Der französische Soziologe Pierre Bourdieu beschäftigte sich mit der Frage, wie die objektiv gegebenen sozial ungleichen Strukturen der Gesellschaft die Herausbildung subjektiver Denk- und Handlungsmuster beeinflussen. Bourdieu nannte sich selber einen strukturalistischen Konstruktivisten, womit er zum Ausdruck brachte, dass es für ihn in der Gesellschaft objektive Strukturen gibt, die alle Individuen der sozialen Welt leiten und begrenzen können. Die soziale Welt ist laut Bourdieu starrer und unbeweglicher als eigentlich bisher angenommen wurde. Kritiker warfen Bourdieu auf Grund solcher Thesen eine zu mechanische, sogar antiindividualistische Gesellschaftsauffassung vor. Bourdieu wird in seiner Theorie, so die Kritiker, der Subjekthaftigkeit des Menschen, die in der Gesellschaft gegeben sein muss, damit eine individuelle Freiheit überhaupt existieren kann, nicht gerecht. Somit lautet der Vorwurf, dass Bourdieu eine Gesellschaftstheorie entworfen habe, die keinen Platz für Spontaneität und Individualität zulässt.
Schaut man sich Bourdieus Ausführungen an, könnte man der Kritik an seiner Gesellschaftstheorie in gewissem Maße zustimmen. Bourdieu macht deutlich, dass die Klassenzugehörigkeit eines Menschen sein ganzes Leben enorm prägt. Die Wohnung, das Essen, die Freizeitgestaltung, der Sport, die Liebe – alles ist abhängig von der Klassenzugehörigkeit eines Individuums. Kann dann überhaupt noch von einem Individuum gesprochen werden? Hat der Mensch in einer Gesellschaftsordnung, wie Bourdieu sie definiert, überhaupt eine menschliche Freiheit?
Vor allem in Bourdieus Werk „Die feinen Unterschiede – Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft“ kommt zum Ausdruck, dass innerhalb einer Gesellschaft durch „feine Unterschiede“ zu erkennen ist, welche Personen zu welcher sozialen Schicht, zu welchem Milieu gehören. Um beispielsweise anspruchsvolle Kunst richtig interpretieren zu können, muss sich ein Mensch, so Bourdieu, einen bestimmten kulturellen Code aneignen.
Inhaltsverzeichnis
- Pierre Bourdieu - Menschliche Freiheit bei gleichzeitiger Begrenzung
- Die feinen Unterschiede - Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft
- Ökonomisches Kapital - Kulturelles Kapital - Soziales Kapital
- Fazit
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit analysiert die Gesellschaftstheorie von Pierre Bourdieu und untersucht, wie soziale Strukturen die Herausbildung subjektiver Denk- und Handlungsmuster beeinflussen. Der Fokus liegt auf der Frage, ob in Bourdieus Modell Raum für individuelle Freiheit besteht.
- Die Prägung des Individuums durch die Klassenzugehörigkeit
- Der Einfluss des kulturellen Kapitals auf den Geschmack und die Lebensweise
- Die Rolle des Habitus als verinnerlichter Lebensstil
- Die Bedeutung der Kapitalstruktur für die soziale Positionierung
- Die Frage nach der individuellen Freiheit in Bourdieus Gesellschaftstheorie
Zusammenfassung der Kapitel
Der Text beleuchtet zunächst Bourdieus These, dass die Klassenzugehörigkeit eines Menschen sein ganzes Leben prägt. Er analysiert, wie die soziale Herkunft den Geschmack, die Freizeitaktivitäten und die Lebensweise eines Individuums beeinflusst. Bourdieu argumentiert, dass die obere Schicht den „guten Geschmack“ definiert, während die mittlere Schicht versucht, sich anzupassen und die untere Schicht um die Erhaltung ihrer Existenz bemüht ist.
Im weiteren Verlauf wird der Begriff des Habitus eingeführt, der als verinnerlichter Lebensstil verstanden wird. Der Habitus wird durch die Sozialisation innerhalb der Familie und des sozialen Umfeldes geprägt und spiegelt die Position eines Menschen im sozialen Raum wider.
Schließlich werden die verschiedenen Kapitalsorten (kulturelles, soziales und ökonomisches Kapital) vorgestellt. Bourdieu argumentiert, dass die Kapitalstruktur, also die Beziehung zwischen den verschiedenen Kapitalsorten, entscheidend für die soziale Positionierung eines Individuums ist.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen Pierre Bourdieu, Gesellschaftstheorie, soziale Strukturen, Klassenzugehörigkeit, kulturelles Kapital, Habitus, Lebensstil, Kapitalstruktur, individuelle Freiheit, soziale Ungleichheit, Kritik der gesellschaftlichen Urteilskraft.
- Quote paper
- Inga Hemmerling (Author), 2007, Zu Pierre Bourdieu - Menschliche Freiheit bei gleichzeitiger Begrenzung, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112512