Die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag 1994 ist in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen ist es erstmals seit 1957 einer Partei gelungen, über die sogenannte „Grundmandatsklausel“ in den Bundestag einzuziehen. Zum anderen ist durch das Auftreten von 16 Überhangmandaten eine umfassende Diskussion über das
deutsche Wahlsystem in Gang gesetzt worden. Im §6 Abs. 6 Satz 1 BWahlG wird u.a. die „Grundmandatsklausel“ geregelt. Dort heißt es: „Bei Verrechnung der Sitze auf die Landeslisten werden nur Parteien
berücksichtigt, die mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten (Sperrklausel, d.A.) oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben (Grundmandatsklausel, d.A.)“ (BWahlG, 4f.). Obwohl die PDS mit nur 4,4% der Zweitstimmen an der Sperrklausel gescheitert war, konnte sie mit 30 Abgeordneten in den Bundestag einziehen. Grund waren die vier Direktmandate, die sie in Berlin gewonnen hatte (Jesse 1998, 22). Dieser Umstand ist aber nicht der Hauptgrund für die starke Auseinandersetzung mit dem Wahlsystem in Politik und Wissenschaft in der folgenden Zeit bis heute. Die bedeutendere Ursache für die Diskussion sind die zahlreichen Überhangmandate, die vorher nur gelegentlich und in kleiner Zahl aufgetreten waren. Dieses Phänomen des deutschen Wahlsystems ist Thema dieser Arbeit. Zu Beginn werden die Entstehung von Überhangmandaten und die wesentlichen Ursachen im Mittelpunkt stehen (Kapitel 1). Im zweiten Kapitel werde ich die Kritik am Mandatsverteilungssystem aufgreifen und einen Änderungsvorschlag anhand konkreter Zahlen und Daten vergleichend bearbeiten. Grundlage sind die Wahldaten der Bundestagswahlen von 1990, 1994 und 1998. Anschließend werde ich kurz auf die geänderte Wahlkreiseinteilung zur nächsten Bundestagswahl 2002 eingehen (Kapitel 3). Abschließend werde ich beide Reformen bzw. Reformvorschläge gegeneinander abwägen und ihre Bedeutung für die Forderung nach der Verminderung von Überhangmandaten darlegen.
Inhaltsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Einleitung
1. Überhangmandate – Ursachen, Entstehung und Kritik
2. Änderung des Mandatverteilungssystems
2.1. Beispiel
2.2. Die Bundestagswahl 1990
2.3. Die Bundestagswahl 1994
2.4. Die Bundestagswahl 1998
3. Die neue Wahlkreiseinteilung
4. Fazit
5. Zusammenfassung
Anhang
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Überhangmandate bei Bundestagswahlen seit 1949
Abbildung 2: Auswirkungen des negativen Stimmengewicht
Abbildung 3: Mandatsverteilung nach gültiger Methode
Abbildung 4: Mandatsverteilung nach alternativer Methode
Abbildung 5: Mandatsdifferenz 1990
Abbildung 6: Mandatsdifferenz
Abbildung 7: Vergleich Verhältnis Regierung und Opposition
Abbildung 8: Mandatsdifferenz 1998
Abbildung 9: Mandatsdifferenzen 1990-1998
Abbildung 10: Wahlkreisveränderung
Anhang
Abbildung I: Oberverteilung nach Zweitstimmen der Parteien
Abbildung II: Unterverteilung auf Landeslisten
Abbildung III: Veränderte Landeslistenverteilung
Abbildung IV: Berechnungen SPD
Abbildung V: Berechnungen CDU
Abbildung VI: Berechnungen PDS
Abbildung VII: Berechnungen FDP
Abbildung VIII: Berechnungen Grüne / CSU
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Einleitung
Die Wahl zum 13. Deutschen Bundestag 1994 ist in zweierlei Hinsicht etwas Besonderes. Zum einen ist es erstmals seit 1957 einer Partei gelungen, über die sogenannte „Grundmandatsklausel“ in den Bundestag einzuziehen. Zum anderen ist durch das Auftreten von 16 Überhangmandaten eine umfassende Diskussion über das deutsche Wahlsystem in Gang gesetzt worden.
Im §6 Abs. 6 Satz 1 BWahlG wird u.a. die „Grundmandatsklausel“ geregelt. Dort heißt es: „Bei Verrechnung der Sitze auf die Landeslisten werden nur Parteien berücksichtigt, die mindestens 5 vom Hundert der im Wahlgebiet abgegebenen gültigen Zweitstimmen erhalten (Sperrklausel, d.A.) oder in mindestens drei Wahlkreisen einen Sitz errungen haben (Grundmandatsklausel, d.A.)“ (BWahlG, 4f.). Obwohl die PDS mit nur 4,4% der Zweitstimmen an der Sperrklausel gescheitert war, konnte sie mit 30 Abgeordneten in den Bundestag einziehen. Grund waren die vier Direktmandate, die sie in Berlin gewonnen hatte (Jesse 1998, 22). Dieser Umstand ist aber nicht der Hauptgrund für die starke Auseinandersetzung mit dem Wahlsystem in Politik und Wissenschaft in der folgenden Zeit bis heute.
Die bedeutendere Ursache für die Diskussion sind die zahlreichen Überhangmandate, die vorher nur gelegentlich und in kleiner Zahl aufgetreten waren. Dieses Phänomen des deutschen Wahlsystems ist Thema dieser Arbeit.
Zu Beginn werden die Entstehung von Überhangmandaten und die wesentlichen Ursachen im Mittelpunkt stehen (Kapitel 1). Im zweiten Kapitel werde ich die Kritik am Mandatsverteilungssystem aufgreifen und einen Änderungsvorschlag anhand konkreter Zahlen und Daten vergleichend bearbeiten. Grundlage sind die Wahldaten der Bundestagswahlen von 1990, 1994 und 1998. Anschließend werde ich kurz auf die geänderte Wahlkreiseinteilung zur nächsten Bundestagswahl 2002 eingehen (Kapitel 3). Abschließend werde ich beide Reformen bzw. Reformvorschläge gegeneinander abwägen und ihre Bedeutung für die Forderung nach der Verminderung von Überhangmandaten darlegen.
Im nun folgenden Kapitel wird die theoretische Basis für die gesamte Arbeit gelegt. Herbei stehen die rechtlichen Ursachen, das bisherige Auftreten, die Gründe für die Entstehung von Überhangmandaten und wesentliche Kritikpunkte im Vordergrund.
1. Überhangmandate – Ursachen, Entstehung und Kritik
Die rechtlichen Ursachen für das Auftreten von Überhangmandaten sind im Zweistimmensystem begründet. Je die Hälfte der Abgeordneten werden über die Erst- und Zweitstimme gewählt. Mit der Erststimme wird durch relative Mehrheitswahl ein Kandidat direkt bestimmt. Mit der zweiten Stimme wählt der Wahlberechtigte die Landesliste einer Partei (Nohlen 2000, 305). Für die Berechnung des Gesamtmandatanteils einer Partei im Bundestag, werden jedoch alle bundesweit erreichten Zweitstimmen herangezogen. Nachdem die Gesamtmandate feststehen, wird der Anteil der jeweiligen Landesliste errechnet. Beide Verteilungen werden mit dem Hare-Niemeyer-Verfahren durchgeführt. (Ein umfassendes Beispiel für die Bundestagswahl 1998 gibt Nohlen 2000, 309ff.) Von den Mandaten, die einer Landesliste nach der zweiten Verteilung zustehen, werden die direkt gewonnenen Wahlkreise abgezogen. Die restlichen Mandate werden durch die Landesliste aufgefüllt (Woyke 1998, 68).
„Erhalten Parteien in den Bundesländern mehr Direktmandate, als ihnen nach dem Anteil der Stimmen in diesen Ländern zustehen, so verbleiben ihnen diese“ (Jesse 1998, 18). Die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag erhöht sich dann um diese Mandate, die sogenannten Überhangmandate. Ein proportionaler Ausgleich für die anderen Parteien wird nicht durchgeführt (Gerlach 1999, 240).
In der Geschichte der Bundesrepublik von 1949 bis zur Wiedervereinigung traten Überhangmandate nur sporadisch auf, aber in den drei Wahlen nach der Wende nahm ihre Anzahl verstärkt zu. Abbildung 1 gibt einen Überblick über alle bisherigen Überhangmandate aufgeschlüsselt nach Ländern und Parteien.
Abbildung 1: Überhangmandate bei Bundestagswahlen seit 1949
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: http://www.destatis.de/wahlen/abc/d/tue1.htm#Ueberhangmandate
Aus dieser Abbildung ist klar ersichtlich, dass Überhangmandate meistens in den gleichen Bundesländern entstanden sind. Nach der Wiedervereinigung aber verstärkt in den neuen Bundesländern.
Welches sind nun aber die konkreten Gründe für die Entstehung von Überhangmandaten? Bei dieser Frage sind sich die Wissenschaftler relativ einig. So werden vor allem die folgenden sechs Gründe genannt: 1. Stimmensplitting, 2. Wahlbeteiligung, 3. knappe Mehrheiten beim Direktmandatsgewinn, 4. Wahlkreisgröße, 5. Vorhandensein einer dritten starken Partei und 6. Verrechnungsmethode (Bücking 1998, 198ff.; Nohlen 2000, 323; Grotz 2000, 713ff.; Jesse 1998, 25f.; www.wahlrecht.de/ueberhang/ursachen.htm).
Das Stimmensplitting ist das Resultat des Zweistimmensystems und bezeichnet die Wahl unterschiedlicher Bewerber mit der Erst- und Zweitstimme (Bücking 1998, 198). Grotz hat gezeigt, dass diese Ursache nur eine eingeschränkte Erklärungskraft besitzt, mit Ausnahme von Baden-Württemberg 1994 (Grotz 2000, 718f.). Hier sind die entstandenen Überhangmandate vor allem auf das Stimmensplitting zwischen CDU und FDP zurückzuführen (Jesse 1998, 26).
Eine unterdurchschnittliche Wahlbeteiligung in einem Bundesland, knappe Mehrheiten beim Gewinn eines Direktmandates und das Vorhandensein einer dritten oder vierten gleichstarken Partei begünstigen das Entstehen von Überhangmandaten dagegen in großem Maße. Denn eine geringe Anzahl von Zweitstimmen bringt auch nur eine dementsprechende Menge an Bundestagsmandaten für das Land bzw. für die Partei. Dem gegenüber steht aber eine konstante Anzahl von Wahlkreismandaten (Bücking 1998, 211f.). Die Zahl der Direktmandate übersteigt also die der Landeslistenmandate (Jesse 1998, 26). Eine weitere Ursache hierfür kann auch eine ungleichmäßige Wahlkreiseinteilung, also kleine Wahlkreise oder ein hoher Anteil an Minderjährigen, sein. Dieses Problem wird im dritten Kapitel dieser Arbeit nochmals aufgegriffen.
Überhangmandate können aber auch „aufgrund von Zufällen bei der Reststimmenverwertung“ (Jesse 1998, 25) entstehen, egal nach welchem Verrechnungsmodus die Wählerstimmen in Mandate umgerechnet werden (Bücking 1998, 198). Dies ist der Fall, „wenn der Reststimmenquotient relativ hoch ist und nur ein gering höherer Bruchteil ausgereicht hätte, alle Direktmandate mit den sich aus dem Verhältnisausgleich zustehenden Sitzen zu verrechnen“ (Bücking 1998, 198). Eine Möglichkeit diese Wirkung zu schwächen oder gar zu verhindern wäre die Veränderung des Verrechnungsmodus (siehe Kapitel 2).
Alle diese Ursachen wirken aber nicht für sich allein, sondern sie stehen in einer engen Wechselbeziehung zueinander. So können sie „sich in ihrer Wirkung wechselseitig verstärken oder aufheben“ (Nohlen 2000, 232; vgl. Grotz 2000, 726f.).
Der wichtigste Kritikpunkt ist eng verbunden mit dem Prozess der Stimmenverteilung. So beeinflusst bei der Unterverteilung durch Hare-Niemeyer die Zahl der Stimmen einer Landesliste die Sitzverteilung zwischen zwei anderen. Aus diesem Grund ist es möglich, dass eine Partei, obwohl sie (Zweit-)Stimmen dazu gewinnt, Mandate verlieren kann und andersherum eine Partei die Stimmen verliert, Mandate dazugewinnen kann. Man kann von einem negativen Stimmengewicht sprechen (http://www.wahlrecht.de/ueberhang/ueberhangmandat.html). Die Überhangmandate spielen hier eine besondere Rolle. Ein Beispiel ist im Anhang beigefügt (Anhang, I/II). Wilko Zicht hat in seinem „Einspruch gegen die Gültigkeit der Wahl zum 14. Deutschen Bundestag“ (http://www.wahlrecht.de/ueberhang/ wpb/einspruch.htm) eine Übersicht über die Auswirkungen dieses negativen Stimmengewichts erstellt (Abbildung 2). Hätte also beispielsweise die CDU 1961 im Saarland 48.902 Zweitstimmen weniger bekommen, hätte sie ein Mandat dazu gewonnen. Hätte sie dagegen 10.828 Zweitstimmen mehr bekommen, wäre ihr ein Mandat verloren gegangen.
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