Wie behandelt man das Thema "Lügen" im Ethik- bzw. im LER-Unterricht? Hier eine Option!
Inhalt
Die Verortung der Moralphilosophie im LER-Lehrplan
Ziele und Methoden der Unterrichtstunde mit dem Thema „Lüge“ im Schulfach LER
Fazit
Literatur
Die Verortung der Moralphilosophie im LER-Lehrplan
Die Philosophie ist im Rahmenlehrplan des Schulfaches LER in Brandenburg als „ethisch-moralisches Denken“ (Lehrplan, S. 21) innerhalb einer „E-Dimension“ (ebd., S. 21) verortet.
Schüler sind, so der Lehrplan, durch den Unterricht in LER, „in der Lage, ethisch-moralisch zu argumentieren, Situationen und Sachverhalte im Zusammenhang mit ethisch-moralischen Kriterien zu bewerten, und setzen in diesem Zusammenhang Präferenzen.“ (ebd., S. 23).
Die Moralphilosophie taucht als Begriff im Lehrplan nicht auf. Das Thema „Lüge“ wird explizit ebenfalls nicht genannt. Das Wort „Wahrheit“ taucht auf der S. 75 auf, dort aber als Exkurs zur Religion „Buddhismus“, eher nicht als moralphilosophisches Thema. Stattdessen lässt sich der Begriff der „Wahrhaftigkeit“ innerhalb der „Dimension E“ des Lehrplans sowohl im „Themenfeld 1: Soziale Beziehungen“ (ebd., S. 39) als auch im „Themenfeld 2: Existenzielle Erfahrungen“ (ebd. S. 45) verorten. Die Wort „Moral“ dagegen befindet sich als „moralische Sozialisation“ z.B. im „Themenfeld 3: Individuelle Entwicklungsaufgaben“ (ebd., S. 52), aber z.B. auch im „Themenfeld 6: Frieden und Gerechtigkeit – Hoffnungen für die Welt“ (ebd., S.70)
Es scheint, als sei die Moral nicht allgemein im Lehrplan zuzuordnen. Das Kriterium, das einer Entscheidung für eine Zuordnung der Moral zu einem Themenfeld zugrunde liegen könnte, lässt sich wohl eher durch die Perspektive auf das Thema Moral innerhalb der Themenfelder klären. Insofern die „Lüge“ ein Konflikt innerhalb von Beziehungen z.B. in der Familie, darstellt und das Ziel darin liegt, ein Konflikt, das durch eine Lüge entstanden ist, zu lösen, so ist die Lüge in das Themenfeld 1 einzuordnen. Kinder lernen in diesem Bereich, ihre Beziehungen zu Mitmenschen (Familie, Gleichaltrige) zu reflektieren, bilden daher Moral über Sozialität aus. Die Lüge als Aspekt der Moral ist dabei evtl. Ursache eines Konflikts.
Es liegt aber, im Gegensatz dazu, im Rahmen der Moralphilosophie, die sich mit der Frage „Was kann ich tun?“ beschäftigt, hier die Lüge nicht als Konstrukt eines Konflikts zu betrachten, sondern als „richtige“ oder „falsche“ Handlungsmöglichkeit mit ihren Entscheidungs- und Handlungsmöglichkeiten für eine Existenz mit ihren dazugehörigen Konsequenzen. Diese Perspektive führt uns zum „Themenfeld 2: Existenzielle Erfahrungen.“, das sich z.B. mit Fragen bzgl. „Freiheit und Begrenzung“ (Themenfeld 2.4) (vgl. S. 50.) auseinandersetzt.
Das Themenfeld 5 betrachtet „Moral“ als „Entwicklungsaufgabe“ und ist verfällt daher der Perspektive der Entwicklungspsychologie. Kohlbergs Moralstufen und Dilemmadiskussionen (Colby & Kohlberg, 1986) sind z.B. hier in dieses Themenfeld einzuordnen. Die Antwort eines Schülers und ihre Begründung auf ein Problem innerhalb eines Dilemmas werden dabei einer Moralstufe zugeordnet. Die Schüler werden in der Dilemmadiskussion schließlich angeregt, sich mit Antworten auseinanderzusetzen, die auf höheren oder niedrigen Moralstufen liegen.
Das Themenfeld 6 betrachtet „Moral“ als Aspekt innerhalb einer „Gesellschaft“, evtl. innerhalb einer aus Religion resultierenden, hypothetischen und jenseitigen Gesellschaft, aber auch aus einer zukünftigen sozialen Gesellschaft („Utopia“, ebd., S. 71). Die Frage der Moral zeigt sich hier also eher als etwas Hypothetisches oder Zukünftiges.
Schließlich ist zusammenfassend zu sagen, dass das Thema Moral viele Bereiche im Lehrplan von LER abdeckt. Die Moralphilosophie, die Betrachtung der Moral unter dem Gesichtspunkt der Möglichkeit von Handlungen einer Existenz („Darf ich lügen?“) lässt sich wohl eher dem Themenfeld 2 zuordnen. Dieses Themenfeld steht dabei im Zusammenhang mit der Betrachtung der Lüge als Konflikt („Wem schade ich, wenn ich lüge?“) und deckt damit Themenfeld 1 ab. Philosophien über die Zusammenhänge zwischen Welt und Lüge, vor allem Auswirkungen von Lügen auf die Welt und auf die Zukunft („Verändert sich die Welt, wenn ich lüge?“) lassen sich eher dem Themenfeld 6 zuzuordnen. Entwicklungspsychologische Betrachtungen bzgl. der Argumente für oder gegen die Lüge lassen sich eher dem Themenfeld 5 zuordnen.
Die nachfolgende theoretisch konstruierte Verlaufsplanung einer Unterrichtsstunde deckt genau nicht nur ein Themenfeld ab, sondern eben mehrere, daher hielt ich es für notwendig, diese Verortung so ausführlich zu reflektieren.
Ziele und Methoden der Unterrichtstunde mit dem Thema „Lüge“ im Schulfach LER
Die Ziele der folgenden Verlaufsplanung liegen in der Didaktik des Philosophierens mit Kindern. Es geht weniger darum, Kindern Inhalte über das Thema „Lüge“ in dem Sinne zu vermitteln, welche philosophischen Aussagen bisher darüber getroffen worden sind. Kinder sollen in der folgenden Stunde eben nicht versuchen, Argumentationen von Philosophen nachzuvollziehen. Eher sollen Sie selbst tätig werden, selbst zu philosophieren.
Die Schüler sollen hier lernen, „zu differenzieren und gleichzeitig in größeren Zusammenhängen zu denken.“ (Brüning, 1999: S. 4). Sie haben die Aufgabe über den Prozess des Philosophierens eine Denkfähigkeit zu entwickeln, d.h. zu analysieren, „Begriffe, Argumente und Meinungen in sinnvolle Einheiten zu zerlegen, um sie als Grundbausteine für erweiterte Zusammenhänge und Beziehen nutzen zu können“ (ebd., S. 4) und diese Einheiten kreativ zu neuen Gedanken zu kombinieren. Die Kombination der Analyse mit der Kreativität führe zur Ausbildung eines synthetischen Denkens, so beschreibt es Brüning. Dabei ist es jedem Schüler auch möglich, Gedanken immer wieder neu zu korrigieren.
Schüler werden in der Philosophie gefordert, zu diskutieren, konkret daher Begriffe zu erläutern, Meinungen und Behauptungen mit Argumenten zu begründen, Widersprüche zu erkennen und komplexe Zusammenhänge herzustellen. Ihre philosophische Kreativität ist dabei gefragt. In der Klasse entsteht durch diese Methode der philosophischen Diskussion eine „Denkgemeinschaft“ (ebd., S. 6), an der jeder aktiv teilnimmt, in der Gesprächsregeln herrschen und die Akzeptanz dabei als Richtwert gilt. Fragen, Antworten, Argumente, Weiterfragen, Zuhören, den „Dingen der Welt auf den Grund gehen“ (ebd., S. 6), all dies zeichnet in diesem Zusammenhang das Philosophieren mit Kindern aus.
Die Grundlage der folgenden Stunde bildet neben der Diskussion schließlich ein griechisches Märchen, dass das Thema „Lüge und Wahrheit“ auf faszinierende Weise veranschaulicht. Durch die Figuren „Wahrheit“ und „Lüge“ findet Identifikation beim Schüler statt.
Der Ablauf der Unterrichtsstunde (90 min.)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Insofern die Zeit nicht ausreicht, so ist es möglich, hier z.B. die Rollenspiele ausfallen zu lassen, da sie lediglich der Vertiefung dienen.
Fazit
Die Moralphilosophie ist ein weites Feld, das jede Dimension des Schulfaches „LER“ berührt, vor allem die „Dimension E“. Inwiefern gar die Moralphilosophie ein Synonym für Ethik sei, das wäre ebenfalls zu klären. Fest steht, die Moralphilosophie, insbesondere Fragen nach der Lüge und der Wahrheit, sind existenzielle Fragen, die jeden Schüler betreffen. Die Auseinandersetzung mit diesen Fragen im Unterricht führt unweigerlich bei Schülern zur Ausbildung von Kreativität und zur Förderung von reflexivem Nachdenken, und ist in diesem Zusammenhang nicht nur Philosophie, sondern vor allem auch Soziales Lernen.
Literatur
- Ministerium für Bildung, Jugend und Sport (Hg.): Rahmenlehrplan: Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde, Sekundarstufe I, 1. Auflage, Wissenschaft und Technik Verlag, Potsdam 2004
- Colby, Ann & Kohlberg, Lawrence: „Das moralische Urteil: Der kognitionszentrierte entwicklungspsychologische Ansatz.“ IN: H. Bertram (Hg.): „Gesellschaftlicher Zwang und moralische Autonomie“, Surkamp, Frankfurt 1986
- Brüning, Barbara: Philosophieren mit Kindern, Verlag für Kinder und Eltern Hamburg 1999, S. 3-17
- Michaelsen, Jürgen : Kap. 2.4. Wahrheit und Lüge, IN: Staunen – Fragen – Die Welt begreifen, Philosophieren Klassen 5/6, Militzke Verlag, Leipzig 2000, S. 92-103
- Griechisches Märchen: „Wahrheit und Lüge“, IN: Arbeitstexte für den Unterricht : Geschichten zum Philosophieren, Reclam Verlag, Stuttgart 1994, S. 81-83
- Quote paper
- Udo Lihs (Author), 2007, „Darf ich lügen?“ - Die Didaktik der Moralphilosophie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111149