Es soll versucht werden Hoffmanns serapiontische Erzählweise als poetologisches Prinzip typologisch zu betrachten und zu analysieren. Das dichotome Konstrukt des Serapiontischen-Prinzips, setzt die Kenntnis des Individuums voraus, dass die sie umgebende Wirklichkeit aus zwei konstituierenden Momenten besteht; der Fantasie und der Realität, dem Innen und dem Außen. Es soll anhand exemplarischer Beispiele aus Hoffmanns Portefeuille versucht werden, dieses integrative Prinzip bzw. dichotome Modell, das Hoffmann mit seinem künstlerischen Prinzip liefert sichtbar zu machen.
Hoffmanns frühromantischer Aversion gegen die Wirklichkeit stellt er das Serapiontische-Prinzip, als eine duale Sicht des Dinges entgegen, in der er seine Vorliebe für das Fantastische unablösbar mit dem Wirklichen verbindet.
Er plädiert also für eine Einheit von äußerer und innerer Welt, die durch die Kunst hergestellt werden könne und sich in der Dualität zwischen Fantasie und Wirklichkeit und deren integrativer Kraft im Sein des Individuums abbilde.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Das Serapiontische Prinzip
3. Spurensuche nach dem Äquilibrium der Ambivalenz
3.1 Kontinuum des Äquilibriums der Ambivalenz bei Hoffmann
5. Konzeptionelle Gestaltungsparameter des Serapiontischen-Prinzips
6. Kritische Würdigung
7. Conclusio
Literaturverzeichnis
1. Einleitung
E.T.A. Hoffmanns vierbändiger Zyklus „Die Serapionsbrüder“, der zwischen 1819 und 1821 erschienen ist, gehört zu den umfangreichsten Zusammenstellungen von Erzählungen E.T.A. Hoffmanns.
Die inhaltliche Quantität muss zwangsläufig auch zeitlich gestützt werden, denn die Erzählungen in den Serapionsbrüdern umfassen einen außerordentlich langen Schaffenszeitraum. Hoffmann nahm sowohl frühere Erzählungen in dieses Werk auf, wie auch solche, die er eigens für die Serapionsbrüder verfasst hatte.
Handelt es sich nunmehr um ein ausgefeiltes, durch seine Geschlossenheit bestechendes Werk oder können Zweifel an der inneren Geschlossenheit der Serapionsbrüder angemeldet werden?
Die neuere Forschung meint, das Serapiontische Prinzip als eine dem Gesamtwerk E.T.A. Hoffmanns inhärente Poetik und als Basis für das gesamte Schaffen des Dichters erkannt zu haben.[1]
Der Umfang dieser Hausarbeit im Rahmen des Hauptseminars „Die Serapionsbrüder“ ließe es nicht zu,
sich der Betrachtung von Hoffmanns Gesamtwerk zu widmen.
Vielmehr soll versucht werden Hoffmanns serapiontische Erzählweise als poetologisches Prinzip typologisch zu betrachten und zu analysieren. Das dichotome Konstrukt des Serapiontischen-Prinzips, setzt die Kenntnis des Individuums voraus, dass die sie umgebende Wirklichkeit aus zwei konstituierenden Momenten besteht; der Fantasie und der Realität, dem Innen und dem Außen. Es soll anhand exemplarischer Beispiele aus Hoffmanns Portefeuille versucht werden, dieses integrative Prinzip bzw. dichotome Modell, das Hoffmann mit seinem künstlerischen Prinzip liefert sichtbar zu machen.
Hoffmanns frühromantischer Aversion gegen die Wirklichkeit stellt er das Serapiontische-Prinzip, als eine duale Sicht des Dinges entgegen, in der er seine Vorliebe für das Fantastische unablösbar mit dem Wirklichen verbindet.
Er plädiert also für eine Einheit von äußerer und innerer Welt, die durch die Kunst hergestellt werden könne und sich in der Dualität zwischen Fantasie und Wirklichkeit und deren integrativer Kraft im Sein des Individuums abbilde.[2]
Im Detail soll also das Serapiontische-Prinzip vorgestellt und auf seine konzeptionellen Gestaltungsparameter hin untersucht werden. Anhand vieler exemplarischer Exkurse in die Erzählungen aus den Serapionsbrüdern, soll eine etwaige realistische oder fantastische Tendenz aufgespürt werden. Gibt es eine gleichförmige Konstituente, die sich durch Hoffmanns Werk zieht oder ist es gerade die Ambivalenz, die Hoffmanns Stil kennzeichnet?
2. Das Serapiontische Prinzip
Die Serapionsbrüder gehen auf einen kleinen Freundeskreis zurück, der sich im preußischen Berlin des 19. Jahrhunderts wöchentlich traf, um über Kunst im Allgemeinen und Theater, Musik und Literatur im Speziellen zu diskutieren.[3] Hoffmann selbst taufte diese Zusammenkunft „Seraphinenorden“ und neben ihm selbst gehörten unter anderem Chamisso, Contessa, Hitzig dazu.
Nach zweijährigen Bestehen des Freundeskreises leitete Chamisso (1816) durch seinen Aufbruch zu einer Weltreise den Niedergang der Zusammenkunft ein.
Nach seiner Rückkehr (1818), am Tag des Kalenderheiligen Serapion, trafen sich die Freunde dann aber erneut und demnach nannten sie sich nun „Serapionsbrüder“.
Auf Anraten Hoffmanns Verlegers bereiteten sein Verleger und er eine Zusammenstellung bisher unveröffentlichter und zerstreuter Arbeiten E.T.A. Hoffmanns unter dem Titel „Erzählungen der Serapionsbrüder“ vor.[4]
Die wiederbelebten Gesprächsrunden des Freundschaftskreises dürften reichlich Inspiration für die „Rahmenhandlung“ in den Serapionsbrüdern geboten haben.
„In den Rahmenhandlungen setzte Hoffmann, der ein lebhaftes, geistreiches Gespräch über alles schätzte, den Serapionsabenden ein Denkmal, und sie boten ihm gleichermaßen die Gelegenheit, ausführlicher als in seinen unlängst veröffentlichten Fantasie und Nachtstücken zu poetologischen Fragen Stellung zu nehmen und das Besondere an seiner Erzählweise zu erläutern.“[5]
Es gibt keinen Zweifel an der Maßgeblichkeit des Serapiontischen-Prinzips in E.T.A. Hoffmanns Erzählungen. Aber es gibt durchaus unterschiedliche Interpretationen desselben:
„ […] Trotz aller Zufälligkeiten, die zu Genese des Terminus führten, [ist] das Serapiontische Prinzip uneigeschränkter Ausdruck Hoffmanns ureigener Poetik.“[6]
Aus den Rahmengesprächen geht eine Kunsttheorie hervor, die eine eigenständige Erzählung bildet und ein gemeinsames Ganzes konstituiert, das die verschiedenen Erzählungen in den Serapionsbrüdern miteinander in Beziehung setzt und im künstlerischen Prinzip des E.T.A. Hoffmanns vereint.
Dadurch, dass die Freunde in den Rahmengesprächen einige Erzählungen als unserapiontisch abwerten, wird ein Modellbildender Charakter der Kunsttheorie geschafften und ein exemplarischer Werteindex entwickelt, der den Forderungen Theodors folgt, sich
„[…] niemals mit schlechten Machwerk zu quälen […]“[7]
E.T.A. Hoffmann verwendet obligatorisch sein Serapiontisches-Prinzip bei allen Erzählungen. Ihm gilt die introspektive Perspektive, das schauen „mit den inneren Augen des Geistes“[8] als verbindliches Konzept bei der Konzeption seiner Erzählungen.
Die Erzählung vom „Einsiedler Serapion“, aus dem ersten Band der „Serapionsbrüder“, die Cyprian erzählt, handelt vom Treffen eines Einsiedlers, als Cyprian auf Irrwegen durch den Wald spaziert trifft er auf den Eremiten.
Der Einsiedler gibt vor, der christliche Märtyrer Serapion zu sein und sich in der Thebaischen Wüste zur Zeit des römischen Kaisers Decius zu befinden.
Im angrenzenden Städtchen B(amberg) deckt Cyprian auf, dass es sich bei dem Einsiedler Serapion um einen ehemaligen geistlichen, gelehrten Mann handele, der ehemals voller Talent gewesen sei, bevor er sich dem geistlichen Leben abwandte und sich in eine selbst erbaute Hütte in den Tiroler Bergen zurück zog.
In seiner eigenen Welt des Wahnsinns ginge es ihm sehr wohl und jeder Versuch, ihn wieder für die Realität (die äußere Welt) zu interessieren, münde ich Tobsuchtsanfällen des Einsiedlers.
Bei einem erneuten Treffen zwischen Cyprian und dem Einsiedler, will Cyprian ihn davon überzeugen sich wieder der Außenwelt anzuschließen und seinen Irrsinn aufzugeben. Cyprian muss sich jedoch der Ausweglosigkeit seines Versuches unterwerfen, weil der Einsiedler durch argumentative Konsequenz jeden Einwand Cyprians zu widerlegen weiß. Kein Mensch könne über seine geistige Kraft willentlich verfügen, denn sie sei
„nicht sein Eigentum, sondern nur anvertrautes Gut der höheren Macht“[9].
In diesem Vertrauen auf eine höhere Macht spiegelt sich das romantische Serapionsgemüt bereits wieder.
Mit dominierender Konsequenz, weist der Einsiedler Serapion jedes von Cyprian (von außen) heran getragene Argument von sich ab.
Das dichotome Modell vom Äußeren und Inneren greift bei dem Einsiedler nicht. Er hingegen transportiert die Innenwelt (seine geistige Verwirrtheit) in die Außenwelt, die ihm widerstrebende Realität, um so das ambivalente Prinzip in einen ihm seelig machenden Monoismus zu transformieren.[10] Der Einsiedler leugnet somit die real existierende Außenwelt. Nach seiner Überzeugung gebühre dem reinen Geist die zentrale Rolle des Inneren im Menschen.
Nur der Geist bilde die Außenwelt a priori ab. Damit verlässt der Eremit seine ehemals christliche Sozialisation, zugunsten eines individuellen Gnostizismus, indem er der absolute transzendentale Gott wird.
Der Einsiedler Serapion verkörpert die typisch philosophische Tragödie des Pneuma, der im Soma gefangen gehalten wird. Der Körper ist also in der Welt eingekerkert und es ist ihm nicht möglich sich aus ihm zu befreien.
Der Einsiedler versucht über seinen Wahnsinn diese Unmöglichkeit selbst zu kreieren.
Jeder müsse von innen daran arbeiten, die Einsicht (Gnosis) in die Erlösungsbedürftigkeit zu erkennen. Der Eremit reformuliert also das Serapiontische, ambivalente Prinzip zugunsten eines gnostischen Monoismus.
Serapion streitet die warnehmbaren, objektiven Faktoren, wie beispielsweise die Wirklichkeit ab.
„Ist es nun also der Geist allein, der die Begebenheit vor uns erfasst, so hat sich das auch wirklich begeben was er dafür anerkennt.“[11]
Der Einsiedler Serapion nutzt die Kraft seiner Fantasie, um die Welt entsprechend umzudeuten und begeistert durch seine Ausführungen und sein Talent im Erzählen sogar den Cyprian.
Alle Gestalten traten mit einer plastischen Ründung, mit einem glühenden Leben hervor, dass man fortgerissen, bestrickt von magischer Gewalt wie im Traum daran glauben musste, dass Serapion wirklich alles von seinem Berge erschaut.“[12]
Der sich für Serapion von Antiochien haltende Eremit formt praktisch selbst Novellen;
[...]
[1] Vgl.: Ringel, Stefan: Realität und Einbildungskraft im Werk E.T.A. Hoffmanns.
Köln 1997, S.243.
[2] Ringel, Stefan: Realität und Einbildungskraft im Werk E.T.A. Hoffmanns.
Köln 1997, S.254.
[3] Vgl.: Schnapp, Friedrich (Hg.): E.T.A. Hoffmanns Briefwechsel, 2.Bd.,
München 1968, S. 100.
[4] Ebd., S. 156.
[5] Safranski, Rüdiger: E.T.A. Hoffmann. Das Leben eines skeptischen Phantasten.
Wien 1984, S.400.
[6] Vgl.: Deterding, Klaus: Die Poetik der inneren und äußeren Welt bei E.T.A. Hoffmann:
Zur Konstitution des Poetischen in den Werken und Selbstzeugnissen.
Frankfurt am Main 1991, S. 256).
[7] Vgl.: Hoffmann, E.T.A.: Die Serapionsbrüder. München 1976, S.56.
(Im weiteren Verlauf durch DSB abgekürzt)
[8] Ebd. S, 25.
[9] Hoffmann: DSB, S.23.
[10] Vgl.: Ringel, Stefan: Realität und Einbildungskraft im Werk E.T.A. Hoffmanns.
Köln 1997, S.244.
[11] Hoffmann: DSB, S.23.
[12] Hoffmann: DSB, S.26.
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