Die geistigen Grundlagen der Kreuzzüge - Vom sündhaften zum heiligen Krieg


Seminararbeit, 2007

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Christentum und die Gewalt bis zu den Kreuzzügen
1.1. Gewalt in der Bibel
1.2. Krieg in der christlichen Theologie
1.3. Gewalt und Märtyrertum bei Augustinus von Hippo Regius

2. Wandel der Einstellung zu Krieg und Gewalt
2.1. Ursachen und Inhalt des Wandels
2.2. Gerechter und Heiliger Krieg – Darstellung und Differenzierung

3. Ideologie und Motivation der Kreuzfahrer
3.1. Ideologie
3.2. Motivation und weitere Faktoren

Schluss

Quellen- und Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Proseminarsarbeit will die geistigen Grundlagen der Kreuzzüge aufzeigen. Konkret heißt dies, dass die Entwicklung des Krieges im Christentum als generell sündhafte Sache bis hin zum Krieg als verdienstvolle Handlungsform nachvollzogen, analysiert und bewertet werden soll. Jene geistigen Grundlagen werden in dieser Arbeit als erweiterter und komplexerer Begriff verstanden, der vor allem die geistigen Grundlagen aus Theologie und Theorie, aber auch teilweise Grundlagen aus Realakten abdecken soll. Auf eine exakte Definition des Kreuzzugsbegriffes sei für diese Arbeit bewusst verzichtet. Vielmehr soll hier mit einem generalisierenden Kreuzzugsbegriff operiert werden, der sich aber stark an den Kreuzzügen in die Region des heutigen Nahen Ostens orientiert.

In der Untersuchung der geistigen Grundlagen der Kreuzzüge muss vorweg erarbeitet werden, wie das Christentum im Laufe seiner Entstehung grundsätzlich zu Krieg und Gewalt stand. Nichts liegt hier näher, als mit einer Analyse entsprechender Bibelstellen zu beginnen und darauf aufbauend einen Blick in die christliche Theologie zu werfen. In der Arbeit wird dabei die These verifiziert werden, dass es im Christentum einen Wandel gegeben habe. Dieser Wandel wäre allerdings ohne die Schriften des Augustinus von Hippo Regius kaum vorstellbar, weshalb Augustinus vor Erarbeitung der Ursachen und Inhalte des Wandels Beachtung finden muss. Darauf aufbauend müssen die neuen Kriegsbilder vom „Gerechten“ und vom „Heiligen Krieg“ dargestellt und die beiden Kriegstypen voneinander abgegrenzt werden. Anschließend soll dann das vorher Genannte durch die Darstellung der Ideologie und Motivation der Kreuzfahrer untermauert und das Bild der geistigen Grundlagen damit vervollständigt werden.

Als zeitlicher Endrahmen sei für diese Arbeit das Ende des 12. Jahrhunderts gesetzt, da der Wandel aufgrund der Ereignisse bis dahin als weitestgehend abgeschlossen gelten kann. Die Recherche nach Quellen und Literatur für diese Arbeit gestaltete sich nicht besonders schwierig, da das Thema „Kreuzzüge“ als solches sehr gut erforscht ist. Komplizierter war dagegen die Auswahl der Quellen und Literatur, die tatsächlich in der Arbeit Verwendung finden sollten. Eine abschließende Bewertung der verwendeten Quellen und Literatur wird im Schluss erfolgen.

Grundsätzlich will diese Arbeit aufgrund der beschränkten Seitenzahl vor allem im Detail keinen Anspruch auf Vollständigkeit, aber einen Anspruch auf angemessene Darstellung der groben Züge der Entwicklung erheben.

1. Das Christentum und die Gewalt bis zu den Kreuzzügen

In diesem ersten Kapitel soll die Einstellung des Christentums zur Gewalt, genauer zur kriegerischen Gewalt, bis zu den Kreuzzügen herausgearbeitet werden. Dabei sei hier zur Einleitung auf die Unterkapitel 1.1. und 1.2. folgende These von Carl Erdmann übernommen. „Die christliche Religion ist zunächst dem heiligen Kriege wenig günstig“[1]. Den bereits hier deutlich werdenden friedlichen Grundcharakter der christlichen Religion unterstreicht auch Erdmanns Schlussfolgerung, denn „dem Urchristentum wäre der Gedanke an einen heiligen von der Religion geforderten Krieg als gerade zu absurd erschienen“[2]. Die Entwicklung des Umgangs des Christentums mit dem Begriff der Gewalt soll nun in den folgenden Kapiteln verifiziert werden.

1.1. Gewalt in der Bibel

Betrachtet man das Christentum aus gleich welcher Perspektive, kann man die Bibel natürlich in keinem Fall umgehen. Es muss also auch in dieser Arbeit am Anfang eine Aufarbeitung dessen stattfinden, was in der Bibel an verschiedenen Stellen zu Gewalt und Krieg geschrieben steht.

Wichtigster Inhalt der Bibel und evident wichtig für jeden Christen sind die nach christlicher Lesart von Gott gegebenen Zehn Gebote. Betreffend Krieg und Gewalt ist die Aussage des fünften Gebotes im Buch Exodus 20,13 absolut eindeutig: „Du sollst nicht töten“. Kombiniert man dieses fünfte Gebot dann mit dem siebten, dem neunten und dem zehnten Gebot, so erhält man hier ein absolutes und unumstößliches Gewaltverbot. Dieses absolute Gewaltverbot ist gerade aufgrund seiner Absolutheit so bemerkenswert, enthält es doch nicht mal einen Passus, der etwa Selbstverteidigung anders definiert. Die hier erarbeitete Position sei zur weiteren Untermauerung noch um zwei weitere Bibelstellen abschließend ergänzt. Im Buch Levitikus 19,18 findet sich mit „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst“ das Gebot der Nächstenliebe, welches Gewalt und Krieg ausschließt. Das Neue Testament verlangt im Matthäus- Evangelium (Mt 5,38-48) sogar einen uneingeschränkten Pazifismus von den Gläubigen, denn „wenn dich jemand auf die rechte Wange schlägt, dann halte ihm auch die andere hin“.

Die unter 1. übernommen Thesen von Erdmann können also schon hier durch entsprechende Bibelstellen als bestätigt angesehen werden.

1.2. Krieg in der christlichen Theologie

Nachdem der pazifistische Grundcharakter der christlichen Religion im vorherigen Kapitel festgestellt worden ist, soll an dieser Stelle untersucht werden, wie die christliche Theologie bis zum Beginn der Kreuzzüge zu Krieg und Gewalt stand.

Festgehalten werden muss hier, dass eine klare zeitliche Abgrenzung der Zeit des Wandels in der Theologie und der hier als solchen klassifizierten Zeit der Vor-Kreuzzugs-Theologie nicht möglich ist. Vielmehr überlappen sich diese beiden Zeiträume, was allerdings in der folgenden Analyse ausgeklammert werden soll.

Bischof Fulbert von Chartres erklärte in einem Brief, wie schändlich die Gewalt sei, auch wenn sie zur Verteidigung ausgeübt würde. Gerade Geistliche, aber auch Laien sollten gemäß dem Prinzip der Bibel die andere Wange hinhalten. Strafen und rächen dürfe nur Gott und ohnehin sei das einzige Schwert, welches Christen erlaubt sei, das „geistliche Schwert“[3]. Wohl aus dem Bewusstsein heraus verfasst, dass das Tötungsverbot allerdings oft genug unterlaufen wurde, ist uns von Fulbert ein Bußekatalog für Tötungen überliefert. Die Strafen reichten hier von einem Jahr Buße für eine Tötung im Kriege über sieben Jahre für einen absichtlichen Mord bis hin zu 21 Jahren Buße für Mord an einem Priester[4]. Interessant ist hier die bereits vorhandene unterschiedliche Wertung eines Mordes und einer Tötung im Krieg, zumal für die Tötung im Krieg die geringste Bußstrafe erfolgen soll. Tötung im Krieg wird zwar als Sünde angesehen, sei aber eine weniger schwerwiegende Sünde. Vergleicht man diese Erkenntnis mit einer Passage aus der ersten Biografie des heiligen Bonifatius, die zwischen 755 und 768 erschienen ist[5], so wird deutlich, dass auch in der christlichen Vor-Kreuzzugs-Theologie die Strömung gegen jeden Einsatz von Gewalt stark war. In der Biografie findet sich nämlich, angelehnt an die entsprechenden Bibelaussagen, die Aufforderung zum bedingungslosen Pazifismus, selbst wenn dies den sicheren eigenen Tod bedeute. Auch der Begriff des Märtyrertums hat hier nichts mit Leistungen im bewaffneten Kampf zu tun. Vielmehr werde derjenige zum Märtyrer, der das Leiden geduldig ertrage[6].

Für die „frühchristlichen Kirchenväter [...] bedeutete Krieg Massenmord“[7], war somit verabscheuungswürdig. Auch die Bußvorschriften waren im Vergleich zu denen des Fulbert von Chartres schärfer, denn der Soldat, der im Krieg getötet hatte, musste zur Buße drei Jahre lang auf das Abendmahl verzichten[8]. Eine etwas mildere und spätere Vorschrift ist bei Bischof Burkhard von Worms zu finden. Burkhard geht davon aus, dass die Anwendung von Gewalt auch im Krieg immer sündhaft sei und daher gebüßt werden müsse. Als Buße erscheint ihm eine solche in den gesetzlichen Wochentagen an drei regulären jährlichen Fastenzeiten ausreichend[9]. Die anklingende Entwicklung zu mehr Toleranz für Gewalt und Krieg kann wohl auf die wechselseitigen Vermischungswirkungen von Ritterkodexen u.ä. und der Theologie zurückgeführt werden[10], sowie auf die immer enger werdenden Bande von Staat und Kirche[11]. Jener Aspekt ist dabei unter dem Gesichtspunkt zu betrachten, dass weder ein Papst noch ein Konzil jemals Buße für eine Kriegstötung verlangt hatten[12]. Diese Bußvorschriften entwickelten sich also in der Theologie als Strömung und wurden nicht von oben herab verordnet.

Des Weiteren muss man das Christentum von seiner Theologie heraus als Missionsreligion begreifen. Wie Carl Erdmann richtig feststellte, verträgt sich ein gewaltsam durchgesetzter Glaubenszwang weder mit dem Bild, dass alle Menschen zum Glauben an den einen Gott berufen wären, noch mit der christlichen Missionspflicht[13].Anzumerken ist aber, dass es bereits in der Vor-Kreuzzugs-Theologie auch schon die andere Strömung gab, wie etwa im 9. Jahrhundert in Nordspanien beim Verteidigungskampf den Islam[14], aber diese soll erst in den folgenden Kapiteln Behandlung finden. Dass die große Mehrheit der Strömungen der christlichen Vor-Kreuzzugs-Theologie Krieg und Gewalt ablehnte, lässt sich auch empirisch untermauern. So sind Expansionskriege zur Ausbreitung des Christentums schwer bis gar nicht nachweisbar[15]. Es lässt sich hier aber in der Theologie vor den Kreuzzügen eine Veränderung der Einstellung zu Krieg und Gewalt teilweise, wie an den Bußkatalogen belegt, nachweisen. Dennoch blieb die pazifistische Richtung ebenfalls stark.

[...]


[1] Carl Erdmann: Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens. Stuttgart 61955, S. 1.

[2] Ebd., S. 2.

[3] Fulbert von Chartres: Fulbert ep. 112, Migne, Patrologia latina 142, S. 255f., IN: Wolfgang Lautemann u.a. (Hg.): Geschichte in Quellen. Mittelalter. München 21978, S. 359f.

[4] Fulbert von Chartres: De peccatis capitalibus. Migne, Partologia latina, 141, S. 339, IN: Wolfgang Lautemann u.a. (Hg.): Geschichte in Quellen. Mittelalter. München 21978, S. 360.

[5] Harm von Seggern: Wilbald, auch Willibald. O.O. 2003. <http://www.bautz.de/bbkl/w/wilbald_v_m.shtml>, 17.12.07.

[6] Wilibald: Leben des heiligen Bonifatius, cap. 36, IN: Wolfgang Lautemann u.a. (Hg.): Geschichte in Quellen. Mittelalter. München 21978, S. 355f.

[7] Steven Runicman: Geschichte der Kreuzzüge. München 23-271989, S. 81.

[8] Ebd., S. 81.

[9] Ernst-Dieter Hehl: Krieg und Staatlichkeit im hohen Mittelalter, IN: Werner Rösner (Hg.): Staat und Krieg. Vom Mittelalter bis zur Moderne. Göttingen 2000, S. 21f.

[10] Steven Runicman: Geschichte der Kreuzzüge, S. 82.

[11] Carl Erdmann: Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 4.

[12] Ernst-Dieter Hehl: Krieg und Staatlichkeit im hohen Mittelalter, S. 23.

[13] Carl Erdmann: Die Entstehung des Kreuzzugsgedankens, S. 2.

[14] Nikolas Jaspert: Wo seine Füße standen, IN: Hans-Jürgen Kotzur (Hg.): Die Kreuzzüge. Ausstellungskatalog. Mainz 2004, S. 173.

[15] Egon Flaig: Heiliger Krieg. Auf der Suche nach einer Typologie, IN: HZ 285 (2007), S. 294.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die geistigen Grundlagen der Kreuzzüge - Vom sündhaften zum heiligen Krieg
Hochschule
Bayerische Julius-Maximilians-Universität Würzburg  (Institut für Geschichte)
Veranstaltung
Die Kreuzzüge und die Kreuzfahrerstaaten bis 1187
Note
2,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
19
Katalognummer
V112266
ISBN (eBook)
9783640111077
ISBN (Buch)
9783640111220
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Grundlagen, Kreuzzüge, Krieg, Kreuzzüge, Kreuzfahrerstaaten
Arbeit zitieren
Felix Seidler (Autor:in), 2007, Die geistigen Grundlagen der Kreuzzüge - Vom sündhaften zum heiligen Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112266

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