Gliederung
1. Überblick
2. Das System der Gebührenfestsetzung seit 1994
3. Die Empfehlung zur Gebührenerhöhung der KEF
3.1 Die Reaktion der ARD
3.2. Reaktionen in der Politik
4. Rundfunkgebührenbeschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 8./9.Oktober 2004
4.1. Die Reaktion der ARD
4.2. Die Reaktion des ZDF
5. Die Verfassungsklage
5.1 Der Hintergrund der Verfassungsklage
5.2. Wie hätte eine politische Lösung, wie sie von der ARD vorgeschlagen wurde, aussehen können?
5.3. Auf welche Defizite im Verfahren bezieht sich die ARD explizit, wie begründbar sind sie?
5.4. Welche Risiken sind mit der Verfassungsklage verbunden?
5.5. Welche Haltung bezieht die KEF?
6. Die Haltung des ZDF und deren Verfassungsklage
6.1. Der politische Lösungsvorschlag des ZDF
7. Wertung und Ausblick
8. Fazit
9 Literaturverzeichnis
1. Überblick
In dieser Hausarbeit beschäftige ich mich mit der Verfassungsklage von ARD und ZDF aus 2005/2006 zum jüngsten Gebührenerhebungsverfahren.
Aufgrund der Aktualität dieser Thematik lagen mir keine Bücher mit Informationen für den Kern dieser Arbeit vor. Demnach war ich auf Zeitungsartikel und Pressemitteilungen angewiesen, die hierzu von 2004 bis heute zur Debatte um die jüngste Gebührenerhöhung und der mit ihr einhergehenden Verfassungsbeschwerde veröffentlicht wurden.
Ich werde zunächst das System der Gebührenfeststellung in der Bundesrepublik Deutschland seit 1994 darstellen und von da an chronologisch die Entwicklungen betrachten. Dabei werfe ich einen Blick auf den Beginn der Debatte um die Gebührenerhöhung, die mit dem Vorschlag der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs (KEF) zur Erhöhung der Rundfunkgebühren 2003 anfing, und untersuche kritisch die Rollen und Positionen der Beteiligten in der darauf folgenden Auseinandersetzung. Einen Schwerpunkt meiner Arbeit setzte ich auf die Verfassungsklage selbst, ihren Hintergrund und die damit verbundenen Risiken für die Beteiligten. Abschließend möchte ich in einem Ausblick die Rolle der Ordnungspolitik im Status quo in Deutschland erörtern und auf fehlende Initiativen aufmerksam machen.
2. Das System der Gebührenfestsetzung seit 1994
Derzeit erfolgt die Finanzierung der öffentlich-rechtlichen Sender teilweise über Werbung aber hauptsächlich über Rundfunkgebühren.[1] Um die aktuelle Klage der öffentlichen Rundfunkanstalten ARD und ZDF bezüglich des letzten Verfahrens zur Erhöhung der Rundfunkgebühren kritisch beleuchten zu können, ist zu Beginn eine kurze Darstellung der Gebührenfestsetzung in der Bundesrepublik Deutschland sinnvoll:
„Seit 1994 erfolgt die Gebührenfestsetzung in einem dreistufigen Verfahren: Im ersten Schritt ermitteln die Rundfunkanstalten ihren Bedarf für die Zukunft unter Beachtung der Kriterien Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit und legen diese Zahlen der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten vor.
Daraufhin prüft die KEF den angemeldeten Finanzbedarf unter fachlichen Aspekten. Hierzu gehört die Untersuchung der Frage, ob der angemeldete Bedarf im Einklang mit den Rundfunkauftrag steht und ob der daraus abgeleitete Mittelbedarf zutreffend ist und die Kriterien der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit berücksichtigt werden.
Nach dieser Prüfung dient der von der KEF ermittelte Gebührenbedarf den Landesregierungen als Grundlage für deren Entscheidung. Ein Abweichen von den Vorschlägen der KEF ist dabei aber nur aus Gründen des Informationszugangs oder der Sozialverträglichkeit zulässig. Informationszugang meint, dass Sendeformate, die ein bestehendes Programmangebot nur duplizieren oder kopieren, nicht in die Berechnung des erforderlichen Finanzierungsumfangs aufgenommen werden. Sozialverträglichkeit meint, dass die Gebührenerhöhung mit den geringsten Belastungen für die davon Betroffenen verbunden sein muss.“[2]
Das Kriterium der Sozialverträglichkeit ist die einzige Möglichkeit für die Länderregierungen vom Vorschlag der KEF abzuweichen. Wie im folgenden Verlauf der Arbeit gezeigt werden soll, war dies zum ersten Mal bei der jüngsten Gebührenfestsetzung der Fall.
3. Die Empfehlung zur Gebührenerhöhung der KEF
Am 8.Januar 2004 wurde mit der Vorstellung des 14.Berichts der KEF in Berlin der Vorschlag für die Gebührenerhöhung in der Periode 2005-2008 unterbreitet.
Dabei sah die Empfehlung eine Gebührenerhöhung um 1,09 Euro vor.
Der Vorschlag der 16 unabhängigen KEF-Sachverständigen wich von dem zuvor angemeldeten Finanzbedarf seitens der ARD, des ZDF und Deutschland Radio stark ab. Die Rundfunkanstalten meldeten ursprünglich eine Gebührenerhöhung von 2,01 Euro an. „Die Korrekturen am angemeldeten Finanzbedarf nahm die Kommission im Wesentlichen bei den Bestandsfortschreibungen, beim Entwicklungsbedarf, bei den Erträgen und bei den anrechenbaren Eigenmitteln vor.“[3] In der dem 14. Bericht begleitenden Pressemitteilung, vertritt die Kommission die klare Position „dass ein noch höheres Potential an Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit mobilisiert werden kann als von den Anstalten vorgesehen.“[4] Konkret wird diese Äußerung in der Korrektur des von den Anstalten angemeldeten Bedarfs um insgesamt 1,7 Milliarden Euro nach unten. „Einsparmöglichkeiten sieht die Kommission vor allem durch Aufgabenabbau, Rationalisierung und bei den Personalausgaben.“[5] Gerade im letzten Punkt wird kritisiert, dass der Bestand von rund 26000 Stellen sich in der Gebührenperiode 2001-2004 auf nahezu unverändert hohem Niveau bewegt.[6] Dabei leugnet die KEF nicht die bisherigen Sparbemühungen der Sender, betont aber, dass die eingeleiteten Veränderungsprozesse in der Struktur durch Fusionen und eine Anpassung der kleinen Anstalten an den verminderten Finanzausgleich „systematischer und flächendeckender alle Anstalten gleichermaßen erfassen müsse.“[7] Darüber hinaus bleibt anzumerken, dass die KEF von Beginn an der Politik der Länder eine erhebliche Mitschuld an der aus ihrer Sicht notwendigen Erhöhung der Rundfunkgebühren gegeben hat. Denn „spätestens vor zwei Jahren hätten die politischen Verantwortlichen Strukturveränderungen beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk einleiten müssen, um die dortigen Kostenentwicklungen einzuschränken, erklärte der Vorsitzende der Gebührenkommission Rainer Conrad, am 9.Januar in München in einem Journalistengespräch.“[8]
3.1 Die Reaktion der ARD
Der ARD-Vorsitzende Prof. Jobst Plog reagierte auf den Bericht der KEF zur Anpassung der Rundfunkgebühr ab Januar 2005 mit den deutlichen Worten „die Empfehlung der KEF liegt an der unteren Grenze dessen, was für uns verkraftbar ist, ohne dass es zu empfindlichen Einschnitten in das Programmangebot für unsere Hörer und Zuschauer kommen muss.“[9]
Die Erhöhung der Rundfunkgebühren liegt mit einer Steigerung von 1,4 Prozent unterhalb der medienspezifischen Teuerungsrate. Doch wenn Plog betont: „Wir können mit dieser Anpassung [...] nur über die Runden kommen, weil wir die Rationalisierungsanstrengungen der vergangenen Jahre konsequent fortsetzten,“[10] bleibt an die Frage offen, weshalb diese Rationalisierungsanstrengungen nicht schon in die eigene Anmeldung des Finanzbedarfs mit eingeflossen sind.
Der Vorwurf, dass die Rundfunkanstalten im Vorfeld die allgemein stattfindenden Herabsetzungen der KEF in ihre Bedarfsanmeldungen mit einkalkulieren, scheint an dieser Stelle berechtigt.
3.2. Reaktionen in der Politik
Mit dem 14.Bericht der KEF begann zeitgleich eine Strukturdebatte hinsichtlich einer beabsichtigten Rundfunkstrukturreform, die ich mangels Platzgründen in dieser Hausarbeit außen vor lasse, zu entfachen. Aus dem internen Kreis der Beteiligten vor der Konferenz der Ministerpräsidenten am 17.Juni in Berlin an dem nicht nur über die Rundfunkstrukturreform, sondern auch über die Gebührenerhöhung gesprochen werden sollte, hieß es hinsichtlich des letzteren Punktes:
„Dabei zeichne sich auch, so die Erwartung, eine Erhöhung der Rundfunkgebühren regulär zum Beginn der neuen vierjährigen Gebührenperiode Anfang 2005 ab. Allerdings werde diese Erhöhung niedriger ausfallen, als es die Empfehlung der Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) vorgesehen habe.“[11]
Da die Landespolitiker nur vom Vorschlag der KEF abweichen dürfen, sofern er eine angemessene Belastung der Gebührenzahler übersteigt und somit nicht mehr sozialverträglich ist, wird schon an dieser Stelle deutlich, dass die Beteiligten der Konferenz der Ministerpräsidenten eine Erhöhung der Rundfunkgebühr um 1,09 Euro für nicht sozialverträglich halten. Dabei hieß es jedoch aus Länderkreisen:
„Ein Berühren der Grenze der so genannten Sozialverträglichkeit [...] sei [...] kaum justiabel, schon im Blick auf angrenzende Medienbereiche wie die Kabelgebühr mit beträchtlichen Erhöhungsraten.“[12]
4. Rundfunkgebührenbeschluss der Ministerpräsidentenkonferenz vom 8./9.Oktober 2004
Noch an der Ministerpräsidentenkonferenz am 17. Juni in Berlin, war es nicht klar „wie die von den Regierungschefs angestrebte niedrigere Gebührenerhöhung im Vergleich zur KEF-Empfehlung von 1,09 Euro zu erreichen sei.
Dies sei, so eine Interpretation, eine ‚Angelegenheit der Anstalten’, aber ‚keine Sache der Länder’. Die Sender müssten die KEF ‚mit Selbstbindung involvieren’. Die Länder wiederum sprächen mit den Anstalten über die verfassungsrechtlich gebotene Sozialverträglichkeit der Gebühren und über die damit zu koppelnden ‚strukturellen Kategorien.’“[13]
Schon im Vorfeld war daher das später umgesetzte Ziel der Ministerpräsidentenkonferenz vom 6. bis 8. Oktober bekannt: Dem endgültigen Novellierungsentwurf von Seiten der Regierungschefs zu zustimmen und ihn auf den parlamentarischen Weg zu bringen. Dieses Ziel wurde umgesetzt, indem sich die Ministerpräsidenten für eine reduzierte Gebührenanpassung um 81 Cent entschieden, statt die von der KEF berechnete Erhöhung um 1,09 Euro.
„Den [...] einstimmen Beschluss der MPK nannte Stoiber einen ‚wichtigen Beitrag zur Stabilität der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten’. Kurt Beck räumte eine ‚kunstvoll gedrechselte Verfahrensweise’ der Länder zum Erreichen des ‚Gebühren-Kompromisses’ ein. Man habe die Intendanten ‚gebeten’, im Rahmen der Selbstverpflichtung ‚Einsparvolumina zu erbringen von etwa der Hälfte der Größenordnung, die zwischen den 1,09 Euro und 81 Cent liegt.’ Der jetzt eingerechnete Aufschlag von sieben Cent sei der Ausgleich dafür, dass der Staatsvertrag drei Monate später in Kraft trete.“[14]
4.1. Die Reaktion der ARD
Nach der Bekanntgabe der Entscheidung der Ministerpräsidenten sagte der stellvertretende ARD-Vorsitzende Fritz Pleitgen in Köln:
„Die ARD sieht es als außerordentlich bedenklich an, dass die exakte Berechnung der unabhängigen Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs durch politisch motivierte Überlegung abgelöst wurde...Bislang wurde das KEF-Verfahren europaweit als vorbildlich angesehen. Dies ist nun durch die Politik in Frage gestellt wordenDie Kürzungen werden natürlich nicht ohne abträgliche Auswirkungen auf die Leistungen des öffentlich-rechtlichen Rundfunks bleiben...Insofern geht die Rechnung der Politik auch materiell nicht auf.“[15]
4.2. Die Reaktion des ZDF
Die Reaktion des ZDF-Intendanten Markus Schächter zum Rundfunkgebührenbeschluss sahen ähnlich aus:
„Wir werden den Personalbestand weiter reduzieren müssen und auch den Prozess der Verschlankung des Senders fortsetzen. [...] Wir packen das an und werden das schaffen, aber es wird schmerzhafte Abstriche geben. Für die nächsten Jahre gibt es jetzt immerhin eine Planungsgrundlage.“[16]
5. Die Verfassungsklage
Die zunächst ruhige Reaktion der Rundfunkanstalten kehrte sich im Laufe des Jahres 2005 um. Bevor ich auf die Hintergrunddarstellung eingehe, werde ich zunächst einen Abriss der Geschehnisse zwischen dem 14.Juni bis Ende Oktober liefern.
Am 14. Juni gibt der Vorsitzende der ARD Thomas Gruber bekannt, dass sich die neun Intendanten der ARD, nach einer Intendanten-Tagung einstimmig auf eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht geeinigt hätten. Dabei richtet sich die Klage gegen das Vorgehen der Ministerpräsidenten bei der Festlegung der gegenwärtigen Rundfunkgebühr. „Es geht um den Grundwert der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks,“[17] heißt es dabei von Thomas Gruber.
„Zugleich bot die ARD den Ministerpräsidenten nochmals Gespräche an, um den Streit vor einer Verfassungsklage in letzter Minute noch politisch zu lösen. [...] Die ARD-Intendanten erklärten, dieses Verfahren (der Gebührenerhöhung) weise Defizite auf, die nicht hingenommen werden könnten. Notwendig sei eine Klärung. [...] Nach Lage der Dinge geht das nur vor dem Bundesverfassungsgericht. Die ARD wolle feststellen lassen, dass das Verfahren nicht verfassungsgemäß gewesen sei. Es geht um die Zukunft. [...] Den ARD-Sendern sei klar, dass das bei der jüngsten Gebührenerhöhung verloren gegangene Geld nicht wieder zu bekommen sei.“[18]
Die ARD, die vier Monate bevor sie tatsächlich eine Verfassungsklage in Karlsruhe einreichen soll, mit der öffentlichen Option einer Klage, eine Druckmöglichkeit auf die Politik ausnutzt, stellt sich das ZDF hingegen zunächst klar gegen eine Verfassungsklage:
„Im Gegensatz zur ARD hatte sich ZDF-Intendant Markus Schächter gegen eine Klage seines Senders in Karlsruhe entschieden und erklärt, er strebe eine ‚politische Lösung’ der Finanzierungsfrage an.“[19]
Sowohl das ZDF, als auch die ARD waren allerdings auf dem Weg zu einer solchen politischen Lösung bis zum 25.Oktober 2005 nicht vorangekommen, dem Tag an dem die Intendanten der ARD endgültig auf eine Verfassungsbeschwerde in Karlsruhe einlegten.
„Die ARD hatte bereits im Juni in Bremen beschlossen, gegen die Kürzung des KEF-Vorschlags Verfassungsbeschwerde einzulegen. Zugleich boten die Intendanten den Ländern Gespräche an und legten als Grundlage dafür ein Indexierungsmodell zur Anpassung der Gebühren vor. Da die Ministerpräsidenten sich auf ihrer jüngsten Konferenz nicht zu solchen Gesprächen entschließen konnten, blieb der ARD keine andere Wahl, als ihren Beschluss in die Tat umzusetzen.“[20]
Die inhaltliche Komponente der Klage bezieht sich dabei auf die Kritik, die seit dem Beschluss der Ministerkonferenz im Oktober 2004 deutlich wurde:
„Der Senderverbund verwies auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts von 1994, nach dem der Gesetzgeber nur dann von einer KEF-Empfehlung abweichen darf, wenn die Gründe hierfür nachprüfbar sind. Dies sei beim letzten Gebührenbeschluss nicht der Fall gewesen.“[21]
Inwieweit die Gründe für das nicht einhalten der KEF-Empfehlung tatsächlich nachvollziehbar oder nicht nachvollziehbar waren, soll im nächsten Kapitel betrachtet werden. Zuvor ist zu erwähnen, dass das ZDF im Gegensatz zur ARD noch im Oktober 2005 weiter auf eine politische Lösung spekulierte. Wenn sich die Rundfunksender um die „Sicherung der Staatsfreiheit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“[22] Sorgen machen, wäre augenscheinlich ein von Beginn an gemeinsam beschrittener Weg in dieser Gebührendebatte am glaubwürdigsten gewesen. Hingegen betonte ZDF-Sprecher Alexander Stock:
„Das ZDF will einstweilen mit einem eigenen Modell in Gespräche mit den Landesregierungen eintreten. [...] Das Modell läuft auf eine Stärkung der Rolle der KEF hinaus. Außerdem stehe man nicht unter Zeitdruck, denn für einen Gang nach Karlsruhe sei noch bis zum 31.März 2006 Zeit.“[23]
Trotzdem standen sowohl der Deutsche Journalisten-Verband (DJV), als auch die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (Ver.di) bei der Entscheidung vor das Verfassungsgericht zu gehen im Oktober 2005 hinter der Senderpolitik der ARD.
„Der DJV-Vorsitzende Michael Konken sagte, es sei ‚richtig, dass die ARD nun endgültig vor das Bundesverfassungsgericht zieht’. Er forderte die Ministerpräsidenten auf, jetzt das Gespräch mit den ARD-Intendanten zu suchen. ‚Strukturelle Verbesserungen oder zukunftsfähige Finanzierungsmodelle des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland können nur im Dialog auf den Weg gebracht werden’.“[24]
Der stellvertretenden Ver.di Vorsitzende Frank Werner „sieht in der ARD Klage einen ‚notwendigen und wichtigen Schritt zur Sicherung der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks.’ Die Eingriffe der Ministerpräsidenten könnten im Interesse eines staatsfernen Rundfunksystems nicht hingenommen werden. ‚Reformen des Rundfunks müssen anderen Leitbildern als Kahlschlagskonzepten folgen, sich vielmehr an Programm- und Arbeitsqualität und an journalistischer Unabhängigkeit orientieren.’“[25]
5.1 Der Hintergrund der Verfassungsklage
Doch ist das Verhalten der Ministerpräsidenten tatsächlich mit einem Kahlschlagskonzept zu rechtfertigen? Fest steht, dass es das erste Mal in der Geschichte des Gebührenerhebungsverfahrens vorgekommen ist, dass die Länder sich gegen das Urteil der KEF stellen. Somit liegt ein Präzedenzfall vorliegt. Das eine mögliche Verfassungsklage im Entscheidungskalkül der Ministerpräsidenten berücksichtigt worden ist, macht die Warnung von Edmund Stoiber und Kurt Beck im Oktober 2004 deutlich:
„Die Ministerpräsidenten von Rheinland-Pfalz und Bayern haben die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten gewarnt, den jetzigen Gebührenbeschluss der Regierungschefs beim Bundesverfassungsgericht anzufechten...Kurt Beck begründete diese Warnung am 8.Oktober in Berlin mit medienpolitischen Bestrebungen der Europäischen Kommission in Brüssel. In den kommenden Jahren werde Deutschland mit der Kommission eine „große Auseinandersetzung“ haben, wie das duale Rundfunksystem in Deutschland zu organisieren sei. Dazu sei es notwendig ‚unsere Kräfte zu bündeln’.“[26]
Obwohl die Ministerpräsidenten schon von einer möglichen Verfassungsklage der Öffentlich-Rechtlichen ausgehen und die damit einhergehenden möglichen Schwierigkeiten in Brüssel durchaus berücksichtigen, entscheiden sie sich dennoch gegen die von der KEF empfohlene Gebührenerhöhung. Dies kann als Stärkung der Position der Politik, dass es sich mit einer Gebührenerhöhung um 1,09 Euro in der Tat nicht um eine sozialverträgliche Anhebung gehandelt hätte, gewertet werden. Andererseits bleibt festzuhalten, dass an verschiedenen Stellen in der Politik „tief in die Taschen auch der finanziell höchst dürftig Bemittelten gegriffen wird, und oft im halb-öffentlichen Bereich.
Vom Praxis-Eintrittsgeld bis zu Kabelgebühren, wo die Transportleistung wesentlich mehr kostet als die audiovisuellen Inhalte: der Bereich der allgemeinen Preistreiberei ist groß“[27]. Inwieweit eine geringere Gebührenerhebung um 19 Cent pro Monat zu einer höheren Sozialverträglichkeit in Deutschland beiträgt, bleibt unter diesem Aspekt fraglich.
5.2. Wie hätte eine politische Lösung, wie sie von der ARD vorgeschlagen wurde, aussehen können?
Schon mit der Ankündigung der ARD-Intendanten im Juni 2005 eine Verfassungsklage einzureichen, wurde die Bereitschaft signalisiert, dass mögliche juristische Verfahren auf politischer Ebene zu lösen und somit zu umgehen. Dabei handelte es sich um das von den Intendanten vorgeschlagene indexierte Rundfunkgebührensystem. Dies hat nicht nur den Vorteil, dass es einmal erstellt, eine sichere Planungsgrundlage für die Sender ist, weil es sich grundsätzlich um die Inflationsrate erhöht:
„Durch Abstellen auf den Verbraucherpreisindex, so Gruber, sei die medienspezifische Teuerungsrate für die ARD künftig ohne Belang. Außerdem entfalle bei einem Indexierungsmodell die gesonderte Finanzierung des Entwicklungsaufwands. [...] Zudem sei durch das Abstellen auf die allgemeine Inflation auch der Gesichtspunkt einer angemessenen Belastung der Rundfunkteilnehmer gewahrt.“[28]
Allerdings würde auch bei diesem System, die Kritik an der Relevanz des Warenkorbs für die Sender bleiben. Zudem „müsse, so Gruber weiter, auch bei einer Indexierung eine Korrekturmöglichkeit eingebaut sein, um möglichen europa- und verfassungsrechtlichen Vorwürfen der Überkompensation zu begegnen.“[29] Dies macht deutlich, dass sich die ARD Intendanten nicht mit einem einfachen Verfahren der Gebührenindexierung zufrieden gegeben hätten, sondern auf Zusatzklauseln drängten.
Ob dies einen Einfluss darauf hatte, dass sich die Ministerpräsidenten nicht zu Gesprächen mit der ARD bereit erklärten, die laut der ARD das Ziel hatten Rechtsicherheit für die Zukunft zu gewähren[30], bleibt ungewiss. De facto wurden aber keine Gespräche bis zur Einreichung der Verfassungsklage Ende Oktober geführt, was sicherlich dazu beitrug, dass sich die ARD-Intendanten auch formell auf das Einreichen der Verfassungsklage einigten[31].
5.3. Auf welche Defizite im Verfahren bezieht sich die ARD explizit, wie begründbar sind sie?
Die Politiker wiesen von Beginn an jede Kritik am Abweichen vom Gebührenvorschlag zurück. „Beck sagte [...] es sei ‚in keinem Fall richtig’, dass deren Rolle (Rolle der KEF) ‚ausgehöhlt’ worden sei. Die Minister hätten ‚sehr wohl’ auf der Grundlage der KEF-Empfehlung ihre ‚soziale Abwägarbeit geleistet’.“[32]
In Bezug auf die Anhörung im Medienausschuss des Landtags Sachsen „verteidigte der Medienreferent der Staatskanzlei Rheinland-Pfalz, Hans Dieter Drewitz, die Absenkung des Gebührenvorschlags durch die Ministerpräsidenten als verfassungskonform. Es sei „nicht einzusehen, eine Gebühr höher ausfallen zu lassen, wenn erkennbar ist, dass es auch mit weniger geht’.“[33] Hierzu kann unterstützend angeführt werden, dass die Rundfunkanstalten langjährige Erfahrungen im Bereich des Anmeldungsverfahrens und des Anerkennungsverfahrens haben und sich im Laufe der Zeit Handlungsregel angewöhnt haben, die häufig auf die Quintessenz: „Fordere das Doppelte, um ungefähr das Erwartete zu bekommen“[34], herauslaufen.
Inwieweit gibt es also tatsächlich Defizite im Verfahren, welche die ARD veranlasste eine Verfassungsklage einzureichen?
Zunächst kann festgehalten werden, dass die KEF in den vergangen Jahren ihre Aufgabe ernst genommen hat:
„Die KEF wird, dank beständig-glücklich-kompetenter Ausübung ihres Amtes, dem vom Verfassungsgericht indirekt verlangten und von den Ministerpräsidenten folgerichtig ausgesprochenen Mandat gerecht, der Politik jenen Hebel zu entwinden, der auch mit der Festsetzung der Gebühr verbunden sein könnte: über Geldzuweisung Macht auszuüben und Wohlverhalten zu erzwingen.“[35]
Von diesem Hintergrund aus, gibt es zunächst keinen Grund für die Politik den Gebührenvorschlag abzulehnen, vor allem wenn man von der Annahme ausgeht, dass die KEF Empfehlung die minimal Erhöhung der Gebühren darstellt, die für das weitere Bestehen der Sendeformate und den Status quo im Allgemeinen notwendig ist.
Gibt es aber von juristischer Seite aus eine Rechtfertigung für das Vorgehen der ARD?
Der juristische Dienst des Sächsischen Landtags urteilte in einem auf den 22.Februar datierten Gutachten:
„Das praktizierte Gebührenverfahren verletzte die Rundfunkfreiheit und die Finanzgewährleistungspflicht des Staates...mit Bezug auf das Grundgesetz und die sächsische Verfassung. Diese garantiert in Artikel 20 den Bestand und die Entschuldung des öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Da der Gesetzgeber an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden sei, dürfte er einem Durchführungsgesetz zu einem verfassungswidrigen Staatsvertrags keine Zustimmung erteilen.
Im Einzelnen konstatiert das Gutachten fehlende Kriterien für die Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage und sieht ‚formelle Wendungen’ statt stichhaltiger Begründungen für den Eingriff in das staatsferne Gebührenfinanzierungsverfahren durch die unabhängige Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten. Außerdem seien Gebührenfindung und Strukturfragen unzulässig verknüpft worden. So dürften Auftragsdefinitionen für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk nicht in einer Entscheidung über die Höhe der Rundfunkgebühr versteckt bzw. bewusst hierein gekleidet werden.“[36]
Nach diesem Gutachten und den oben gemachten Annahmen, ist es vertretbar, dass die ARD Verfassungsklage in Karlsruhe erhebt, wenngleich Kurt Beck nicht an einen Erfolg der Verfassungsklage glaubt: „Ich bin zuversichtlich, dass der Staatsvertrag nicht verworfen werden wird.“[37]
5.4. Welche Risiken sind mit der Verfassungsklage verbunden?
Die Verfassungsklage, die von den ARD-Intendanten am 25.Oktober formell eingereicht wurde, kann meiner Ansicht nach keine leichtfertig getroffene Entscheidung sein. Schließlich birgt sie zu viele Risiken:
Zum einen kann aus dem letzten Absatz entnommen werden, dass es keineswegs klar ist, dass das Verfassungsgericht zugunsten der ARD entscheidet. Über einen für die Öffentlich-Rechtlichen negativen juristischen Ausgang würden sich am Ende aber nur die Privaten freuen. Diese „erhoffen sich von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ‚eine Entrümpelung öffentlich-rechtlicher Freibriefe und Privilegien’ und Jürgen Doetz[38] sieht die Chance, ‚in einem neuen Rundfunkurteil Vorgaben für eine konkretere Definition für den Auftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks festzuschreiben, um ihn auf einen Verzicht auf wettbewerbswidrige kommerzielle Aktivitäten zu verpflichten.“ Wenngleich eine „Entrümpelung“ zunächst positiv bewertet werden kann, da ein klares Aufgabenformat auch dem Gebührenzahler zu nutzen kommen könnte, würde sie für die ARD selbst Einschränkungen in ihrer Themenwahl darstellen.
Zum zweiten wird die Beziehung zwischen Sender und Politik durch die Verfassungsklage nicht besser. Im Gegenteil: Nachdem „die Länder den Öffentlich-Rechtlichen mit der GEZ - Gebühr für internetfähige PCs zugleich eine neue Einnahmequelle beschert haben, die ab dem 1.Januar 2007 dafür fällig wird“[39] und „sie gemeinsam mit den Sendern gerade erst Stellung bezogen haben, zur Anfrage der EU-Kommission nach Auftrag und Finanzierung des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland, die auf eine Beschwerde des Privatsenderverbands VPRT und Premiere folgte“[40], werden sie mit einer Verfassungsklage der ARD nicht gerechnet haben.
Das dritte Risiko birgt sich in einer Verschlechterung des Verhältnisses zum ZDF und einem öffentlichen Schaden, der aus den konträr eingeschlagenen Wegen der beiden Fernsehanstalten zu Beginn entstehen könnte. Wenngleich ZDF-Intendant Markus Schächter in einem Telefax an ARD-Vorsitzenden Thomas Gruber bekundete, „das aus juristischer Sicht Konsens darüber bestünde, dass im Verfahren der Gebührenerhöhung eine Verletzung von Grundsätzen stattfinde“[41], konnten sich die Anstalten auf einen gemeinsamen Weg zu Beginn dennoch nicht einigen.
5.5. Welche Haltung bezieht die KEF?
Da mit einer möglichen Strukturreform und einer genaueren Gesetzgebung durch das Bundesverfassungsgericht auch die Aufgabenformulierung der KEF eine Erneuerung erhalten dürfte, möchte ich an dieser Stelle einen Blick auf die von der KEF geäußerte Haltung zum Gebührendebakel werfen:
Mitte Januar 2006 bescheinigt die KEF der ARD ein hervorragendes Wirtschaften in der laufenden Gebührenperiode und hob gleichzeitig Sparsamkeit und Effizienz hervor.[42] Konkret heißt es dazu:
„In der laufenden Gebührenperiode weist die ARD ebenso wie im Gebührenzeitraum 2001 bis 2004 die niedrigste Zuwachsraten bei den Gesamtaufwendungen auf [...] Die Gesamtaufwendungen der ARD steigen laut 15.KEF-Bericht im Zeitraum 2001 bis 2008 durchschnittlich um 1,0% pro Jahr. Damit liegt der Anstieg der Gesamtaufwendungen der ARD unterhalb der allgemeinen Teuerungsrate und bedeutet für die ARD somit reale Einbußen. Diese sind nur durch weitere Rationalisierungsanstrengungen verkraftbar.“[43]
Darüber hinaus nimmt die KEF eine klare Position zum Gebührenfestsetzungsverfahren ein. Der ARD-Vorsitzende Prof. Gruber sagte:
„Die Kommission stellt erfreulich deutlich fest, dass die von den Ländern genannten Gründe für die Abweichung von der KEF-Gebührenempfehlung entweder verfassungsrechtlich zweifelhaft oder aber sachlich unzutreffend sind.“[44]
Damit rechtfertigt die Kommission die von ihr ermittelte Gebührenerhebung und gleichzeitig den Gang vor das Verfassungsgericht seitens der ARD. Zu berücksichtigen bleibt an dieser Stelle, dass die KEF als unabhängige Kommission durch die Art der Länderpolitik ihre Aufgabenkompetenzen durchaus in Gefahr sehen könnte. Somit scheint eine Haltung, mit der sie die Senderpolitik unterstützt, naheliegend. Auch wenn von verschiedener Seite immer wieder bestätigt wird, dass die KEF politisch unabhängig arbeitet und genaue Finanzberechnungen durchführt, muss berücksichtigt werden, dass sich die Analyse der KEF nur auf die Frage nach der Wirtschaftlichkeit der Sender bezieht. Inwieweit die inhaltlichen Programmpunkte der Sender erstrebenswert sind, bleibt außen vor.
6. Die Haltung des ZDF und deren Verfassungsklage
Das ZDF hat sich seit der Ministerpräsidentenkonferenz im Oktober 2004 verhaltener gezeigt und immer wieder auf eine politische Lösung gedrängt, bevor es von einer Verfassungsklage sprach.
Als die ARD am 30.Mai verkündet, dass sie eine Verfassungsbeschwerde einlegen wolle, trennen sich die Wege von ARD und ZDF:
„In einem noch am Tag selbst abgeschickten Telefax erläuterte der ZDF-Intendant Schächter seinem Kollegen Gruber, warum er ‚derzeit von einem Gang nach Karlsruhe absehen möchte.’
Entscheidend sei, ‚dass der Weg nach Karlsruhe als ultima ratio nur dann beschritten werden sollten, wenn das mit ihm verfolgte Ziel nicht auf andere, schonendere Weise erreicht werden kann.’“[45]
6.1. Der politische Lösungsvorschlag des ZDF
Der ZDF-Intendant sieht die Chance der politischen Lösung in einer Verfahrensänderung:
„Er schlägt vor, dass die Rundfunkgebühr nicht mehr per Staatsvertrag, den sämtliche Länder ratifizieren, festgelegt wird, sondern per Verordnung. Ein solches Verfahren wiederum könnten die Länder in einem Staatsvertrag vereinbaren und dann der Gebührenkommission KEF genauere Vorgaben für die Festlegung der Gebühr machen. Die Entscheidung der KEF hätten die Länder sodann verbindlich zu befolgen.“[46]
Zwar wurde der politische Lösungsvorschlag von der Rundfunkkommission der Länder begrüßt, mögliche Gespräche wurden allerdings von der Kommission als „nicht zielführend“ abgelehnt. Daraufhin beschloss Schächter sich den von Beginn an als ultima ratio deklarierten Weg der Verfassungsklage, der ARD, anzuschließen.
7. Wertung und Ausblick
Es ist schwer zu verstehen, weshalb sich die Politik geweigert hat, sowohl konkrete Gespräche über ein indexiertes Verfahren der Rundfunkgebühren mit der ARD zu führen, als auch über die Möglichkeit einer Gebührenverordnung mit dem ZDF zu sprechen.
Schließlich hätte es hier eine glaubwürdige Möglichkeit geben können, das Agieren der Länder und ihrer Rundfunkkommission, mit dem ausschließlichen Ziel der Ordnungspolitik zu rechtfertigen.
Die Sender haben, trotz ihrer von Beginn an angekündigten Option der ‚ultimo ratio’, mit den Gesprächsangeboten an die Politik signalisiert, dass sie zu einer konkreten Auseinandersetzung und Festlegung der Spielregeln im Rahmen der Medienpolitik und Medienökonomik bereit sind. Die Aufgabe der Länder hätte es an dieser Stelle sein müssen, die Ernsthaftigkeit ihrer Bemühungen um Transparenz und Sozialverträglichkeit innerhalb der Gebührenfinanzierung deutlich zu machen. Zumindest konkrete Gesprächstermine hätten in Aussicht gestellt werden können. Im Optimalfall wären Gespräche schon vor der Herabsetzung der vorgeschlagenen Gebührenerhöhung durch die KEF mit den Sendern durchgeführt worden.
Da dies bisher nicht geschehen ist, bleibt der implizierte Vorwurf an die Politik von Seiten der Sender, des DJV und Ver.di bestehen, dass diese sich in die Prozesspolitik der Sender einmische, und somit keine strickte Trennung zwischen ordnungspolitischen und prozesspolitischen Maßnahmen bestünde.
Trotzdem muss festgehalten werden, dass die bisherige Kontrolle der Sender durch die KEF nicht ausreichend ist und ein zweites Organ, wie von den Ländern dargestellt, zum derzeitigen Verfahrensstand innerhalb der Gebührenerhöhung, notwendig ist. Denn es darf nicht übersehen werden, dass die KEF nur die Wirtschaftlichkeit der Sender überprüft. Auch wenn dies sehr genau und sorgfältig geschieht, macht sie keine Äußerungen zum Leistungsrepertoire der Sender im Allgemeinen. Ob die Leistungen, die von den Öffentlich-Rechtlichen erbracht werden, überhaupt wünschenswert sind, oder nicht, wird bislang nicht an überprüfbaren Kriterien untersucht.
Eine Festsetzung von Senderzielen ist über den ökonomischen Rahmen hinaus für eine vernünftige Ordnungspolitik notwendig.
Entweder man traut den Politikern zu diese Ziele zu formulieren oder es muss ein anderes Verfahren gefunden werden.
Eine Möglichkeit besteht darin, dass Konzept der BBC zu kopieren. Auf der Basis eines gesellschaftlichen commitments schlägt die BBC Ziele vor, die sie erreichen wollen und an deren Umsetzung sie gemessen werden können.
Das sich gegen Zielvorgaben, die letztlich die Programminhalte betreffen, aber die Öffentlich-Rechtlichen wehren ist von ihrem Standpunkt heraus nachvollziehbar. Ihre Kritik am Verhalten der Politik im jüngsten Gebührenfestsetzungsverfahren, muss demnach auch unter dem Gesichtspunkt betrachtet werden, dass die Sender durch das Eingreifen der Politik, sich in ihrer Prozesspolitik gestört fühlen, wenngleich das Verhalten genauso gut als ein ordnungspolitischer Akt gewertet werden kann und demnach das politische Mitentscheidungsverfahren von der ARD in überspitzter Form dargestellt wurde.
Was allerdings allgemein gegen die Formulierung von Zielvorgaben von politischer Seite aus spricht, ist zum Einen die Abhängigkeit der Politiker von partikular Interessen, die in einer Vielzahl von Interessensverbänden zum Ausdruck kommen und zum Anderen die Abhängigkeit der Politiker von den Journalisten selbst. Andererseits kann davon ausgegangen werden, dass Politiker die Entwicklungen in Deutschland und erstrebenswerte Bildung richtig einschätzen können und zudem mit dem geschichtlichen Hintergrund gut vertraut sind, so dass die Zielformulierungen auf der Grundlage einer soliden Basis erstellt werden könnte.
Inwieweit sich die Ordnungspolitik hiermit noch beschäftigt, wird die Zukunft zeigen. Die Debatte um das Gebührenverfahren hat allerdings eine Diskussion entfacht, die weit über das Gebührenverfahren selbst hinaus geht und zeigt, dass ordnungspolitische Reformen notwendig sind.
8. Fazit
Es bleibt festzuhalten, dass sich die Länder zum ersten Mal beim jüngsten Gebührenfestsetzungsverfahren gegen die von der KEF vorgeschlagene Gebührenerhöhung entschieden haben. Der Grund hierfür ist laut der Politik eine soziale Unverträglichkeit der Gebühren, der aber kritisch betrachtete werden kann. Die Verfassungsklage, die sowohl von der ARD, als auch vom ZDF eingereicht wurde, fußt auf die Entscheidung der Länder, die Gebühren um weniger als von der KEF vorgesehen zu erhöhen. Begründet wurde die Verfassungsklage mit dem Grundwert der Unabhängigkeit des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und der Integrität des Gebührenfestsetzungsverfahrens. Vermutlich hätte die Verfassungsklage umgangen werden können, indem sich die Länder mit den Sendern auf einen von ihnen selbst vorgeschlagenen politische Lösung geeinigt hätten. Die Risiken in der Verfassungsklage bestehen für die Rundfunksender vor allem in der Eindämmung der eigenen Entscheidungsgewalt, und eine genauere Definition ihres Aufgabenfeldes, sowie in einem angespannten Verhältnis zu den Ländern. Die Entscheidung der Rundfunksender eine Verfassungsklage einzureichen, zeigt aber auch, das ordnungspolitische Reformen notwendig sind um das System konkreter zu gestalten. Zudem ist es innerhalb von ordnungspolitischen Maßnahmen angebracht, zu überlegen, wie sinnvolle Senderziele erstellt und überprüft werden können. Hier kann die BBC als Beispiel dienen.
Letztlich kann die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts dafür sorgen, dass sich ordnungspolitische Maßnahmen in naher Zukunft ergeben. Sollte es dazu kommen, dass sich das Verfassungsgericht für einen neuen Rundfunkvertrag entscheidet, so wäre anzunehmen, dass dieser, wie es bereits 1994 der Fall war, die KEF in ihrer Rolle stärkt, um eine Einflussnahme der Politik zu vermeiden. Sollte der Rundfunkvertrag beibehalten werden ist es wahrscheinlich, dass die Rundfunksender einen großen Druck auf die Politik ausüben werden, um durch ein neues Gebührenfestsetzungssystem eine höhere Planungssicherheit zu bekommen. Ich halte es dabei für wahrscheinlich, dass eine ordnungspolitische Änderung einen Anstoß für eine umfassende Strukturänderung geben könnte.
9 Literaturverzeichnis
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[...]
[1] Vgl. Beck 2002: S.227
[2] gl. A.a.O.: S.231,232
[3] o.V. 2004a: S.1
[4] o.V. 2004hj: S. 2
[5] o.V. 2004a: S.2
[6] Vgl. o.V. 2004b:S.1
[7] o.V. 2004a: S.3
[8] o.V. 2004b:S.1
[9] o.V. 2004c: S1
[10] A.a.O.
[11] o.V. 2004d: S.1
[12] A.a.O.
[13] o.V. 2004e: S.1,2
[14] o.V.2004i: S.1
[15] o.V. 2004f: S.1
[16] o.V. 2004g: S.1
[17] o.V. 2005a: S.1.
[18] A.a.O.
[19] A.a.O.
[20] dpa 2005: S.2
[21] A.a.O.
[22] o.V. 2005b: S.1
[23] dpa 2005: S.2
[24] o.V. 2005c: S.2
[25] A.a.O.
[26] o.V. 2004i: S.1
[27] Kammann 2004: S.2
[28] o.V. 2005d: S.1
[29] o.V. 2005d: S.1
[30] o.V. 2005b: S.1
[31] Vgl. dpa 2005: S.1,2
[32] o.V. 2004i: S.1
[33] o.V. 2005e: S.1
[34] Kammann 2003: S.2
[35] Kammann 2003: S.1
[36] o.V. 2005f: S.1
[37] o.V. 2005a: S.1
[38] Präsident des Verbandes privater Rundfunk und Telekommunikation
[39] Pößneck: 2005: S.1
[40] Vgl. o.V. 2005g: S.2
[41] A.a.O.
[42] Vgl. o.V. 2006: S.1
[43] o.V. 2006: S.1
[44] o.V. 2006: S.1
[45] o.V. 2005g: S.2
[46] A.a.O.
- Quote paper
- Anna-Katharina Lenz (Author), 2006, Die Verfassungsklage von ARD und ZDF - Eine politisch-ökonomische Reflexion der Senderpolitik, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111500
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