Der gebürtige Alexandriner Origenes zählt zu den umstrittensten Theologen der frühen Kirche: Während sich die von ihm geradezu virtuos betriebene Methode der allegorischen Schriftauslegung bis weit in das Mittelalter hinein eines hohen Maßes an Beliebtheit erfreuen konnte, riefen einige der in seinen systematisch-theologischen Abhandlungen geäußerten Gedanken schon bei Zeitgenossen erhebliche Zweifel an der Rechtgläubigkeit des Origenes hervor. Obgleich dieser seine offenbar kühnsten Gedankenspiele nur als „Fragen und Probleme“ begriffen sehen wollte, wurden seine Lehren auf dem 2. ökumenischen Konzil von Konstantinopel 553 und in der folgenden Zeit wiederholt verurteilt.
Dieser ambivalente Umgang mit dem Werk des Origenes zeugt von einer gewissen Spannung zwischen den Inhalten von dessen bibelexegetischen Erzeugnissen einer-seits und denjenigen der dogmatischen Schriften (allen voran de principiis) anderer-seits. Diese Spannung ist sicher nicht mit einer fundamentalen Gegensätzlichkeit gleichzusetzen, wirft jedoch so manche Frage auf, die zu beantworten oft genug dem Rezipienten überlassen bleibt. Der Grund für diesen Umstand ist nicht zuletzt in dem methodischen Vorgehen des Theologen bei der Produktion der beiden so unterschied-lichen Textgattungen zu suchen: Während Origenes in seinem dogmatischen Haupwerk de principiis ein umfassendes und – wenn auch nicht in allen Einzelheiten - schlüssiges System aufzustellen vermag, haben seine Schriftauslegungen Gelegeheitscharakter, beziehen sich also jeweils auf einen meist recht kurzen Bibelabschnitt und wirken so in ihrer Gesamtheit unsystematischer und lückenhafter. Dabei lässt ihr enger Textbezug weitaus weniger Spielraum für philosophische Spekulationen, so dass ihnen noch eher das Merkmal der Orthodoxie zukommt.
Das Ziel dieser Arbeit ist es nun, soweit im Rahmen des vorgegebenen Umfanges möglich, die Engellehre des Origenes in ihren wesentlichen Elementen systematisch darzustellen und im Rahmen dessen aufkommende Fragen und Widersprüche zu utersuchen.
Inhaltsverzeichnis
- Abkürzungsverzeichnis der benutzten Primärtexte
- Einleitung
- 1. Der Ursprung der Engel und ihre kosmologische Einordnung
- 2. Die Körper der Engel
- 3. Das Verhältnis der Engel zu den übrigen Vernunftwesen
- 3.1. Dämonen
- 3.2. Menschen
- 3.3. Christus
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Engellehre des Kirchenvaters Origenes und zielt darauf ab, diese systematisch darzustellen und dabei aufkommende Fragen und Widersprüche zu untersuchen. Die Arbeit analysiert die Entstehung der Engel und ihre Stellung innerhalb der kosmischen Hierarchie der Vernunftwesen, beleuchtet die körperliche Beschaffenheit der Engel und untersucht das Verhältnis der Engel zu anderen Vernunftwesen, insbesondere zu Dämonen, Menschen und Christus.
- Die Entstehung der Engel und ihre kosmologische Einordnung
- Die körperliche Beschaffenheit der Engel
- Das Verhältnis der Engel zu anderen Vernunftwesen
- Die Rolle der Engel in der Heilsgeschichte
- Die Erlösungsbedürftigkeit der Himmelswesen
Zusammenfassung der Kapitel
Der erste Teil der Arbeit widmet sich der Entstehung der Engel und ihrer Stellung innerhalb der kosmischen Hierarchie der Vernunftwesen. Origenes beschreibt die Engel als Intelligenzen, die vor den Äonen existierten und Gott dienten. Durch einen freien Willen, der allen Intelligenzen innewohnt, kam es zu einem Abfall von Gott, der zur Trennung von Gott und zur Inkorporation der Engel führte. Diejenigen Vernunftwesen, deren Sünden am geringsten waren, wurden zu Erzengeln, solche mit schwererer Sünde zu Engeln. Die Sünderhierarchie reicht von den Engeln über die Menschen bis hin zu den Dämonen, wobei mit zunehmender Verfehlung auch die Körperlichkeit zunimmt.
Der zweite Teil der Arbeit befasst sich mit der körperlichen Beschaffenheit der Engel. Origenes beschreibt die Engel als Wesen, die über einen ätherischen Körper verfügen, im Gegensatz zu den Menschen, die einen irdischen Leib besitzen. Die dämonischen Körper sind entsprechend gröber anzunehmen.
Der dritte Teil der Arbeit untersucht das Verhältnis der Engel zu den übrigen Vernunftwesen, einschließlich Christus. Origenes beschreibt die verschiedenen Funktionen der Engel in der Heilsgeschichte und stellt heraus, dass auch die Himmelswesen selbst der Erlösung bedürfen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen die Engellehre, Origenes, Vernunftwesen, kosmische Hierarchie, freie Willensentscheidung, Körperlichkeit, Dämonen, Menschen, Christus, Heilsgeschichte, Erlösung.
- Quote paper
- Sören Schlueter (Author), 2008, Engel bei Origenes - Versuch einer Charakterisierung der höheren Vernunftwesen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112563