Bereits der Titel von Imre Kertész’ Werk „Roman eines Schicksallosen“ wirft Fragen nach der Bedeutung des Schicksals im Leben des Menschen auf. Gleichzeitig verwirrt der Titel, gilt allgemein im heutigen Sprachgebrauch doch jedes Dasein als das Leben eines bestimmten Schicksals. Die Schicksallosigkeit und noch viel mehr die originale Übersetzung des Romantitels aus dem Ungarischen „Mensch ohne Schicksal“ erschließt sich dem Leser nur schwer und mutet auf den ersten Blick wie ein Oxymoron an.
Wie soll menschliches Leben ohne Schicksal, also ohne einen persönlichen Lebensweg möglich sein? Diese – für den Leser des Romans geradezu selbstverständliche – Fragestellung ist durch eine bestimmte Sichtweise auf den Schicksalsbegriff motiviert, die sich Kertész nicht zu Eigen macht. Bei der Betrachtung von Schicksallosigkeit wird daher zunächst die traditionelle Vorstellung von „Schicksal“ ebenso Eingang finden müssen wie die Umdeutung, die der Begriff bei Imre Kertész erfährt.
Dazu werden neben dem „Roman eines Schicksallosen“ auch das „Galeerentagebuch“, eine Sammlung von Tagebucheinträgen des Autors, die die Grundüberlegungen beim Schreiben des „Romans eines Schicksallosen“ dokumentieren, und ein weiterer Roman, „Kaddisch für ein nicht geborenes Kind,“ herangezogen.
Die Person und der Lebensweg des Autors, ebenso wie die Tatsache, dass die Hauptfigur des Romans zweifellos autobiographische Züge in sich trägt – muss doch „das Ich des Romans den selben Weg gehen […], den sein Verfasser ging“ – lassen Schicksal und Schicksallosigkeit zum Zentralbegriff für das Verständnis Kertész’ von der Vernichtung der europäischen Juden werden. Die Verknüpfung vom Holocaust mit den Vorstellungen des Autors vom Schicksal wirken für den Leser – dies wird noch zu zeigen sein – zutiefst verstörend.
In dieser Arbeit soll der Versuch unternommen werden, den Schicksalsbegriff bei Imre Kertész zu erklären und zu bewerten. Das Roman-Ich spricht zwar jedem Außenstehenden, der das Vernichtungslager nicht selbst erlebt hat, die Kompetenz ab, eine solche Bewertung vorzunehmen, da ihm zum vollständigen Durchdringen der Materie die persönliche Erfahrung schlichtweg fehle, dennoch erscheint es für eine kritische Betrachtung des Werkes für die Literaturwissenschaft unerlässlich.
Inhaltsverzeichnis
- Einführung in die Thematik und Struktur der Arbeit
- Imre Kertész' „Roman eines Schicksallosen“
- Schicksal und Schicksallosigkeit
- Der Schicksalsbegriff
- Schicksal und Schicksallosigkeit bei Imre Kertész
- Kertész und das Schicksal
- Der Romanheld György und das Schicksal
- Freiheit und Schicksal
- Schlussbetrachtung
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Hausarbeit analysiert den Roman „Roman eines Schicksallosen“ von Imre Kertész und untersucht die Bedeutung von Schicksal und Schicksallosigkeit im Kontext des Holocaust. Die Arbeit beleuchtet die spezifische Sichtweise des Autors auf den Schicksalsbegriff und setzt sie in Beziehung zu den Erfahrungen des Protagonisten im Konzentrationslager.
- Der Einfluss des Holocaust auf die Vorstellung von Schicksal
- Die Ambivalenz des Schicksalsbegriffs bei Kertész
- Die Rolle der Sprache und des Erzählstils in der Darstellung von Schicksal und Schicksallosigkeit
- Die Frage nach der Freiheit und der Möglichkeit zur Selbstbestimmung im Angesicht des Schicksals
- Die Bedeutung des Romans für das Verständnis der Holocaustliteratur
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Thematik der Arbeit vor und erläutert die Bedeutung des Schicksalsbegriffs im Kontext des Romans. Sie beleuchtet die spezifische Sichtweise des Autors auf das Schicksal und die Herausforderungen, die sich aus der Betrachtung von Schicksallosigkeit ergeben.
Das zweite Kapitel analysiert den Roman „Roman eines Schicksallosen“ und beleuchtet die Erfahrungen des Protagonisten György Köves im Konzentrationslager. Es wird die Sprache und der Erzählstil des Romans untersucht, um die Darstellung von Schicksal und Schicksallosigkeit zu verstehen.
Das dritte Kapitel befasst sich mit dem Schicksalsbegriff und seiner Bedeutung im Werk von Imre Kertész. Es werden die verschiedenen Aspekte des Schicksalsbegriffs beleuchtet und die spezifische Sichtweise des Autors auf das Schicksal im Kontext des Holocaust dargestellt.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen den Holocaust, Schicksal, Schicksallosigkeit, Imre Kertész, „Roman eines Schicksallosen“, Sprache, Erzählstil, Freiheit, Selbstbestimmung, Konzentrationslager, Auschwitz, Buchenwald, autobiographische Elemente, Holocaustliteratur.
- Quote paper
- Philipp Robens (Author), 2008, Schicksal und Schicksalslosigkeit in Imre Kertész’ "Roman eines Schicksallosen", Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112692