Stellt man sich die Frage, womit bedeutende Persönlichkeiten aus der Geschichte, Wirtschaft oder dem gesellschaftlichen Leben ihre Mitmenschen in den Bann ziehen, so lautet häufig Charisma die Antwort. Erfolgsgeschichten über gewinnbringend umstrukturierte oder neu gegründete Unternehmen werden in den Medien meist in Verbindung mit einer charismatischen Persönlichkeit gebracht. So wird beispielsweise Jack Welch, der langjährige CEO von General Electrics, in einem Artikel der Wochenzeitung DIE ZEIT (Huhn 2001, S. 1) „[…] die Energie eines Kernkraftwerkes und das Charisma eines Religionsgründers“ zugesprochen. In seiner 20-jährigen Amtszeit konnte Welch den Umsatz von General Electrics von US $ 27.240 Millionen im Jahre 1981 auf US $ 100.469 Millionen im Jahre 1998 steigern (vgl. Bartlett/Wozny 2004, S. 1). Als weitere Personen aus dem wirtschaftlichen Leben, die häufig als charismatisch beschrieben werden gelten beispielsweise ebenso Anita Roddick, die Gründerin des Body Shops oder Microsoft-Gründer Bill Gates (vgl. Weibler 1997, S. 27). Charisma und Erfolg scheinen somit auf den ersten Blick in enger Verbindung zu stehen.
Auch im Bereich des Sports lässt sich die Verbindung Charisma und Erfolg finden. Kurz nach Klinsmanns Ernennung zum Nationaltrainer bezeichnet ihn beispielsweise sein Trainerkollege Arsène Wenger im Kicker-Sportmagazin (2004, S. 2) wie folgt: „Er hat Charisma und den Willen zu neuen Ideen, er ist intelligent und positiv.“ Die Zeitung Die Welt (Kreitling 2005, S. 1) schreibt kurz vor dem sportlichen Großereignis in Deutschland, der Fußballweltmeisterschaft, über den deutschen Nationaltrainer: „Klinsmann sieht überall das halbvolle Glas. Glück. Chuzpe. Charisma. Seit Franz Beckenbauer 1990 die WM gewann, waren Erfolgseigenschaften nicht mehr so deutlich zu bestaunen“. Schließlich wird jüngst in der Zeitschrift brand eins (Biermann 2006, S. 66) der Betriebswirtschaftler Christian Scholz von der Universität des Saarlandes zitiert, dass Klinsmann ein lebendes Beispiel für „Transformational Leadership“ sei. [...].
Ziel dieser Arbeit ist es herauszufinden, ob sich die Zuordnung charismatischer Qualitäten bei Veränderung der Situation, je nach mehr oder weniger erfolgreichen Perioden, verändern. Lässt sich eine Schwankung in der Wahrnehmung des Charismas im Zusammenhang mit Erfolg erkennen, so müsste man Charisma nicht als eine Konstante, sondern eine variable Größe betrachten.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Problemstellung
- Fragestellung und Zielsetzung
- Methode
- Aufbau der Arbeit
- Charismatische Führung
- Entstehung und wissenschaftliche Entwicklung des Charismabegriffs
- Max Webers Verständnis von Charisma
- Entstehung und Zerfall von Charisma
- Führungserfolg und charismatische Effekte
- Ausgewählte Konzepte der charismatischen Führung
- Das Konzept von House 1977
- Das Konzept von Bass
- Die attributionsbasierte charismatische Führung nach Conger und Kanungo
- Das Konzept
- Das Drei-Stufen Modell der Führung
- Die Conger-Kanungo-Skala
- Führung im Sport und charismatische Führung
- Funktionen des Trainers
- Erfolg und Verantwortung des Trainers
- Vergleich Trainer und Manager
- Zwischenfazit
- Kommunikationswissenschaft, Medienwirkung und Sport
- Kommunikationswissenschaft
- Definition und Einordnung in das Wissenschaftssystem
- Publizistik- und Medienwissenschaft
- Massenmedien und Massenkommunikation
- Massenmedien
- Massenkommunikation
- Medien und Medienrealität
- Sport und Massenmedien
- Sport als Medieninhalt
- Merkmale der Sportberichterstattung
- Die Berichterstattung einer Fußball-Weltmeisterschaft
- Die Studie WM-Monitor 2002
- Zwischenfazit
- Empirischer Teil
- Methode der Untersuchung
- Das Instrument der Inhaltsanalyse
- Beschränkungen der Inhaltsanalyse
- Grundlagen der Untersuchung
- Das Untersuchungsmaterial — Redaktionsprofile
- Zur Person Jürgen Klinsmann
- Operationalisierung Erfolg
- Hypothesen
- Vorgehensweise
- Die Auswahleinheit
- Analyseeinheit und Codierung
- Das Kategoriensystem
- Reliabilität und Validität
- Ergebnisse
- Struktur der Berichterstattung
- Hypothesenüberprüfung
- Hypothese 1.1
- Hypothese 1.2
- Hypothese 1.3
- Hypothese 2.1
- Hypothese 2.2
- Hypothese 2.3
- Hypothese 3.1
- Hypothese 3.2
- Hypothese 3.3
- Zusammenfassung der Ergebnisse
- Ausblick
- Anhang
- Codebuch
- Kommentar zum Codebuch
- Abbildungsverzeichnis
- Tabellenverzeichnis
- Literaturverzeichnis
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Diplomarbeit befasst sich mit der Veränderung der Wahrnehmung charismatischer Führung am Fallbeispiel des deutschen Fußballnationaltrainers Jürgen Klinsmann. Die Arbeit untersucht, ob die Zuschreibung von Charisma an eine Führungsperson mit deren Erfolg variiert, und nutzt dazu das attributionsbasierte Konzept der charismatischen Führung von Conger und Kanungo.
- Die Entstehung und Entwicklung des Charismabegriffs nach Max Weber
- Die attributionsbasierte charismatische Führungstheorie von Conger und Kanungo
- Die Rolle von Erfolg und Misserfolg in der Wahrnehmung von Charisma
- Die Anwendung des Modells der charismatischen Führung auf den Sport
- Die Rolle der Massenmedien in der Konstruktion von Realitäten und der Wahrnehmung von Charisma
Zusammenfassung der Kapitel
Die Einleitung stellt die Problemstellung der Arbeit dar, die sich mit der Frage beschäftigt, ob die Wahrnehmung von Charisma an eine Führungsperson mit dem Erfolg dieser Person variiert. Die Arbeit nutzt das Konzept der attributionsbasierten charismatischen Führung von Conger und Kanungo, um diese Frage anhand des Fallbeispiels von Jürgen Klinsmann zu untersuchen. Die Arbeit stellt die Forschungsfrage und die Zielsetzung dar, beschreibt die Methode der Inhaltsanalyse und gibt einen Überblick über den Aufbau der Arbeit.
Das zweite Kapitel beleuchtet die charismatische Führungsforschung. Es stellt zunächst das soziologische Modell von Max Weber vor, welches Charisma als eine soziale Kraft begreift, die bestehende Ordnungen revolutioniert. Anschließend werden ausgewählte Konzepte der charismatischen Führung vorgestellt, darunter das Konzept von House, welches die Effekte charismatischer Führung auf die Geführten in den Mittelpunkt stellt, und das Konzept von Bass, welches zwischen transaktionaler und transformationaler Führung unterscheidet. Das Kapitel erläutert ausführlich das attributionsbasierte Konzept der charismatischen Führung von Conger und Kanungo, welches die Grundlage für die empirische Untersuchung bildet. Es beschreibt das Drei-Stufen-Modell der Führung und stellt die C-K Skala vor, ein Messinstrument zur Erfassung von Charisma anhand von spezifischen Verhaltensattributen. Abschließend geht das Kapitel auf die Besonderheiten der Führung im Sport ein und zeigt, dass die Anwendung des Modells der charismatischen Führung auf den Bereich des Sports gerechtfertigt ist.
Das dritte Kapitel befasst sich mit der Kommunikationswissenschaft und erläutert die Bedeutung dieser Disziplin für die Inhaltsanalyse als Methode der Datenerhebung. Es definiert die Begriffe Massenmedien und Massenkommunikation und zeigt, wie diese im Kontext der Sportberichterstattung funktionieren. Das Kapitel beleuchtet die Rolle der Medien in der Konstruktion von Realitäten und geht auf die Besonderheiten der Sportberichterstattung ein. Es beschreibt die Merkmale der Sportberichterstattung, die Konzentration auf den Spitzensport, die Dramatisierung und Inszenierung von Ereignissen und die Darstellung von Sportlern als Idole. Schließlich wird die Studie WM-Monitor 2002 vorgestellt, die die Medienwirkung auf die Wahrnehmung von Sportlern untersucht.
Der empirische Teil der Arbeit, Kapitel vier, beschreibt die Methode der Inhaltsanalyse als Instrument zur Untersuchung der Wahrnehmung charismatischer Führung. Es erläutert die Vorteile und Einschränkungen der Inhaltsanalyse und beschreibt die Grundlagen der Untersuchung, die Auswahl des Untersuchungsmaterials und die Person Jürgen Klinsmann. Das Kapitel operationalisiert den Begriff „Erfolg" im Kontext des Fußballs und stellt die Hypothesen auf, die im weiteren Verlauf der Arbeit überprüft werden sollen. Der Abschnitt beschreibt die Vorgehensweise der Untersuchung, die Auswahl der Untersuchungseinheit, die Analyseeinheit und die Codierung der Daten. Schließlich geht das Kapitel auf die Gütekriterien der Inhaltsanalyse, Reliabilität und Validität, ein.
Kapitel fünf präsentiert die Ergebnisse der Inhaltsanalyse. Es beschreibt die Struktur der Berichterstattung über Jürgen Klinsmann in den drei analysierten Medien und überprüft die zuvor formulierten Hypothesen. Die Ergebnisse zeigen, dass die Verwendung charismatischer Attribute für Jürgen Klinsmann mit seinem Erfolg schwankt. Nach erfolgreichen Spielen verwendet die Presse mehr charismatische Attribute für Klinsmann als nach Niederlagen. Die Arbeit diskutiert die Ergebnisse im Detail und kommt zu dem Schluss, dass Charisma keine konstante Variable ist, sondern die Wahrnehmung einer Person als charismatische Führungskraft mit deren Erfolg variiert.
Der Ausblick, Kapitel sechs, fasst die Ergebnisse der Arbeit zusammen und diskutiert die Einschränkungen der Untersuchung. Die Arbeit zeigt, dass es sich lohnt, die Erfolgsabhängigkeit von charismatischer Attribution weiter zu untersuchen. Die Arbeit kann als Anstoß für weitere Untersuchungen mit einer größeren Fallzahl dienen.
Schlüsselwörter
Die Schlüsselwörter und Schwerpunktthemen des Textes umfassen charismatische Führung, Attributionsforschung, Conger-Kanungo-Modell, Erfolgsabhängigkeit von Charisma, Fußball, Jürgen Klinsmann, Inhaltsanalyse, Medienwirkung, Sportberichterstattung. Die Arbeit untersucht die Wahrnehmung von Charisma im Kontext des Fußballs und analysiert die Medienberichterstattung über Jürgen Klinsmann als Beispiel für die Erfolgsabhängigkeit von Charisma.
- Quote paper
- Carolin Kinder (Author), 2007, Die Wahrnehmungsveränderung charismatischer Führung am Fallbeispiel des deutschen Fußballnationaltrainers Jürgen Klinsmann, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/112024