Die Frage der Insolvenzfähigkeit von politischen Parteien ist weder in Literatur noch in Rechtsprechung bislang Thema gewesen.
Diese Arbeit unternimmt den geglückten Versuch schrittweise darzustellen, welche Auswirkungen die Insolvenzfähigkeit auf Parteien hätte und welche Auswirkung die Insolvenzunfähigkeit hätte, z.B. auf Gläubiger der Partei.
Gliederung
Literaturverzeichnis
A. Zur Insolvenzfähigkeit von Parteien
I. Die Insolvenz(un-)fähigkeit, §§ 11, 12 InsO
1. Über die Insolvenzfähigkeit, § 11 InsO
2. Über die Insolvenzunfähigkeit, § 12 InsO
3. Die Rechtsnatur von Parteien
a) Parteibegriff
b) Möglichkeiten der Rechtsformwahl
c) Rechtsnatur heutiger Parteien
4. Zwischenergebnis zur Insolvenz(-un)fähigkeit von Parteien
II. Zur Besonderheit von Parteien
1. Historische Entwicklung der Parteien
2. Parteien im heutigen europäischen und globalen Kontext
3. Funktionen von Parteien für die Demokratie
a) Mittelbare Demokratie als Grundlage von Parteien
b) Die Rolle der Parteien innerhalb der repräsentativen Demokratie
c) Die besondere Rolle von „kleinen Parteien“
4. Pluralismus und Parteien
5. Parteien als Forum der Verwirklichung von Individualrechten
6. Zwischenergebnis zur Besonderheit von Parteien
III. Zum Einfluss des Verfassungsrechts
1. Vergleich zu besonderen Rechtspersonen
a) Öffentlich-rechtliche Glaubensgemeinschaften
aa) Urteilsdarstellung
bb) Vergleichbarkeit
b) Öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten
aa) Urteilsdarstellung
bb) Vergleichbarkeit
c) Sonstige juristische Personen des öffentlichen Rechts
aa) Deutsche Bundesbank
bb) Sparkassen, Landesbanken, Girozentralen
cc) Öffentlich-rechtliche Krankenkassen
dd) Industrie- und Handelskammern
ee) Vergleichbarkeit
2. Zur direkten Anwendung von Verfassungsrecht
a) Verhältnis GG zum einfachen Recht
b) Verfassungskonforme Auslegung
c) Zwischenergebnis
3. Zwischenergebnis zum Einfluss des Verfassungsrechts
B. Zu den Folgen der Insolvenzfähigkeit von Parteien
I. Der Antrag
1. Allgemeine Voraussetzungen des Antrags
2. Antragsrecht und Antragspflicht des Schuldners
a) Antragsrecht
b) Antragspflicht
c) Antragspflichtverstoß
3. Antragsrecht der Gläubiger
4. Zwischenergebnis zum Antrag
II. Die Insolvenzgründe
1. Zu den Insolvenzgründen im Allgemeinen
a) Die Zahlungsunfähigkeit
b) Die drohende Zahlungsunfähigkeit
c) Die Überschuldung
2. Parteienrechtliche Sanktionsmechanismen
3. Wirtschaftliche Betätigung von Parteien
4. Staatlicher Bestandsschutz
5. Zwischenergebnis zu den Insolvenzgründen
III. Das Schuldnervermögen, § 26 InsO
1. Die ausreichende Masse, § 26 InsO
2. Die Folgen der Abweisung mangels Masse
3. Zwischenergebnis zum Schuldnervermögen, § 26 InsO
IV. Zwischenergebnis zum Insolvenzeröffnungsverfahren
V. Das Insolvenzverfahren
1. Die Ziele des Insolvenzverwalters
2. Die Insolvenzmasse
3. Auswirkungen vermögensrechtlicher Beschränkungen
a) Innerparteiliche Demokratie
b) Selbstbestimmte politische Mitwirkung
c) Pluralismus und Forumsfunktion
d) Zwischenergebnis
4. Schuldnerpflichten
a) Auskunftspflichten
b) Mitwirkungspflichten
c) Durchsetzung der Pflichten
5. Auswirkungen nicht-vermögensrechtlicher Beschränkungen
6. Weitere Folgen des Insolvenzverfahrens
a) Auflösung
b) Verwertung und sonstige Folgen
7. Zwischenergebnis zum Insolvenzverfahren
C. Zu den Folgen der Insolvenzunfähigkeit von Parteien
I. Für die Gläubiger der Partei
II. Für den Rechtsverkehr
1. Arbeitnehmer der Partei
2. Wirtschaftliche Konkurrenten und Geschäftspartner
III. Für das Parteiensystem
1. Die Partei selbst
2. Der Parteienwettbewerb
3. Die Parteiengleichheit
IV. Zwischenergebnis zur Insolvenzunfähigkeit
D. Ergebnis
I. Vor- und Nachteile der Insolvenzfähigkeit von Parteien
II. Gewichtung und Abwägung
III. Gesamtergebnis
Literaturverzeichnis
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A. Zur Insolvenzfähigkeit von Parteien
Das Insolvenzverfahren kann über das Vermögen einer Partei[1]eröffnet werden, wenn die Partei insolvenzfähig ist (§ 11 InsO), ein Antrag vorliegt (§ 13 InsO), die Partei einen Eröffnungsgrund aufweist (§ 16 InsO) und die Masse ausreicht oder eine Voraussetzung des § 26 Abs. 1 S. 2 InsO erfüllt ist.
A.I. Die Insolvenz(un-)fähigkeit, §§ 11, 12 InsO
Um das Insolvenzverfahren nach der InsO eröffnen zu können, muss das Vermögen einer Partei überhaupt insolvenzfähig sein, § 11 InsO.
A.I.1. Über die Insolvenzfähigkeit, § 11 InsO
§ 11 Abs. 1 InsO legt fest:
„Ein Insolvenzverfahren kann über das Vermögen jeder natürlichen und jeder juristischen Person eröffnet werden. Der nicht rechtsfähige Verein steht insoweit einer juristischen Person gleich.“
Zum Einen ist also das Vermögen jeder, auch einer nicht-, oder nur beschränkt geschäftsfähigen natürlichen Person insolvenzfähig, § 12 Abs. 1 S. 1 InsO. Zum Anderen ist das Vermögen jeder juristischen Person, in concreto des rechtsfähigen Vereins[2](§§ 21, 22 BGB) und expressis verbis der juristischen Person gemäß § 11 Abs. 1 S. 2 InsO gleichgestellt das Vermögen des nicht-rechtsfähigen Vereins (§ 54 BGB),[3]der VVaG (§ 15 VAG), der AG (§ 1 Abs. 1 S. 1 AktG), der KGaA (§ 278 AktG), der GmbH (§ 13 Abs. 1 GmbHG), der rechtsfähigen Stiftung (§§ 80 ff. BGB) und der eG (§§ 2, 17 GenG), nach § 11 Abs. 1 InsO insolvenzfähig.[4]
§ 11 Abs. 2 InsO erstreckt die Insolvenzfähigkeit zusätzlich noch auf besondere, rechtlich unselbständige, abschließend aufgezählte Vermögensmassen (§ 11 Abs. 2 Nr. 2 InsO) und auf das Vermögen von Gesellschaften ohne Rechtspersönlichkeit (§ 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO). So ist auch das Vermögen der OHG, KG, PartG, GbR, Partenreederei und EWIV insolvenzfähig.
A.I.2. Über die Insolvenzunfähigkeit, § 12 InsO
Das Insolvenzverfahren ist nach der InsO nur gegenüber dem Vermögen des Bundes und der Länder (§ 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO), sowie über das Vermögen „einer juristischen Person des öffentlichen Rechts, die der Aufsicht eines Landes untersteht, wenn das Landesrecht dies bestimmt“ (§ 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO) - dies können bei entsprechender landesrechtlicher Bestimmung Gemeinden, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts sein - ausgeschlossen.
So bestimmt für NRW § 78 Abs. 3 S. 2 VwVG NRW für juristische Personen des öffentlichen Rechts unter Landesaufsicht:„Ein Insolvenzverfahren findet nicht statt“.[5]
Um eine Einordnung von Parteien zu den genannten Rechtspersonen zu ermöglichen, wird zunächst dargelegt, wann überhaupt eine Partei und nicht eine bloße politische Gruppierung vorliegt und welche Rechtsnatur die Parteien aufweisen.
A.I.3. Die Rechtsnatur von Parteien
a) Parteibegriff:Das GG selbst definiert den Parteibegriff nicht, eröffnet aber mit dem Verweis in Art. 21 Abs. 3 GG dem Gesetzgeber durch das PartG im Rahmen der verfassungsrechtlichen Vorgaben einen gewissen Raum zur Ausgestaltung. Dessen in § 2 PartG gegebene Definition ist von der steten Rechtsprechung des BVerfG für verfassungskonform befunden worden.[6]
Nach der Definition des PartG lassen sich drei Hauptelemente ausmachen:
Strukturell hat es sich um eine Vereinigung natürlicher Personen mit einer gewissen Beständigkeit in der Organisation und einem bestimmenden Einfluss der Mitglieder zu handeln,[7]die juristische Personen als Mitglieder ausschließt[8].
Das Zielelement umfasst das Ziel zur politischen Einflussnahme in einem Land oder auf Bundesebene und trennt Parteien von politischen Gruppierungen wie sog. „Rathausparteien“[9], Europaparteien, oder Bürgerinitiativen.[10]
Und schließlich muss dieses Ziel mit einer gewissen Ernsthaftigkeit verfolgt werden, wodurch nur kurzlebige oder „Spaßparteien“ ausgeschlossen werden sollen.[11]Ernsthaftigkeit bedingt jedoch keinerlei Anforderungen an den zu verfolgenden Inhalt, sondern nur eine Anforderung an die Ambition der Gruppe, die Funktion als Partei auch wahrnehmen zu wollen und sich darum um Wahlerfolge zu bemühen.[12]
b) Möglichkeiten der Rechtsformwahl:In Art. 21 Abs. 1 S. 2 GG ist die Parteienfreiheit bzw. Parteiengründungsfreiheit, verfassungsrechtlich normiert, die zumindest eine konstitutiv wirkende Eintragungspflicht in ein Register ausschließt.[13]Als Träger der Parteienfreiheit können sich jedoch weder die Individuen, noch die Organisationen selbst eine ihnen gefällige Rechtsform frei wählen,[14]wenn sie den Status als Partei gemäß Art. 21 GG iVm § 2 PartG erhalten oder nicht verlieren wollen. Dies ergibt sich aus dem der Freiheitsgewährung nachgestellten Satz, dass die innere Ordnung von Parteien demokratischen Grundsätzen zu entsprechen habe, Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG. Demnach wäre beispielsweise eine politische Gruppierung in der Rechtsform „Die Grauen AG“ schon allein deswegen keine Partei im Sinne des Art. 21 GG iVm § 2 PartG, weil der innerparteiliche Einfluss des Einzelnen von der Finanzkraft abhängig wäre, das Prinzip der Stimmengleichheit „one man, one vote“ (Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG) verletzen würde und letztlich nicht demokratisch nach Art. 21 Abs. 1 S. 3 GG wäre. Deswegen scheiden alle auf Kapitalbeteiligung basierenden Rechtsformen generell aus.
Weiter werden die Anforderungen an die innere Organisation gemäß Art. 21 Abs. 3 GG iVm §§ 6 ff. PartG dahingegen konkretisiert, dass die Parteien eine körperschaftliche Struktur aufzuweisen haben. Somit scheiden auch die BGB-Gesellschaften, §§ 705 ff. BGB, aus.[15]Schließlich steht als Rechtsform für die Parteien einzig allein der Verein nach bürgerlichem Recht, gleichgültig ob rechtsfähig oder nicht-rechtsfähig, den Parteien zur Verfügung.[16]
In der Vereinsform mit ihrer körperschaftlichen Verfassung und der Fremdorganschaft,[17]ihres auf Dauer angelegten Zusammenschlusses mehrerer Personen zur gemeinsamen Zweckverfolgung und der Unabhängigkeit von Mitgliederfluktuationen können die verfassungsrechtlichen und spezialgesetzlichen Vorgaben, insbesondere aus §§ 6 ff. PartG, umgesetzt werden. Endlich kann die Rechtsformwahl auf Idealvereine, § 21 BGB, konkretisiert werden, da Parteien vornehmlich aus ideellen und nicht ökonomischen Motiven handeln sollen.
Das Resultat ist, dass Parteien sich als privatrechtliche Vereinigungen von Bürgern nur in Form des rechtsfähigen oder nicht-rechtsfähigen Idealvereins konstituieren können.[18]
c) Rechtsnatur heutiger Parteien:Von den langjährig deutschlandweit etablierten Parteien sind auf Bundesebene die SPD, CDU, Bündnis 90/Die Grünen als nicht-rechtsfähige Vereine und als eingetragener Verein (e.V.) die FDP, sowie im Übrigen die CSU konstituiert. Die Ursache der Nichteintragung mancher Parteien ist historisch bedingt: Ursprünglich sollte nach der Intention des historischen Gesetzgebers der nicht-rechtsfähige Verein rechtlich gegenüber dem e.V. diskriminiert werden um vor allem politische Gruppierungen zu einer Eintragung zu bewegen und sie einer engeren staatlichen Kontrolle unterwerfen zu können.[19]Der staatlichen Aufsicht entzogen sich die Parteien durch die Nichteintragung, an die sie auch in Zeiten des parteifreundlichen GG zumeist festhalten.[20]
Die Untergliederungen der Parteien können wiederum, falls ihnen die Satzung der Gesamtpartei Satzungshoheit gewährt,[21]selbständige nicht-rechtsfähige Vereine oder selbständige rechtsfähige Vereine oder letztlich bei keiner Wahrnehmung oder keiner Gewähr der Satzungshoheit, unselbständige Verwaltungsstellen sein.[22]
Die Konsequenzen, rechtlich wie praktisch, zwischen einer Partei als e.V. oder als nicht-rechtsfähiger Verein sind kaum von Relevanz.[23]Die Grundbuchfähigkeit,[24]für den e.V. die Sondervorschriften §§ 55-79 BGB,[25]sowie haftungsrechtliche Unterschiede (§ 54 S. 2 BGB) während der Parteigründung[26]sind in diesem Zusammenhang zu nennen. Allerdings wird vielfach die rechtliche Abstufung des nicht-rechtsfähigen Vereins durch Regelungen des PartG egalisiert, so dass auch nicht eingetragene Parteien über § 3 PartG den Zivilrechtsweg bestreiten können[27]oder Haftungsregelungen des Vereinsrechts nach Parteigründung nicht gelten, § 37 PartG.
Auf Grund der geringen Unterschiede und den Möglichkeiten der Umgehung etwaiger Nachteile durch die beschränkte Rechtsfähigkeit des nicht eingetragenen Vereins,[28]werden viele Parteien auf die Eintragung, auch wenn die Gefahr der extensiven staatlichen Überwachung Vergangenheit ist, auch weiterhin verzichten können.
A.I.4. Zwischenergebnis zur Insolvenz(-un)fähigkeit von Parteien
Rechtsfähige wie auch nicht-rechtsfähige Vereine sind juristische Personen im Sinne des § 11 Abs. 1 InsO und sind folglich insolvenzfähig. Weiter streitet auch § 42 BGB für die Insolvenzfähigkeit von Vereinen, da dessen Regelungen im Falle der Insolvenz eines Vereins nur Sinn ergeben, wenn ein Verein überhaupt insolvenzfähig sein kann.
Parteien sind in der Rechtsform „Verein“ gefasst und somit sind Parteien grundsätzlich nach der InsO insolvenzfähig.
Ihre Insolvenzfähigkeit kann folgend dem Wortlaut nicht über § 12 Abs. 1 Nr. 1 InsO ausgeschlossen werden. Möglicherweise greift aber die Ausnahme des § 12 Abs. 1 Nr. 2 InsO: Abgesehen davon, dass keine landesrechtliche Norm die Insolvenzfähigkeit von Parteien ausschließt und auch nicht ausschließen kann, sind Vereine aber keine öffentlich-rechtlichen Personen.
Es greifen also nicht die Ausnahmeregelungen des § 12 InsO und da kein anderes Bundesgesetz, auch nicht das PartG, sie von der Insolvenzfähigkeit ausnimmt, bleibt nach Untersuchung der einfachgesetzlichen Lage festzuhalten, dass Parteien gemäß § 11 InsO insolvenzfähig sind.
Bei Gleichstellung einer Partei mit dem, hypothetischen, Kleingärtnerverein „Die Grauen-Kleingärtnerverein e.V.“ oder dem nicht-rechtsfähigen Verein „Die Grauen-Münzsammlerfreunde“ drängt sich ein Störgefühl auf: Kann es sein, dass über eine Partei ein Insolvenzverfahren wie über ein Kleingärtnerverein oder ein Münzsammlerverein eröffnet wird?
A.II. Zur Besonderheit von Parteien
A.II.1. Historische Entwicklung der Parteien
Während sich in England mit der Fortentwicklung des Parlaments schon am Ende des 17. Jahrhunderts die ersten politischen Parteien herausbildeten (Tories und Whigs), markieren, nach ersten Anzeichen einer solchen Entwicklung in Süddeutschland Anfang des 19. Jahrhunderts, die nach politischer Anschauung sich bildenden Gruppierungen der Paulskirchenversammlung 1848/1849, die ersten Vorläufer deutscher politischer Parteien. Mit Scheitern der Revolution wurde aber auch das sog. Honoratiorenparlament aufgelöst.
Doch noch vor der Gründung des Deutschen Reiches 1871 und Konstitutionalisierung des Deutschen Reichstages bildeten sich erstmalig in „Deutschland“ Parteien. Als erste 1861 die „Deutsche Fortschrittspartei“ und zwei Jahre später der „Allgemeine Deutsche Arbeiterverein“, aus dem die SPD später hervorging.[29]
Im wilhelminischen Kaiserreich waren die Parteien jedoch verfassungsrechtlich wegen der besonderen Stellung des Kaisers weitgehend machtlos und wurden in breiten Kreisen, vor allem den konservativ-kaisertreuen, mit Verachtung und Repressalien bedacht.[30]
Nach dem verlorenen 1. Weltkrieg wurde zwar in Deutschland, auch unter Druck der Siegermächte, eine demokratische Verfassung eingeführt, die bestehenden Ressentiments gegen Parteien generell blieben aber in großen Bevölkerungsteilen bestehen. Obwohl die Parteien in der Weimarer Reichsverfassung vom 11. August 1919 nur im negativen Sinne des Art. 130 Abs. 1 WRV[31]wurden,[32]entwickelte sich bis zur Machtübernahme, respektive Machtergreifung, durch Hitler am 30. Januar 1933 ein breitgefächertes Parteienspektrum mit nicht geringer politischer Macht.[33]
Das jähe Ende der Parteienlandschaft kam noch im selben Jahr im Rahmen der sog. Gleichschaltung durch Verbote aller bestehenden demokratischen Parteien und Neubildungsverboten von Parteien.[34]Während der zwölfjährigen Hitler-Herrschaft war nur eine einzige „Partei“ zugelassen: Die Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei. Begriffsnotwendig setzt „Partei“ als „pars“ (Teil) von etwas, nämlich dem Volk, zumindest einen Gegenpart zur Abgrenzung voraus, der jedoch während des Dritten Reiches fehlte. Mithin kann also nicht von einer „Parteienherrschaft“, sondern von einer „Parteiherrschaft“ gesprochen werden, die nur eine begriffliche Variante der Diktatur ist.
Es bedurfte wiederum eines verlorenen Krieges um wiederholt eine Diktatur, zumindest in den westlichen Besatzungszonen, abzuschütteln. Während es in der sowjetischen Besatzungszone bei einer - freilich mit anderer Programmatik - Parteiherrschaft blieb,[35]konnte sich in den westlichen Besatzungszonen, zum Teil unter Anknüpfung an die bis 1933 bestehenden Parteien (z.B. im Falle der SPD), wieder eine breite Parteienlandschaft bilden, welche auch gestärkt durch den rasch einsetzenden wirtschaftlichen Aufschwung zunehmend die bis dahin schwache Akzeptanz der Demokratie stärken konnte.
Ausgangspunkt dieser Entwicklung ist in Folge einer zunehmenden Pluralisierung der Gesellschaft die weitverbreitete Erkenntnis und Akzeptanz, dass es einen einheitlichen Volkswillen nicht geben kann. Die Festlegung der Staatsform „Demokratie“ im GG war deshalb weniger von den Besatzungsmächten erzwungen, sondern spiegelte den Standpunkt der breiten politischen Mehrheit wieder.[36]
Zu der gestiegenen Akzeptanz der Parteien trug die ausdrückliche Verankerung der Parteien Art. 21 GG bei. Das GG hat mit dieser Norm als erste gesamtdeutsche Verfassung die politischen Parteien ausdrücklich in den Mittelpunkt der politischen Mitwirkung gestellt.[37]
Die Geschichte zeigt auf, dass Parteien nicht losgelöste, absolute Organisationen sind, sondern vielmehr in einem engen Bezug zur gesellschaftlichen und politischen Entwicklung stehen.
Die weltpolitische Situation während der Beratungszeit zum GG war nach dem Kriegsende jedoch mit der sich abzeichnenden Konfrontation zwischen zwei großen, politisch-ideologisch konträr zueinander stehenden Lagern mit sehr unterschiedlichem Demokratie-, und Parteiverständnis, eine rundum andere, als der heutige weltpolitische Hintergrund, zu dem die Parteien in wechselseitiger Beziehung sich verhalten und verhalten müssen.
A.II.2. Parteien im heutigen europäischen und globalen Kontext
Die beschleunigte Globalisierung fast aller Wirtschaftsbereiche und der sich weiter verschränkende Welthandel führten um die zurückliegende Jahrhundertwende zu einer in der Weltgeschichte beispielslosen Angewiesenheit und Abhängigkeit von Staaten zueinander und damit einhergehend, verstärkt durch internationale Organisationen wie die UNO, verbreiterte sich der politische Diskurs von der nationalstaatlichen Ebene in die internationale Ebene.[38]
Im Zuge dieser Tendenzen ist im Gegensatz zu der Zeit vor dem 2. Weltkrieg für Staaten eine beliebig geartete Herrschaft über das Volk schwerer denn je aufrecht zu erhalten, zumal frühere Legitimationsquellen von Herrschern, wie z.B. das Gottesgnadentum oder der Führerkult, wohl für immer versiegt sind und das Volk sich trotz bestehender Repressionen und Verbote über die neuen Medien - wie das Internet - über das unverschleierte Gesicht ihrer Herrscher informieren und zeitgleich Ansichten und Gedanken mit der „vernetzten“ Welt austauschen kann.[39]
Vielmehr scheint die Herrschaft des Volkes, δημοκρατία (die Demokratie), auf dem Vormarsch zu sein und sich weltweit durchzusetzen.[40]Im Zuge dieser Demokratisierung der Weltgesellschaften richten sich die meisten Nationalstaaten zunehmend weniger nach bestimmten gesellschaftlichen Ideologien, Ethnien, Kulturen, etc., sondern nach der bisherigen innerstaatlichen Positionierung zu Sachthemen nun global aus.[41]In Europa ist diese Entwicklung schon weit fortgeschritten und zeigt sich exemplarisch im Europäischen Parlament in Strassburg: Die alle fünf Jahre vom Volk der Mitgliedstaaten gewählten Abgeordneten sind zwar Vertreter des jeweiligen Volkes, Art. 189 Abs. 1 EGV, finden sich aber nicht in Fraktionen nach Staatszugehörigkeit zusammen, sondern teilen sich zur Zeit in sieben vom Nationalstaat losgelöste Fraktionen nach politischer Couleur auf.[42]Sogar solche Parteien, welche den Nationalstaat deutlich betont wissen wollen, wie die italienische Lega Nord, finden sich mit ähnlich gesinnten Parteien anderer Mitgliedstaaten in einer Fraktion zusammen.
Unter Berücksichtigung der skizzierten, dramatischen globalen Rahmenveränderung seit 1949 stellen sich für die nationalen politischen Parteien neue Herausforderungen und Aufgaben:
Zum Einen eröffnen sich für sie durch die Demokratisierung der Staaten der Welt neue Chancen der politischen Beeinflussung nicht mehr nur des Heimatlandes, sondern der internationalen Ebene, z.B. durch Kooperation mit gleichgesinnten Gruppen.
Zum Anderen bestehen für ihre Bedeutung und Einfluss Herausforderungen durch die emotionale Loslösung vieler Menschen vom Nationalstaat und die wachsende Konkurrenz zu spezifischen öffentlichen Themen, oft mit großem medialem Erfolg, Stellung nehmenden internationalen Zusammenschlüsse, wie beispielsweise Nicht-Regierungsorganisationen.
Speziell in der EU wird sich verstärkt neben dem nationalen ein europäisches Bewusstsein herausbilden,[43]so dass die nationalen Parteien bei zunehmendem Machtzuwachs des Europäischen Parlaments zukünftig auch mit den europäischen politischen Parteien, Art. 191 ex 138a EGV, um Einfluss auf politische Entscheidungen konkurrieren werden.[44]
Festgehalten werden kann, dass seit der Ausarbeitung des GG die Demokratie von wackligen Beinen nun ihren Stand in der Welt gefunden hat und für Parteien sich in diesem seit 1949 veränderten Kontext neue Herausforderungen und Aufgaben anschließen.
A.II.3. Funktionen von Parteien für die Demokratie
a) Mittelbare Demokratie als Grundlage von Parteien:Die Demokratie ist als Strukturentscheidung des GG ausdrücklich in Art. 21 Abs. 1, 2 GG unumstößlich für parlamentarische Versuche der Abschaffung in Form der mittelbaren Demokratie, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG, auf Ewigkeit gemäß Art. 79 Abs. 3 GG garantiert.[45]
Wesentlich für die Demokratie als „freie Selbstbestimmung aller Bürger“[46]ist die Volkssouveränität.
Dies schließt eine vom Volk losgelöste Herrschaft über das Volk aus. Stattdessen hat in der vom GG vorgezeichneten Form der mittelbaren Demokratie alle Staatsgewalt vom Volk auszugehen, Art. 20 Abs. 2 S. 1 GG.[47]
In einem Staat mit mehr als 80 Millionen Teilhabern erscheint zunächst eine unmittelbare Demokratieform - für die ein Parteiwesen mithin keine Voraussetzung wäre - nicht praktikabel, da sie eine räumlich und personell überschaubare, kleine Gemeinschaft vorauszusetzen scheint.[48]Selbst die rasante Verbreitung und Entwicklung des Internets ermöglicht zwar das Zusammenkommen in einem „virtuellem, globalem Dorf“ mit zeitgleichem Meinungsaustausch zu niedrigen Transaktionskosten.[49]Jedoch muss dem Prozess der Entscheidung eine Selektion der zu Wahl stehenden, potentiell mehrheitsfähigen Entscheidungsinhalte vorgehen, welcher wiederum eines entsprechenden Diskurses bedarf, der sich letztlich im Parlament - trotzt aller faktischer Verlagerung der politischen Entscheidungsfindung in Ausschüsse - und durch im Diskurs erprobte Parlamentarier erheblich anspruchsvoller realisieren lässt.
Letztlich können die neuen Medien nur das Argument der praktischen Undurchführbarkeit von unmittelbaren Formen der Demokratie widerlegen. Eine solche Demokratieform ist nichtsdestoweniger zwingend weniger demokratisch,[50]weil die wenigsten politischen Themen die breite Gesellschaft elektrisieren und politisch mobilisieren, sondern die meisten Themen ohnehin gerne dem als fachkundiger geltenden politischen Betrieb überlassen werden.[51]
Damit auch die mittelbare Demokratie noch eine Herrschaft des Volkes ist, kommt periodisch stattfindenden Wahlen (Art. 38 GG) der Volksvertreter der entscheidende demokratische Gehalt zu. Die Parteien haben hierbei eine entscheidende Funktion zu erfüllen,[52]die von der Rekrutierung des politischen Personals[53]bis hin zur politischen Auseinandersetzung,[54]vor allem im Wahlkampf, reicht und bestenfalls zur Politisierung der Bevölkerung vor den Wahlen beiträgt.
Parteien können als Massenorganisationen im Besonderen geeignete Volksvertreter vorschlagen. Zumeist wird der von der Partei unterstützte Kandidat sich mit seinen politischen Ansichten innerparteilich vor der Wahl durchgesetzt haben. Deswegen wird der Wähler Hoffnungen in den Kandidaten setzen, dass sich dieser auch während der Mandatszeit mit seinen Ansichten politisch durchsetzen kann.
Außerdem werden die politischen Programme je mehr Teilnehmer aus unterschiedlichen Bevölkerungsschichten gleichberechtigt mitgewirkt haben, ausgewogener bzw. integrativer ausfallen und können durch die erhöhte politische Schlagkraft öffentlichkeitswirksamer der Gesellschaft angeboten werden.
Da es aber schließlich praktisch nicht möglich ist, alle Organwalter des Staates zur Wahl zu stellen, braucht die nicht vom Volk gewählte Staatsgewalt eine auf anderem Weg erlangte, hinreichende Legitimation.[55]Diese wird den nicht vom Volk gewählten Organwaltern durch das gewählte Parlament vermittelt. Das Parlament bestimmt personell, d.h. die konkreten Personen und sachlich, d.h. die Kompetenz der Personen, die obersten Organe, welche wiederum die unterstehenden Organe bis hin zu den untersten Organen bestimmen, bzw. anders gewendet legitimieren.[56]Diese, im Idealfall ununterbrochene,[57]Legitimationskette soll den Volkswillen vom Parlament bis hin zur „untersten Amtsstube“ realisieren.[58]
b) Die Rolle der Parteien innerhalb der repräsentativen Demokratie:Die Entscheidung des GG ist nicht nur eine für die mittelbare, sondern konkreter für eine repräsentative Demokratie, weil die Volksvertreter während ihres Mandats nicht an den Volkswillen,[59]Art. 38 Abs. 1 S. 2 GG und auch nicht zwingend an den Parteiwillen gebunden sind.[60]Die repräsentative Demokratie birgt inhärent die Gefahr der Entkopplung, der „Entfremdung“[61], der Mandatsträger von denjenigen, die ihnen das Mandat per Wahl verliehen haben. Es bedarf deswegen auch der Rückkopplung der Volksvertreter zum Volk während des Mandats.
Zur Rückkopplung tragen Interessenverbände, Bürgerinitiativen, Massenmedien[62]und die Parteien bei, vor allem Oppositionsparteien. Parteien haben ersichtlich kein Monopol für die politische Meinungsbildung[63]und mit Hinweis auf das Machtstreben der Parteien, wäre auch ein bei Parteien liegendes Monopol der politischen Meinungsbildung der Demokratie abträglich.[64]
Mögen die vorgenannten gesellschaftlichen Kräfte diese Rückkopplung auch besser, im Besonderen besser als Regierungsparteien, wahrnehmen, auf Grund der „Brückenfunktion“[65]zwischen Staat und Gesellschaft sind Parteien jedoch diesen Kräften emporgehoben.[66]Diese als „Brücke“, als „Zwischenglied“[67]oder ähnlich beschreibbare Funktion meint die nach der Rezeption von gesellschaftlichen Interessen durch die Parteien erfolgte Transformation dieser Interessen in die staatliche Entscheidungsfindung.[68]Bedingt dadurch, dass sich in einer Demokratie die Willensbildung nicht vom Staat hin zu den Bürgern, sondern umgekehrt vollzieht,[69]bedarf es eines „Transmissionsriemens“[70]den weder allein gesellschaftliche Gruppen, noch rein staatliche Organe, sondern nur der „Zwitter“ der Partei zur Verfügung stellen kann.
[...]
[1]Der Begriff „Partei“ umfasst im Folgenden immer nur die „politische Partei im engeren Sinn“, vgl. zur Begrifflichkeitv. Arnim, NVwZ 03, S. 1076.
[2]Auch der Vorverein und der fehlerhafte Verein sind insolvenzfähig, vgl. Haas, in: Gottwald, InsR-HdB, § 93 Rn. 83, 85.
[3]§ 11 Abs. 1 S. 2 InsO ist insoweit überflüssig, als sich die Insolvenzfähigkeit schon aus § 54 S. 1 BGG iVm § 11 Abs. 2 Nr. 1 InsO ergibt.
[4]Vgl. Bußhardt, in: Braun, InsO, § 11 Rn. 7.
[5]Für Gemeinden und Gemeindeverbände ergibt sich dies schon direkt aus dem GG. Art. 28 Abs. 2 S. 3 GG sichert Gemeinden und Gemeindeverbände eine gewisse finanzielle Selbstständigkeit, die durch die Verfügungsgewalt des Insolvenzverwalters verfassungswidrig beschnitten wäre, vgl. Lehmann, Konkursfähigkeit, S. 102.
[6]Vgl. BVerfGE 24, 260 (263 f.); 79, 379 (384); 91, 262 (267).
[7]Vgl. Henke, in: Dolzer/Vogel/Großhof, GG, Art. 21 Rn. 18;Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 35.
[8]Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 224.
[9]Vgl. Rechtsprung zu politischen Gruppierungen auf Kommunalebene: BVerfGE 6, 367 (272 f.); 47, 153, (272); 69, 92 (104).
[10]Dass der Ausschluss von Parteien auf Kommunal- und Europaebene durch § 2 Abs. 1 PartG verfassungswidrig ist, weil die politische Willensbildung auf diesen Ebenen gleichsam bedeutend ist (so auchIpsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 19 f.), ist für den weiteren Hergang der Arbeit nicht von Bedeutung.
[11]Vgl. BVerfG 91, 262 (270).
[12]Vgl. Wietschel, Parteibegriff, S. 173;Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 39.
[13]Eine rein deklaratorische, nicht-konstitutiv wirkende Eintragungspflicht für verfassungsmäßig und rechtpolitisch geboten hältWietschel, Parteibegriff, S. 198 ff.
[14]Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 50, 57.
[15]Vgl. Köhler, Parteien im Wettbewerb, S. 187;Maurer, JuS 91, S. 883.
[16]Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 57.
[17]Vgl. Bergmann, ZGR 05, S. 663.
[18]Vgl. Maurer, JuS 91, S. 887;Seidel, Innerparteiliche Willensbildung, S. 93.
[19]Vgl. § 61 Abs. 2 BGB idF vor 1919.
[20]Vgl. Köhler, Parteien im Wettbewerb, S. 188 f.
[21]Vgl. Reichert, HdB Vereinsrecht, Rn. 5654.
[22]Siehe zu den unterschiedlichen Formen der Landesverbände der FDP, BT-Drs. 14/2508, S. 153.
[23]Vgl. Maurer, Staatsrecht, § 11 Rn. 20.
[24]Vgl. Morlok, NJW 92, S. 2058 ff.
[25]Vgl. Köhler, Parteien im Wettbewerb, S. 190 f.
[26]Vgl. Köhler, Parteien im Wettbewerb, S. 191 f.
[27]Vgl. Maurer, JuS 92, S. 299.
[28]Ein Beispiel hierfür ist die Gründung von grundbuchfähigen juristischen Personen des Privatrechts, welche für die nicht eingetragenen Parteien die Immobilienverwaltung treuhänderisch übernehmen, vgl. Morlok, NJW 92, S. 2060.
[29]Vgl. Stein/Götz, Staatsrecht, § 41 I.
[30]Siehe auch das „Sozialistengesetz“ vom 18. Oktober 1878.
[31]Art. 130 Abs. 1 WRV: „Die Beamten sind Diener der Gesamtheit, nicht einer Partei.“
[32]Das Verhältniswahlsystem, Art. 17, 22 WRV, setzte jedoch Parteien faktisch voraus, vgl. BVerfGE 1, 208 (224); 20, 56 (108).
[33]Vgl. Maurer, Staatsrecht, § 11 Rn. 4.
[34]Am 14. Juli 1933 trat das „Gesetz gegen Neubildung von Parteien“ und am 1. Dezember 1933 das „Gesetz zur Sicherung der Einheit von Partei und Staat“ in Kraft.
[35]Siehe zum widersinnigen Begriff „Einheitspartei“,Schmidt, NJW 84, S. 764.
[36]Vgl. Dreier, in: Dreier, GG, Art. 20 (Demokratie) Rn. 19.
[37]Vgl. Monath, Art. 138a EGV, S. 63 f.;Maurer, Staatsrecht, § 11 Rn. 6.
[38]Vgl. Behrens, in: Behrens, Globalisierung, S. 13 ff.;Messner, in: Behrens, Globalisierung, S. 29 ff.
[39]So gelingt z.B. den chinesischen Behörden trotz erheblicher Bemühungen schon seit Anfang der 1990er-Jahre die restriktive Überwachung und Sperrung des Internetverkehrs zunehmend nicht.
[40]Vgl. Dreier, in: Dreier: GG, Art. 20 (Einführung) Rn 3; Art. 20 (Demokratie) Rn. 61;Brunkhorst, in: Albert/Stichweh, Weltstaat, S. 69 f.; Siehe ferner „Statistik über die Verbreitung demokratischer Staaten“ (aufgerufen am 01.03.2007): http://www.bpb.de/wissen/4D631K,0,0,Verbreitung_demokratischer_Staaten.html.
[41]Vgl. Brunkhorst, in: Albert/Stichweh, Weltstaat, S. 71.
[42]Siehe zur Zusammensetzung des Europäischen Parlaments in der 6. Wahlperiode: http://www.europarl.europa.eu/members/expert.do?language=DE.
[43]Vgl. Papadopoulou, Art. 191 EGV, S. 148 ff.
[44]Einzuschränken ist, dass die europäischen politischen Parteien im Wesentlichen (noch) nicht der allgemeinen mitgliedstaatlichen Auffassung von politischen Parteien entsprechen, vgl. Monath, Art. 138a EGV, S. 105.
[45]Ob die Demokratie auf Ewigkeit garantiert, oder doch nur auf die Dauer der Geltung des GG, Art. 146 GG, begrenzt ist, ist in der Literatur sehr strittig, vgl. Jarass, in: Jarass/Pieroth, GG, Art. 146 Rn. 4. Richtigerweise kann keine Generation für sich beanspruchen, den Stein der Weisen gefunden zu haben und deswegen für alle Ewigkeit ein bestimmtes System zementieren. Vielmehr muss die Möglichkeit bestehen, auf wissenschaftliche Erkenntnisse und gesellschaftliche Entwicklungen im Rahmen einer Verfassungsneugebung frei reagieren zu können;
Eine weitere Frage ist, ob auch das Parteiwesen, als Bestandteil der Demokratie, der Ewigkeitsklausel unterfällt. Um nicht alles zu „verewigen“, ist auch mit dem klaren Wortlaut der Norm nur die Demokratie und nicht die Parteiendemokratie geschützt, anders:Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 19;Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 178.
[46]Zit. nach BVerfGE 44, 125 (142).
[47]Vgl. BVerfGE 1, 14 (21); Bei der vom Volk ausgehenden Ausübung der Staatsgewalt zieht jedoch die Verfassung selbst einen Rahmen, vgl. BVerfGE 8, 104 (105 f.).
[48]Vgl. Badura, Staatsrecht, D Rn. 10.
[49]Bremke(LKV 04, S. 108) hält bedingt durch den technischen Fortschritt es für möglich, dass bei einer Wahl über das Internet die Wahlgrundsätze, Art. 38 Abs. 1 S. 1 GG, einhaltbar sind.
[50]Badura(Staatsrecht, D Rn. 10) hält umgekehrt die unmittelbare Demokratie für „erstrebenswert“ und nur nicht „praktisch durchführbar“.
[51]Insofern gleicht diese Form in den praktischen Problemen dem imperativen Mandat, vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 II Rn. 68.
[52]Vgl. Badura, Staatsrecht, D Rn. 13.
[53]Vgl. BVerfGE 1, 208 (224).
[54]Vgl. Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 26.
[55]Vgl. BVerfGE 93, 37 (66 f.).
[56]Vgl. Maurer, Staatsrecht, § 7 Rn. 28.
[57]Zu praktischen Problemen einer solchen Legitimation, vgl. Maurer, Staatsrecht, § 7 Rn. 29;Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 56.
[58]Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 52.
[59]Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 II Rn. 18, 56.
[60]Vgl. Ipsen, in: Sachs, GG, Art. 21 Rn. 13.
[61]Zit. nachHerzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 II Rn. 69.
[62]Vgl. Herzog, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 20 II Rn. 71 f.
[63]Vgl. BVerfGE 85, 264 (284).
[64]Vgl. Schmidt, NJW 84, S. 765.
[65]Parteien stellen eine „Brücke“ dar, die nur von den einzelnen Mitgliedern und nicht von der Partei als Solches überquert wird; insoweit ungenauKlein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 159.
[66]Vgl. Klein, in: Maunz/Dürig, GG, Art. 21 Rn. 405.
[67]Vgl. BVerfGE 44, 125 (145).
[68]Vgl. Morlok, in: Dreier, GG, Art. 21 Rn. 21.
[69]Vgl. BVerfGE 20, 56 (98 f.).
[70]Zit. nachSchindler, Partei als Unternehmer, S. 58.
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