Im Jahr 1999 hielt der Philosoph Peter Sloterdijk (geb.1947) anlässlich einer Heidegger-Tagung auf dem Schloss Elmau eine Rede mit dem Titel „Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben auf den Brief des Humanismus“.
Dieser, als „Elmauer Rede“ bekannt gewordene Vortrag sorgte in den folgenden Wochen für hitzige Diskussionen unter den Gelehrten. Bereits 1997 hatte Sloterdijk die gleiche Rede schon einmal gehalten, ohne dass sie aber sonderlich beachtet wurde, oder gar einen Skandal auslöste.
Sloterdijk versucht, in seiner Rede, auf komplizierte und oft mehrdeutige Weise sich mit dem Problem der Anthropotechnik[1] und den damit verbundenen Niedergang des Humanismus zu befassen, indem er sich nicht direkt auf aktuelle Themen, wie etwa Gentechnik und deren ethische Folgen bezieht, sondern die bekannten Philosophen Heidegger, Nietzsche und Plato zu Rate zieht.
Die folgende Facharbeit wird sich vor allem mit dem Inhalt der Rede und der entstandenen Debatte um sie beschäftigen. Das Ende der Facharbeit werden eine persönliche, kritische Betrachtung der einzelnen Standpunkte und eine kurze Weiterentwicklung der Gedanken Sloterdijks beschließen.
INHALTSVERZEICHNIS
I. EINLEITUNG
II. ZUSAMMENFASSUNG/ WIEDERGABE DER REDE
a) Die Geschichte des Humanismus und seine Zielsetzung
b) Heidegger und das Ende des klassischen Humanismus
c) Die Selbst-Züchtung des Menschen nach Nietzsche
d) Platos Hüter im Menschenpark
III. DARSTELLUNG DER DEBATTE
a) Kritik an Peter Sloterdijk und der „Elmauer Rede“
b) Die Rechtfertigung von Peter Sloterdijk
c) Kritische Würdigung / Eigene Meinung zu der Rede
IV. SLOTERDIJK WEITERGEDACHT – EIN KURZER BLICK IN DEN MENSCHENPARK DER ZUKUNFT
V. LITERATURVERZEICHNIS
I. Einleitung
Im Jahr 1999 hielt der Philosoph Peter Sloterdijk (geb.1947) anlässlich einer Heidegger- Tagung auf dem Schloss Elmau eine Rede mit dem Titel „Regeln für den Menschenpark. Ein Antwortschreiben auf den Brief des Humanismus“.
Dieser, als „Elmauer Rede“ bekannt gewordene Vortrag sorgte in den folgenden Wochen für hitzige Diskussionen unter den Gelehrten. Bereits 1997 hatte Sloterdijk die gleiche Rede schon einmal gehalten, ohne dass sie aber sonderlich beachtet wurde, oder gar einen Skandal auslöste.
Sloterdijk versucht, in seiner Rede, auf komplizierte und oft mehrdeutige Weise sich mit dem Problem der Anthropotechnik[1] und den damit verbundenen Niedergang des Humanismus zu befassen, indem er sich nicht direkt auf aktuelle Themen, wie etwa Gentechnik und deren ethische Folgen bezieht, sondern die bekannten Philosophen Heidegger, Nietzsche und Plato zu Rate zieht.
Die folgende Facharbeit wird sich vor allem mit dem Inhalt der Rede und der entstandenen Debatte um sie beschäftigen. Das Ende der Facharbeit werden eine persönliche, kritische Betrachtung der einzelnen Standpunkte und eine kurze Weiterentwicklung der Gedanken Sloterdijks beschließen
II. Zusammenfassung/ Wiedergabe der Rede
Sloterdijk beginnt seine viel diskutierte und umstrittene Rede, indem er zunächst eine neue Definition des Humanismus und seiner Geschichte anbietet. Mit den Sätzen „Bücher, so hat der Dichter Jean Paul einmal bemerkt, sind dickere Briefe an Freunde. Mit diesem Satz hat er Wesen und Funktion des Humanismus quintessentiell und anmutig beim Namen genannt: Er ist Freundschaftsstiftende Telekommunikation im Medium der Schrift.“[2] offenbart eine völlig neue Ansicht der Thematik. Er charakterisiert im Folgenden den Humanismus völlig neu, nämlich als eine Textkultur, ausschließlich bestehend auf dem geschrieben bzw. gedruckten Wort.
a) Die Geschichte des Humanismus und seine Zielsetzung
Diese Botschaft des Humanismus habe seinen Anfang vor mehr als 2500 Jahren in Griechenland gefunden und sei über die griechischen Sender über die Epochen hinweg und trotz Fehlern in der Interpretation und Wiedergabe an römische Freunde oder Empfänger gesendet worden. Die Botschaft habe, durch das erneute niederschreiben auch über den Zerfall des Groß-Römischen-Reiches hinaus erhalten werden können.
Bis zu diesem Zeitpunkt sei der Humanismus eine Auffassung gewesen, die von einer speziellen, kleinen Gruppe vertreten wurde. Die Humanisten selber beschreibt er zunächst als Zugehörige einer „Sekte der Alphabetisierten“[3]. „Das Muster der literarischen Gesellschaft“[4], wie Sloterdijk den Humanismus auch bezeichnet, habe sich schließlich aber in den Nationalstaaten des 19. und 20. Jahrhundert zum Standart in der politischen Gesellschaft ausgeweitet. Die Nationen hätten sich von nun an in „durchalphabetisierten Zwangsverbände, die auf eine jeweils im Nationalraum verbindlichen Lektürekanon eingeschworen wurden“[5] organisiert.
Die Blütezeit dieses literarisch-bürgerlichen Humanismus macht Sloterdijk in den Jahren 1789 bis 1945 fest, in denen die Macht der Lehrer und Autoren ungebrochen war, der wahren Substanz des bürgerlichen Humanismus nachzukommen. Diese Substanz war, laut Sloterdijk, „die Vollmacht, der Jugend die Klassiker aufzuzwingen und die universelle Geltung nationaler Lektüren zu behaupten.“[6]
Das Ende dieser Zeit ist nach Sloterdijk nicht etwa auf die Faulheit oder den Unwillen der Menschen sich mit Literatur zu beschäftigen zurückzuführen, sondern auf die Unfähigkeit der Literatur in einer Multimedialengesellschaft und Massenkultur ein telekommunikatives Band zwischen den Menschen zu knüpfen. Sloterdijk erkennt, dass die Literatur neben den neuen Medien lediglich eine untergeordnete Rolle in der heutigen Gesellschaft spielt und dass dies folgenschwere Konsequenzen für den Humanismus hat. Er sieht die Grundlagen der heutigen Gesellschaft als post-/marginal- literarisch und post-/marginal- epistologisch und folglich als post-humanistisch an.
Im nun folgenden Abschnitt der Rede sieht Sloterdijk das Ziel des Humanismus darin, der „Bestialisierung der Menschen“[7] entgegen zu wirken. Seiner Ansicht nach versucht der Humanismus den in jedem Menschen tobenden Kampf zwischen tierischen und menschlichen Tendenzen zugunsten der menschlichen zu entscheiden und den Menschen durch die Literatur zu entbestialisieren. Als Gegenpol zu den „entbestialisierten“ Lektüren stellt er die römischen Gladiatorenkämpfe (die sich aber in der heutigen Zeit durch Action-Filme ect. ersetzen lassen) als Unterhaltung für die Bestie im Menschen.
Mit dieser Sicht der Dinge formuliert Peter Sloterdijk die Frage nach dem Humanismus unumgänglich als Medienfrage, wenn Medien als „kommunionale und kommunikative Mittel“[8] aufgefasst werden, durch die jeder Mensch seinen Charakter zu formen vermag.
b) Heidegger und das Ende des klassischen Humanismus
Nach der Bestimmung des Zieles des Humanismus und dem Aufstellen der These über das Ende des Humanismus begibt sich Sloterdijk im anschließenden Teil seiner Rede an die Interpretation des ersten von drei Philosophen: Martin Heidegger und dessen Arbeit „Über den Humanismus“ (geschrieben 1946). In der Aufgabe des Wortes Humanismus, welche Heidegger in einem Schreiben an einen Kollegen fordert, erkennt er eine Strategie Heideggers „die wirkliche Denkaufgabe, die in der humanistischen oder metaphysischen Tradition bereits als gelöst erschienen wollte, in ihrer anfänglichen Einfachheit und Unausweichlichkeit“[9] neu zu überdenken. Gemeint ist damit schlicht die Frage, wie man den Humanismus nach den Ereignissen des 2.Weltkreiges noch als Lösung ansehen kann. Sloterdijk ist der Meinung, dass für Heidegger Christentum, Marxismus und Existentialismus lediglich Unterordnungen und Spielarten des Humanismus seien, die aber dennoch keine Antwort auf das Wesen des Menschen bieten würden, sondern sie lediglich umgingen.
Heidegger bescheinige dem Humanismus weiterhin, „Agent eines zweitausendjährigen Nichtdenkens zu sein“[10] und die eigentliche Antwort auf die Frage nach dem Wesen des Menschen blockiert zu haben. Er sähe die große Schwäche des Humanismus darin, die Menschlichkeit des Menschen nicht hoch genug anzusetzen, sondern in als animal rationale zu bezeichnen, also lediglich als ein Tier mit zusätzlichen geistigen Faktoren bzw. Einflüssen. Dass diese Verneinung des Humanismus nicht zu einem Inhumanismus führt, begründe Heidegger damit, dass „der Mensch der vom Sein selbst Angesprochene und […] zu seiner [eigenen] Hütung Bestellte ist.“[11] Zu dieser Selbst-Hütung oder auch Selbst-Zähmung benötige der Mensch auch unausweichlich seine Sprache, womit auch diese These das Prinzip des klassischen Humanismus anwenden würde, nämlich die Befreundung mit dem Anderen durch das Wort, sei es gedruckt oder geschrieben. Heidegger sei sich sicher, den Humanismus übertroffen und verbessert zu haben, da er den Menschen als einen Hirten sieht, der vom Sein selbst angestellt worden sei und ihn „in eine Zähmung und eine Befreundung einbezieht, die tiefer gehen als jede humanistische Entbestialisierung“[12]. Nach Heideggers Ansicht ist der Hirte Mensch also dennoch ein Untergeordneter des Seins. Es ist für Sloterdijk allerdings klar, dass sich keine große Gemeinschaft von Freunden bilden kann, die den Weisungen des Seins folge leistet, da Heidegger sich als alleiniger Schriftführer des Seins einsetzt und damit als einziger die Maßstäbe setzten könnte.
Dennoch habe Heidegger mit seiner Humanismuskritik, in der er den Humanismus mit seien Spielarten für die geschichtlichen Ereignisse in Europa verantwortlich macht, die Epochenfrage bereits gestellt: „Was zähmt noch den Menschen, wenn Humanismus als Schule der Menschenzähmung scheitert? Was zähmt den Menschen, wenn seine bisherigen Anstrengungen der Selbstzähmung in der Hauptsache doch nur zu seiner Machtergreifung über alles Seiende geführt haben?“[13]
Peter Sloterdijk nimmt im Folgenden von Martin Heidegger Abstand, um auf einen Umstand hinzuweisen, der von Heidegger übergangen wird, nämlich die naturwissenschaftliche Geschich]te, in der sich aus dem Tier der Mensch entwickelt hat und die damit verbundene Zähmung des Menschen. Sloterdijk beschreibt den Menschen dabei als ein Tier, welches es nicht geschafft hat sich tierisch am Leben zu erhalten und deswegen eine „Welt im ontologischen Sinne“[14] gestalten musste. Dies sei dem Menschen nur durch den Gebrauch der Sprache möglich gewesen und einem damit verbundenen Zähmungsprozess. Auch die Organisation in Gruppen und die einsetzende Sesshaftigkeit der frühen Menschen habe die Zähmung der Bestie im Menschen einen großen Schritt voran getragen. Sloterdijk erkennt aber, dass auch dieser fortlaufende Zähmungsprozess von einem Kampf um die Vorherrschaft zwischen unterschiedlichen Typen der Zähmung überschattet wird.
[...]
[1] eigene Wortneuschöpfung, meint etwa Humangenetik
[2] Sloterdijk, S.7
[3] Sloterdijk, S.11
[4] Sloterdijk, S.11
[5] Sloterdijk, S.11
[6] Sloterdijk, S.13
[7] Sloterdijk, S.16
[8] Sloterdijk, S.19
[9] Sloterdijk, S.23
[10] Sloterdijk, S.24
[11] Sloterdijk, S.26
[12] Sloterdijk, S.27
[13] Sloterdijk, S.31/32
[14] Sloterdijk, S.34
- Quote paper
- Stephan Happel (Author), 2004, Die Züchtung eines Übermenschen? Darstellung und kritische Würdigung der Debatte um Peter Sloterdijks Regeln für den Menschenpark, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110952
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