Die Sehnsucht nach der harten Hand.
Rezension zu Bernhard Bueb: Lob der Disziplin. Eine Streitschrift. List Verlag, Berlin 2006.
Bernhard Bueb, der über dreißig Jahre lang Leiter der bekannten Internatsschule Schloss Salem war, hat erstaunliches geschafft: Seine Streitschrift „Lob der Disziplin“ hat einen fundamentalen gesellschaftlichen Diskurs quer durch alle Schichten ausgelöst – die Diskussion reicht von der Bild-Zeitung („Deutschlands strengster Lehrer“) bis hin zu wissenschaftlichen Seminaren an Universitäten. Es scheint, als habe er mit seinen Thesen genau den Zahn der Zeit getroffen – es herrscht anscheinend momentan eine große Unsicherheit darüber vor, wie Erziehung heute auszusehen hat. Und augenscheinlich ist die von Bueb gegebene Antwort für verunsicherte Eltern und auch so manchen Pädagogen eine dankbare Alternative. Ganz offensichtlich ist es wieder modern, sich auf konservative Ansichten zu besinnen – schon die Ex-Tagesschausprecherin Eva Hermanns hat dies mit ihrer Emanzipations-Schelte „Das Eva-Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit“ bewiesen.
Die Sehnsucht nach der harten Hand.
Rezension zu Bernhard Bueb: Lob der Disziplin. Eine Streitschrift. List Verlag, Berlin 2006
Bernhard Bueb, der über dreißig Jahre lang Leiter der bekannten Internatsschule Schloss Salem war, hat erstaunliches geschafft: Seine Streitschrift „Lob der Disziplin“ hat einen fundamentalen gesellschaftlichen Diskurs quer durch alle Schichten ausgelöst – die Diskussion reicht von der Bild-Zeitung („Deutschlands strengster Lehrer“) bis hin zu wissenschaftlichen Seminaren an Universitäten. Es scheint, als habe er mit seinen Thesen genau den Zahn der Zeit getroffen – es herrscht anscheinend momentan eine große Unsicherheit darüber vor, wie Erziehung heute auszusehen hat. Und augenscheinlich ist die von Bueb gegebene Antwort für verunsicherte Eltern und auch so manchen Pädagogen eine dankbare Alternative. Ganz offensichtlich ist es wieder modern, sich auf konservative Ansichten zu besinnen – schon die Ex-Tagesschausprecherin Eva Hermanns hat dies mit ihrer Emanzipations-Schelte „Das Eva-Prinzip. Für eine neue Weiblichkeit“ bewiesen.
Bueb ruft einen allgemeinen „Erziehungsnotstand“ aus, den er der 68er-Generation, aber auch der Skepsis gegenüber vorbehaltloser Autorität und Disziplin aufgrund der Ereignisse in der NS-Zeit, anlastet. Er proklamiert eine neue Haltung zu Disziplin und Freiheit, wobei eine durchaus fragwürdige Auffassung von Freiheit anklingt, wenn er Jugendliche etwa „in die Selbstständigkeit und Freiheit zwingen“ (S. 16) möchte. Fraglich bleibt auch, wie Bueb sich so sicher sein kann, dass Disziplin, die gebetsmühlenartig von außen von den Jugendlichen gefordert wird, in Selbstdisziplin umschlägt, so dass erzwungene Handlungen irgendwann aus Einsicht ausgeführt werden.
Bueb selbst versteht sich – mit einem Bild von Thomas Mann sprechend – als Schiffer, der das Schiffchen, das sich durch die 68-er Bewegung und die antiautoritäre Erziehung zu sehr nach links gewandt hat, durch eine starke Neigung nach rechts wieder ins Gleichgewicht bringen möchte. Dem Leser drängt sich unweigerlich der Gedanke auf, dass die Begriffe „rechts“ und „links“ hier durchaus politische Richtungen symbolisieren. Bueb selbst bezeichnet sich als „biederer bürgerlicher Gesinnung“, doch ein Hörfunkjournalist wies ihn darauf hin, dass man sein Buch, würde man wenige Passagen modifizieren oder streichen, ohne weiteres auch als bildungspolitisches Programm der NPD lesen könne. Und diesen Eindruck hatte auch ich bei der Lektüre des Buches – vor allem bei Sätzen wie „Gehorsam verlor in den letzten vierzig Jahren jedes Ansehen in der Pädagogik, aber nicht in der Armee“ oder auch „Die Nationalsozialisten waren Meister der Gemeinschaftserziehung, das darf man nicht verschweigen“ nach dem vorangehenden überdeutlichen Loblied auf die Gemeinschaftserziehung. Es ist ja nicht falsch, Kinder und Jugendliche in einer Gemeinschaft erziehen zu wollen, auch wenn Buebs Meinung über die „Restfamilien“ (denn tatsächliche Familien gibt es seiner Auffassung nach nur noch sehr wenige) umstritten ist. Aber Feststellungen wie die, dass es richtig sei, dass Individualismus nicht durch das System legitimiert wird (vgl. S. 88), hinterlassen doch einen schalen Beigeschmack auf der Zunge des Lesers. Generell macht der konservative Geist, der das Buch durchzieht, eine Gänsehaut. Kinder und Jugendliche werden geradezu als Gegner dargestellt, die Erziehung mehrfach als „Kampf“ beschrieben und einmal sogar mit der Dressur eines Hundes verglichen.
Seltsam mutet es an, wenn Bueb sich auf den Weg der Aufklärung beruft, den er mit seiner Erziehung gehen will. Denkt man daran, dass die Aufklärer die Mündigkeit des Menschen forderten und die allein auf dem Glauben an Autoritäten beruhende Denkweisen kritisch zu hinterfragen, sich – nach Kant – „seines eigenen Verstandes zu bedienen“, so ist man sich nicht sicher, ob Bueb vom Gleichen spricht, wenn man sich die Regeln der Schule, der Bueb über dreißig Jahre lang vorstand, so ansieht.
[...]
- Quote paper
- Sonja Filip (Author), 2007, Die Sehnsucht nach der harten Hand - Rezension zu Bernhard Bueb: Lob der Disziplin. Eine Streitschrift. List Verlag, Berlin 2006 , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111984