Einleitung
Faserland von Christian Kracht wurde im deutschen Sprachraum mit großer Resonanz aufgenommen. Das Buch erschien 1995 bei Kiepenheuer & Witsch, Köln. Die Taschenbuchausgabe brachte 1997 der Goldmann Verlag, München, auf den Markt - ein Hörbuch, in einer vom Autor selbst gelesenen Version ist seit Januar 2001 als CD und MC
aufbereitet Für das Seminar Pop und Liebe, Konsum und Terror - Diskurse der neuesten Literatur ist das Buch von Bedeutung, weil es eine entscheidende Rolle in der “deutschen Popliteratur” spielt.
Faserland wird häufig als erstes Buch dieser Strömung genannt, was jedoch nach wie vor kontrovers diskutiert wird.(Bsp. Feridun Zaimoglu zitiert in von Acid bis Adlon S. 33:...”Popliteratur? Freunde! Hör ich richtig? Ich bin sozialisiert worden über Pop, habe
immer eher zu Schallplatten..gegriffen als zu Büchern und unter Pop stelle ich mir Stagekinetik vor, partisanenhafte Ausbrüche, Mobilität, Sex und Erotik! Das ist nicht Pop, das sind ein paar Junker, die Bedeutungsschwere und Bedeutsamkeit vortäuschen, imaginieren...” oder Johannes Ullmaier, ebenfalls in von Acid bis Adlon S. 34: “Statement und Symptom zugleich, markiert das Buch die maximale Entfernung von allem, wofür Pop einst stand und teils noch steht.”
Neben Aufbau und Interpretation der Erzählung und Untersuchung verschiedener Aspekte, wie zum Beispiel Lifestyle, Alkohol und Markenfetischismus in Faserland, soll hier auch auf das “Medienereignis Faserland” eingegangen werden. Die Wechselfunktionen zwischen Medien/Journalismus und Popliteratur sind bei Faserland besonders auffällig.
[...]
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Der Autor Christian Kracht
3. Das Medienereignis Faserland
4. Einfluß des journalistischen Schreibens
5. Popliteratur
6. Sprache und Wortwahl
7.DIE ERZÄHLUNG
7.1 DER TITEL
7.2 DER AUFBAU DES TEXTES
8 LIFESTYLE UND MARKENFETISCHISMUS
9. Charakteristische Merkmale des Ich-Erzählers
10.GEGENFIGUREN
11.LIEBE UND SEXUALITÄT
12. Terror und Gewalt
13. Schlußbemerkung
1. Einleitung
Faserland von Christian Kracht wurde im deutschen Sprachraum mit großer Resonanz aufgenommen. Das Buch erschien 1995 bei Kiepenheuer & Witsch, Köln. Die Taschenbuchausgabe brachte 1997 der Goldmann Verlag, München, auf den Markt - ein Hörbuch, in einer vom Autor selbst gelesenen Version ist seit Januar 2001 als CD und MC aufbereitet
Für das Seminar Pop und Liebe, Konsum und Terror - Diskurse der neuesten Literatur ist das Buch von Bedeutung, weil es eine entscheidende Rolle in der “deutschen Popliteratur” spielt. Faserland wird häufig als erstes Buch dieser Strömung genannt, was jedoch nach wie vor kontrovers diskutiert wird.(Bsp. Feridun Zaimoglu zitiert in von Acid bis Adlon S. 33:...”Popliteratur? Freunde! Hör ich richtig? Ich bin sozialisiert worden über Pop, habe immer eher zu Schallplatten..gegriffen als zu Büchern und unter Pop stelle ich mir Stagekinetik vor, partisanenhafte Ausbrüche, Mobilität, Sex und Erotik! Das ist nicht Pop, das sind ein paar Junker, die Bedeutungsschwere und Bedeutsamkeit vortäuschen, imaginieren...” oder Johannes Ullmaier, ebenfalls in von Acid bis Adlon S. 34: “Statement und Symptom zugleich, markiert das Buch die maximale Entfernung von allem, wofür Pop einst stand und teils noch steht.”
Neben Aufbau und Interpretation der Erzählung und Untersuchung verschiedener Aspekte, wie zum Beispiel Lifestyle, Alkohol und Markenfetischismus in Faserland, soll hier auch auf das “Medienereignis Faserland” eingegangen werden. Die Wechselfunktionen zwischen Medien/Journalismus und Popliteratur sind bei Faserland besonders auffällig.
2. Der Autor Christian Kracht
Christian Kracht ist 1966 in der Schweiz geboren; als Faserland im Frühjahr 1995 erschien, war er 28 Jahre alt. Die Tatsache, daß er Schweizer ist, bietet einen interessanten Aspekt für die Interpretation: Der Ich-Erzähler in Faserland ist Deutscher, stellt aber am Schluß die Schweiz als Gelobtes Land dar,
“ in dem alles nicht so schlimm ist [...] Alles erscheint mir hier ehrlicher und klarer und vor allem offensichtlicher. Vielleicht ist die Schweiz ja eine Lösung für alles.” (S.159)[1]
Kracht selbst hat allerdings auch einmal in einem Interview gesagt, daß die Schweiz noch konservativer sei als er selbst (Der Tagesspiegel, 1. Juli 2000). Aufgewachsen ist Christian Kracht als Sohn sehr reicher Eltern in verschiedenen Ländern, unter anderem in den USA und in Kanada. Kracht war – genau wie sein Ich-Erzähler in Faserland – Schüler des Eliteinternats Salem am Bodensee. Mittlerweile ist er als Journalist und Schriftsteller tätig und lebt derzeit in Bangkok.
Nach der Lektüre verschiedener Interviews und anderer Texte kann man über Christian Kracht sagen, daß man ihn bzw. seine verbalen und schriftlichen Äußerungen nicht immer ernst nehmen sollte. In Interviews redet er entweder unzusammenhängend, weicht den Fragen aus oder antwortet sehr provozierend. Zu bestimmten Themen äußert er sich nicht gerne oder nur knapp, während er bei anderen auffallend ins Schwärmen geraten kann, wenn es beispielsweise um Oberhemden geht. Gerne spricht er auch über Drogen, Markenartikel, Reisen oder über den “ verrohten Zustand der Welt” (Der Tagesspiegel, 1. Juli 2000). Hier ein Beispiel für ein Thema zu dem er sich weniger gerne äußert:
Tagesspiegel: Sie und Ihre Crew gelten in den Medien als Sinnbild für eine Generation, die sich ausschließlich definiert über Ästhetik, Arroganz, Spaß. Für manche sind Sie das Sinnbild der Flachheit. Und nun erzählen Sie von Moral und Humanismus.
Kracht: Ach, fragen Sie mich doch bitte etwas anderes.
Tagesspiegel: Wir versuchen Sie nur zu verstehen.
Kracht: Hmm.
(Der Tagesspiegel, 1.7.2000)
3. Das Medienereignis Faserland
Faserland war und ist ein Medienereignis. Bevor das Buch in den Handel kam, erschienen bereits Rezensionen und Vorabdrucke in den Magazinen Der Spiegel, Focus und Die Bunte.
Zudem ist Christian Kracht der Sohn des ehemaligen Generalbevollmächtigten des Axel-Springer-Konzerns: Der Autor kennt also die richtigen Leute in den richtigen Positionen.
Nachdem Faserland dann erschien, wurde es in fast allen Feuilletons im deutschen Sprachraum besprochen. Das Buch wurde gleichzeitig gefeiert und zerrissen. Während Die Bunte Kracht “Goethilein” (2. März 1995) nannte, sprach man in der Hamburger Rundschau von einer “leergeräumten Schnöselseele”( 11. Mai 1995). Die Frankfurter Neue Presse attestiert Faserland “das Zeug zum deutschen Kultbuch der 90er” (5. April 1995) während Profil darin nicht mehr als “Hundert Seiten Haß” (8. Mai 1995) sieht.
Bereits diese Schlagzeilen sprechen für sich und machen die Bandbreite der Besprechungen und Meinungen deutlich. In den meisten Rezensionen wird auch ausführlich über die Person Christian Kracht und sein Umfeld gesprochen: Sein reiches Elternhaus, der Aufenthalt in Salem und ähnliche biographische Fakten werden immer wieder erwähnt. Dazu gehört auch die folgende Geschichte, die häufig erzählt wird: Kracht hat selbst berichtet, daß er einmal nach dem Genuß von Ecstasy seinen Porsche mit Champagner gewaschen hat. Eine solche Episode wird in den Medien gerne weitergetragen und pflegt das Image des Autors.
Von Lothar Schröder gibt es hierzu in der FAZ vom 6.1.01 eine hübsche Rezension über das Hörbuch Faserland, in der es beispielsweise heißt: “Spätestens in der 7. Klasse wird allen Nachwuchslesern eingebläut: Ein Ich-Erzähler ist nie, nie, nie der Autor! Das stimmt natürlich irgendwie. Vielleicht bis auf eine Ausnahme...”. Die Autobiografischen Züge des Buches lassen sich also nicht abstreiten. Dennoch muß ganz klar zwischen Autor und Protagonist unterschieden werden. Im folgenden werden Dinge die den Autor angehen auch ganz klar mit Interviews etc. belegt werden.
Unter “normalen Umständen”, das heißt von einem unbekannten Autor verfaßt, der keine guten Kontakte zur Medienbranche hat, hätte Faserland wahrscheinlich nicht für solch hohe Wogen gesorgt. -
“ Der Biertrinker, Verlegersohn und Internatszögling C. Kracht hat ein Buch geschrieben. “Faserland”, eine ganz normale langweilige Ich-Erzählung, wie sie ganz normal langweilige 16jährige erdenken, 18jährige schreiben und 20jährige wieder vergessen: “Große gelbe Kotzschwälle platschen auf den Teppich” - Gott, ja. Doch der 28jährige hat Freunde. Große Jungs, die ihn von Partys kennen und bei schönen Blättern Geld verdienen.
Noch während “Faserland” gedruckt wird, erscheint ein Vorablob in der “Bunten”. Kracht erinnere an den “jungen Günter Grass”. Der “Spiegel” legt verzaubert nach, Krachts Werk gemahne an Jerome D. Salingers “Fänger im Roggen”. Der Kritiker von Tempo mußte “vor Freude weinen”, und der beste unter den zahlreichen guten Journalisten-Freunden des Autors spendiert pünktlich zum Erscheinungstermin die Titelgeschichte der Montagsbeilage zur “Süddeutschen Zeitung”. Endlich mal wieder ein Buch, über das Deutschland spricht.”
(Junge Hühner, alte Hasen, in Stern 11/1995)
4. Einfluß des journalistischen Schreibens
Christian Krachts bisherige Veröffentlichungen in Buchform sind sehr stark von seinem journalistischen Schreiben geprägt. Er schrieb für das Magazin Tempo, für die Welt am Sonntag und war Indien-Korrespondent für das Nachrichtenmagazin Der Spiegel (allerdings nur für ein halbes Jahr, dann wurde ihm wegen Unfähigkeit gekündigt, wie er selbst in einem Interview (Jungle World, 3. Juni 1998) berichtet). 1993 erhielt er den ersten Preis für Nachwuchs-Journalisten des Axel Springer-Verlags.
Im Zusammenhang mit Faserland ist Krachts Tätigkeit als Tempo -Redakteur von besonders großer Bedeutung: Tempo ist ein im weitesten Sinne dem Boulevard-Journalismus zuzuordnendes Trendmagazin, das 1986 bis 1996 im Jahreszeiten Verlag, Hamburg, erschien. Themen des Magazins waren Lifestyle, Politik, Reisen, Drogen, Prominente etc. Bis März 1995 war Christian Kracht Redaktionsmitglied, später freier Mitarbeiter.
Bei Tempo arbeiteten unter anderem die folgenden Personen mit: Uwe Kopf (Textchef), der auch in Faserland erwähnt wird (S. 120 ff.)[2], Maxim Biller (schrieb regelmäßig eine Kolumne) und Eckhart Nickel, mit dem Kracht gemeinsam Ferien für immer. Die angenehmsten Orte der Welt veröffentlicht hat. Dieses Buch erschien 1998 (Kiepenheuer & Witsch, Köln 1998) und entstand wahrscheinlich unter anderem aus den folgenden Tempo -Reportagen: Die 55 lässigsten Reiseziele. Sauber abhängen, rund um den Globus. Von Christian Kracht und Eckhart Nickel. (Tempo Nr. 6, 1994) und Ferien für immer. Die besten Infos zum Auswandern und Glücklichsein. Eine Produktion von Stefanie Hellge und Christian Kracht. (Tempo Nr. 7, 1995).
Ähnlich dürfte es auch bei Der gelbe Bleistift von Christian Kracht (Kiepenheuer & Witsch, Köln 2000) sein. Bei diesem Buch handelt es sich um zwanzig Reiseberichte aus Asien, die in direkter Verbindung zu Krachts gleichnamiger Asien-Kolumne in der Welt am Sonntag stehen.
Liest man Krachts Tempo -Artikel, dann wird schnell deutlich, daß seine Erzählung Faserland sowohl stilistisch als auch inhaltlich seinem journalistischen Schreiben sehr nahe steht. Der Rezensent Martin Halter bezeichnet Faserland als eine “lange ‘Tempo-Hasskolumne‘ die sich als Roman ausgibt” (Tages-Anzeiger, Zürich, 29. April 1995).
[...]
[1] Alle Seitenangaben der Zitate aus dem Text Faserland beziehen sich auf die Originalausgabe. Christian Kracht: Faserland. Kiepenheuer & Witsch: Köln 1995
[2] “Es ist Uwe Kopf, dieser Kolumnist, oder was auch immer er ist. Er hat eine Vollglatze, und das paßt ja auch ganz gut zu ihm, weil er ein ziemlich harter Nazi ist. Ich habe gehört, daß er im fränkischen Wald so eine homosexuelle Wehrsportgruppe hat,...” (S.120)
- Quote paper
- Silke Mühl (Author), 2001, Zu: "Faserland" von Christian Kracht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1122