeines Inklusionskonzept.
Die UN-Behindertenrechtskonvention kann aufgrund ihrer Konzeptualität beiden Konzepten zugeschrieben werden: Insgesamt ist sie in 50 Themenbereiche gliedert, z.B. Gesundheit, Gleichstellung, Rehabilitation und berufliche Teilhabe. Da »Bildung« ein weiterer Themenbereich ist, beinhaltet sie sowohl das allgemeine als auch das spezifische Inklusionskonzept.
d) Inklusion in den Wissenschaftsdisziplinen
Die Mathematik definiert »Inklusion« mit der „Relation des Enthaltenseins“ (Brockhaus-a), wobei es um die einschließende - inkludierende - Beziehung zwischen Mengen geht. Die zugrundeliegende Annahme ist, dass die Gesamtmenge aus verschiedenen Teilmengen besteht.
»Inklusion« in der Soziologie wird mit „der vollkommene Teilhabe des Einzelnen am Ganzen“ (Brockhaus-b) definiert. Daraus folgt, dass jeder Mensch gleichberechtigt an der Gesellschaft teilhaben kann und infolgedessen den Einschluss aller Menschen in die Gesellschaft. Verknüpft man dies mit der mathematischen Sichtweise, so kann die Gesellschaft als Gesamtmenge beschrieben werden und die Individualität der Einzelperson stellt eine Teilmenge dar. Möglich wäre es aber auch, nicht das Individuum als Teilmenge zu sehen, sondern die Menschen entsprechend größerer Merkmale zur klassifizieren, z.B. Kinder mit einem spezifischen Förderbedarf oder Menschen, die einer bestimmten Religion oder Kultur angehören.
In der Mineralogie wird »Inklusion« mit dem „Einschluss von Fremdsubstanzen in Kristallen“ (Duden) beschrieben: Wenn ein Fremdstoff, z.B. Gas oder Erdöl, in das kristalline Mineral eingeschlossen ist, wird der Begriff »Inklusion« verwendet.
Um das Begriffsverständnis von »Inklusion« in der Pädagogik zu erläutern, ist die Abgrenzung zu folgenden Begriffen hilfreich: Exklusion, Separation und Integration. Untenstehende Grafik dient der visuellen Veranschaulichung1.
Exklusion: Die roten Punkte in der Mitte des Kreises stellen die von der Gesellschaft als »normal« titulierten Menschen dar. Die bunten Punkte repräsentieren Menschen, die dieser Norm in irgendeiner Art und Weise nicht entsprechen. Die Mehrheit der Gesellschaft ist also »normal«, alle anderen Menschen werden von der Gesellschaft ausgeschlossen. Bezogen auf Schule würde dies bedeuten, dass Kinder mit Beeinträchtigungen nicht beschult werden würden, da sie bildungsunfähig sind.
Separation: Separation basiert auf denselben Grundannahmen wie Exklusion. Allerdings ist es in diesem Fall so, dass die als »normal« titulierten Menschen und die »anderen« Menschen strikt voneinander getrennt werden. Als Beispiel kann hierbei die Doppelstruktur der Bildungsinstitution »Schule« angeführt werden: Kinder mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf werden in gesonderten Einrichtungen unterrichtet, Kinder ohne sonderpädagogischen Förderbedarf besuchen eine Regelschule. Daraus folgt die Existenz verschiedener Schulformen im Sinne einer Aussonderung.
Integration: Basierend auf der Zwei-Gruppen-Theorie werden alle Menschen in die Gesellschaft - also den Kreis - aufgenommen, innerhalb dieser erfolgt aber die Bildung von Gruppen. Für den schulischen Bereich kann dies beispielweise die Zusammenarbeit zwischen Regel- und Förderschule durch einer Außenklasse bedeuten. In dieser Außenklasse werden Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf zeitweise oder themenbereichsspezifisch beschult. In der in Kap. b) zitierten UN-Behindertenrechtskonvention ist ein solches integratives Bildungssystem als Ziel aller Vertragsstaaten formuliert.
Inklusion: Die Grundlage von Inklusion in der Pädagogik ist das uneingeschränkte Recht jedes Menschen, an der Gesellschaft teilzunehmen. Es erfolgt keinerlei Trennung, alle Punkte sind Teil eines großen Miteinanders. Übertragen auf die Bildungsinstitution »Schule« soll alle Schülerinnen und Schülern ein gemeinsames Lernen ermöglicht werden - wie es auch im baden-württembergischen Schulgesetz festgeschrieben ist.
e) Ebenen von inklusiver Bildung
Köpfer (2020) differenziert das bildungsbezogene Inklusionsverständnis entsprechend zweier Kategorien: Person sowie Struktur und Organisation. Dieser Aspekt wurde in der entsprechenden Vorlesung explizit und umfassend thematisiert. Aus diesem Grund wird im Rahmen dieses Essay auf eine wiederholende Erläuterung verzichtet, eine Erwähnung ist der Vollständigkeit halber dennoch notwendig.
f) Fazit
Aus diesem Essay geht hervor, dass das Verständnis von Inklusion eine definitorische Bandbreite aufweist. Auch wenn nicht alle Aspekte thematisiert wurden konnten, lassen sich multiple Ansichten gegenüber dem Inklusionsbegriff feststellen. Interessant ist diesbezüglich ein weiterer Diskussionspunkt, den Powell (2018, S. 127) erwähnt: Ist inklusive Bildung eher als Prozess, Ziel oder als erreichten Status zu betrachten? In Abhängigkeit des ausgewählten Standpunktes kann die Antwort darauf ganz unterschiedlich ausfallen.
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1 An dieser Stelle wird keine Kritik gegenüber den verschiedenen Mechanismen, die den Begriffen zugrunde liegen geäußert. Anzumerken ist zudem, dass das Modell stark simplifiziert erläutert wird.
- Quote paper
- Anonymous,, 2020, Pluralität von Inklusionsverständnissen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1127147