Aufklärung ist heute, lange nach der ersten Verwendung des Wortes als Neologismus in Kaspar Stielers „Zeitungs Lust und Nutz“ von 1695, zum üblichen Wort in der Alltagssprache geworden. Jeder Gymnasiast der Oberstufe kann den Begriff mit den geistesgeschichtlichen Leistungen einer literarischen Epoche verbinden, mit dem politischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau und seinen Mitstreitern, mit den Dramen Lessings und dem späteren Konzept der Bildungsromane wie Karl Philipp Moritz’ „Anton Reiser“. Damals wurde die europäische Kultur- und Bildungsgeschichte nachhaltig beeinflusst, und eine Richtung vorgegeben, die die mystifizierenden Tendenzen des Mittelalters bekämpfen und nach und nach durch das ersetzen sollte, was Jürgen Habermas als das der Aufklärung verpflichtete „Projekt der Moderne“1 bezeichnet. Im Vergleich dazu beklagenswert schlecht ist es um die Motivation zur politischen Aufklärung im Deutschland von heute bestellt. Nach dem Wortlaut des Artikels 21(1) unseres Grundgesetzes sind die Parteien für die politische Willensbildung zuständig. Doch eine verknöcherte Bildungspolitik und wachsendes Desinteresse der Parteikader für die Schwerpunkte junger Bürgerinnen und Bürger führen laut einer Forsa-Umfrage von 2005 bei 55% der Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren zu einer Verdrossenheit mit den Parteien und dem politischen System.2 Möglicherweise wächst eine Generation heran, die alle Vorzüge einer Industriegesellschaft nutzt, ohne ihre Mechanismen zu begreifen oder ihre Ursprünge zu schätzen. Sieht so eine aufgeklärte Gesellschaft im Kantischem Sinne aus? Zunächst ist zu klären, was Immanuel Kant selbst unter Aufklärung versteht, danach wird die Wirkung des Aufsatzes auf das Verständnis ausgewählter Rezipienten und den Epochenbegriff der Literaturwissenschaft betrachtet. Die Beantwortung der Frage „Was ist Aufklärung?“ veröffentlichte Kant als vielbeachteten Aufsatz in der Berlinischen Monatsschrift, die 1783 in Berlin zum ersten Mal erschienen war.
Aufklärung ist heute, lange nach der ersten Verwendung des Wortes als Neologismus in Kaspar Stielers „Zeitungs Lust und Nutz“ von 1695, zum üblichen Wort in der Alltagssprache geworden. Jeder Gymnasiast der Oberstufe kann den Begriff mit den geistesgeschichtlichen Leistungen einer literarischen Epoche verbinden, mit dem politischen Philosophen Jean-Jacques Rousseau und seinen Mitstreitern, mit den Dramen Lessings und dem späteren Konzept der Bildungsromane wie Karl Philipp Moritz’ „Anton Reiser“.
Damals wurde die europäische Kultur- und Bildungsgeschichte nachhaltig beeinflusst, und eine Richtung vorgegeben, die die mystifizierenden Tendenzen des Mittelalters bekämpfen und nach und nach durch das ersetzen sollte, was Jürgen Habermas als das der Aufklärung verpflichtete „Projekt der Moderne“[1] bezeichnet.
Im Vergleich dazu beklagenswert schlecht ist es um die Motivation zur politischen Aufklärung im Deutschland von heute bestellt. Nach dem Wortlaut des Artikels 21(1) unseres Grundgesetzes sind die Parteien für die politische Willensbildung zuständig. Doch eine verknöcherte Bildungspolitik und wachsendes Desinteresse der Parteikader für die Schwerpunkte junger Bürgerinnen und Bürger führen laut einer Forsa-Umfrage von 2005 bei 55% der Jugendlichen im Alter von 14 bis 17 Jahren zu einer Verdrossenheit mit den Parteien und dem politischen System.[2] Möglicherweise wächst eine Generation heran, die alle Vorzüge einer Industriegesellschaft nutzt, ohne ihre Mechanismen zu begreifen oder ihre Ursprünge zu schätzen. Sieht so eine aufgeklärte Gesellschaft im Kantischem Sinne aus?
Zunächst ist zu klären, was Immanuel Kant selbst unter Aufklärung versteht, danach wird die Wirkung des Aufsatzes auf das Verständnis ausgewählter Rezipienten und den Epochenbegriff der Literaturwissenschaft betrachtet.
Die Beantwortung der Frage „Was ist Aufklärung?“ veröffentlichte Kant als vielbeachteten Aufsatz in der Berlinischen Monatsschrift, die 1783 in Berlin zum ersten Mal erschienen war.
Bereits 1796 wurde deren Redaktion wieder geschlossen, da ihre Beschäftigung mit aktuellen gesellschaftstheoretischen Fragestellungen und vor allem die antiklerikale Tendenz der Herausgeber zu Problemen mit der obrigkeitlichen Zensur in Preußen führte, die seit dem Religionsedikt von 1788 stetig verschärft worden war .
Immanuel Kant hatte aus seiner Königsberger Heimat regelmäßigen Kontakt zu den Redakteuren, schätzte sie trotz unterschiedlicher politischer Ansätze und veröffentlichte dort mindestens einen Beitrag im Jahr.[3]
Den Anlass zur Frage nach einer Eingrenzung des Modewortes ‚Aufklärung’ hatte der Prediger Johann Friedrich Zöllner (1753-1804), der damit einige Beiträge in der Berlinischen Monatsschrift, darunter auch Kants Veröffentlichung motivierte.
Mit der berühmten prozessualen Definition von Aufklärung als „Ausgang des Menschen aus seiner selbst verschuldeten Unmündigkeit“[4] exponiert Kant nicht nur die praktische Kernintention eines politischen Aufklärungskonzepts, sondern schenkt seinen Lesern auch gleichzeitig einen Leitsatz für ein gutes Leben im philosophischen Sinne. Er ruft den Menschen Mut zu, gegen die durch Angst und Faulheit motivierte Unmündigkeit anzukämpfen, die vom eigenen Willen des Individuums beeinflussbar wäre, aber durch manche „Vormünder des großen Haufens“[5], das können Autoritäten ebenso wie Freunde und Leitfiguren sein, nicht kritisiert oder gar gestützt wird. Diese lehnen aus jeweiligen Gründen den selbständigen Gebrauch der Vernunft und die menschliche Freiheit ab. Diejenigen, die nicht zu den Anhängern der Aufklärung zählen, halten dabei die ihnen anvertrauten Menschen bewusst in Unsicherheit und Angst und schüren die Vorurteile gegen das vernünftige Denken, vor allem um selbst nicht den Verlust ihrer Privilegien fürchten zu müssen.[6] Aufgrund dieser Spaltung der Gesellschaft sieht Kant die Lösung des Konflikts nicht in einem revolutionären Aufstand der Aufklärer, da dieser unweigerlich in kriegerischer Auseinandersetzung enden würde. Vielmehr befürwortet er die langsame Argumentationsarbeit von oben, die die Mitglieder der Gesellschaft von innen heraus überzeugen und damit reformieren soll.[7]
Als wichtigstes Mittel der Überzeugungsarbeit bezeichnet Kant das öffentliche Räsonnement, oder anders gesagt den legalen gesellschaftlichen Diskurs. Dieser eröffnet den Aufklärern die Möglichkeit, gesellschaftliche Missstände und systemische Fehler publik zu machen, indem fundierte Kritik geübt und darüber anschließend diskutiert werden kann. Unter der Regentschaft Friedrichs II. des Großen von 1740 bis 1786 wurde die öffentliche, unzensierte Äußerung in Preußen tatsächlich erleichtert, jedoch nutzten dies hauptsächlich Gelehrte mit Rang und Namen. Das wird von Kant insgesamt positiv bewertet. Außerdem wurde die Förderung beschränkt auf die öffentliche Debatte, wodurch offen bleibt, ob Kants Befürwortung hauptsächlich einer elitären Gelehrtendebatte galt, oder ob er bereits einen modernen Begriff von Öffentlichkeit in weltbürgerlicher Hinsicht verwendet. Die private Äußerung, oder vielmehr die Auflehnung eines Individuums gegen durch Staat oder Kirche institutionalisierte Regelwerke war jedenfalls nach wie vor unerwünscht. Auch das findet die ausdrückliche Zustimmung Kants, da er ansonsten die Stabilität der bürgerlichen Gesellschaft gefährdet sähe. Mit Hilfe einer „Reform der Denkungsart“[8]
will Kant die Forderung aus seiner „Grundlegung der Metaphysik der Sitten“ umsetzen, dass die willkürliche Freiheit eines Jeden bei der Beeinträchtigung der Freiheit des Nächsten enden solle, und zwar so, dass die Maxime seines Handelns allgemeine Gültigkeit haben kann.[9] Aus rechtsphilosophischer Perspektive bedeutet dieses Sittengesetz in Form des kategorischen Imperativs eine substantielle Sicherung und Erweiterung der persönlichen Freiheit auf lange Frist durch Einschränkung von jedermanns Freiheit. „Dieses Moment der Vergrößerung autonomer Bereiche durch scheinbare Begrenzung macht das Hauptmovens [der] Aufklärung aus“[10].
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[1] Habermas, Jürgen „Die Moderne - ein unvollendetes Projekt.“ In: Ders.: Kleine politische Schriften Bd.3, suhrkamp Verlag, Frankfurt/Main 1982, S.444
[2] Welt-online vom 13.09.2005
[3] Edmunds S.50f
[4] „Was ist Aufklärung?“ S.20
[5] „Was ist Aufklärung?“ S.21
[6] Ebenda
[7] Denker S.79
[8] „Was ist Aufklärung?“ S.21
[9] Vgl. „Grundlegung einer Metaphysik der Sitten“ S.55f
[10] Döring S.79
- Arbeit zitieren
- Markus Koch (Autor:in), 2007, Diskussion des Begriffs der Aufklärung auf Grundlage von Kants Aufklärungsschrift, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110906
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