Will man ein Testverfahren zweier sich widersprechender Hypothesen erstellen, muss man sich zunächst über folgende Punkte im Klaren sein:
a) Ein Test ist seinem Wesen nach darauf angelegt, ein Werturteil über die zu testenden Hypothesen abzugeben. Dieses Urteil kann richtig, aber - leider - auch falsch sein. Daher ist es ratsam, vor Testbeginn die Wahrscheinlichkeit für eine mögliche Fehlentscheidung zu berechnen. Ist dies größer als 0,5, so tut man gut daran, allen Beteiligten die Prozedur des Tests zu ersparen. In diesem Fall ist es einfacher und sinnvoller, eine „Münze zu werfen“ und auf diese Art einer der Hypothesen den Vorrang zu geben.
b) Ein Testverfahren wäre andererseits überfordert, wollte man von ihm verlangen, mit absoluter Sicherheit die wahre Hypothese herauszufinden. Die Erfüllung der Gleichung P(„Eine richtige Entscheidung wird getroffen“) = 1 bleibt daher eine Illusion.
c) Der Testersteller ist somit gehalten, einen akzeptablen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremfällen zu suchen. Er ist aufgefordert, die zur Verfügung stehenden verschiedenen Testmethoden optimal und situationsgerecht einzusetzen.
Zwei in der Schule zu behandelnden Methoden, den Alternativtest und den Signifikanz- bzw. Nullhypothesentest, wollen wir hier näher betrachten und deren entscheidenden Unterschiede aufzeigen.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Alternativtest
2.1. Wesentliche Merkmale des Alternativtests
2.2. Beispiel für den Alternativtest
2.2.1. Allgemeine Berechnung
2.2.2. Spezielle Zahlenbeispiele
2.2.2.1. Stichprobenlänge n gleich 10
2.2.2.2. Stichprobenlänge n gleich 100
3. Übergang vom Alternativtest zum Signifikanztest
4. Signifikanztest
4.1. Wesentliche Merkmale des Signifikanztest
4.2. Beispiel für den Signifikanztest
5. Schlussbemerkungen
5.1. Interpretation der Sicherheitswahrscheinlichkeit
5.2. Auswahl der Testmethode
5.3. Testergebnis korrigiert Wahrscheinlichkeiten
1.Einführung
Will man ein Testverfahren zweier sich widersprechender Hypothesen erstellen, muss man sich zunächst über folgende Punkte im Klaren sein:
a) Ein Test ist seinem Wesen nach darauf angelegt, ein Werturteil über die zu testenden Hypothesen abzugeben. Dieses Urteil kann richtig, aber – leider – auch falsch sein. Daher ist es ratsam, vor Testbeginn die Wahrscheinlichkeit für eine mögliche Fehlentscheidung zu berechnen. Ist dies größer als 0,5, so tut man gut daran, allen Beteiligten die Prozedur des Tests zu ersparen. In diesem Fall ist es einfacher und sinnvoller, eine „Münze zu werfen“ und auf diese Art einer der Hypothesen den Vorrang zu geben.
b) Ein Testverfahren wäre andererseits überfordert, wollte man von ihm verlangen, mit absoluter Si- cherheit die wahre Hypothese herauszufinden. Die Erfüllung der Gleichung P(„Eine richtige Ent- scheidung wird getroffen“) = 1 bleibt daher eine Illusion.
c) Der Testersteller ist somit gehalten, einen akzeptablen Mittelweg zwischen diesen beiden Extremfällen zu suchen. Er ist aufgefordert, die zur Verfügung stehenden verschiedenen Testmethoden optimal und situationsgerecht einzusetzen.
Zwei in der Schule zu behandelnden Methoden, den Alternativtest und den Signifikanz- bzw. Null- hypothesentest, wollen wir hier näher betrachten und deren entscheidenden Unterschiede aufzeigen.
2. Alternativ-Test
2.1. Wesentliche Merkmale des Alternativtests
A) Es handelt sich um zwei sich widersprechende Hypothesen H1 und H2, die gleichzeitig getestet werden sollen.
B) Von den beiden Hypothesen muss genau eine wahr sein.
C) Die den beiden Hypothesen entsprechenden Wahrscheinlichkeiten (bzw. Wahrscheinlichkeitsbereiche) müssen durch ein „verbotenes“ Intervall getrennt sein.
Zur Veranschaulichung des Begriffes „verbotenes“ Intervall betrachte man die Beispiele in Figur 1.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Fig. 1 Veranschaulichung des Begriffes „verbotenes“ Intervall
Das „verbotene“ Intervall bezeichnet also den Wahrscheinlichkeitsbereich, der zwischen den beiden Hypothesen liegt und weder zu H1noch zu H2gehört.
Sind die Bedingungen A), B) und C) erfüllt, so sind die folgenden Punkte D), E) und F) ebenfalls gesichert.
D) Man führt mit einem einzigen Test – wie dieser auch immer ausgehen mag – auf jeden Fall eine Entscheidung (ein Werturteil) herbei.
E) Beide Hypothesen H1 und H2können gleichermaßen relativ hoch abgesichert werden; d.h. man kann dafür sorgen, dass jede der beiden Hypothesen, unter der Voraussetzung, dass sie jeweils wahr ist, den Test mit entsprechend großer Wahrscheinlichkeit unbeschadet (ohne abgelehnt zu werden) übersteht.
F) Die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlentscheidung lässt sich beliebig herabsetzen; d.h. die Sicherheit, eine richtige Entscheidung zu treffen, (die sogenannte Sicherheitswahrscheinlichkeit des Tests) lässt sich beliebig erhöhen, falls
a) der Stichprobenumfang hinreichend erhöht wird und
b) das „verbotene“ Intervall genügend groß ist.
2.2. Beispiel für den Alternativtest
An eine Firma werden Schachteln mit elektrischen Widerständen geliefert. Ein Teil davon enthält erste Qualität, das sind Widerstände, von denen nur 10% die vorgeschriebenen Maßtoleranzen nicht einhalten. Die übrigen Schachteln enthalten Widerstände zweiter Qualität mit einem Ausschussanteil von 30%. Leider sind die Aufkleber mit den Qualitätsbezeichnungen aus irgend einem Grunde abhanden gekommen. Für die Weiterverarbeitung ist es aber wichtig die Qualität der Widerstände zu kennen.
Angenommen, wir haben eine beliebige Schachtel dieser Lieferung vor uns liegen und wir interessieren uns für das Ereignis „Ein zufällig aus dieser Schachtel entnommener Widerstand ist defekt“; dann existieren für die Wahrscheinlichkeit dieses Ereignisses die beiden widersprüchlichen Hypothesen:
H1: p = 0,1
H2: p = 0,3
Ferner soll noch die Zusatzinformation (aus dem Lieferschein ersichtlich) bekannt sein:
Die ganze Sendung besteht aus 150 Schachteln; davon enthalten genau 100 Schachteln Widerstände erster Qualität und 50 Schachteln lediglich Widerstände zweiter Qualität. Somit trifft auf 100 Schachteln mit Sicherheit die Hypothese H1zu und auf 50 Schachteln die Hypothese H2.
2.2.1. Allgemeine Berechnung
Um eine Entscheidung über diese beiden Hypothesen treffen zu können, führen wir ein Test-Zufalls- experiment durch, das wir zunächst allgemein formulieren und berechnen. Anschließend werden wir zwei spezielle Zahlenbeispiele anführen.
Test-Zufallsexperiment:
„Wir entnehmen eine Stichprobe der Länge n (mit Zurücklegen – obwohl dies in der Praxis allerdings unvernünftig wäre) und registrieren dabei die Häufigkeit Z der gezogenen defekten Widerstände. Unter Verwendung der unten angeführten Entscheidungsregel nehmen wir dann eine der beiden Hypothesen an und erklären, die angenommene Hypothese treffe auf obige Schachtel mit der noch zu bestimmenden Sicherheit zu.“
Es sollen folgende Abkürzungen gelten:
Häufig gestellte Fragen
Was ist das Inhaltsverzeichnis dieses Dokuments?
Das Dokument enthält eine Einleitung, eine Erläuterung des Alternativtests mit seinen Merkmalen und einem Beispiel, einen Übergang vom Alternativtest zum Signifikanztest, eine Erläuterung des Signifikanztests mit seinen Merkmalen und einem Beispiel, sowie Schlussbemerkungen zur Interpretation der Sicherheitswahrscheinlichkeit, zur Auswahl der Testmethode und zur Korrektur von Wahrscheinlichkeiten durch Testergebnisse.
Was sind die wesentlichen Merkmale des Alternativtests?
Die wesentlichen Merkmale sind: A) Es handelt sich um zwei sich widersprechende Hypothesen H1 und H2, die gleichzeitig getestet werden sollen. B) Von den beiden Hypothesen muss genau eine wahr sein. C) Die den beiden Hypothesen entsprechenden Wahrscheinlichkeiten müssen durch ein "verbotenes" Intervall getrennt sein. D) Mit einem einzigen Test wird auf jeden Fall eine Entscheidung herbeigeführt. E) Beide Hypothesen können relativ hoch abgesichert werden. F) Die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlentscheidung lässt sich beliebig herabsetzen.
Was ist ein Beispiel für den Alternativtest im Dokument?
Das Beispiel beschreibt eine Firma, die Schachteln mit elektrischen Widerständen geliefert bekommt, wobei ein Teil erste Qualität (10% Ausschuss) und ein Teil zweite Qualität (30% Ausschuss) enthält. Die Qualitätsbezeichnungen fehlen, und es soll durch einen Test entschieden werden, welche Qualität in einer bestimmten Schachtel enthalten ist.
Was wird unter dem Begriff "verbotenes Intervall" verstanden?
Das "verbotene" Intervall bezeichnet den Wahrscheinlichkeitsbereich, der zwischen den beiden Hypothesen liegt und weder zu H1 noch zu H2 gehört. Es trennt die Wahrscheinlichkeitsbereiche der beiden Hypothesen voneinander.
Was sind die Kriterien für einen akzeptablen Test laut der Einführung?
Ein akzeptabler Test soll die Wahrscheinlichkeit für eine Fehlentscheidung berücksichtigen und möglichst gering halten, aber nicht den Anspruch erheben, mit absoluter Sicherheit die wahre Hypothese zu finden. Es soll ein akzeptabler Mittelweg zwischen diesen beiden Extremfällen gesucht werden, indem die verfügbaren Testmethoden optimal eingesetzt werden.
Was sind die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Alternativtest und dem Signifikanztest (bzw. Nullhypothesentest)?
Das Dokument zielt darauf ab, die wesentlichen Unterschiede zwischen dem Alternativtest und dem Signifikanztest bzw. Nullhypothesentest aufzuzeigen. Die detaillierten Unterschiede werden im weiteren Verlauf des Textes erläutert.
- Quote paper
- Dipl.-Phys. Günter Meserle (Author), 2007, Testen von Hypothesen über unbekannte Wahrscheinlichkeiten, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110706