Am 9.November 1933 wurde von der Reichstheaterkammer (RTK) und vom Vorstand des Deutschen Bühnenvereins (DBV) an alle deutschen Theater ein Schreiben versandt, worin ausdrücklich dekretiert wurde, dass sich auch die Theater in den Dienst der Wahlpropaganda stellen sollten. Es hieß darin:
»Der 12. Nov. ist für das gesamte Deutsche Volk von besonderer Bedeutung durch die Volksabstimmung über das Friedensprogramm der Regierung und durch die Reichstagswahl. Die Volksabstimmung und Reichstagswahl sind keine ausschließlich innenpolitischen Angelegenheiten sondern haben über Deutschlands Grenzen hinaus Weltbedeutung. Es muss jede nur erdenkliche Möglichkeit der Propaganda ausgeschöpft werden. Die Theater können und sollen in besonderer, ihrem Aufgabengebiet angepasster Weise die Wahlpropaganda betreiben. Als ein wirksames Mittel werden seitens der Reichspropagandaleitung Sprechchöre angesehen, die im Theater auf die Bedeutung des 12. Nov. hinweisen. Sie sind nicht täglich und nicht bei jeder beliebigen Vorstellung wirkungsvoll, sondern man wird sie in der Zeit von jetzt bis zur Wahl 3-4 mal einsetzen können und nur dann, wenn es nach dem Charakter der Aufführung angemessen erscheint. Am zweckmäßigsten wird es sein wenn die Sprechchöre in einer Pause auftreten und in Wechselreden mit einem Sprecher schlagwortartig die Forderungen des 12. Nov. verkünden.«
Und sogar die Schlagzeilen für Presse, Transparente und Klebezettel mit den propagandistischen Slogans wie: »Das Deutsche Volk will den Frieden, aber einen Frieden der Ehre und der Gleichberechtigung«, oder »Wir wollen kein Volk minderen Rechtes sein«, »Unsere Ziele sind: Arbeit, Freiheit, Brot und ein Frieden, der der Würde und der Ehre des Deutschen Volkes entspricht«, oder aber »Mit Hitler für einen Frieden der Ehre und der Gleichberechtigung«, »Hitlers Kampf ist der Kampf um den wirklichen Frieden der Welt«, sowie »Mit Hitler gegen den Rüstungswahnsinn der Welt«, und zu guter Letzt »Nicht Deutschland bedroht den Frieden der Welt – Deutschland hat abgerüstet« wurden gleich mitgeliefert.
Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie ab 1933 aktive Wahlpropaganda im Theater betrieben wurden, wie man Kunst und Kultur direkt in den ›Dienst‹ der Politik stellte. Doch wie war so etwas überhaupt möglich? Wie geschah es, dass die Kunst, als an und für sich unpolitisches und autonomes Medium zu einem Teil der NS-Propaganda werden konnte?
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Forschungsstand und Quellenlage
2. Zentralisierung des Musiklebens – Träger nationalsozialistischer Musiktheaterpolitik
2.1. Alfred Rosenberg und der Kampfbund für deutsche Kultur
2.2. Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude
2.3. Joseph Goebbels und die Reichskulturkammer
2.3.1. Die Reichstheaterkammer
2.3.2. Das Reichstheatergesetz
2.3.3. Der Reichsdramaturg
2.4. Resümee
3. Die Instrumentalisierung der Musik – Vorgaben zur Erstellung eines neuen deutschen Spielplans
3.1. ›Kulturbolschewismus‹ und ›Entartete Musik‹ – Ausgrenzung, Verbote, ›Säuberungen‹
3.2. Das ›Deutsche‹ an Mozart, Beethoven, Brahms und Wagner – Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln
3.2.1. Die Pflege der ›Klassiker‹
3.2.2. Die Förderung von zeitgenössischen Komponisten
3.3. Resümee
4. Strukturelle Veränderungen
4.1. Finanzpolitik
4.1.1. Die Jahre bis
4.1.2. Die Finanzierung im Dritten Reich
4.2. Personalpolitik
4.2.1. 1933: Der Intendantenwechsel Kehm-Krauß nach der ›Machtübernahme‹
4.2.2. ›Säuberungen‹ am Staatstheater
4.2.3. Der Intendantenwechsel im Jahre 1937: Krauß-Deharde
5. Inhaltliche Veränderungen
5.1. Dramaturgie – die Stuttgarter Dramaturgischen Blätter als Propagandamedium?
5.1.1. Die ›Machtübernahme‹ am Staatstheater: NS-Ideologie und aktive Propaganda (1933-1937)
5.1.2. Die Jahre 1937-1941 – Rückkehr zur unpolitischen Theaterzeitschrift?
5.2. Spielplanpolitik
5.2.1. Spielplangestaltung unter Otto Krauß (1933-1937)
5.2.2. Spielplangestaltung unter Gustav Deharde (1937-1939)
5.2.3. Spielplangestaltung Dehardes während des Krieges (1939-1944)
5.2.4. Der Spielplan der Oper: Spielplananalyse 1933-
5.2.5. Uraufführungen von 1933-1944 – ideologisch oder musikalisch ›wertvoll‹?
6. Schlussbetrachtung
Abkürzungsverzeichnis
Quellen- und Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Am 9. November 1933 wurde von der Reichstheaterkammer (RTK) und vom Vorstand des Deutschen Bühnenvereins (DBV) an alle deutschen Theater ein Schreiben versandt, worin ausdrücklich dekretiert wurde, dass sich auch die Theater in den Dienst der Wahlpropaganda stellen sollten. Es hieß darin:
»Der 12. Nov. ist für das gesamte Deutsche Volk von besonderer Bedeutung durch die Volksabstimmung über das Friedensprogramm der Regierung und durch die Reichstagswahl. Die Volksabstimmung und Reichstagswahl sind keine ausschließlich innenpolitischen Angelegenheiten sondern haben über Deutschlands Grenzen hinaus Weltbedeutung. Es muss jede nur erdenkliche Möglichkeit der Propaganda ausgeschöpft werden. Die Theater können und sollen in besonderer, ihrem Aufgabengebiet angepasster Weise die Wahlpropaganda betreiben. Als ein wirksames Mittel werden seitens der Reichspropagandaleitung Sprechchöre angesehen, die im Theater auf die Bedeutung des 12. Nov. hinweisen. Sie sind nicht täglich und nicht bei jeder beliebigen Vorstellung wirkungsvoll, sondern man wird sie in der Zeit von jetzt bis zur Wahl 3-4 mal einsetzen können und nur dann, wenn es nach dem Charakter der Aufführung angemessen erscheint. Am zweckmäßigsten wird es sein wenn die Sprechchöre in einer Pause auftreten und in Wechselreden mit einem Sprecher schlagwortartig die Forderungen des 12. Nov. verkünden.«[1]
Und sogar die Schlagzeilen für Presse, Transparente und Klebezettel mit den propagandistischen Slogans wie: »Das Deutsche Volk will den Frieden, aber einen Frieden der Ehre und der Gleichberechtigung«, oder »Wir wollen kein Volk minderen Rechtes sein«, »Unsere Ziele sind: Arbeit, Freiheit, Brot und ein Frieden, der der Würde und der Ehre des Deutschen Volkes entspricht«, oder aber »Mit Hitler für einen Frieden der Ehre und der Gleichberechtigung«, »Hitlers Kampf ist der Kampf um den wirklichen Frieden der Welt«, sowie »Mit Hitler gegen den Rüstungswahnsinn der Welt«, und zu guter Letzt »Nicht Deutschland bedroht den Frieden der Welt – Deutschland hat abgerüstet«[2] wurden gleich mitgeliefert.
Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie ab 1933 aktive Wahlpropaganda im Theater betrieben wurden, wie man Kunst und Kultur direkt in den ›Dienst‹ der Politik stellte. Doch wie war so etwas überhaupt möglich? Wie geschah es, dass die Kunst, als an und für sich unpolitisches und autonomes Medium zu einem Teil der NS-Propaganda werden konnte?
Als die Nationalsozialisten unter Hitler 1933 an die Macht kamen, betrachteten sie dies als den Beginn eines politischen wie auch kulturellen Umsturzes. Sie wollten dem Pluralismus der Weimarer Republik in jeder Hinsicht ein Ende bereiten. Die Kultur spielte dabei eine ganz besondere Rolle:
»Die Idee des Nationalsozialismus beruht ja darauf, dem deutschen Volke die ihm gemäße und es zum Heile führende ›Richtung‹ zu geben. Da der Kampf hierum im Reich des Geistes wie in der Politik geführt werden muß, kann der Nationalsozialismus auch nicht die Mittel der Kunst entbehren. Wir sind täglich den Auswirkungen der Kunst ausgesetzt und es kann uns daher nicht gleichgültig sein, ob diese Beherrscherin der Herzen unser Volk verführt oder es zu sich selbst, zu der Erfüllung seiner Sehnsucht leitet. Und deshalb handelt es sich bei unserer Aufgabe auch nicht um ein Nebengebiet, sondern um das Wichtigste: ›um die Seele unseres Volkes!‹«[3]
Das Regime versuchte daher von nun an, unter Einbeziehung der Kultur, »dem eigenen Herrschaftssystem durch ästhetische Faszination eine Loyalität zu verschaffen, die alle Merkmale der Freiwilligkeit auswies.«[4] Das wiederum vollzog sich auf zwei ineinander greifenden kulturpolitischen Wegen:
»einerseits, formell, über direkte Eingriffe der Politik in die Kultur durch Gesetze und Institutionen bis hin zur terroristischen Repression, andererseits, informell, durch ›unpolitische‹ Bewusstseinslenkung über die Bild- und Symbolsprache des Ästhetischen selbst.«[5]
Ganz allgemein gesehen, lässt sich die kultur- und musikpolitische Strategie damit in zwei Hauptfelder einteilen: erstens die Ausgrenzung, ›Gleichschaltung‹ und ›Säuberung‹ des Kulturlebens, zweitens die ›unpolitische‹ Konsens- und Gemeinschaftsbildung der Bevölkerung durch kulturelle Veranstaltungen[6]. Oder wie Hildegard Brenner formulierte: »Politik, die sich auf Kunst richtet« und, »Politik, die mit Kunst gemacht wird.«[7]
Die wirtschaftliche Lage von Kunst und Kultur, Künstlern und Kulturschaffenden, hatte sich während der Weimarer Republik dramatisch verschlechtert: Die Arbeitslosenquote betrug Anfang 1933 unter den Musikern 46 Prozent, bei Sängern und Gesangslehrern 43,5 Prozent. Die Arbeitslosigkeit insgesamt lag, im Vergleich dazu, bei 28 Prozent.[8] Kein Wunder also, dass viele der Musiker vom NS-Regime eine stärkere finanzielle Unterstützung der Kunst und die Schaffung neuer Arbeitsplätze erwarteten, und so Hitlers Kulturpolitik, die die Schaffung und Förderung einer neuen deutschen Kultur vorsah, im Grunde optimistisch gegenüberstanden. Und so konnte geschehen, was bis heute unzweifelhaft als eines der schwärzesten Kapitel der deutschen Kulturgeschichte bezeichnet werden kann: die totale Vereinnahmung und Lenkung des Kulturlebens durch den NS-Staat.
Die Aufgabe der vorliegenden Arbeit ist es, an einem konkreten Beispiel, nämlich der Institution Oper, zunächst die organisatorischen Strukturen und die dadurch bedingte Einflussnahme eines totalitären Herrschaftssystems im Bereich der Musikpolitik zu erläutern, um dann den Missbrauch und die gezielte ›Indienstnahme‹ der Musik für politische Zwecke aufzuzeigen. Der Bereich der Musik wurde speziell für diesen Zweck ausgesucht, da ihr in der Kulturpolitik der NS-Diktatur ein besonderer Stellenwert unter den Künsten eingeräumt wurde. Mit ihrer Hilfe sollte es gelingen, dem nationalsozialistischen Staat Ausdruck zu verleihen und sich über sie neu zu definieren, wie beispielsweise folgendes Zitat von dem bayerischen Staatsminister für Unterricht und Kultus, Hans Schemm[9], bestätigt: »Unter sämtlichen kulturellen Gütern des deutschen Volkes steht die deutsche Musik an erster Stelle. Sie ist die deutscheste aller Künste. Am schönsten und reinsten und am unmittelbarsten findet in ihr die deutsche Seele ihren Ausdruck.«[10] Und gerade der Oper kam dabei im neuen System eine herausragende Funktion zu, denn
»[der] traditionell starke Öffentlichkeitscharakter [der Oper] erfährt seine Betonung durch die nazistische Heraufbeschwörung eines Gemeinschaftserlebnisses mit weihevollem Charakter, das sich auf das zumeist doch ungeistige und romantisch-verblasene Verhältnis des Theaterbesuchers zur Oper spekuliert.«[11]
Auch die Oper kann sich dem Einfluss der neuen Politik nicht entziehen, stattdessen wird sie instrumentalisiert und für die Absichten der faschistischen Propaganda ›missbraucht‹. Dabei wäre gerade sie sozusagen als ›Gesamtkunstwerk‹ – in welchem die drei Künste Musik, Sprache und Darstellung vereint sind – mehr als vielleicht andere Gattungen dazu prädestiniert, sich dem ideologischen Missbrauch zu widersetzen bzw. den politischen Ereignissen kritisch gegenüberzustehen, wie sie das beispielsweise in der Weimarer Republik getan hat[12]. Oder aber war es gerade dieses Zusammenspiel der Künste, weshalb sie besonders dafür geeignet schien für politische Zwecke eingesetzt zu werden? Welchen Einfluss hatten die NS-Diktatur und ihre Herrscher auf die Oper, und was versprach man sich von ihr?
Die Opernhäuser mit ihrer großen Öffentlichkeitswirkung waren für die Nationalsozialisten von besonderem Interesse: durch die Öffnung des ansonsten zum größten Teil der privilegierten Bildungsschicht zugänglichen Musikbereiches für breite Bevölkerungsschichten, wollte man das Gemeinwesen stärken und somit zur Erschaffung der im Nationalsozialismus vielbeschworenen ›Volksgemeinschaft‹ beitragen. Am Beispiel der Württembergischen Staatstheater Stuttgart, soll aufgezeigt werden, wie die ›Indienstnahme‹ eines staatlich geförderten Opernhauses durch den Nationalsozialismus in den Jahren 1933-1944 stattgefunden hat, welche Auswirkungen das auf die Institution Oper hatte, und inwieweit sich NS-Propaganda in der Spielplanpolitik nachweisen lässt.
Dazu muss bereits an dieser Stelle angemerkt werden, dass es sich bei den Württembergischen Staatstheatern Stuttgart[13] während dieser Jahre keinesfalls um eine der Spitzenbühnen Deutschlands[14] handelte. Mit den ›großen‹ der staatlichen Bühnen während der NS-Zeit waren die beiden Opernhäuser in Berlin, die Preußische Staatsoper Unter den Linden [15], sowie die ehemalige Städtische Oper, ab 1933 Reichsoper Deutsches Opernhaus Berlin, und die Bayerische Staatsoper gemeint. Das Stuttgarter Staatstheater stand mit einer Reihe von renommierten städtischen Theatern, wie Frankfurt, Köln, Hamburg und Düsseldorf in der zweiten Reihe, gefolgt von den ehemaligen Hofbühnen wie Karlsruhe und Hannover.[16] Dass die großen Häuser für die Nationalsozialisten als Aushängeschilder im In- und Ausland fungierten, ist mittlerweile, wenn auch nicht hinreichend, so doch zumindest recht umfassend belegt[17]. Dass aber auch eine national und international weit weniger bekannte Bühne wie die Stuttgarter Opernbühne von den Nationalsozialisten funktionalisiert wurde, in welchem Umfang, und unter welche Bedingungen, das will die vorliegende Arbeit deutlich machen. Die Absicht der folgenden Untersuchungen ist es, die repräsentativen Spektren des Musiktheaters im Nationalsozialismus unter politischen Aspekten in ein Bezugssystem zu bringen und den Standort der Oper in einem totalitären System zu bestimmen.
Die Arbeit ist in zwei große Teile untergliedert, wobei der Hauptteil Teil B ist. Teil A beschäftigt sich mit den allgemeinen Rahmenbedingungen, Inhalten und Grundlagen nationalsozialistischer, dem Musiktheater gewidmeter Politik. Dabei lassen sich zwei Hauptziele der NS-Kulturpolitik aufzeigen: 1. die Zentralisierung des gesamten Musiklebens, 2. die Instrumentalisierung der Musik. Denn um diese ganz in den Dienst der Politik stellen zu können, war es aus politischer Sicht wichtig, die staatliche Kontrolle und somit die ideologische Einflussnahme auf Künstler, Veranstalter und Besucher zu erlangen. Aus diesem Grunde war eine erste, unmittelbare Folge der ›Machtübernahme‹ die Errichtung einer parteibestimmten Ämterhierarchie zur straffen Lenkung und Überwachung des gesamten kulturellen Lebens, was in Kapitel 2 dargestellt wird. Darin wird unter anderem aufgezeigt, wer die verantwortlichen, politischen ›Hauptakteure‹ waren, und ob sie eine gemeinsame kulturpolitische Linie hatten, oder ob nicht die jeweiligen Vorgaben der neuen Kulturpolitik doch eher unterschiedlich (personenbezogen) waren. Bei dieser Betrachtung konzentrieren sich die vorliegenden Ausführungen beinahe ausschließlich auf die tatsächlich für die Lenkung der Opernhäuser relevanten Organisatoren und Ansprechpartner.
In Kapitel 3 wird im wesentlichen die inhaltliche Auseinandersetzung der Politik mit der Musik, insbesondere der Oper untersucht. »Die musikalische Dichtung [ist] diejenige künstlerische Grundform, welche den völkischen Wesenheiten der einzelnen Nationen am bezwingendsten und umfassendsten Ausdruck verleiht«[18], war die Ansicht von Reichsdramaturg Schlösser. Dies schien ihm und anderen Kulturpolitikern des Nationalsozialismus offenkundig und so klar, dass im Bereich der Oper die eindeutigsten Richtlinien zur Spielplangestaltung herausgegeben wurden. So lassen sich sowohl offiziell verbotene als auch geförderte Komponisten feststellen. Anhand einiger ausgewählter kulturpolitischer Reden und Schriften wird untersucht, mit welchen ns-ideologischen ›Argumenten‹ ein Werk oder Komponist in einem Fall gut geheißen und gefördert, im nächsten Fall als ›entartet‹ abgestempelt und verfolgt wurde, und wie die ideologischen Vorgaben zur Erstellung eines ›neuen, deutschen Opernspielplans‹ ausgesehen haben. Dabei sollen die Darstellungen verdeutlichen, inwieweit die Politik tatsächlich Einfluss auf die Musik genommen hat und wie viel der NS-Ideologie – propagandistisch aufbereitet – nicht nur zur Bewertung der Musik, sondern vor allem zur Mobilisierung der Bevölkerung eingesetzt wurde, d.h. in welchem Ausmaß die NS-Diktatur die Musik bzw. speziell die Oper vereinnahmt und für ihre Zwecke missbraucht hat.
Teil B schließt mit den realen praktischen Umsetzungen und Auswirkungen des in Teil A Dargestellten auf den Spielbetrieb der Stuttgarter Oper an. Anhand von Untersuchungen zur Führungsstruktur und zu den personalpolitischen Umstrukturierungen wird die tatsächliche Umsetzung der NS-Kulturpolitik am Spielbetrieb der Stuttgarter Oper exemplifiziert, wobei auch hier zum Einen der strukturelle Wandel, zum Anderen inhaltliche Veränderungen von 1933-1944[19] untersucht werden. Die NS-Zeit am Stuttgarter Staatstheater lässt sich in zwei Phasen unterteilen, die mit den jeweils wechselnden Intendanten einsetzen: Die ›Ära Krauß‹ (1933-1937) und die ›Ära Deharde‹ (1937-1944). Beide waren NSDAP-Mitglieder, die jedoch auf Grund ihrer unterschiedlichen ideologischen Gesinnung die kulturpolitischen Ziele der Partei durchaus differenziert an der Oper umsetzten. Die gesamten Ausführungen müssen daher immer unter Berücksichtigung der individuellen Führungsstrukturen gesehen werden.
Im Kapitel 4 werden zunächst die strukturellen und personellen Entscheidungen ab 1933, d.h. Finanzpolitik sowie Personalpolitik unter besonderer Berücksichtigung der ›Säuberungen‹ im Jahre 1933 dargestellt. Die analysierenden Fragen hierbei lauten: Wie stark war der Einfluss der Berliner Reichspolitik auf ein mittleres Theater wie das in Stuttgart? Welche Rolle spielten dabei die Intendanten und von wem wurden die endgültigen Entscheidungen getroffen?
Kapitel 5 wird schließlich aufzeigen, wie die Politik durch gezielte Propaganda einen nicht unerheblichen Einfluss auf die inhaltliche Arbeit an einem Theater gewinnen konnte. Dieses wird an zwei Beispielen aus der praktischen Arbeit an den Staatstheatern untersucht, nämlich an der Dramaturgie und an der Spielplangestaltung. Auch hier ist es wichtig, sowohl die jeweiligen politischen, sowie die interne personelle Lage zu berücksichtigen. Da der Kriegsbeginn im September 1939 auch eine kulturpolitische Neuorientierung an der Oper bedeutete, wird diese Phase (Sept. 1939-1944) innerhalb der ›Ära Deharde‹ gesondert untersucht. Analysiert werden zum einen die Stuttgarter Dramaturgischen Blätter, eine Publikumsprogrammzeitschrift, die begleitend zur Arbeit an den Staatstheatern herausgegeben wurde. Zum anderen Äußerungen der Intendanten zur Spielplangestaltung. Die dramaturgische Arbeit wird auf NS-Propaganda und Ideologie untersucht. Eine statistische Auswertung des gesamten Spielplans von 1933-1944 schließlich soll aufzeigen, ob anhand des Repertoires Rückschlüsse darauf gezogen werden können, dass ideologische Zusammenhänge von Werken bzw. Komponisten und der NS-Politik bestanden. Eine Analyse der Uraufführungen soll außerdem Aufschluss darüber geben, inwieweit Werke und Komponisten dem Einfluss des Staates unterlagen, und wie viel ›künstlerische Freiheit‹ den Intendanten der damaligen Zeit noch zugebilligt wurde. Die Untersuchungen betreffen ausschließlich ideologische und nicht musikalische Aspekte.
Forschungsstand und Quellenlage
Als Standartwerke zur Kulturpolitik im Nationalsozialismus gelten nach wie vor die Publikationen von Hildegard Brenner[20] und die fünfbändige Dokumentensammlung von Joseph Wulf[21]. Gute allgemeine Einführungen in die Musikpolitik des NS-Staates bieten die Werke von Fred K. Prieberg[22], Hanns-Werner Heister/Hans-Günter Klein[23] und Michael Kater[24]. Priebergs Publikation von 1982 ist dabei die erste, umfangreichste und eine auf alle Spektren der Musik im NS-Staat übergreifende Darstellung. Die von den Musikwissenschaftlern Heister/Klein im Jahre 1984 herausgegebenen Aufsätze zeichnen historisch-ideologische Grundsätze nazistischer Kulturpolitik nach und zeigen Etappen über Zentralisierung und Instrumentalisierung der Musik im faschistischen Deutschland bis hin zu deren propagandistischer Indienstnahme auf. Alle genannten Werke geben einen umfassenden Überblick in Organisationen, Strukturen und handelnde Persönlichkeiten des NS-Musiklebens.
Zur Instrumentalisierung von Musikern und ihren Werken im Dritten Reich sei hier zudem, neben den bereits oben erwähnten Standardwerken, auf die gängigsten Veröffentlichungen von Eckhard John[25], Albrecht Dümling/Peter Girth[26] und Michael Kater[27] hingewiesen. Der Schwerpunkt der Untersuchungen von John und Dümling/Girth liegt in der Darstellung des Verbotenen im Dritten Reich Sie zeigen auf was die Schlagworte ›Musikbolschewismus‹ und ›Entartete Musik‹ theoretisch bedeuteten und welche Konsequenzen sich daraus für betroffene Musiker daraus ergaben. Speziell zur Rolle der Oper im Dritten Reich gibt es bisher kaum Untersuchungen. Einen anschaulichen Beitrag zur Funktionalisierung der Oper durch den NS-Staat leisten die Publikationen von Ingo Fulfs[28] und Michael Walter[29]. Während Fulfs sehr Ausführungen sehr allgemein und wenig in die Tiefe gehend sind, stellt Walter die Instrumentalisierung der Oper aus musikwissenschaftlicher Sicht dar.
Zu den Untersuchungen am Württembergischen Staatstheater wurden Primärquellen sowie Sekundärquellen ausgewertet. Die Quellenlage der Primärquellen weist erhebliche Lücken auf, die einmal kriegsbedingt waren oder auf gezielte Aktenvernichtung während und nach dem Krieg zurückzuführen sind. Trotzdem geben die erhaltenen Quellen einen ausreichenden Überblick über die Arbeit an der Stuttgarter Oper während der Jahre 1933-1944. Die Akten befinden sich im Staatsarchiv in Ludwigsburg. Es handelt sich um Verwaltungsakten sowie Akten über den künstlerischen Betrieb, welche in den acht Findbüchern mit der Signatur E18 registriert sind. Für die im Rahmen dieser Arbeit durchgeführten Untersuchungen wurden Personalakten, Rezensionsbücher, Spielpläne (vollständig erhalten!), Aufführungsakten, sowie schriftliche Korrespondenz mit den diversen Organisationen eingesehen und ausgewertet.
Als zweite wichtige Quelle, die sehr aufschlussreiche Hinweise darüber lieferte, wie die ›Machtübernahme‹ an der Stuttgarter Oper stattgefunden hat, dienen die ebenfalls kompletten Hefte der Zeitschrift
Das Programm - Stuttgarter Dramaturgische Blätter. Es handelt sich dabei um eine Publikation der Staatstheater, die in erster Linie musik- und theaterwissenschaftliche Werkseinführungen enthielt und die Arbeit am Theater für die Besucher anschaulich dokumentierte. Durch diese Zeitschrift erhält man eine Vorstellung darüber, wie ein solches – an sich wissenschaftlich-neutrales Medium – schließlich zur Verbreitung der NS-Ideologie als Propagandainstrument eingesetzt wurde.
Teil A:
Grundlagen und Strukturen nationalsozialistischer
Musikpolitik
2. Zentralisierung des Musiklebens – Träger nationalsozialistischer Musiktheaterpolitik
»Politik treiben heißt: das Leben eines Volkes betreuen und auf allen Gebieten des nationalen Daseins für eine gesunde Entwicklung Sorge tragen. Kulturpolitik treiben aber heißt: Betreuung der Seele des Volkes, Pflege seiner schöpferischen Kräfte und aller völkischen Charakter- und Gesinnungswerte, die wir in dem Generalbegriff ›Volkstum‹ zusammenfassen. Der Politiker wie der Kulturpolitiker haben das gleiche Ziel: Schaffung einer starken Nation und Sicherung ebenso ihrer materiellen wie ihrer ideellen Lebensbasis, Sicherung ihres Daseins nach außen und Vertiefung ihres Daseins nach innen.«[30]
Auch in der Musikpolitik wurden zu Beginn des neuen Regimes die beiden grundlegenden Prozesse der ›Gleichschaltung‹ und ›Säuberungen‹ vollzogen. Mit der ›Gleichschaltung, die bereits am 23. März 1933 mit dem Gesetz zur Behebung der Not von Volk und Reich vollzogen wurde, schuf man die formalen Voraussetzungen um das Kulturleben und die Opernhäuser fortan gezielt reglementieren zu können. Dieses Gesetz bewirkte Anfang April die Gleichschaltung der Länder, was heißt, dass deren Regierungen ersetzt wurden durch von Hitler vorgeschlagene Reichstatthalter, die wiederum diktatorische Befugnisse hatten. Sie hatten beispielsweise dafür Sorge zu tragen, dass an den Bühnen von nun an ehemalige Führungskräfte durch Parteigenossen (Pg.) ersetzt wurden.
Die Zentralisierung des gesamten kulturellen Lebens wurde durch die Einrichtung kultureller Überwachungs- und Politisierungsorganisationen wie die Reichskulturkammer (RKK), den Kampfbund für Deutsche Kultur (KfdK) und die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) vorgenommen, in denen sowohl Praktizierende als auch Rezipierende organisiert und kontrolliert wurden. Dies wiederum war die Voraussetzung dafür, die einzelnen Bereiche politisch instrumentalisieren zu können. Die verantwortlichen Hauptakteure der Kulturpolitik, Adolf Hitler, Joseph Goebbels und Alfred Rosenberg hatten eigene, teilweise differierende Ansichten und Vorstellungen von der Aufgabe der Kunst und Kultur im Dritten Reich[31]. Sie versuchten aktiv den notwendigen ideologischen Rahmen der neuen Kulturpolitik zu schaffen, wenn auch ihre Macht und ihr Einfluss unterschiedlich waren.
Hitler beispielsweise bestimmte in erster Linie durch seine Reden auf den Reichsparteitagen der NSDAP den ideologischen Rahmen, der als Richtlinie für alle in der Kultur Tätigen verstanden werden sollte. Ansonsten überließ er die Kulturpolitik aber zu großen Teilen den beiden Kontrahenten Goebbels und Rosenberg, und wurde nur dann aktiv, wenn beide sich nicht einig werden konnten. Goebbels dominierte mit seinen Organisationen, dem Reichspropagandaministerium (ProMi) und der Reichskulturkammer (RKK) die staatliche Kulturpolitik, während Rosenberg von parteiamtlicher Seite zunächst als Leiter des Kampfbundes für deutsche Kultur (KfdK), später offiziell als Beauftragter des Führers für die Überwachung der geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP Einfluss auf die Kulturpolitik nahm.
2.1. Alfred Rosenberg und der Kampfbund für deutsche Kultur
Bereits das Jahr 1927 markierte den Beginn organisierter nationalsozialistischer Kulturarbeit. In diesem Jahr wurde die Nationalsozialistische Gesellschaft für deutsche Kultur – nationalsozialistische wissenschaftliche Gesellschaft in München gegründet. Der Gründungsvater war der spätere Chefideologe der NSDAP, Alfred Rosenberg. 1929 schuf Rosenberg aus der bereits bestehenden Vereinigung eine neue Organisation, die es sich zur Aufgabe gemacht hatte, das deutsche Kulturleben in völkisch-ideologischer Absicht zu lenken und zu überwachen. Rosenberg nannte diese neue Vereinigung den Kampfbund für Deutsche Kultur. Die Ziele dieses politischen Interessenverbandes bauten vornehmlich auf antisemitischen Gründen auf.
Laut Rosenberg waren Judentum, Kommunismus, Katholizismus und Freimaurerei schuld für den politischen Zerfall Deutschlands in der Weimarer Republik. Seine Ideologie war extrem antisemitisch sowie völkisch-national geprägt. Rosenberg selbst sah sich zum einen in der Rolle des Hüters der ›deutschen‹ Kunst und Kultur, zum anderen als Interessenvertreter der ›deutschen‹, d. h. völkischen Kunst. Die Kultur spielte im Kampf gegen die Juden eine große Rolle. Seine Aufgabe sah er darin, dafür Sorge zu tragen, dass mittels der Erschaffung einer NS-Kultur die ›überstaatlichen Mächte‹ nicht wieder zur Entfaltung kommen konnten.
Rosenberg, der unter anderem als Chefredakteur des Völkischen Beobachters (1923 bzw. 1925) tätig gewesen war, galt in der Öffentlichkeit wegen seines bereits 1930 veröffentlichten Buches Mythus des 20. Jahrhunderts, in dem er seine antisemitischen und antimarxistischen Ansichten dargelegt hatte, als führender NS-Ideologe und maßgeblicher Kulturtheoretiker und -politiker der Partei. Bei den Pg. war er allerdings auf Grund seiner extrem völkischen Ideologie umstritten[32]. Das ideologische Ziel der Organisation KfdK war es, gegen » die kulturzersetzenden Bestrebungen des Liberalismus« und für »die im Deutschtum verwurzelten Kräfte«[33] einzutreten. Der KfdK richtete sich in erster Linie an die Bildungselite Deutschlands. Ein Großteil seiner Mitglieder (Verleger, Professoren, Künstler und Kulturschaffende) spielte im gesellschaftlichen Leben, besonders auf kulturellem Gebiet eine bedeutende Rolle. So zum Beispiel Winifred Wagner[34], die Leiterin der Bayreuther Festspiele. Alle Mitglieder teilten die, vor allem konservativen, nationalistischen und rassenbewussten Ansichten von Rosenberg.
Während der Weimarer Republik, der ›Kampfzeit‹ der NSDAP, richtete sich die Arbeit des Kampfbundes im Bereich des Musik- und Theaterlebens in Form von Vorträgen, militanten Aufrufen und Störaktionen, meist in Zusammenarbeit mit der SA, gegen die den ›Bolschewismus‹ und die ›Entartete Musik‹ repräsentierenden Musiker und Komponisten. Häufig folgten den Störaktionen schwere Ausschreitungen (vgl. dazu Exkurs 1). Der KfdK prangerte einen allgemeinen »Sittlichkeits- und Kulturverfall« an, attackierte und diffamierte insbesondere jüdische Persönlichkeiten, lehnte die künstlerische Moderne sowie den Internationalismus ab, und warb für einen »anachronistischen Deutschnationalismus«[35]. Der KfdK bildete damit die erste organisierte Kulturorganisation der Nationalsozialisten.
Da es bis zur Gründung der RKK im Herbst 1933 keine zentrale staatliche Organisation zur Regelung der neuen Kulturpolitik gab, versuchte Rosenberg nach der Machtübernahme Hitlers, mit dem KfdK die Regelung, Kontrollierung und Überwachung des gesamten Kulturbetriebes in Deutschland allein zu übernehmen. Mit ›Säuberungsaktionen‹ versuchte er das gesamte Kulturleben im Sinne seiner Ideologie zu erneuern. Pamphlete gegen das System der letzten Jahrzehnte, das dafür gesorgt hatte, dass Künstler und ihre Talente verkümmerten, wurden ausgegeben. Der KfdK sah seine Zuständigkeiten in der Förderung der Künste, der Erziehung der Jugend, sowie der ideologischen Anpassung der Universitäten und technischen Hochschulen, sowie der Wissenschaften, Geschichte, Biologie und Philosophie. In der Kunst und Kultur sah man die »Verpflichtung zum Dienst an der völkischen Gemeinschaft« ebenso, wie in der Geschichtswissenschaft, die von nun an eine »nationalpolitische Erziehungsaufgabe« bekam.
Eine Stärkung des KfdK konnte Rosenberg zunächst mit der Gründung des Reichsverbandes Deutsche Bühne (DB), der aus dem Zusammenschluss der beiden wichtigsten Besucherorganisationen, dem Verband der freien Volksbühne und dem Bühnenvolksbund entstanden ist, erreichen. Die DB wurde zur einzigen parteiamtlich genehmigten Besucherorganisation, die einerseits für die Erneuerung des Theaterlebens, andererseits für die ideologische Mobilisierung der Besucher zuständig war.
Im Mai 1933 wurde der KfdK von Hitler als Kulturorganisation der NSDAP anerkannt. Während der gesamten Zeit blieb er allerdings eine inoffizielle, nicht von der Regierung autorisierte Parteiorganisation. Die organisatorische sowie finanzielle Grundlage des KfdK lag demnach immer in der NSDAP und nie in der Regierung. Diese Tatsache ist insofern wichtig, als sie ein Problem aufzeigt, weshalb im Konkurrenzkampf um die ›Kulturhoheit‹ Goebbels am Ende als Sieger hervorgegangen ist[36].
Mit der Errichtung der RKK im November 1933 verlor Rosenberg zunehmend an Kompetenzen. Goebbels hatte mit der staatlich anerkannten RKK von nun an das Sagen und die Kulturhoheit inne. Rosenberg wurde im Januar 1934 in dem von Hitler neu gegründeten Amt Rosenberg, als Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Schulung und Erziehung der NSDAP eingesetzt. Am 6. Juni 1934 wurden der KfdK und die Deutsche Bühne zu einer kulturellen Dachorganisation, der NS-Kulturgemeinde (NSKG) vereint, welche wiederum dem Amt für Kunstpflege im Amt Rosenberg unterstellt und somit in der Reichsleitung der NSDAP verankert war. Die neue Organisation war zudem körperschaftlich in Robert Leys Freizeitorganisation Kraft durch Freude (KdF) eingegliedert.
Die Aufgabe der von Rosenberg betreuten Kulturgemeinde bestand vornehmlich in der »Wiederherstellung einer engen Verbindung zwischen Kultur und Volk.«[37].
Auch wenn die NSKG mit der Verankerung in die Reichsleitung der Partei endlich den von Rosenberg bereits seit langem gewünschten institutionellen Rückhalt bekommen hatte, bedeutete die Eingliederung den Anfang von Rosenbergs kulturpolitischem Ende: Finanziert wurde nämlich das Amt Rosenberg, und somit die NSKG, aus Mitteln der Deutschen Arbeitsfront (DAF). Nachdem es in den folgenden Jahren immer wieder zu Spannungen zwischen dem Leiter der DAF, Robert Ley und Rosenberg gekommen war, die aus Konkurrenzkampf zwischen den beiden Organisationen KdF und NSKG auf Grund unklarer Kompetenzbereiche entstanden sind, wurde die NSKG letzten Endes im Jahre 1937 der NS-Gemeinschaft KdF direkt unterstellt und organisatorisch endgültig in die DAF überführt. Damit hatte Rosenberg den Kampf um die von ihm angestrebte Oberaufsicht für das Kulturleben im Dritten Reich endgültig verloren.
Exkurs 1 : Der Theaterskandal Schatten über Harlem (1930) – Eine kulturpolitische Auseinandersetzung mit den Nationalsozialisten vor der ›Machtübernahme‹
Kulturpolitische Störaktionen von Theateraufführungen durch die Nationalsozialisten hatte es bereits vor 1933 gegeben. Meist endeten sie in schweren Ausschreitungen. Die Attacken waren meist gegen Erst- und Uraufführungen, also zeitgenössische Werke gerichtet, die vom KfdK als ›kulturbolschewistisch‹ bezeichnet wurden. Die Forderung, für die die Nationalsozialisten mit aller Vehemenz eintraten, war eindeutig: die sofortige Absetzung des Stückes vom Spielplan.
Neben völkischen Tönen wurde zunächst moralische Entrüstung laut, später argumentierte man hauptsächlich mit antisemitischen und rassistischen Vorwürfen. Anders als 1933, als die potenziell zur Gegenwehr bereiten Intendanten durch linientreue Pg. ›ausgetauscht‹ wurden, hatten die Einmischungen der Nationalsozialisten vor der ›Machtübernahme‹ stets starke Gegenwehr und Aufsehen in der Öffentlichkeit erregt. Der Theaterskandal um die Uraufführung des Stücks Schatten über Harlem im Jahre 1930 am Stuttgarter Landestheater, der zu den größten Theaterskandalen Deutschlands gezählt wird, veranschaulicht aber die brutale Vorgehensweise, mit der sich die Nationalsozialisten bereits vor 1933 in die Kulturpolitik einmischten. Im Opernbereich kam es in Stuttgart bis 1933 ebenfalls zu solchen Auseinandersetzungen, beispielsweise bei Paul Hindemiths Nusch-Nuschi (1928) oder aber nach der Aufführung von Ernst Kreneks Jonny spielt auf (EA: 1928).
Bei der Uraufführung der Komödie Schatten über Harlem von Ossip Dymow am 19. Oktober 1930 kam es bereits während der Vorstellung zu Störungen durch die Nationalsozialisten, die durch Zwischenrufe und Pfeifkonzerte versuchten, die Aufführung zu verhindern. Das Publikum stellte sich hingegen geschlossen hinter das Landestheater. Nach der Veranstaltungen kam es auf dem Theaterplatz zu Ausschreitungen mit der Polizei. Sprechchöre wie »Deutschland erwache! Juda verrecke!« wurden gerufen. Verschiedene Personen wurden festgenommen, darunter auch der Führer der Stuttgarter SA. Die Ausschreitungen wiederholten sich bei der nächsten Aufführung.
Die Presse[38] titelte daraufhin mit Schlagzeilen wie: Nationalistenskandal im Landestheater[39], Kulturfaschismus im Landestheater[40] und Um die Freiheit der Kunst[41]. Sie sprachen sich überwiegend gegen die Angriffe der Nationalsozialisten und für die Freiheit der Kultur aus, und warnten vor den Gefahren der Nationalsozialisten: »Der Vorgang lehrt, auf welche Weise der Faschismus seine Zensur und sein kulturfaschistisches Programm durchzusetzen versucht. – Es gilt auf der Hut zu sein.«[42]
Schließlich wurde der Skandal Anlass einer ernsthaften kulturpolitischen Debatte im Landtag. Die NSDAP forderte die sofortige Absetzung des Stückes, sowie den Rücktritt des Generalintendanten. Der nationalsozialistische Abgeordnete, Christian Mergenthaler[43], bezeichnete die Aufführung des Stückes im Hinblick auf »die schwarze Schmach im besetzten Gebiet« als »nationale Würdelosigkeit«[44] und richtete an den Kultusminister die Forderung, dass »erstens Mißgriffe in der Auswahl künftig vermieden werden und zweitens das Negerstück Dymows vom Spielplan abgesetzt werde«. Außerdem müsse er darauf hinwirken, »daß bei Fortdauer der Mißgriffe der
Theaterleitung in möglichster Bälde eine Neubesetzung in der Leitung der Landestheater stattfinde.«[45]
Während die Nationalsozialisten gegen die Spielplangestaltung des subventionierten Landestheaters wetterten, versuchten Organisationen der Kulturszene dagegen zu halten. In einem Artikel aus dem Hamburger Echo vom 29. November 1930 wurde Protest gegen den »kulturpolitischen Terror der Hakenkreuzler« erhoben, sowie ein Entschluss zur grundsätzlichen Frage des Verhaltens der subventionierten Theater zu den verschiedenen künstlerischen und weltanschaulichen Richtungen in der modernen Bühnenproduktion gefordert, die in klarer Weise den Kontrast zwischen der Kulturauffassung und der Kulturideologie der NS-Zeit deutlich machen soll:
»Die angesehensten Organisationen der württembergischen Literaturfreunde und Theaterbesucher, der Württembergische Theaterbund, die Stuttgarter Volksbühne und der Literarische Klub haben zu dem letzten Theaterskandal [...] eine Entschließung gefasst, [...]die da lautet:
1. Die aus öffentlichen Mitteln unterstützen Landestheater haben die Pflicht, neben den großen und allgemein anerkannten Werken der Kunst auch dem dramatischen Schaffen der Zeit Rechnung zu tragen. Bei der Zerrissenheit und Gegensätzlichkeit der Gegenwart, in der nicht nur die äußeren Lebensbedingungen, sondern auch die geistigen und seelischen Grundlagen erschüttert sind und neue Kräfte und Ideen um ihre Durchsetzung ringen, müssen im Theater auch Stücke gespielt und angehört werden, die bei einem Teil der Theaterbesucher Ablehnung finden; denn das Theater ist wie alle Kultureinrichtungen auch ein Spiegel der Zeit; es wird von der Gesamtheit des Volkes getragen und ist für alle da. Es soll auch nicht nur der Unterhaltung und Ausspannung dienen, vielmehr soll es eine Stätte der Besinnung und der Auseinandersetzung mit den Fragen der Zeit und des Lebens sein.«[46]
Und obwohl sich die Presse und Öffentlichkeit im Sinne der Landestheater und gegen die Aktion der Nationalsozialisten äußerten, wurde das Stück nach der dritten Aufführung abgesetzt. In der offiziellen Begründung hieß es zwar: »wegen Krankheit eines Schauspielers«, in einem inoffiziellen Brief vom 14. November hingegen äußerte sich der damalige Intendant Albert Kehm aber folgendermaßen:
»[...] sehen wir eine unserer Aufgaben darin, neuartige und interessante Stücke herauszubringen. Auch wir empfinden es beschämend, daß der Eindruck entstehen mußte: wir treten vor der Protestaktien ›einer unreifen und gedankenlosen‹ Horde den Rückzug an. Aber wenn Sie die dritte Aufführung des Stücks miterlebt hätten, so müßten Sie mit uns zu dem Schluß kommen, daß wir unseren Darstellern nicht mehr zumuten können, in diesem Stück vor dieses Publikum zu treten. Es erhob sich z.B., als Herr Marx ein Bibelzitat brachte, ein Herr im I. Rang und erklärte: Wir protestieren gegen diese Verballhornung der Heiligen Schrift im Munde von Juden, wir sind hier nicht in Juda, schmeißt die Juden raus!
Ebenso wurde Herr Wisten und andere Mitglieder vor dem Theater verfolgt und beschimpft. Da nun die Polizei naturgemäß nicht im Stande ist, einen weitergehenden Schutz zu gewährleisten, als sie bereits in den ersten Aufführungen getan hat,[...] sehen wir uns aus diesem Grunde genötigt, das Stück fürs erste vom Spielplan abzusetzen.«[47]
Deutlich erkennbar wird an diesem Beispiel der organisierte Terror, den die Nationalsozialisten für das Erreichen ihre Ziele bereits zu diesem Zeitpunkt eingesetzt hatten. Davon abgeschreckt, hat sich die Intendanz schließlich ihrem Willen gebeugt und ihnen so zum Erfolg geholfen. Obwohl der Widerstand da war, hat man sich schließlich dafür entschieden, das Stück vom Spielplan abzusetzen – zum Schutze der Schauspieler. Der Theaterskandal in Stuttgart fand etwa zur gleichen Zeit statt, wie der Skandal am Frankfurter Opernhaus bei der ersten Wiederholung von Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny von Kurt Weill und Berthold Brecht. Auch hier waren Ausschreitungen systematisch von den Nationalsozialisten vorbereitet worden.
2.2. Die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude
Robert Ley war im Mai 1933 mit der Gleichschaltung der bisher unabhängigen und freien Gewerkschaften beauftragt worden. Nach dem Ermächtigungsgesetz vom 24. März 1933 begann die Auflösung der Parteien, die Beseitigung der Gewerkschaften und die ›Anpassung‹ der Presse durch die zentrale Steuerung des Reichspropagandaministeriums. In den kommenden zwölf Jahren kontrollierte Ley mit der Arbeiterorganisation Deutsche Arbeitsfront (DAF) eine um die 25 Millionen Menschen umfassende Mitgliedergemeinde. Im Zuge der ›Gleichschaltung‹ sollte auf dem kulturellen Sektor – nach dem Vorbild der in Italien seit 1925 bestehenden faschistischen Organisation Opera Nazionale Dopolavoro (OND) – nun auch in Deutschland eine Freizeitorganisation aufgebaut werden, um dem Arbeiter durch politisch organisierte Freizeitangebote Entspannung und Ausgleich vom harten Arbeitsalltag verschaffen.
Im November 1933 wurde daraufhin die nationalsozialistische Gemeinschaft Kraft durch Freude (KdF) als eine Unterorganisation der DAF gegründet. Zur Förderung der körperlichen wie seelischen Gesundheit der Arbeiter, wurden der ›Massensport‹ ausgebaut und Urlaubsreisen organisiert, die – durch staatliche Subventionen gefördert – zu verbilligten und somit für alle erschwinglichen Preisen angeboten wurden.
Dahinter steckte die Meinung, dass nur ein ausgefüllter Urlaub die nötige Entspannung und Erholung verschaffe. Zudem erzeuge Langeweile »verbrecherische Ideen, Stumpfsinn und das Gefühl der Leere. Nichts ist gefährlicher als das für einen Staat.«[48] Die KdF-Veranstaltungen sollten für Entspannung sorgen und zur Regeneration der Arbeitskraft führen, um somit zur Erhöhung der Arbeits- und Produktionsleistungen beizutragen.
Neben diesen Tätigkeiten galt es auch, Arbeiter an kulturelle Gebiete heranzuführen, die bisher vornehmlich dem Bildungsbürgertum vorbehalten waren, wie Richard Strauss in der Ansprache bei der öffentlichen Musikversammlung am 17. Februar 1934 erklärte:
»Und schließlich werden wir auch die Probleme einer Neugestaltung des deutschen Konzert- und Opernbetriebes energisch in Angriff nehmen, werden wir nach solchen Musizierformen suchen und sie zu finden wissen, die die Gewähr dafür bieten, daß Musik nicht nur ein Vorrecht der begüterten Volksgenossen bleibt, sondern immer mehr zu einem unlöslichen Bestandteil des geistigen Lebens bei jedem Einzelnen in unserem Volke wird.«[49]
Um einer möglichst breiten Bevölkerungsschicht den Besuch der Theater zu ermöglichen, erhielten Mitglieder von KdF daher verbilligten Zugang zu Theater- und Opernvorstellungen. In den meisten Theatern und Opernhäusern, so auch in Stuttgart, war ein Tag der Woche ausschließlich den Mitgliedern dieser Organisation zugedacht. Das Amt Feierabend, welches wegen der von 1934 bis 1937 andauernden Querelen zwischen Rosenberg, Ley und zeitweise auch Goebbels über die Zuständigkeiten für die Kulturarbeit der NSDAP[50] erst 1936 seinen festen Platz bekommen konnte, war zuständig für die Organisation von Konzert- und Theaterveranstaltungen, die für Großbetriebe als geschlossene Sonderveranstaltungen gegeben wurden.
Die NS-Ideologie, die in diesem Zusammenhang ganz deutlich wurde, bezog sich einerseits auf Stärkung der ›Volksgemeinschaft‹, andererseits aber auch auf den Abbau ›bürgerlicher‹ Privilegien, mit der Öffnung der bisherigen Hochkulturbereiche für alle Bildungsschichten. Durch die Auswahl der zu besuchenden Stücke durch die Organisation KdF wurde der kulturelle Freiraum des Individuums bis auf ein Mindestmaß eingeschränkt. Die Mitglieder konnten so viel gezielter an die ›wahre deutsche‹ Kultur herangeführt werden.
2.3. Joseph Goebbels und die Reichskulturkammer
»Sie [die RKK] stellt den Zusammenschluß aller Schaffenden in einer geistigen Kultureinheit dar. Sie beseitigt die nur noch mechanisch wirkenden Organisationsüberbleibsel der vergangenen Zeit, die der freien Entwicklung unserer kulturellen und künstlerischen Lebens nur bloß im Wege standen. Die schaffenden Menschen sollen sich in Deutschland wieder als eine Einheit empfinden; es soll ihnen jenes Gefühl trostloser Leere genommen werden, das sie bisher von der Nation und ihren treibenden Kräften trennte. Nicht einengen wollen wir die künstlerisch-kulturelle Entwicklung, sondern fördern. Der Staat will seine schützende Hand darüber halten.«[51]
Dieser Auszug stammt aus einer Rede von Joseph Goebbels zur Eröffnung der Reichskulturkammer (RKK) am 15. November 1933. In seiner Rede klingt an, wonach sich viele Kulturschaffende bereits seit längerem gesehnt hatten: Durch die RKK erhoffte man sich endlich die Neuordnung der kulturellen Verhältnisse anstelle der chaotischen Zustände, die der Kampfbund mit seinen wilden ›Säuberungen‹ in den vorangegangenen Monaten hinterlassen hatte. Die Kulturschaffenden selbst waren zunächst froh darum, nun eine Zentralinstanz zu erhalten, die für die personelle und teilweise auch inhaltliche Steuerung zuständig war[52]. Vor allem aber versprach man sich von ihr Unterstützung und staatliche Förderung für die Künstler.
Die NS-Politiker hatten jedoch noch ein anderes Ziel vor Augen: Laut NS-Ideologie war die individualistischen Bestrebungen der Weimarer Republik und die Demokratie schuld daran, dass die Kultur ›entartet‹ und unverständlich für das Volk geworden sei. Die Künstler hätten durch das individualistische Prinzip und die Freiheit leiden müssen. Es sei nun an der Zeit, die Künstler durch eine Zentralinstanz wieder in den Dienst der Volksgemeinschaft zu stellen. Wichtigste kulturelle Aufgabe der Regierung sei es:
»die im Volke wurzelnden schöpferischen Persönlichkeiten von wesensfremdem äusserem Druck zu befreien und ihnen dadurch die Möglichkeit zu geben, ihre Kräfte zu entfalten. Dann werden unserem Volke auch die Künstlerpersönlichkeiten geschenkt werden, die berufen sind, die deutsche Kunst und Kultur einer neuen Blüte entgegenzuführen.«[53]
Ziel der NS-Politik war es, alle erkennbar mit der ›Systemzeit‹ verbundenen Organisationen aufzulösen und in Verbände des neuen Staates überzuführen. In diesen neuen
Einheiten sollte es, laut Propaganda, anstelle der früheren Vielfalt nur noch eine ›Rasse‹ und einen gemeinsamen Volkswillen geben. Auch wenn es zur Gründung der RKK zwar noch keinen konkreten Arierparagraphen gab, so legte man damit doch zumindest den Grundstein für eine umfassende ›Arisierung‹ im Kulturbereich[54].
Mit dem Erlass des Reichskulturkammergesetzes vom 22. September 1933 wurde von Hitler festgelegt, dass die RKK dem Reichsministerium für Propaganda und Volksaufklärung (ProMi) unterstellt sei. Goebbels, dem als Reichsminister bereits in seinem Amt die Kompetenzen über die Abteilungen Kunst, Musikpflege, Theater- und Lichtspielwesen vom Reichsministerium des Innern, die Bereiche Kunst, Film- und Sportwesen vom Auswärtigen Amt sowie die Hauptabteilung Kunst aus dem Reichsministerium für Erziehung übertragen worden waren, besaß damit bereits die formale Oberaufsicht über sämtliche Kunstangelegenheiten[55]. Sein Monopol auf dem Kultursektor konnte durch das neue Gesetz jedoch gefestigt werden. Das oberste Ziel war es, »die Angehörigen und Tätigkeitszweige, die seinen Aufgabenbereich betreffen, in Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammenzufassen.«[56] Goebbels schuf daraufhin mit der Ersten Durchführung zum Reichskulturkammergesetz vom 1. November 1933 auf berufsständischer Basis, sechs Körperschaften des öffentlichen Rechts, die gemeinsam mit der bereits bestehenden Filmkammer, die sieben Fachkammern (Reichsmusikkammer, Reichskammer der bildenden Künste, Reichstheaterkammer, Reichsschrifttumskammer, Reichspressekammer, Reichsrundfunkkammer) der RKK ergaben. Ihre offizielle Aufgabe bestand darin,
»durch Zusammenwirken der Angehörigen aller von ihr umfaßten Tätigkeitszweige unter der Führung des Reichsministers für Volksaufklärung und Propaganda die deutsche Kultur in Verantwortung für Volk und Reich zu fördern, die wirtschaftlichen und sozialen Angelegenheiten der Kulturberufe zu regeln und zwischen allen Bestrebungen der ihr angehörenden Gruppen einen Ausgleich zu bewirken.«[57]
Nach der offiziellen Verabschiedung im Kabinett wurde am 15. November in der Berliner Kroll-Oper die feierliche Gründung der RKK vollzogen. Goebbels hatte damit in diesem Bereich den zentralistischen Aufbau verwirklicht.
Daraufhin folgte die Eingliederung aller Kulturbetriebe in diese berufsständische Organisation. Die Kulturschaffenden wurden zur Mitgliedschaft gezwungen; sie wurde zur Voraussetzung für die Berufsausübung[58]. Ebenso hatte die RKK die Möglichkeit, Mitglieder abzulehnen, was in diesem Fall einem Berufsverbot gleichkam. Die anfängliche Absicht, »die deutsche Kultur in Verantwortung für Volk und Reich zu fördern« war somit in den Hintergrund getreten. Vielmehr ging es darum, die vollständige Kontrolle über Künstler und ihre Werke zu erlangen. Goebbels hatte durch die geschaffene hierarchische Struktur, deren mit umfassenden Eingriffsrechten[59] ausgestatteter Präsident er war, seine Machtposition im Kunst- und Kulturbereich weiter ausgebaut.
Nach Goebbels Überzeugung war die Kultur ein wichtiges propagandistisches Instrument der Politik. Sie sollte die Massen ansprechen und dem Volk einerseits zur Identifikation mit seinem Staat dienen, andererseits die Flucht aus dem Alltag ermöglichen, d. h. der Entspannung dienen. Dies war insbesondere in den Kriegsjahre 33-49 von größter Bedeutung. Zudem galt es, das Ansehen Deutschlands als Kulturnation im Ausland zu erhalten und auszubauen[60]. Der kulturelle Austausch sollte dazu dienen, für das NS-Regime als Förderer der Künste zu werben und so die politische und kulturelle Isolation bis zu einem gewissen Punkt zu durchbrechen. Durch die absolute Kontrolle, die Goebbels mit der Errichtung der RKK über die Kulturschaffenden bekam, versuchte er die Künstler dazu zu bewegen, sowohl hochwertige, im Ausland anerkannte, als auch propagandistisch nutzbare Kunst zu produzieren. Dabei ging es allerdings nicht um eine Politisierung der Kultur bzw. der Musik im engen Sinne. Auch Hitler hatte sich gegen eine ›musikalische Parteigeschichte‹ oder eine musikalische Darstellung der ›Gedanken unserer Weltanschauung‹ ausgesprochen. Die Musik sollte »nicht in technisch gekonntem Wirrwarr von Tönen das Staunen der verblüfften Zuhörer [...] erregen, sondern in der erahnten und erfüllten Schönheit der Klänge ihre Herzen [...] bezwingen«[61].
Im Vordergrund stand eher die Umfunktionierung schon bestehender, als das Entstehen offensichtlich ›politischer‹ Werke, denn laut Goebbels lag das Geheimnis der Propaganda schließlich darin, »den, den die Propaganda erfassen will, ganz mit den Ideen der Propaganda zu durchtränken, ohne daß er überhaupt merkt, daß er durchtränkt ist«[62].
2.3.1. Die Reichstheaterkammer
Die Gründung der Reichstheaterkammer (RTK) war bereits vor der offiziellen Errichtung der RKK, am 1. August 1933 erfolgt. Ihre Satzung stimmte in ihrem Aussagegehalt mit dem des RKK-Gesetzes überein. Für die Bühnenangehörigen der Theater bedeutete die Errichtung der RTK, dass sie, um weiterhin tätig sein zu können, Mitglieder der RTK werden mussten, und zu diesem Zweck, dem für sie zuständigen Fachverband – für die Theaterunternehmen ist das der Deutsche Bühnenverein (DBV) – beizutreten hatten. Kontrolliert wurde die RTK von der Abteilung VI, die innerhalb des ProMi für alle Theaterangelegenheiten verantwortlich war. Leiter dieser Abteilung war der spätere Reichsdramaturg der RTK, der Oberregierungsrat Rainer Schlösser. Diese Abteilung war neben der Überwachung der Spielpläne zudem für die Verteilung der staatlichen Subventionen zuständig. Präsidenten der RTK waren Otto Laubinger (1933-35), Rainer Schlösser (1935-38), Ludwig Körner (1938-42) und Paul Hartmann (1942-45).
Der Deutsche Bühnenverein und die Bühnengenossenschaft waren zwei der sieben Verbände, die sich der RTK angeschlossen haben. Eine ideologische Umorientierung hatte in den Verbänden bereits vor der Angliederung staatgefunden. So wurde beispielsweise als Ziel der neuen Satzung des DBV im Juni 1933 »die Erleichterung und Sicherung der Mitarbeit des DBV an der nationalen Aufgabe des Theaters«[63] formuliert. Aufgabe des neuen deutschen Theaters sei es, »immer mehr zu Weihestätten echten Volkstums werden.«[64] und so dafür zu sorgen, dass es gelänge, »das Theater zugleich in den Dienst der Kunst und in den Dienst der Nation zu stellen.«[65]
Der Präsident des DBV, der später auch Präsident der RTK wurde, Laubinger, sah die kulturpolitischen Aufgaben des Bühnenvereins in erster Linie »in der Erstellung grundlegender Richtlinien einer deutschen und nationalsozialistischen Spielplangestaltung«[66]. Um allerdings Schwierigkeiten zu vermeiden, wurde von der Vereinsführung des DBV ein Antrag an den Präsidenten der RTK gestellt, indem der Wunsch geäußert wurde, »dass möglichst bald von autorisierter Stelle Mitteilungen über die zulässigen Spielpläne herausgegeben werden sollen.«[67]. Goebbels schuf daraufhin das Amt des Reichsdramaturgen (siehe Kapitel 2.3.3.), der sich um diese Aufgabe kümmern sollte. Er versprach sich außerdem dadurch eine bessere Kontrolle über die Theater, weil das gerade in der Anfangszeit besonders wichtig war.
Die Auflösung der bis dahin bestehenden einzelnen Fachverbände der RTK – Deutscher Bühnenverein, Genossenschaft Deutscher Bühnenangehöriger, Deutscher Chorsängerverband und Tänzerbund – wurde von Schlösser am 6. September 1935 vollzogen und in die neu gegründete Fachschaft Bühne eingegliedert. Damit war die formale ›Gleichschaltung‹ in diesem Bereich abgeschlossen.
2.3.2. Das Reichstheatergesetz
Nach den institutionellen Einrichtungen zur ›Gleichschaltung‹ des Theaterbereiches, wurde mit dem Reichstheatergesetz (RTG) die rechtliche Grundlage zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Theaterpolitik geschaffen. Der Entwurf des Theatergesetzes wurde von Goebbels am 15. Mai 1934 vorgelegt und trat bereits am 19. Mai in Kraft[68]. Dieses Gesetz bedeutete einerseits einen weiteren Schritt auf dem Weg zur ›Gleichschaltung‹ unabhängiger Verbände, andererseits eine organisiertere Einbeziehung der Theater in den Propagandaapparat. Da kein anderer Bereich der RKK eine solche spezielle gesetzliche Regelung erfuhr, kann man darauf schließen, dass das Theater eine besondere Aufmerksamkeit de Politik auf sich gezogen hat[69].
Als Theater im Sinne des Gesetzes galten sowohl Schauspiel-, als auch Opern- und Operettentheater, soweit sie »für den allgemeinen Besuch bestimmt waren«[70]. Die Veranstalter und die in den Theatern tätigen Personen mussten kraft Gesetzes Mitglieder der Kammer sein. D.h., waren die Mitglieder des Opern- oder Operettenbetriebs bis dahin der Reichsmusikkammer unterstellt, wurden sie nun durch dieses Gesetz davon befreit und mussten der RTK beitreten. Der Präsident der RMK blieb jedoch hinsichtlich des (rein) musikalischen Bereichs weiterhin anordnungsbefugt[71]. Die Bühnen erhielten ihre Anweisungen also von verschiedenen offiziellen Stellen, was auch hier immer wieder zu Kompetenzstreitigkeiten führte.
Das Gesetz wurde als eine notwendige Reaktion auf die ›liberalen Verhältnisse‹ in der Zeit vor 1933 beschrieben[72]. Infolge der weltanschaulichen Neutralität der Weimarer Republik sei es vorgekommen, »dass jede Darstellung ohne Rücksicht darauf, ob sie Staat, Volk oder Rasse gefährdete, über die Bühne ging«[73]. Dem sollte nun Einhalt geboten werden. Im Mittelpunkt stand die gesetzliche Ermächtigung des Propagandaministers, § 5 des Reichstheatergesetzes, die Aufführung bestimmter Stücke sowohl im allgemeinen als auch im einzelnen Fall zu verbieten, als auch gebieten zu können. Entscheidend war dabei allein, ob er diese Maßnahmen »zur Erfüllung der Kulturaufgaben des Theaters für notwendig«[74] hielt. Goebbels hatte somit die Funktion eines »zentralen Spielplangestalters« für Deutschland übernommen. Jeder Intendant war nunmehr in seiner Programmgestaltung auf die Entscheidung Goebbels angewiesen. Hinter dem Gesetz verbarg sich das von staatlicher Seite aus geplante Vorhaben, die souveräne künstlerische Freiheit auf dem Gebiet des Theaterwesens völlig zu zerstören. Die Regelung des § 5 stellte somit eine konsequente Umsetzung des NS-Gedankengutes auf dem Gebiet des Theaterwesens sicher, wie Schlösser feststellte:
»Es unterliegt keinem Zweifel, daß diese Bestimmung das volle Gegenteil liberalen Denkens darstellt. Wenn irgendwo, werden sich hier die Geister der Unverantwortlichen und der Verantwortlichen scheiden, weil mit einem Federstrich alles ausgeschaltet wird, was sich unter dem Motto ›Freiheit der Kunst‹ als Willkür des Einzelnen auf Kosten der Gemeinschaft in den Zeiten des Kulturbolschewismus nur zu deutlich enthüllt hat.«[75]
Mit dem Gesetz wurde aber nicht nur die hoheitlich diktierbare Spielplangestaltungen festgelegt. Ein weiterer Schwerpunkt lag auf der Regelung personeller Angelegenheiten. Die Anstellung von Bühnenleitern, Intendanten, ersten Kapellmeistern und Oberspielleitern lag von nun an ebenfalls ausschließlich in der Hand des Reichsministers. Entlassungen durch ihn konnten erfolgen, »wenn Tatsachen auftreten, aus denen sich der Mangel ihrer Zuverlässigkeit oder Eignung ergibt.«[76] Die Theaterleiter hatten dem Gesetz nach die Aufgabe, das Theater »nach bester künstlerischer und sittlicher Überzeugung im Bewusstsein nationaler Verantwortung«[77] zu führen. Seine Mitarbeiter wurden ihm per Gesetz bei der Erfüllung dieser Aufgabe »zur treuen Gefolgschaft«[78] verpflichtet, womit ein wichtiger Aspekt der NS-Ideologie, nämlich der des ›Führerprinzips‹, nunmehr ebenfalls Einzug in die Theater hielt.
Als Organe zur Verbreitung der Anweisungen wurden im Musiktheaterbereich in erster Linie die Zeitschriften Die Bühne, die offiziellen Anordnungen der RTK, die Amtlichen Mitteilungen der Reichstheaterkammer sowie die der RMK, die Amtlichen Mitteilungen der Reichsmusikkammer, benutzt. Diese Anordnungen wurden entweder von Goebbels selbst, in jedem Fall aber in Absprache mit ihm getroffen.
2.3.3. Der Reichsdramaturg
Mit einer Entschließung vom 27. September 1933 wurde das Amt des Reichsdramaturgen innerhalb der Abteilung VI (Theaterabteilung) des ProMi eingeführt. Mit Wirkung zum 1. Januar 1933 wurde Oberregierungsrat Rainer Schlösser zum Reichsdramaturgen berufen. Schlösser, der bis dahin als Theaterkritiker und als Schriftleiter des Völkischen Beobachter tätig gewesen ist, hatte neben seiner Funktion als Reichsdramaturg bis 1935 erst das Amt des stellvertretenden, und von da an bis 1938, das Amt des Präsidenten der RTK inne. 1938 wurde er zum Ministerialdirigenten im ProMi ernannt; seine Tätigkeit als Reichsdramaturg übte er bis Kriegsende aus[79].
Die Aufgabe des Reichsdramaturgen bestand darin, die konkreten nationalsozialistischen kulturellen Grundsätze in der deutschen Theaterwelt durchzusetzen.
Er sollte »die Theaterveranstalter zur Durchführung der nationalsozialistischen Weltanschauung von sich aus« veranlassen[80]. Praktisch war er also für die Lenkung, in einigen Fällen auch für die Korrektur des Spielplans in den Bereichen Oper, Operette und Schauspiel verantwortlich, wie folgender Auszug über die Kompetenzen des Reichsdramaturgen aus dem Handbuch der Reichskulturkammer zeigt:
»Der Reichsdramaturg ist die Instanz, welche in allen Fragen und Streitfragen der Spielplangestaltung der deutschen Theater je nachdem anregend oder korrigierend eingreift oder auch als oberste Stelle entscheidet. [...] Der Reichsdramaturg führt seine Spielplanpolitik im Rahmen der vom Herrn Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda jeweils gegebenen Richtlinien. Grundlage seiner Arbeit ist das Reichstheatergesetz, nach welchem der Reichsminister für Volksaufklärung und Propaganda die Aufführungen bestimmter Werke verbieten oder verlangen kann. Er überwacht hinsichtlich der Zuverlässigkeit und Eignung der Autoren und Komponisten wie hinsichtlich des geistigen Gehaltes und Wertes die gesamtdramatische Produktion im Sinne der nationalsozialistischen Gesamtidee dienenden lebendigen und volksnahen Theater.«[81]
Sanktionen konnten demnach nur durch den Reichsminister verhängt werden, d. h. der Reichsdramaturg war in erster Linie dafür zuständig, die Theaterbetreiber auf die aus nationalsozialistischer Sicht zu missbilligenden Stücke aufmerksam zu machen und die ›Korrektur‹ der Planung – mit dem Hinweis auf die Gefahr eines späteren, durch den Minister möglicherweise verhängten Aufführungsverbotes – zu erzwingen. Die endgültige Entscheidung, sowie die Verhängung der Verbote lagen jedoch immer in Goebbels Macht.
Die Theater jedenfalls hatten von nun an die Spielpläne einzureichen und die Erlaubnis von Schlösser bzw. Goebbels abzuwarten. Eingereicht werden mussten zudem alle weiteren Veröffentlichungen, wie Programmhefte und Personenverzeichnisse. Das Ministerium prüfte Spielpläne und Ankündigungen, die RTK Spielpläne und Programmhefte.[82] Zu Schlössers Aufgaben gehörten ferner, die für besondere Tage vorgesehnen Aufführungen zu prüfen, bzw. vorzuschreiben, was gespielt werden sollte. So ist durch die Anordnung des Präsidenten der RTK zum Beispiel bestimmt worden, dass am 9. November (Gedenktag der Bewegung) »nur Werke ernsten Charakters aufgeführt werden sollen.«[83]
Die Landesleiter der RTK waren mit der Aufgabe betraut, alle wesentlichen Neuerscheinungen auf dem Gebiet der Bühnenkunst zu prüfen. Daher galt für die Theater, dass sie eine Berichterstattung über Erst- und Uraufführungen mit einer kurzen Inhaltsangabe, sowie »eindrucksmässigen Schilderungen«[84] einzureichen hatten.
2.4. Resümee
Mit der Errichtung der RKK wurde also im Herbst 1933 das erste Regierungsorgan zur totalitären Reglementierung des gesamten deutschen Musiklebens geschaffen. Ideologisch bedeutete die Einrichtung »die Abkehr vom demokratisch-individualistischen Kulturaufbau hin zum völkisch-einheitlichen Kulturleben unter staatlicher Lenkung«[85]. Freiraum für die künstlerische Entfaltung gab es nur noch im vorgegebenen Rahmen der NS-Ideologie. Der Künstler sollte als Teil der Volksgemeinschaft am Aufbau des neuen Reiches mithelfen und somit die eigene Kunst in den Dienst der Gemeinschaft stellen. Durch die Zentralisierung des Musikbetriebes versprach sich Goebbels eine bessere Instrumentalisierung der Musik- und Theaterbetriebe.
Ideologische Parolen zur Erneuerung der Kulturpolitik hatte Rosenberg mit seinem KfdK bereits in den Jahren zuvor ausgegeben. Allerdings waren das lediglich Empfehlungen, die bei ›Nichteinhaltung‹ keinerlei Sanktionen nach sich gezogen haben. Anders bei der staatlichen RKK unter Goebbels: Hier konnte der Ausschluss aus der zuständigen Kammer drohen, sollten die Anweisungen nicht eingehalten werden, und das wiederum führte bekanntlich zum Berufsverbot. Goebbels hatte durch die diversen Gesetze, die restriktive Maßnahmen zur Einhaltung der Vorgaben nach sich ziehen konnten, als Einziger wirkliche Macht: sowohl über die Kulturinstitutionen, als auch über die Künstler.
Für die Institution Oper bedeutete das Zusammenspiel der drei Organisationen die totale Kontrolle und Einflussnahme der Politik. Die Zentralisierung der Künstler durch die Zwangsmitgliedschaft in der RTK war die Voraussetzung dafür gezielt NS-Propaganda am Theater zu verbreiten. Ideologische Vorgaben lieferte sowohl der radikale, antisemitische KfdK, als auch – von staatlicher Seite – der Reichsdramaturg. Er stellte ein ausführendes Organ von Goebbels dar, und war zum einenl für die Verbreitung inhaltlicher Vorgaben und Anordnungen, zum anderen für die Überwachung der Theater zuständig.
Doch auch er hatte keinerlei Sanktionsmöglichkeiten. Seine Anordnungen beschränkten sich lediglich auf Empfehlungen, die aber zumeist von den parteitreuen Intendanten auch umgesetzt wurden. Die Organisation KdF schließlich war für die ideologische Beeinflussung der Besucher zuständig. Die NS-Politik hatte somit ein kulturpolitisches Netzwerk aufgebaut, das für Zwecke der Propaganda eingesetzt wurde und alle Bereiche des Musiktheaters erfasste.
3. Die Instrumentalisierung der Musik – Vorgaben zur Erstellung eines neuen deutschen Spielplans
Die Musik hatte in der Kulturpolitik der Nationalsozialisten eine bedeutende Rolle. Sie wurde zur ›Domäne des Gefühls‹ erklärt. Hitler erklärte 1938 auf der Kulturtagung des NSDAP-Parteitages: »Nicht der intellektuelle Verstand hat bei unseren Musikern Pate zu stehen, sondern ein überquellendes musikalisches Gemüt. Wenn irgendwo, dann muß auch hier der Grundsatz gelten, daß wes das Herz voll ist, der Mund überläuft.«[86] Musik sollte demnach die Seele rühren, voller Empfindung sein, und die Herzen bewegen. Von Musik bewegt zu sein, galt als Zeichen von Musikalität und damit von wirklichem Ariertum. In zahlreichen Aufsätzen und Reden wird von den Deutschen als dem auserwählten Musikvolk und von der Musik als dem besonderen Ausdruck seiner Gefühlswelt, seiner Seele gesprochen. So heißt es beispielsweise in einem 1939 veröffentlichten Aufsatz Vom Wesen deutscher Musikauffassung:
»Musik spricht am tiefsten das Seelentum unseres Volkes aus; unter diesem Gesichtspunkt erst gewinnt sie wahrhaft Bedeutung für die deutsche Menschenformung, und ist letztlich eine Frage der Weltanschauung und der Rassenzugehörigkeit.«[87]
Damit wird die in der NS-Zeit weitverbreitete Auffassung wiedergegeben, nämlich dass »Musik als Reflex der Seele auch selbst seelische Prozesse steuern könne.«[88] Sie drang nach dieser Vorstellung tiefer als andere Künste bis in die Wurzeln der Weltanschauung und der Rassenzugehörigkeit vor und wurde darum für die Kulturpolitik zu einer tragenden Säule ›definiert‹.
Die erhoffte Entfaltung einer (Musik-)Kultur im Sinne der nationalsozialistischen heroisch-romantischen Ästhetik setzte die Vernichtung des ›Bolschewistischen‹ voraus. Der Dirigent Peter Raabe[89] erklärte dazu 1934 auf der Tonkünstler-Versammlung des Allgemeinen Deutschen Musikvereins:
»Wenn die Musik im Dritten Reich allmählich – denn so was braucht Zeit und Ruhe – an das Volk herankommen und ihm Freude bringen soll, die es zur Arbeit und zum Lebenskampfe stählt, so muß vorher mit eisernen Besen ausgekehrt werden, was diesem Volk den Sinn mit Unkunst benebelt.«[90]
Damit die Musik also die ihr zugedachte Rolle im NS-Staat erfüllen konnte, mussten konkrete inhaltliche Vorgaben darüber entstehen, welche Musik von nun an erklingen sollte und welche verboten war. Eine Zelebrierung des ›Deutschen‹ in der Musik war nur möglich mittels Abgrenzung gegen das ›Entartete‹, wie der württembergische Kultministers Christian Mergenthaler, anlässlich einer Kundgebung des KfdK im Jahre 1933 in Stuttgart deutlich machte:
»Es ist eine wichtige kulturelle Aufgabe der Regierung der nationalen Erhebung, die im Volke wurzelnden schöpferischen Persönlichkeiten von wesensfremdem äusseren Druck zu befreien und ihnen dadurch die Möglichkeit zu geben, ihre Kräfte zu entfalten. Dann werden unserem Volke auch die Künstlerpersönlichkeiten geschenkt werden, die berufen sind, die deutsche Kunst und Kultur einer neuen Blüte entgegenzuführen.«[91]
Die beiden Hauptziele der neuen Kulturpolitik des Nationalsozialismus waren daher:
1. die ›Säuberung‹ von allen ›undeutschen‹, wesensfremden Einflüssen,
2. die Schaffung einer neuen ›deutschen‹ Kultur.
3.1. ›Kulturbolschewismus‹ und ›Entartete Musik‹ – Ausgrenzung, Verbote, ›Säuberungen‹
Die Nationalsozialisten, die sich im ersten Jahr ihrer Herrschaft als die wahren und zugleich radikalen Hüter des Deutschtums zu profilieren versuchten, benutzten in ihrem kulturpolitischen Kampf gegen die der nationalsozialistischen Ästhetik widersprechende Kultur, zwei propagandistische Schlagwörter: ›Kulturbolschewismus‹ und ›Entartete Kunst‹ bzw. ›Entartete Musik‹.
In der Musikpublizistik wurde, wie auch in der Politik, durch die NS-Regierung zunächst der ›Bolschewismus‹-Verdacht sowohl gegen die politischen Gegner der Linken, sowie gegen die Juden als ›Staatsfeinde‹ geschürt.
Der Begriff des ›Kulturbolschewismus‹ war in der kulturpolitischen Auseinandersetzung der 20er Jahre der Weimarer Republik aufgekommen[92] und wurde vor allem durch den KfdK unter Rosenberg propagiert. Die Definitionen von Kulturbolschewismus der damaligen Zeit lauteten: »Schlagwort für linksradikale Bestrebungen, die Kulturwerte der europäischen bürgerlichen Gesellschaft zu zersetzen«[93], sowie »Kommunistische Bemühungen, durch die Entfremdung des Volksempfindens von der arteigenen Kultur (Kunst, Literatur) den Internationalismus und Bolschewismus zu fördern.«[94] Der große Brockhaus von 1935 verdeutlicht die Rhetorik, mit der man den Spieß umkehrte und gleichzeitig, mit der Verunglimpfung einer offenen Kulturpolitik, die eigene als Förderung des Natürlichen, als dem Volk erwachsene, zu präsentieren:
»Kulturbolschewismus: zunächst Bezeichnung für die sowjetischen Bemühungen, den Proletkult, eine proletarisch-revolutionäre Kunst und Kultur, zu schaffen. Später wurde diese Bezeichnung auf alle Versuche einer marxistisch-propagandistischen Kunst und Kultur übertragen. Gegenwärtig versteht man darunter alle Bemühungen, von bestimmten Lehrsätzen aus eine Kultur künstlich zu schaffen und nicht aus dem überlieferten Bildungsgut herauswachsen zu lassen; auch häufig Bezeichnung für alle religionsfeindlichen Bestrebungen.«[95]
›Bolschewismus‹ wurde ursprünglich als Sammelname für die Theorie und Praxis des Kommunismus und der von ihm abhängigen oder beeinflussten Parteien benutzt. Die Bezeichnung ›Kulturbolschewismus‹ bezog sich auf Versuche sowjetischer Kulturpolitik, eine ›Proletkult‹-Bewegung im Dienst des Proletariats zu fördern, und belebte damit antikommunistische Ressentiments[96].
In der Kulturpolitik wurde der Begriff ›Bolschewismus‹ von den Nationalsozialisten zu einem ›Kampfbegriff‹ mit dem Ziel umfunktioniert, konservative Intellektuelle zu gewinnen. Der Vorwurf des ›Kulturbolschewismus‹ richtete sich gegen die ›Entwürdigung‹ des Menschen durch schmucklose und zweckmäßige Bauhaus-Architektur (Gropius, Mies van der Rohe, Bruno Taut u.a.) und gegen die Aktivitäten des Deutschen Werkbundes, bald jedoch gegen alle Formen moderner und gesellschaftskritischer Kunst in der Weimarer Republik richtete. Als politisches Schlagwort wurde es gegen die sogenannte internationale, zersetzende, artfremde und jüdische Kunst und Kultur eingesetzt.
Es wurden Parallelen gezogen zwischen der Politik und dem Bereich der Kunst und Kultur:
»Wenn z.B. [...] das Wort Kunstbolschewismus geprägt worden ist, so hat das seine tiefe Berechtigung; denn das, was sich auf dem politischen Gebiet als zerstörende Arbeit gegen Volk und Staat in den letzten 15 Jahren gezeigt hat, hat seine Parallelerscheinung auf dem Gebiete der ganzen Kunst und Kultur überhaupt.«[97]
Auch hier (er)fand man einen Sündenbock, den man zum Schuldigen am Zerfall der Kunst und Kultur erklärte, was wiederum als ersten Schritt und zentralen Punkt der neuen Kulturpolitik zur Folge hatte, den ›Kulturbolschewismus‹ und die dafür verantwortlichen Künstler vollständig zu eliminieren:
»Eine schier übermenschliche Aufgabe ist es, das Volk aus diesem Chaos beginnender Bolschewisierung herauszuführen und das bestehende Trümmerfeld deutscher Musikkultur mit neuem, fruchttragenden Samen zu bepflanzen.«[98]
Die kulturelle Aufgabe bestand nach dem NS-Kultusminister Rust darin, der Zersetzung des Volkes Einhalt zu gebieten und ihr einen neuen kulturellen Aufbau gegenüberzustellen. »Mit allen verfügbaren Mitteln« sagte Rust dem Bolschewismus den Kampf an, einzig von der Mission erfüllt, eine »Gesundung des künstlerischen Lebens herbeizuführen.«[99] Was folgte, waren anti-kulturbolschewistische Störaktionen, die zumeist unter der Federführung des KfdK stattfanden und sich sowohl gegen einzelne Werke und Komponisten, als auch gegen Interpreten richteten.
Betroffen vom Vorwurf des ›Bolschewismus‹ waren in der Musik Komponisten wie Arnold Schönberg, Alban Berg, Kurt Weill, Franz Schreker, Ernst Krenek und Anton Webern. Man warf ihnen Atonalität, moralisches Versagen und linksradikale politische Ansichten vor. Sie alle emigrierten bereits vor 1933 aus Deutschland, so dass mit der Vertreibung eines bedeutenden Teils der deutschen Musiker-, Künstler und Geisteselite sowie der zunehmenden Machtsicherung und Etablierung des NS-Regimes 1933 der Begriff ›Kulturbolschewismus‹ bereits in den Jahren 1934-1936 stetig an Aktualität im kulturpolitischen Diskurs verlor.
Lediglich Rosenberg und der KfdK hielten noch während des Dritten Reiches an dem Begriff fest. Rosenberg, der sich besonders um eine einheitliche Linie im Kampf gegen die ›Kulturbolschewisten‹ in den eigenen Reihen einsetzte, begann 1935 eine schwarze Liste missliebiger Künstler zu erstellen, um die Parteigenossen auf eine verbindliche Linie einzuschwören: Die Liste der ›Musik-Bolschewisten‹, die das Kulturpolitische Archiv im Amt für Kunstpflege der NSKG 1935 zum internen Gebrauch an Parteistellen versandte. Auf dieser Liste[100] heißt es:
»Liste der Musik-Bolschewisten und ähnlich gerichteter Persönlichkeiten, die auf Grund ihrer Vergangenheit oder ihrer gegenwärtigen Haltung für die NS-Kulturgemeinde abgelehnt werden. Die Vertreter des Verfalls können, einem Führerwort zufolge, nicht die Bannerträger der Zukunft werden. Daher stellen wir eine Liste derjenigen auf, die auf dem Gebiet der Musik und der Oper offen als Musik-Bolschewisten aufgetreten sind. Die Kompromisslosigkeit des Nationalsozialismus erfordert darüber hinaus die Ablehnung der Elemente, die früher und heute durch ihr Verhalten und durch Äusserungen bewiesen haben, wie weit sie noch von einer Erkenntnis unserer Weltanschauung entfernt sind.«
Es finden sich darauf Musiker, Komponisten, Musikwissenschaftler und Feuilletonisten wie beispielsweise Paul Bekker (»Deutschenhetzer, Jude«), Alban Berg (»Atonaler Komponist, Schönberg-Schule«), Gustav Havemann[101] (»prägte das Wort von den »deutschstämmigen Juden«), Bruno Walter (»GMD; Jude«) und Anton Webern (»Atonaler Komponist, Schönberg-Schule«).
Das auffälligste Merkmal der 55 Personen umfassenden Liste, dass die weitaus meisten Nennungen aus purem Antisemitismus erfolgten, während Musikbolschewismus lediglich bei einem Viertel ausschlaggebend war. Die Nennung von lediglich 14 Musikbolschewisten macht deutlich, dass zunehmend die antisemitische Komponente im NS-Staat zum bestimmenden Element wurde. Die eigentlich dem Bolschewismus per definitionem zugehörige politische und weltanschauliche Komponente hingegen trat mehr und mehr in den Hintergrund.
Interessanterweise fehlen auf dieser Liste sämtliche Komponisten, die man vor 1933 als Leitfiguren des ›Musikbolschewismus‹ eingeführt hatte, nämlich Schönberg, Krenek, Weill, Klemperer, Kerstenberg, Schreker oder Eisler. Ebenso stehen auch keine Aktivisten der Arbeitermusikbewegung oder Musiker des verteufelten Jazz auf der Liste. Das Fehlen aller namhaften musikalischen ›Bannerträger des Verfalls‹ deutet möglicherweise darauf hin, dass man sich der Ausschaltung dieser Komponisten zu diesem Zeitpunkt schon sehr sicher war.[102] Fest steht, dass die meisten der genannten Komponisten bereits emigriert waren, und somit in der Tat keine nennenswerte Gefahr mehr für das NS-Regime darstellten.
Infolge des radikal antisemitisch geprägten Antibolschewismus für das angeblich ›Artfremde‹ im Kulturbereich setzte sich schließlich der Begriff der ›Entartung‹ durch. Er bezog sich auf alle Bereiche und Sparten des Kulturlebens, folglich auch auf die Musik. Was die Unterhaltungsmusik ebenso einschloss, wie die sogenannte ernste Musik. Der Begriff ›Entartung‹ existierte ebenfalls bereits seit etwa Mitte der 20er Jahre und fungierte damals schon als rassistische Variante zum ›Kulturbolschewismus‹. Im Dritten Reich wurde der Ausdruck ›Kulturbolschewismus‹ schließlich gänzlich durch den Begriff der ›Entartung‹ ersetzt. So wurde beispielsweise die Liste der Musik-Bolschewisten innerhalb des Amtes Rosenberg ausgebaut zum Lexikon der Juden in der Musik [103].
Der Vorwurf der ›Entartung‹ richtete sich also in erster Linie gegen jüdische Komponisten. Gemäß der NS-Rassenlehre galten Juden in dem neuen deutschen Volkskörper als ›zersetzende Elemente‹, die auch, und das ist das entscheidende, für die Zerstörung der Kunst und Kultur verantwortlich gemacht wurden. Es galt daher, die Juden als ›Fremdlinge‹ kenntlich zu machen und dann aus dem deutschen Volke und aus dem deutschen Kulturleben zu vertreiben. Goebbels dazu:
»Wir sehen in der Kunst den höchsten schöpferischen Ausdruck einer artgleichen Blutgemeinschaft. Je reiner das Volk sich diese Blutgemeinschaft erhält, um so grösser wird es seine Kunst gestalten. Das Eindringen rassefremden Blutes und rassefremden Denkens in den deutschen Volkskörper und damit in unsere ganze geistige und seelische Haltung hat unserem Volk die Geschlossenheit und die Eigenheit seines Kunststiles genommen. [...] Nur das Ausscheiden dieses Fremdkörpers kann die Quellen wieder freilegen, aus denen wir auch die Kraft zu neuer Kunstgestaltung schöpfen können. Ein artreines und wesenstarkes deutsches Kunstgefühl muss dem Volke und auch dem schaffenden Künstler wieder anerzogen werden.«[104]
Zunächst gab es klare Anordnungen jüdische Komponisten sowie jüdische Musiker, egal ob Zeitgenossen oder aber ›Klassiker‹ wie beispielsweise Felix Mendelssohn Bartholdy und Gustav Mahler durch ein offizielles Aufführungsverbot zu boykottieren. Mit dem Lexikon, das von dem Komponisten Theo Stengel und dem Musikwissenschaftler Herbert Gerigk herausgegeben wurde, schuf man ein offizielles Medium, das die Juden in der Öffentlichkeit als solche auswies.
Da jüdische Musiker keinen Zutritt zur RMK hatten, gründete man den Jüdischen Kulturbund im Juni 1933, wo es den jüdischen Zwangsmitgliedern zwar erlaubt war Musik zu machen, allerdings nur Musik von jüdischen Komponisten.
Im Falle von Opern zog jedoch nicht nur die Autorenschaft eines jüdischen Komponisten, sondern auch ein etwaiger jüdischer Librettist entweder die Zensur oder aber die Umarbeitung des Stückes nach sich. Dass Mozart beispielsweise mit einem jüdischen Librettisten zusammengearbeitet hatte, ließ sich auf keinen Fall mit der NS-Rassenideologie vereinbaren. Anstoß nahmen die Nationalsozialisten auch an den Oratorien von Händel und Bach mit alttestamentarischen, also aus ns-ideologischer Sicht, jüdischem Gehalt. Die Reinigung der ›arischen‹ Kompositionen von ›Hebräismen‹ förderte besonders Rosenberg, der vollständige oder teilweise Textfälschungen anfertigen ließ, wobei die religiöse Sphäre durch eine parteiliche, weltliche ersetzt wurde. Goebbels hatte mit der Reichsstelle für Musikbearbeitungen ebenfalls eine staatliche Stelle zur Kontrolle von Musikwerken eingerichtet. Die Libretti der Opern wurden nun von offizieller Seite begutachtet und gegebenenfalls zur textlichen Bearbeitung an Musikwissenschaftler weitergeleitet[105].
Die Hetze gegen die ›Entartung‹ in der Musik, die ab 1933 von den Nationalsozialisten verstärkt propagiert wurde, gipfelte im Jahre 1938 in der Düsseldorfer Propaganda-Ausstellung Entartete Musik [106], die nach dem Vorbild der Münchener Ausstellung Entartete Kunst (1937) entworfen worden war. Heinz Drewes, Leiter der Musik-Abteilung im ProMi, organisierte die ersten Reichsmusiktage des neuen Staates, die am 22. Mai 1938, dem 125ten Geburtstag Richard Wagners, in Düsseldorf begannen.
Anlässlich dieser Reichsmusiktage, die für das ProMi als wichtigste und repräsentativste Musikveranstaltung im NS-Deutschland galten, eröffnete der Verantwortliche, Hans Severus Ziegler[107], die Ausstellung. Für die Öffentlichkeit wurden ›abschreckende‹ Beispiele des ›Undeutschen‹ an den Pranger gestellt und jüdische Operetten- und Schlagerkomponisten, atonale Werke wie auch der Jazz als ›artfremd‹ eingestuft.
Von der Brandmarkung der ›Entartung‹ waren neben den jüdischen Komponisten Folgende betroffen:
1. Komponisten, deren Kunst nicht den moralischen Wertvorstellungen der Nationalsozialisten entsprach. Ihnen warf man sexuelle Abartigkeit und moralische Verderbtheit[108] vor, sie galten als »Bannerträger des Verfalls«[109].
2. Komponisten, die dissonant oder atonal komponierten und somit als »Zerstörer der Tonalität«[110] galten.
3.
Im Zentrum der Ausstellung standen fünf Komponisten: Arnold Schönberg, Kurt Weill, Ernst Krenek, Paul Hindemith und Igor Strawinsky, die ergänzt wurden durch – wie es hieß – »kleinere Bolschewistengrößen«[111], nämlich Franz Schreker, Hans Eisler, Alban Berg, Joseph Mathias Hauer, Ernst Toch, Hermann Reutter[112], Anton Webern, Darius Milhaud und andere.
Zu den ›Bannerträgern des Verfalls‹ zählten jene Komponisten, die in den 20er Jahren hauptsächlich für ihren extrem sozial- und gesellschaftskritischen Ansatz des Musiktheaters bekannt geworden waren. Die Rede ist von den politisch links orientierten Komponisten Kurt Weill, Hanns Eisler und Paul Dessau. Provozieren, die Menschen zum Nachdenken anregen. Das war die Prämisse, unter der die zeitgenössischen Werke der damaligen Zeit entstanden. Sozial- und systemkritische Sujets, wie beispielsweise in den Opern Jonny spielt auf (1927) von Ernst Krenek, Neues vom Tage von Paul Hindemith (1929) oder aber Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny (1930/Text: Bert Brecht) von Kurt Weill hatten in der Weimarer Republik für Aufsehen und Skandale gesorgt. Neben den kritischen Opernstoffen war es außerdem die avantgardistische musikalische Sprache, die von den Nationalsozialisten abgelehnt wurde, wie der parteitreue Komponist Ludwig Maurick in einem Rundumschlag ausführte:
»Nicht die Darstellung des Gemeinen, Gewöhnlichen oder des Kitsches gemeinhin ist die Aufgabe der Oper, sondern zu versuchen, dem Lebensdunklen, Schmerzverhangenen den Zaubermantel der Schönheit umzuhängen, das Tragische zu verklären und das Schöne noch herrlicher zu gestalten. So ergibt sich schärfste Ablehnung der Schmutz- und Tendenzwerke einer Berg-, Brecht-, Weil-Clique, einer Krenekschen Neger-Jonny-Atmosphäre und der Kokoschka-Elaborate, ergibt sich rücksichtslose Ausmerzung einer Paul Bekkerschen jüdisch-sachlichen Kunstauffassung ebenso wie die Verneinung der krankhaften Hirnabsonderungen Schönbergischer Monodramatik. Diese Dinge hat der reinigende Sturm einer neuen Weltanschauung weggefegt.«[113]
Anfang der 30er Jahre stellten sich diese Komponisten erwartungsgemäß auch kritisch gegen das neue Regime. Werke wie die Symphonischen Stücke aus der Oper Lulu (1934) von Berg, und die Symphonie Mathis der Maler (1933/34) von Hindemith genannt werden[114], die gegen die neue Kulturpolitik demonstrierten, wurden sogleich verboten. In der Oper gab es zudem noch das Verbot von provozierenden und anzüglichen Werken.
Als ›Zerstörer der Tonalität‹ galten die Komponisten der Moderne. Ihnen warf man »haarsträubende Kakophonien«, »rationell-mechanistische Konstruktion« und »zuchtlose, selbstgenießerische Musik« vor. Dissonanzen, die dem Ohr nicht leicht eingängig waren, standen dem Anspruch der Nationalsozialisten von Harmonie entgegen. Dissonante Musik galt als individualistisch, weil sie sich dem ›natürlichen‹ Einschwingen in ein Klangspektrum widersetzt. Atonale Musik insgesamt galt als intellektuelle Gehirnakrobatik, als bloß konstruiert und nicht gefühlt.[115] Atonalität stand wiederum in enger Verbindung zur Rassenpolitik. So wurde Schönberg, als ›Erfinder‹ der Zwölftonmusik, zum ›Urvater‹ der Atonalität erklärt und Atonalität somit bei den Nationalsozialisten rundweg zum »Produkt jüdischen Geistes«:
»Ich bekenne mich [...] zu der Anschauung, daß die Atonalität als Ergebnis der Zerstörung der Tonalität Entartung und Kunstbolschewismus bedeutet. Da die Atonalität zudem ihre Grundlage in der Harmonielehre des Juden Arnold Schönberg hat, so erkläre ich sie für das Produkt jüdischen Geistes. Wer von ihm ißt, stirbt daran.«[116]
Obwohl die Diffamierung atonaler Werke und ihrer Komponisten zweifellos zu den Grundpositionen nazistischer Musikideologie gehörte, wurde im Dritten Reich immer wieder atonale Musik geschaffen und aufgeführt. Komponisten aus dem Schönberg-Kreis wie Paul von Klenau und Winfried Zillig, deren Namen nicht so eng wie Berg und Webern mit der Schule Schönbergs identifiziert wurden, waren als Opernkomponisten trotz (modifizierter) Zwölftontechnik anerkannt[117]
Doch die Düsseldorfer Ausstellung Entartete Musik hatte nicht etwa zur Folge, dass jede als ›entartet‹ beschimpfte Musik von nun an im Dritten Reich verboten war. Es ging den Ausstellungsmachern vielmehr darum, radikale Säuberungsaktionen gegen die Künstler zu propagieren, deren Werke sich bis zu diesem Zeitpunkt trotz wiederholter nazistischer Anfeindungen im Musikleben gehalten hatten. In erster Linie betraf das die Komponisten Hindemith und Strawinsky[118]. An den Beispielen Strawinsky und Reutter wird deutlich, dass der Vorwurf der ›Entartung‹ für Komponisten, die nicht als politische Gegner des NS-Staates oder als Juden galten, keine zwangsläufig existenziellen Konsequenzen hatte.
Das ›Ausjäten des musikalischen Unkrautes‹ – wie Goebbels bei den Reichsmusiktagen 1939 formulierte – sollte allerdings nicht lediglich der Propaganda und der damit verbundenen wortreichen Hetze überlassen werden. Bereits im Vorfeld der Ausstellung Entartete Musik hatte Goebbels daher in seinem Ministerium die Reichsmusikprüfstelle geschaffen, deren Aufgabe darin bestand, amtlich zu entscheiden, welche Kompositionen aus dem Dritten Reich verbannt werden mussten. Als Grundlage dafür wurde am 18. Dezember 1937 vom Präsidenten der RMK die Anordnung über unerwünschte und schädliche Musik erlassen, und am 1. September 1938 erschien in den Amtlichen Mitteilungen der Reichsmusikkammer eine erste Zusammenstellung verbotener Musik. Am 15. April 1939 erhielt die ausgearbeitete Fassung der Anordnung zum Schutze musikalischen Kulturguts ihre legislative Basis. Ab sofort wurde damit die »listenmäßige Führung unerwünschter musikalischer Werke«[119] geregelt. Auf dieser Liste über unerwünschte und schädliche Musik standen musikalische Werke, »die dem nationalsozialistischen Kulturwillen widersprechen«. Die Entscheidung über die Aufnahme der Musiker und ihrer Werke in diese Liste traf die Reichsmusikprüfstelle nach Anhörung des Reichsmusikpräsidenten. Der Druck, der Vertrieb und die Aufführung der in der Liste aufgenommenen Werke waren ab sofort im gesamten Reichsgebiet verboten.
Die Erste Liste unerwünschter musikalischer Werke [120] erschien pünktlich zu Kriegsbeginn, am 1. September 1939. Die RMK veröffentlichte von nun an unter Bezug auf die entsprechenden Kriegserklärungen Anordnungen zur Programmgestaltung des deutschen Musiklebens. Herstellung, Verbreitung und Aufführung von Werken sogenannter ›feindländischer‹ Komponisten waren verboten.[121]
Französische, englische und russische Komponisten mussten »bis auf weiteres ausnahmslos« vom Spielplan der Opern abgesetzt werden. Doch so sehr man sich um eine einheitliche Zensurpolitik bemühte, die konkreten Entscheidungen fielen dann doch unterschiedlich aus: Obwohl Carmen von einem dieser sogenannten ›Feindstaatenkomponisten‹, nämlich George Bizet, stammte, und somit nach der oben genannte Anordnung der RMK verboten war, wurde die Oper dennoch den gesamten Krieg über gespielt. Der Grund für diese Ausnahme lag in der deutschen Bevölkerung: Carmen gehörte zum Standardrepertoire der deutschen Opern, zählte beim Publikum zu einer der beliebtesten Opern im Dritten Reich, und wurde deshalb nach einigem hin und her doch wieder genehmigt. Ebenso umstritten waren die Opern von Igor Strawinsky und Modest Moussorgsky.
Die NS-Kulturpolitik insgesamt orientierte sich also im Allgemeinen an den Kriterien der NS-Ideologie. Ausgegrenzt, verfemt und verboten waren Komponisten und Werke die sowohl der Ideologie als auch der Musikästhetik widerstrebten. Das Prinzip der NS-Musikpolitik wurde daher von der Reichsleitung der NSKG im Jahre 1934 so formuliert: »Der Nationalsozialismus setzt vor die Bewertung des Werkes die Wertung der schaffenden Persönlichkeit.«[122] Man versuchte die Werte der NS-Ideologie auf die Musik und die Komponisten zu übertragen und damit einerseits die zahlreichen ›Säuberungen‹, andererseits die Duldung bzw. Förderung bestimmter Personen oder Werke zu rechtfertigen. In den meisten Fällen war es die Rassenfrage, die entscheidend für die Beurteilung der Komponisten sowie ihrer Werke war. Ästhetische Kriterien wurden zu diesem Zweck mit rassenideologischen Kriterien gleichgesetzt. Doch in den meisten Fällen wurden die Komponisten mit einer Reihe von Vorwürfen konfrontiert, wie die Fälle Weill, Schönberg und Milhaud belegen.
Wichtig ist dabei zu sehen, dass es während er gesamten NS-Zeit keine einheitliche musikpolitische Richtung gegeben hat. Jeder Fall wurde einzeln bewertet und entschieden. So kam es zu Unstimmigkeiten vor allem zwischen Goebbels und Rosenberg, was etwa die Schicksale der Komponisten Strawinsky, Hindemith[123] und Reutter deutlich machen. Doch trotz dieser Ausnahmen gelang es den Nationalsozialisten relativ schnell, die neue Kultur von unliebsamen Künstlern zu ›befreien‹, zu ›säubern‹.
Diese ›Säuberungen‹ des Musiklebens von ›jüdischen und kulturbolschewistischen Elementen‹ war nur eine der Unternehmungen der NS-Musikpolitik. Parallel dazu musste ein weiterer Schritt eingeleitet werden um die entstandenen Lücken des Musikbetriebes zu schließen. Das ›entartete‹ und ›jüdisch beherrschte‹ Musikleben musste durch ein ›arisches‹, durch und durch ›deutsches‹ ersetzt werden.
3.2. Das ›Deutsche‹ an Mozart, Beethoven, Brahms und Wagner – Rückbesinnung auf die eigenen Wurzeln
Während man bei sich der Definition von ›entartet‹ eine relativ genaue Vorgabe schaffen konnte, indem man in erster Linie die Musik von regimefeindlichen, sowie jüdischen Musikern verbannte, war die Definition vom ›Deutschen‹ in der Musik erheblich schwieriger. Es stellte sich die Frage, welche Kriterien entscheiden dafür waren, damit eine unverwechselbar nationale, dem deutschen Volk dienende, das deutsche Volk erhebende und den neuen Staat ehrende Musik entstehen konnte. Sowohl Kulturpolitiker als auch Musikwissenschaftler und zeitgenössische Komponisten der NS-Zeit unternahmen in zahlreichen Aufsätzen den Versuch, eindeutige Merkmale einer wirklich ›deutschen‹ Musik zu spezifizieren[124]:
»Das Wesen der deutschen Musik ist das Wesen des deutschen Menschen schlechthin. Sie ist voller Romantik, von tiefer phrasenloser Frömmigkeit, sie ist verträumt, nachdenklich und doch wieder voller Kraft und Bewegung. Sie ist herb, ja manchmal verschlossen, ist keusch, aber auch wieder voll Leidenschaftlichkeit, fest gebunden in ihren ewigen Gesetzen und doch auch von vorwärtsstürmender Freiheit. Sie ist – nicht zuletzt – von guter Handwerklichkeit, da sie in ihrem tiefsten Wesen die Gründlichkeit und den Fleiß deutscher Art bekundet. Das ist das Wesen der deutschen Musik, wie sie uns in ihrer Idealgestalt vorschwebt.«[125]
Eine eindeutige formale Definition von deutscher Musik war nach dieser Beschreibung von Paul Graener, der sowohl Vizepräsident der RMK als auch Komponist im Dritten Reich war, also gar nicht möglich. Vielmehr rechtfertigten Ausführungen wie diese das Handeln nach Gutdünken der Mächtigen des Nationalsozialismus. Es wurden also weniger musikästhetische Fragen behandelt, als vielmehr die Ideale der NS-Weltanschauung in Komponisten und deren Werke hineininterpretiert, deren Persönlichkeit auf Grund der Abstammung und ihrer Lebensweise die Auszeichnung deutsch ›verdient‹ hatten. Hier wird also auch, wie schon bei der ›entarten Musik‹, die Bewertung der schaffenden Persönlichkeit vor die Bewertung der Musik gesetzt.
Das Ideal war demnach: Der zeitgenössische Komponist als Teil der Volksgemeinschaft, der nur dann ›gute‹ Musik schaffen kann, wenn er sich und seine Kunst in den Dienst des Nationalsozialismus stellt. Orientieren sollte er sich an den großen Meistern der vergangenen Epochen, wie Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven und Richard Wagner, die mit ihrer Musik, »seelische Werte«, »geistige Größe und Tiefe« vermittelt hatten und damit das gesamte Volk zu »läutern und erheben« verstanden.
3.2.1. Die Pflege der ›Klassiker‹
Ziel der Musikpolitik des NS-Staates war es zum einen, dem Volk die Musik der ›deutschen Klassiker‹ näher zu bringen und zum anderen die zeitgenössischen Künstler dazu zu bringen eine nationalsozialistische Kunst zu produzieren, die die Werte und Ziele der Politik in sich vereint. Unter den Klassikern war es vor allem das Werk Richard Wagners, das geradezu ›staatspolitische Bedeutung‹ gewann, wie Goebbels in seinem Aufsatz Richard Wagner und das Kunstempfinden unserer Zeit hervorhob:
»Deutschland ist das klassische Land der Musik. Die Melodie scheint hier jedem Menschen eingeboren zu sein. Aus der Musizierfreudigkeit der ganzen Rasse entspringen seine großen künstlerischen Genies vom Range eines Bach, Mozart, Beethoven und R. Wagner; sie stellen die höchste Spitze des musikalisch-künstlerischen Genius überhaupt dar. Unter ihnen ist R. Wagner selbst etwas Einmaliges. Er verbindet mit der Kraft des künstl. Pathos den Erfindungsreichtum der Melodie, die Klarheit der Linienführung und die Dynamik des dramatischen Aufbaues. Richard Wagner wäre auch ohne sein dramatisches Werk einer der größten Musiker und wäre auch ohne seine Musik einer der größten Dramatiker aller Zeiten geworden.«[126]
Wagner war der von den Kulturpolitikern des NS-Staates am meisten präferierte Komponist[127]. Insbesondere die große Leidenschaft Hitlers für Wagner waren mit Sicherheit ein Grund für den einsetzenden Wagner-Kult im Nazi-Deutschland. Die Bayreuther Festspiele, von denen Wagner behauptete, er habe damit »den Deutschen eine eigenständige nationale Kunst geschaffen«[128], wurden schließlich auch von Hitler zur ständigen Verherrlichung des Nationalsozialismus und des Dritten Reiches genutzt. Ab 1933 wurden die Bayreuther Festspiele vom Regime finanziell unterstützt.
Auf Hitlers Initiative hin fanden sie ab 1936 nicht mehr nur alle zwei Jahre, sondern jährlich statt[129]. Wagner hatte durch seine eigenes Beispiel der Welt gezeigt, wie Kunst sich mit Politik mischen und faktisch in hohem Maße politisieren ließ. Hitler seinerseits erwies sich als gelehriger Schüler und machte Bayreuth zu dem, was er haben wollte. Er instrumentalisierte die Festspiele derart, dass sie als Beispiel dafür dienen, wie Musik und Musiker sich in einer faschistischen Ära politisieren ließen.
»Für Hitler war Richard Wagner Prophet und ein archetypisches Universalgenie, sowohl Künstler wie politische Führerfigur.«[130] Und in der Tat lassen sich in Hitlers Ideologie einige Parallelen zu Wagners politischen Ansichten aufzeigen. In Mein Kampf bezog Hitler sich immer wieder auf Wagner und seine politischen Schriften. So auch in den Ausführungen zum Antisemitismus. Wagner hatte 1850 sein erstes antisemitisches Traktat mit dem Titel Das Judenthum in der Musik veröffentlicht und wurde dadurch sozusagen zum Pionier der Antisemitismus-Bewegung des 19. Jahrhunderts[131].
Hitler, der selbst eine gescheiterte Laufbahn als Maler und Architekt hinter sich hatte, sah die Kultur als einen wichtigen Part seiner Politik an. In seiner Ideologie vom »unpolitischen Schönheitsstaat«[132] betrachtete Hitler seine künstlerischen und politischen Vorstellungen als eine Einheit. Er selbst empfand sich daher auch sowohl als Künstler wie als Politiker. Den Idealfall sah er dann erreicht, wenn das Regime die Versöhnung von Politik und Kunst ergeben habe[133], was er in Bayreuth verwirklicht sah.
Für Hitler war Richard Wagner ›der deutsche Komponist‹ schlechthin. Er war fasziniert von den Stoffen, von denen Wagners Werke handelten: der mythischen Welt einer heiligen germanischen Vergangenheit. In den Opern fand Hitler sein Idealbild des Musiktheaters wieder: heroische Helden, mythische Welten, die der nordisch-germanischen Sagenwelt entnommen waren und somit sozusagen aus dem Volke stammten:
»Daß Wagners Kunst so erschütternde Dokumente schöpferischen Wirkens zeitigen konnte, ist in der Hauptsache darauf zurückzuführen, dass dieses künstlerische Genie, zu welcher Höhe der Schaffensfreudigkeit es auch immer steigen mochte, trotzdem niemals seine Wurzeln im Erdreich des Volkstums verlor. R. Wagner schafft in der Tat aus dem Volke für das Volk; keines seiner Werke ist für diese oder jene Schicht geschrieben. Alle wenden sich an das Volk, alle suchen das Volk, und alle finden im letzten auch das Volk wieder.«[134]
Die Musikdramen Wagners sollten die breite Aufmerksamkeit wieder auf das Germanentum mit seinen für den NS-Staat vorbildlichen Eigenschaften des ›Heroischen‹, des ›Kämpferischen‹ und – so glaubte man – eines »angeborenen deutschen Rasseninstinktes« lenken.[135]
Aber auch Rosenberg und Goebbels sahen in Wagner und seinen Musikdramen das Ideal ›deutscher‹ Musik verkörpert. Rosenberg bezieht sich in seinem Mythus wiederholt zustimmend auf Wagner, seine Ideen und seine Schöpfungen. »Das Kultwerk Bayreuths steht für ewig außer Frage.«[136] Der KfdK organisierte regionale Wagnerfeiern und warb in seinen Zeitschriften für die Werke des Komponisten. Goebbels zeigte sich tief beeindruckt von Wagners Musik. 1946 betonte er: »Richard Wagners Musik eroberte die Welt, weil sie bewußt deutsch war und nichts anderes sein wollte.«[137].
Als die großen Meister der klassischen ›deutschen‹ Musik galten neben Wagner zudem die Symphoniker Johannes Brahms und Anton Bruckner. Bruckner war der ›Lieblinssymphoniker‹ Hitlers, daher spielte auch seine Musik ab 1933 eine besondere Rolle: Sie sollte die verbotenen Sinfonien des jüdischen Komponisten Gustav Mahler ›ersetzen‹ und schließlich vergessen machen.
Die Musikwissenschaftler des Dritten Reiches waren ab 1933 eifrig dabei, das spezifisch ›Deutsche‹ an Mozart, Beethoven, Brahms und Wagner in etlichen Aufsätzen und Publikationen zu definieren. Die Klassiker wurden ›missbraucht‹, um den politischen Zielen nützlich zu sein. So wurden NS-ideologische Eigenschaften und Werte in die Künstler sowie ihre Werke ›hineininterpretiert›, um ihnen dadurch Legitimation zu verschaffen. So ergaben sich aus heutiger Sicht teilweise haarsträubende Interpretationen. In seinem Buch Volk und Rasse beispielsweise schrieb Walter Rauschenberger 1934 über Beethoven:
»Nordisch ist vor allem das Heroische, Heldische seiner Werke, das nicht selten zu titanischer Größe sich erhebt. Es ist bezeichnend, daß heute in einer Zeit nationaler Erneuerung Beethovens Werke am häufigsten gespielt werden., daß man bei fast allen Veranstaltungen heroischen Inhalts seine Werke hört. Die Eroica, die Fünfte und Neunte Symphonie, die Egmont- und Corolian-Ouvertüre, sind zum typischen Ausdruck heroischer Gesinnung geworden.«[138]
Heroismus, ein Schlagwort der NS-Ideologie, wurde auch an den Künstlern hervorgehoben. Es ist jedoch charakteristisch, dass für den Autor das Spezifische des einzelnen Künstlers hinter dem Rassentypus verblasst, und er die eigentlichen Absichten von Beethovens in der Tat komponiertem Heroismus mit keiner Silbe erwähnt. Doch gerade das war die politische Absicht, da es vielmehr darum ging, den Heroismus von allen ethischen und moralischen Zielen loszulösen und ihn somit zum »Kampfesmut als Instinkt«[139] zu machen. Doch, dass Beethoven in dem Finale der angeblich so nordisch-heroischen 9. Sinfonie von den Menschen sprach, die zu Brüdern werden sollten, und zwar von allen Menschen, ging wohl in dem allgemeinen ›Heroismus-Fanatismus‹ unter.
Ein weiteres Beispiel der Neuinterpretation von ›Klassikern‹ stammt aus einer Gedenkschrift, die aus Anlass des 100. Geburtstages von Johannes Brahms im Mai 1933 veröffentlicht wurde, worin der Tübinger Musikwissenschaftler und Pg. Karl Hasse den Versuch unternommen hat, das spezifisch ›Deutsche‹ an Brahms und seiner Musik zu definieren:
»Und nun finden wir bei Brahms seelische Eigenschaften und Erlebnisse sich offenbaren, die wir als ganz besonders deutsch empfinden, als solche, die nur aus dem deutschen Volksboden heraus gewachsen denkbar sind. Nicht nur das ist es, dass Brahms die deutschen Volkslieder zur Grundlage seines ganzen musikalischen Aufbauens machte. Sondern auch das, dass er eine Wesensart hat, die so gar keine Beimischung eines anderen Volkstums oder Einflüsse von aussen her zeigt.«[140]
Und weiter heißt es dort: »Selbst wenn er ungarische Tänze bearbeitet, bleibt er der herbe, knorrige und hinter der harten, festen Schale seine weiche Empfindung verbergende Norddeutsche.« Indem Hasse schließlich die gesamte NS-Ideologie von ›Führerprinzip‹ bis ›Volksgemeinschaft‹ in Brahms und seiner Musik verwirklicht sah, schloss er seinen Aufsatz mit den Worten:
»Heute erkennen wir wieder mit vollster Deutlichkeit, dass Brahms einer der besten und bewährtesten geistigen Führer ist, der immer wieder mitten hinein gestellt werden muss ins deutsche Volk, der durch seine Werke kräftigen und aufbauen kann, als einer aus der stolzen Reihe der Meister, die der deutschen Musik geschenkt worden sind, als einer, der ganz besonders den hohen Ehrennamen zu tragen berufen ist: ›deutscher Meister‹.«
Brahms wurden in diesem ›musikwissenschaftlichen‹ Aufsatz alle Eigenschaften und Werte zugesprochen, die ein ›guter, deutscher Komponist‹ zur Erfüllung seiner kulturpolitischen Aufgabe im NS-Staat haben musste: arische Abstammung und Volkstümlichkeit machten ihn zu einem ›deutschen‹ Meister, der es schaffte, mit seiner Musik das Volk zur kräftigen und aufzubauen. Auch hier wird wieder die Wertung der schaffenden Persönlichkeit vor die Bewertung des Werkes gesetzt und statt formaler Kriterien, die Rede von der mysteriösen ›deutschen Wesensart‹ fortgesetzt.
Um die erhoffte rassisch prägende Wirkung von Konzertmusik zu sichern, wurden die klassischen Komponisten in die musikalische Rassenforschung[141] einbezogen. Die Musik von Bach, Beethoven, Brahms, Bruckner und Wagner sollte schließlich die ›arischen Lebensgefühle‹ wecken. Die Komponisten sollten als ›Rassenvorbilder‹ dienen. Obwohl beispielsweise der Musikwissenschaftler Friedrich Blume im Jahre 1938 in seiner Publikation Musik und Rasse – Grundfragen einer musikalischen Rassenforschung [142] darauf aufmerksam machte, dass ein Rasse-Erlebnis für seriöse Musikwissenschaftler kaum zu klären oder zu beschreiben sei, wurden von anderen Wissenschaftlern immer wieder Aufsätze publiziert, in denen beispielsweise erklärt wurde, dass das Wesen der deutschen Musik in seiner Melodik oder im germanischen Dreiklang zu sehen sei, während man den Juden melodische Unfähigkeit bescheinigte.[143]
Insgesamt betrachtet, sollte die Musik, wie die gesamte Kunst des Nationalsozialismus, »völkische Idyllik und pseudo-klassizistische Harmonie«[144] vermitteln. Um den reflektierenden Verstand beim Hören von Musik zurückzudrängen, um Musik ganz als Ausdruck eines ›Natürlichen‹, ›Ewigen‹ und eines kollektiv Volkshaften wahrnehmen zu lassen, wurde von Goebbels 1936 die Kunstkritik offiziell verboten und durch die unkritischen ›Kunstbetrachtungen‹ ersetzt:
»An die Stelle der bisherigen Kunstkritik, die in völliger Verdrehung des Begriffes ›Kritik‹ in der Zeit jüdischer Kunstüberfremdung zum Kunstrichtertum gemacht worden war, wird ab heute der Kunstbericht gestellt; an die Stelle des Kritikers tritt der Kunstschriftleiter.«[145]
Ein erklärtes Ziel der NS-Kulturpolitik war es, eine neue Kultur und damit eine ›erneuerte‹, gemeinschaftsstiftende Oper zu schaffen. Die Politik im Allgemeinen zielte zusätzlich darauf ab, der Institution des öffentlichen Konzertes den Charakter einer feierlichen, säkularisierten Repräsentationshandlung zu verleihen. Im Konzert und in der Oper, sollte mit der Kunst auch der sie tragende Staat gefeiert werden.
3.2.2. Die Förderung von zeitgenössischen Komponisten
Die ›Reinigung‹ der Opernspielpläne war relativ schnell erfolgt, sei es aus nationalsozialistischer Überzeugung der Intendanten, oder ihrem Bestreben, auf Nummer sicher zu gehen. Was hingegen nicht gelang, war den Spielplan durch neue Werke zu prägen. Statt Neues in den Spielplan aufzunehmen, betrieben die Intendanten der meisten Opernhäuser die erprobte, werkbewusste Repertoire-Politik der zwanziger Jahre[146]. Daher wurde schon bald nach der Machtergreifung der propagandistische Ruf nach der Schaffung einer ›Erneuerten Oper‹ laut. Diese Forderung betraf sowohl zeitgenössische Komponisten, als auch die Intendanten der Bühnen, denen man direkte Vorschläge zur Gestaltung des Spielplanes zukommen ließ.
Im Deutschen Opernspielplan, der im Juni 1935 vom DBV im Auftrag »des Herrn Präsidenten der Reichstheaterkammer und Reichsdramaturgen zur Kenntnis und Beachtung«[147] an die Bühnen versandt wurde, wurden die erwünschten Komponisten in drei Kategorien eingeordnet: 1. Im Repertoire (sollte in jedem Spielplan vorhanden sein), 2. Aufführungswert, 3. Zu beachten. In Kategorie 1 waren neben den klassischen deutschen Komponisten – wie Mozart, Weber und Lortzing – auch zeitgenössische Komponisten wie Graener, Pfitzner, von Reznicek und Siegfried Wagner genannt. In der Kategorie II wurden neben seltener gespielten Werken älterer deutschsprachiger Komponisten auch Werke von zeitgenössischen Komponisten wie Julius Bittner, Joseph Haas oder Georg Vollerthun empfohlen. In der Kategorie III befanden sich unter anderem die Zeitgenossen Werner Egk, Ottmar Gerster und Hans Stieber.
Mit diesem Spielplan sollten sowohl die älteren, bisher wenig aufgeführten deutschsprachigen Komponisten, als auch noch lebende Komponisten, denen der Erfolg in der Weimarer Republik versagt blieb, gefördert werden. Kategorie III befasst sich mit jüngeren Komponisten, von denen man sich akzeptable Werke erhoffte, deren Bedeutung und Qualität aber noch nicht eingeschätzt werden konnte.
Da jedoch der erhoffte Zustrom an brauchbaren, zeitgenössischen Werken zunächst auf sich warten ließ, entschloss man sich, den Komponisten einerseits durch inhaltliche Vorgaben die Gestaltung der neuen Opern zu vereinfachen, andererseits durch gezielte Förderung mehr Anreiz zu verschaffen. Bereits ab 1933 wurden zu diesem Zweck im gesamten Reich Kompositionswettbewerbe durchgeführt. In Stuttgart etwa wurde bereits im April 1933 von der Intendanz des Württembergischen Staatstheaters in Zusammenarbeit mit dem KfdK unter Ehrenvorsitz des Kultministers Mergenthaler ein Preisausschreiben für Bühnenwerke organisiert, die das Gebiet des Dramas, der Oper und des Volksstückes umspannten. Die besten unter ihnen wurden in einem besonderen Spielplanzyklus Nationalbühne Stuttgart gespielt, und bekamen 500 RM Prämie. Ziel war es soviel neue Werke zu schaffen, bis »die Bereinigung der minderwertigen Spielplanpolitik der letzten Jahre erreicht«[148] sei. Die Teilnahmebedingungen waren:
1. »Der Verfasser muß Deutscher sein. Ausländer und Juden sind von der Teilnahme an dem Wettbewerb ausgeschlossen.«
2. »jede tendenziöse, unkünstlerische, kolportagemäßige, pseudodramatische Dichtung, jede intellektualistische verjazzte undeutsche Komposition«[149] wurde vom Wettbewerb ausgeschlossen.
Inhaltliche Vorgaben zur Erneuerung der Oper sahen folgendermaßen aus:
»Im Gegensatz zu allen konstruktiven, oratorienhaften und statuarischen Stilversuchen soll und wird die neue Oper ein im reinen Bühnensinne packendes Drama oder fesselnde Komödie darbieten. Doch muß das Libretto muskikheischend und musikträchtig, also reich an gefühlsmäßigen, lyrischen Ruhepunkten sein. Alltagsstoffe überzeugend und musiknah auf die Bühne zu bringen, ist bis jetzt nur selten gelungen. Doch verlangt der Hörer mit Recht eine Handlung, die ihm – in Erschütterung oder in Heiterkeit – Sinnbild des eigenen Schicksals sein kann. Ein Werk von bleibender Bedeutung kann nur aus einem urschöpferischen Geist erwachsen, der zutiefst mit dem Mythos eines Volkstums verbunden ist.«[150]
Die Schaffung neuer zeitgenössischer Werke sollten dem ›Geist der Zeit‹ samt ›stählerner Romantik‹ Ausdruck verleihen:
»Wenn die Kunst ihre Zeit formen will, muß sie sich ihren Problemen stellen. Die deutsche Kunst des nächsten Jahrzehnts wird heldenhaft, hart wie Stahl und romantisch, gefühlvoll und nüchtern sein, natürlich mit großem Pathos, und sie wird fesselnd und anspruchsvoll sein – oder sie wird nicht sein.«[151]
Zu diesem Zweck sei es wichtig, »das Gesellschaftsstück von gestern, das Problemstück für Spezialisten und das Sexualstück«[152] abzuschaffen. Stattdessen sollte das politische Schauspiel in den Vordergrund des neuen Spielplans rücken. Dabei sollte kein NS-Stück im wörtlichen Sinne entstehen:
»Nicht das hurrapatriotische Kitschstück, das schon einmal den Volksgedanken kompromittierte, kann die Absicht sein, nicht der Dilettantismus, der Gefühle von heute mit den Klischees von gestern auszudrücken und mit den Mitteln von vorgestern zu gestalten sucht, darf sich breit machen.«[153]
Goebbels, der proklamiert hatte, von einer offensichtlichen politischen Botschaft abzusehen, und »mehr als ein dramatisiertes Parteiprogramm« gefordert hatte, setzte stattdessen auf die »tiefe Vermählung des Geistes der heroischen Lebensauffassung mit den ewigen Gesetzen der Kunst« und »eine Art von stählerner Romantik [...], die den Mut hat, den Problemen [...] ohne Zucken in die mitleidlosen Augen hineinzuschauen.«[154] Durch diese Art von verdeckter Propaganda sollte der Zuschauer auf die NS-Ideologie und die politischen Absichten möglichst unauffällig hingeführt werden. Oder anders ausgedrückt: »Musik soll, wie alle Kunst, packen und gläubig machen, d. h. ohne Beweis überzeugen.«[155] Das Theater sollte zur »moralischen Anstalt« werden, die Stücke daher die Weltanschauung des Nationalsozialismus. vermitteln:
»Also auch hier und gerade hier: Sauberkeit im Wollen, im Handeln, in der Grundlage: Dann kann die Forderung Schillers, das Theater zur moralischen Anstalt werden zu lassen, und die Forderung Lessings, das Kunstwerk mit reinen Mitteln zu gestalten, erfüllt werden.«[156]
Als Basis-Tugenden des neuen Staates galten dann vor allem ab 1939 Eigenschaften wie ›heroisch‹, ›stählern‹ und ›mitleidlos‹, die durch die Oper vermittelt werden sollten.
Die Oper, wie das Theater insgesamt, sollte gezielt zum Zwecke der Vorbereitung des faschistischen Vorhabens des Endziels, d. h. zur Vorbereitung auf den Krieg, eingesetzt werden[157].
Als besonders populäres Operngenre zur Schaffung einer neuen ›deutschen‹ Oper war die sogenannte Volksoper[158] in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Die Volksoper sollte beim Neuaufbau des Theaters hin zum ›volkstümlichen Theater‹ helfen. Der Grundgedanke dieses Volkstheaters war: »Wir wollen ein s a u b e r e s Theater haben.«[159] Die Gesinnung die den Stücken zugrunde liegen sollte, war demnach:
»die ›Moral‹ soll gut, soll deutsch sein. Das bedeutet nicht die geringste Beschränkung im Stoff, es bedeutet nur eine einheitliche Linie in der Ethik. Es bedeutet das Ende der liberalistischen Humanitätsduselei, die für alles Minderwertige, Verbrecherische, Anormale um Verständnis und gar Anerkennung wirbt. Es bedeutet das Ende des nur seichten, nur frivolen Unterhaltungsschwankes östlicher und westlicher Provenienz. Es bedeutet aber auch nicht den Anfang eines hohlen Pathos, das nur aus allzu geschwinder Umlernerei und Gesinnungstüchtigkeit entstand. Die Tatsache allein, dass man einen großen der deutschen Geschichte oder einen Mann im Braunhemd mit fünffüßigen Jamben bewaffnet auf die Bühne stellt, hat noch nichts mit deutschem Theater zu tun.«[160]
Dabei war weitgehend unklar, wie die Volksoper kompositorisch und dramaturgisch auszusehen hatte. Was es hingegen gab, waren zahlreiche Hinweise und vage Umschreibungen, in denen zumindest die Wahl der thematischen Stoffe diskutiert wurde.[161] Es sollten vornehmlich Themen aus dem Mythos und der Geschichte, hauptsächlich des deutsch-nordischen Sprachraums, große historische Persönlichkeiten, die als Vorbild dienen konnten, bzw. als Träger großer Ideen oder politisch aktueller Tugenden; zum anderen Sujets, die das Volk als Handlungs- und Hauptpersonen in den Vordergrund stellten. Die für die Struktur der Handlung wichtigste Forderung war, dass für den Zuschauer die Oper »Sinnbild des eigenen Schicksals« sein sollte[162]. Zu den bekannten und erfolgreichen Volksopern des Dritten Reichs zählen die Werke Die Hexe von Passau und Enoch Arden von Ottmar Gerster.
Zudem lag den Nationalsozialisten die Erschaffung der heroischen Oper, sowie der Spieloper am Herzen. In der heroischen Oper sollte man die »Helden des Lebens, Helden im Erleben und Erleiden« zeigen.
»Nicht ein falscher, tothurneinherschreitender Heroismus harrt der Gestaltung, sondern der wirklichkeitsnahe und doch tiefergreifende Heldenmut«[163]. Die Spieloper hingegen solle eine positive, optimistische Auffassung vermitteln, und das Volk amüsieren und vom Alltag ablenken. Zu diesem Zwecke war das ProMi vor allem in den Kriegsjahren auf die Förderung und Schaffung der Operette aus. Da die »Fürsorge der Kunstverwaltung im Dritten Reich [...] ganz besonders dem Erquickungsbedürfnis der großen Volksgenossenschaft«[164] galt, war die große Unterhaltungskunst, die ein großes Publikum erreichte, musikpolitisch weit mehr interessant als die ernste Opernmusik. Es galt also Werke zu schaffen, die einerseits die Tugenden des Nationalsozialismus vermitteln, andererseits aber, gerade im Krieg die Bevölkerung primär unterhalten und ablenken sollten.
Da es jedoch nicht immer im Sinne der Intendanten war, zeitgenössische Werke aufzuführen, da das Publikum in der Regel wenig Interesse daran zeigte, wurden von staatlicher Seite aus Verordnungen erlassen. So ließ der Reichsdramaturg Schlösser im Jahre 1939 anordnen, dass jede Opernbühne in jeder Spielzeit mindestens eine Erstaufführung eines Werkes herausbringen sollte, das nach 1900 entstanden sei.[165] Zu den wegen ihrer Kompositionen im Sinne des NS-Regimes gefeierten und geförderten zeitgenössischen Opernkomponisten des Dritten Reiches zählen Paul Graener, Paul von Klenau, Hermann Reutter, Carl Orff, Werner Egk, Ottmar Gerster und Rudolf Wagner-Régeny, Richard Strauss und natürlich Hans Pfitzner.
Die Statistik zeigt, dass in ganz Deutschland während der Jahre 1933 bis 1944 jährlich etwa fünfzehn Uraufführungen neu komponierter Opern zu verzeichnen waren[166], insgesamt ergab das 164. Der Erfolg der meisten von ihnen war allerdings eher mäßig. Nur wenige von ihnen überlebten das Jahr ihrer Premiere geschweige denn das Ende des NS-Staates.[167] Nach 1944 verschwanden die meisten dieser Werke dann endgültig in der Versenkung und wurden bis heute so gut wie nie mehr aufgeführt.
3.3. Resümee
Die Umsetzung eines, den nationalsozialistischen Verhältnissen angepassten Spielplans im Dritten Reich, wurde auf zwei Wegen vollzogen: Durch das Verbot von unerwünschten Komponisten und Werken einerseits, sowie durch die Neu-Interpretation und der Versuch einer allgemeingültigen Definition von dem ›Deutschen‹ in der Musik andererseits. Anhand dieser Interpretationen erfolgte dann von staatlicher Seite zum einen die Legitimation von klassischen Werken, zum anderen die Förderung und Schaffung neuer ›deutscher‹ Werke zur propagandistischen Nutzung.
Bei der Betrachtung der inhaltlichen Vorgaben fällt auf, dass die Nationalsozialisten musikästhetisch eine extrem ›romantische‹ Vorstellung darüber hatten, was ›deutsche‹ Musik sei. Mit ›romantisch‹ ist in diesem Zusammenhang die geschichtliche und musikwissenschaftliche Epoche und ihre Weltanschauung gemeint. Stark vereinfacht und gekürzt dargestellt, waren die Hauptmerkmale der Romantik das Gefühl, das Empfindsame, das träumerisch Erahnte, die Seele. Die Sehnsucht der Romantiker richtete sich immer auf die Vergangenheit. Das romantische Musikdenken war beherrscht von einer ungestillten Sehnsucht, von einem innigen Naturgefühl, von Herzenswärme und Sentimentalität. Es entstand eine große Nähe zur Volksmusik. Die Musikanschauung der Romantik spiegelte sich unter anderem in der Klangfarbe, einer liedhaften Melodik, der Harmonik und in dem programmatischen Inhalt wider[168]. All das war es, was auch die Nationalsozialisten erreichen wollten: Musik sollte die Seele, das Gefühl ansprechen und in erster Linie zum Ablenken und zur Entspannung dienen.
Insgesamt muss aber dennoch festgehalten werden, dass weder ein sachhaltiger Begriff des ›Deutschen‹ in der Musik entwickelt werden konnte, noch einer des ›Undeutschen‹. Die Begründungen für ›gute‹ oder ›schlechte‹ Musik im Sinne der Nationalsozialisten waren rein rassistischer und ideologischer Art. Die Musikpolitik des Nationalsozialismus entwickelte sich ab 1933 extrem widersprüchlich und uneinheitlich, was sich vor allem aus zwei Momenten ergab:
Einerseits wussten die Nazis zwar, wen und was sie nicht wollten, nämlich alle jüdischen Komponisten. Bei jenen Komponisten, die atonal komponierten oder sich der Jazzelemente bedienten, war man sich nicht mehr ganz so sicher. Und wie ›deutsche‹ Musik zu klingen habe, wie die ›neue Zeit‹ und der ›neue deutsche Geist‹ sich in den zeitgenössischen Kompositionen niederschlagen sollte, darüber gab es nur vage Angaben und keine konkrete, einheitliche Linie.
Teil B:
Die Württembergische Staatsoper in Stuttgart von
1933-1944
4. Strukturelle Veränderungen
1902 brannte das Stuttgarter Theater in Stuttgart komplett nieder. Doch bereits zehn Jahre später wurde das Neue eröffnet: das königliche Hoftheater. Architekt Max Littmann war der Schöpfer einer bis dahin in Deutschland einzigartigen Konzeption: die zu einer Betriebseinheit verbundene Doppeltheateranlage, bestehend aus einem dreigliedrigen Gesamtkomplex aus Großem und Kleinem Haus samt Verwaltungsbau und Kulissentrakt. Durch diese architektonische Novität entwickelte sich eine ursprünglich nicht eingeplante Bespielungsart: Bereits 1919 war die ursprünglich nicht intendierte Trennung beider Häuser nach Spielgattungen eingeführt worden, in deren Folge das Kleine Haus zum Schauspielhaus, das Große Haus zum Opernhaus wurde, woran sich auch bis heute nichts geändert hat.[169]
Das Profil der Stuttgarter Oper war bis 1933 keinesfalls einheitlich. Bis Ende des ersten Weltkrieges war die Hierarchie der deutschen Opernhäuser festgefügt: An erster Stelle standen Wien und Dresden, an zweiter Berlin und München; der Rest war, wie man zu sagen pflegte, ›Provinz‹. Was bedeutete, dass die künstlerischen Leistungen so gut wie nie überregionale Beachtung fanden. Um aus diesem Schattendasein einer Provinzoper heraustreten zu können und um überregional Beachtung zu finden, war es wichtig, Uraufführungen, auch wenn sie nur einen Bruchteil des Spielplans ausmachten, aufzuführen. Zwar trugen auch neuartige Inszenierungen zum Renommee einer Bühne bei, doch wichtiger für das künstlerische Profil waren die Uraufführungen.[170]
Und tatsächlich gelang es der Stuttgarter Oper während 1912 und 1933 das Image einer Provinzbühne abzulegen, was vor allem der Tätigkeit des Komponisten und Generalmusikdirektors (GMD) Max von Schillings[171] und des ehemaligen Wagnersängers und Spielleiters Emil Gerhäuser[172] zu verdanken war; sie prägten bereits ab 1908 ein Jahrzehnt lang den Stil des Hauses. Ihnen folgten Fritz Busch[173] bzw. Franz Ludwig Hörth[174], die den künstlerischen Standard trotz der wirtschaftlichen Schwierigkeiten nach dem Ersten Weltkrieg halten konnten. Unter der Intendanz von Albert Kehm (1920-1933) schließlich gelang zwar die wirtschaftliche Konsolidierung an den Württembergischen Landestheatern, zugleich aber fiel die Oper künstlerisch auf ein solides Mittelmaß zurück und sie wurde wieder zur ›Provinzoper‹.[175]
Das Jahr 1933 bedeutete für die Stuttgarter Oper, bedingt durch den politischen Umbruch, vor allen Dingen eine Neuordnung der strukturellen wie der personellen Verhältnisse, und die Anpassung an die veränderten Rahmenbedingungen. So hieß es etwa in einem Aufsatz anlässlich der fünfundzwanzigsten Wiederkehr der Einweihung der Stuttgarter Staatstheater im Jahre 1937 rückblickend:
»Die einstigen Hoftheater sind Landes- und Staatstheater geworden. Sie unterstehen einer einheitlichen geistigen Führung durch die Reichstheaterkammer. Aus Stätten der Unterhaltung eines die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Kastengliederung peinlich wahrenden Genusses wurden sie zu Erziehungs- und Erhebungsstätten für die Volksgemeinschaft.«[176]
Auch hier fand also zunächst eine politische Vereinheitlichung des Opernbetriebes in Form von strukturellen Veränderung ab 1933 statt, um dann die geplante ideologische Vereinnahmung durchführen zu können. Um diesen Zusammenhang deutlich zu machen, werden daher im Folgenden zum einen die personal- und finanzpolitische Entscheidungen dargestellt, zum anderen die konkreten inhaltlichen Veränderungen und der ›Missbrauch‹ der Oper durch die NS-Politik.
Exkurs 2 : Der politische Umbruch in Stuttgart 1933
Die wirtschaftliche Krise der 30er Jahre kam den Nationalsozialisten auch in Württemberg sehr gelegen, um mit geschickter Propaganda die Massen von den Zielen der NS-Politik zu überzeugen. Als im Jahr 1932 die Zahl der Arbeitslosen die 6-Millionen-Grenze überstieg, was bedeutete, dass in Stuttgart (390 000 Einwohner) jeder fünfte Erwerbstätige arbeitslos war, konnten die Bürger den zahlreichen Versprechungen Hitlers nicht widerstehen. Auch wenn von Seiten der SPD etliche Versuche unternommen wurden, die Menschen vor der Propaganda der Nationalsozialisten zu warnen, konnte dennoch nicht verhindert werden, dass diese am 24. April bei der Landtagswahl in Württemberg mit 23 Abgeordneten zur stärksten Fraktion wurden. Der Nationalsozialist Christian Mergenthaler wurde zum neuen Landtagspräsidenten ernannt.[177]
Nachdem Reichspräsident Paul von Hindenburg am 30. Januar 1933 Adolf Hitler zum Kanzler einer Koalitionsregierung des ›Nationalen Zusammenschlusses‹ ernannt hatte, rief die KPD in Stuttgart aus Protest zu Streik und Demonstrationen auf. Am 15. Februar fand eine Wahlkampfkundgebung in der Stadthalle Stuttgart statt, zu der Hitler und Goebbels angereist waren. Siegessicher, und keine Zweifel aufkommen lassend, machte Goebbels deutlich:
»Unter unserem gewaltigen Ansturm wird die württembergische Hochburg des Liberalismus zusammenbrechen, brennen werden die Domänen des Zentrums, bis auch der letzte Volksgenosse erkannt hat, daß sein Platz als Deutscher nur in der Bewegung Adolf Hitlers sein kann.«[178]
Die Rundfunkübertragung der Hitler-Rede wurde schließlich nach wenigen Sätzen unterbrochen, da das Übertragungskabel von Gegnern der Nationalsozialisten durchtrennt worden war. Über das Kabelattentat notierte Goebbels in seinem Tagebuch:
»Da wir in der Nacht nicht von Stuttgart nach Berlin zurückfliegen können, lasse ich gleich die verantwortlichen Herren vom Rundfunk im Hotel antanzen und geige ihnen die Meinung in einer Art und Weise, daß ihnen Hören und sehen vergeht. Es scheint sich im übrigen Deutschland noch nicht herumgesprochen zu haben, daß eine Revolution im Gange ist. Man hat unsere anfängliche Duldsamkeit als Schwäche ausgelegt und glaubt, uns auf der Nase herumtanzen zu können. Man wird sich auf das grausamste getäuscht sehen. Eines Tages wird das Schwert unseres Zorns auf die Übeltäter herniedersausen und sie in ihrem frechen Hochmut zu Boden schlagen.«[179]
Auf den Brand des Reichstagsgebäudes am 27. Februar und die Reichstagswahlen am 5. März, die den Nationalsozialisten 288 und den Deutschnationalen 52 von insgesamt 647 Reichstagssitzen brachte, folgte die Machtergreifung. In Stuttgart wurde Gauleiter Wilhelm Murr zum württembergischen Staatspräsidenten gewählt. Auf einer Kundgebung der NSDAP erklärte er: »Wir sagen nicht: Auge um Auge, Zahn um Zahn. Nein, wer uns ein Auge ausschlägt, dem werden wir den Kopf abschlagen, und wer uns einen Zahn ausschlägt, dem werden wir den Kiefer ausschlagen.«[180]
So klang also der neue Ton, der auch in Stuttgart Einzug gehalten hatte. Die ›Hochburg des Liberalismus‹ Stuttgart war den Nationalsozialisten in die Hände gefallen. Bei der Reichstagswahl am 12. November erhielt die NSDAP als einzige zugelassene Partei in Stuttgart 92,4 Prozent der Stimmen, in Berlin waren es 86,7. 1934, also ein Jahr später, war auch in Stuttgart der Führerstaat mit totalitärem Anspruch erreicht.
Der neue, aggressive und kämpferische Ton machte sich auch in der Kulturpolitik deutlich bemerkbar. Kultminister Christian Mergenthaler, der bereits vor 1933 immer wieder gegen den Verfall der deutschen Kultur polarisiert hatte und sich deutlich für eine nationale, deutsche Kunst aussprach, lag die »Bekämpfung nicht artgemäßer Kunst«[181] besonders am Herzen. So zeigte er beispielsweise in einer Ausstellung im Stuttgarter Kronprinzenpalais im Juni 1933 Werke, die seiner Meinung nach »negativen, zersetzenden Geistes« waren. Darunter fielen württembergische Künstler wie Oskar Schlemmer, Willi Baumeister und Ida Kerkovius ebenso wie die international etablierten, Otto Dix, Max Beckmann, Conrad Felixmüller oder George Grosz. 1937 wurde dann auch in württembergischen Museen die ›entartete Kunst‹ endgültig verbannt. Allein aus der Staatsgalerie in Stuttgart verschwanden auf Mergenthalers Befehl hin 382 Werke.[182]
4.1. Finanzpolitik
4.1.1. Die Jahre bis 1933
Die finanzielle Lage der Opernhäuser zu Zeiten der Weimarer Republik war in ganz Deutschland extrem schlecht. Der Grund dafür lag in den Auswirkungen der Wirtschaftskrise seit Ende der zwanziger Jahre, von denen sie gleich doppelt betroffen waren: Wegen der Löcher in den privaten Geldbörsen blieb zum einen das Publikum aus,[183] zum anderen, und das wog weitaus schwerer, wurden auf Grund der Finanzknappheit der öffentlichen Haushalte drastische Sparmaßnahmen und Kürzungen im Opernbereich vorgenommen. Verglichen mit der Spielzeit 1928/29 hatten sich die städtischen Zuschüsse 1931/32 für die Theater in Deutschland um mehr als ein Viertel vermindert.[184] Darunter litt in erster Linie das Theaterpersonal, das nicht nur erhebliche Gagenkürzungen, sondern vor allem Entlassungen hinzunehmen hatte. Zwischen den Spielzeiten 1929/30 und 1932/33 wurde das Sänger- und Schauspielerpersonal um fast 30% reduziert. Prozentual lag die Künstlerarbeitslosigkeit Anfang 1933 bei etwa 46 %, d.h. etwa 20 % über der allgemeinen Arbeitslosigkeit.[185]
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte das Württembergische Landestheater Stuttgart, wie fast alle ehemaligen Hoftheater, gegen sinkenden Etat und steigenden Besucherrückgang anzukämpfen. Schon die Aufführung eines unbekannteren Stückes wurde zu einem finanziellen Vabanquespiel, da in erster Linie die zahlungskräftige Besucherschicht, die bereits während des Krieges eine besondere Vorliebe für die ›leichte Muse‹ gezeigt hatte, dem Theater fern blieb. Weitere Gründe für den Besucherrückgang lagen zum einen darin, dass ein Opernbesuch in der Weimarer Republik nicht mehr, wie noch zu Zeiten der Monarchie, als gesellschaftliches Ereignis angesehen wurde und die Oper Konkurrenz bekommen hatte, die neue Arten von Unterhaltung boten. Die ›Theatermüdigkeit‹ resultierte auch daraus, »daß das Publikum sich durch Kino und Rundfunk allmählich seine Genüsse auf die leichteste Art verschafft, nur so von der Straße weg oder ohne das Zimmer zu verlassen.«[186]
Von 1930 an geriet die Theaterleitung immer stärker unter wirtschaftlichen, politischen und weltanschaulichen Druck. Die Aufführungen mancher Stücke gaben Anlass zu parlamentarischen Debatten, weil diese oder jene Szene der ein oder anderen Partei nicht gefiel. Solche Debatten stellten oft die Genehmigung des Theater-Etats in Frage, wie bereits am Beispiel des Theaterskandals Schatten über Harlem dargestellt wurde. Bereits in den dreißiger Jahren wurde mit Kürzung der Finanzen gedroht, sollte der Spielplan nicht mit dem Geschmack der Parteien übereinstimmen.[187] Die finanzielle Abhängigkeit der Subventionsbetriebe bedeutete somit bereits zu diesem Zeitpunkt eine enorme Einschränkung der künstlerischen Freiheit. Im Jahre 1931 musste die Intendanz schließlich einsehen, dass es ein verhängnisvoller Irrtum gewesen war, das frühere Hoftheater, mit seinen Pflichten in die Staatsverwaltung der Republik zu nehmen, ohne seine früheren Existenzbedingungen durch strukturelle Veränderungen auszugleichen. Die Eintrittspreise wurden mehrfach angehoben, anstatt durch Preisermäßigungen einen wirklichen Wandel zum Volkstheater zu erreichen. Die Häuser blieben oftmals halbleer. Man übersah, dass das neue Publikum (neben den Kompromissformeln Volksbühne und Theatergemeinde) auch eine neuartige Gestaltung des Spielplans erforderte. Allein die Vergrößerung des das Theater tragenden Publikums (nicht mehr nur Einzelschicht, sondern ein Querschnitt des gesamten Volkes) erzwang einen Übergang von der Repertoire-Wirtschaft zum Serienbetrieb. Die Verkennung der Grundprinzipien einer neuartigen, dem Volke ›dienenden‹ demokratischen Theaterleitung war mit einer der Gründe für den verheerenden Einfluss der nahezu unbegrenzten Zuschusswirtschaft, die die Selbstdeckung des Theater-Etats in Stuttgart zum Beispiel von 72% (1913) auf 45% (1929) und gar 40,6% (1930) sinken ließ.[188]
Mit der zunehmend kritischer werdenden wirtschaftlichen Lage des Staates gerieten also auch die Theater in immer größere Schwierigkeiten. In Stuttgart spitzte sich die Krise in den Jahren 1931/1932 dramatisch zu: Waren für das Planjahr 1930 1,932 Millionen Mark als gemeinsamer Zuschuss von Staat und Land im Verhältnis 60:40 angesetzt, so musste das Staatsministerium wegen allgemeiner Defizite im Haushalt 1931 den Voranschlag auf Grund der Sparnotwendigkeiten um 400 000 RM kürzen.
Der vom Landtag im Juni 1931 verabschiedete Haushaltsplan der Landestheater rechnete mit 3 286 000 RM Gesamtausgaben, die mit 1 626 000 RM eigenen Einnahmen und einem Gesamtzuschuss von 1 660 000 RM für 1931 gedeckt werden sollten. Das Staatsministerium sah sich unter dem Druck der sich beständig verschlechternden Finanzlage veranlasst, anzukündigen, die Oper ab 1. August 1932 zu schließen, sollte es nicht gelingen, die Subventionen um weitere 500 000 RM zu senken.[189]
Eine Welle der Empörung setzte daraufhin in der Öffentlichkeit ein. Doch Vorwürfe wurden nicht dem Staat, sondern allenfalls der Intendanz gemacht, die mit ihren zu hohen finanziellen Forderungen, aber zu geringen Leistungen einer so drastischen Maßnahme provoziert habe. Schuld an der Misere sei das Missverhältnis von Einnahmen und Ausgaben gewesen, das durch überhöhte Gagenzahlungen an die Sänger bei gleichzeitig sinkendem Publikumsinteresse, für die in erster Linie ein zu unkonventioneller Spielplan verantwortlich gemacht wurde, zustande gekommen wäre.[190] Forderungen nach einer neuen, wirtschaftlicheren, traditionelleren und vor allem publikumswirksameren Oper wurden laut, so beispielsweise in einem Artikel des Neuen Tagblatt vom 4. August 1931:
»1. Vorsichtigste Auswahl im Spielplan. Stücke, die eine großes Publikum anziehen, immer wieder und immer wieder spielen.
2. Erfassung und Interessierung der Angestellten-, Beamten- und Arbeitermassen.
3. Herabsetzung der Preise. Ließe sich nicht ein Abonnementsystem mit gruppenartigen Einheitspreisen schaffen? [...]
Es gibt vielerlei Möglichkeiten, um die breiten Massen, die heute noch nicht als ständige Besucher gelten, zu erfassen, ebenso auch die Jugend, die Fremden usw. Jedenfalls bin ich überzeugt, daß eine geschickte Propaganda unsere beiden Theater in Stuttgart nicht nur auf die Dauer halten, sondern sie allmählich zu lukrativen Instituten entwickeln kann.«[191]
Interessanterweise wurden hier bereits dieselben kulturpolitische Ziele formuliert, die dann im Nationalsozialismus zu den Hauptaufgaben und Erneuerungen der Opernpolitik werden sollten: Die Öffnung der Oper, weg vom Bürgertum, hin zur Arbeiterklasse, was zum einen eine Änderung der Preispolitik, zum anderen die Erneuerung des Spielplanes hin zum Massengeschmack bedeutete.
Um die komplette Schließung der Oper in Stuttgart zu vermeiden, wurden verschiedene Lösungsmöglichkeiten und Sparmaßnahmen von Intendanz und Staatsministerium beschlossen. Da in dieser Zeit der allgemein schlechten Wirtschaftslage eine erhebliche Steigerung der Einnahmen nicht erwartet werden konnte, blieb als einziger Ausweg, um eine erhebliche Ausgabenminderung zu erreichen, die extreme Kürzung der Personalausgaben. Gagen, Gehälter und Löhne aller im Landestheater Angestellten mussten drastisch reduziert werden. Die ursprünglich festgesetzte Gehaltskürzung von 5% wurde nach Erlass der Sondernotverordnung des Staatsministeriums auf insgesamt 8% erhöht.[192] 21 Stellen wurden komplett gestrichen.[193] Ein weiterer Schritt der Landestheater bestand in der Senkung der Eintrittspreise um etwa 30%. Durch diese Maßnahmen gelang es den Stuttgarter Kulturpolitikern, den Opernbetrieb in der Spielzeit 1931/32 sowie 1932/33 weiter aufrecht zu erhalten.
Von diesem finanziellen Notstand der Kultur in ganz Deutschland während der Weimarer Republik konnten die Nationalsozialisten profitieren, indem sie die oben genannten Forderungen der Öffentlichkeit zum Ziel ihres ›Parteiprogramms‹ machten. Das Einlösen dieser kulturpolitischen Forderungen und die ökonomischen Verbesserungen im Bereich der Kultur, speziell der Oper, gewährleisteten den Nationalsozialisten nach der ›Machtübernahme‹ den Zuspruch sowohl von Seiten der Künstler, wie von Seiten des Publikums.
4.1.2. Die Finanzierung im Dritten Reich
Ab 1933 begann eine neue Ära in der Geschichte der Württembergischen Landestheater. Nach der ›Gleichschaltung‹ der Länder hießen sie fortan Württembergische Staatstheater Stuttgart. Das brachte ihnen einerseits mehr finanzielle Mittel ein, andererseits hatten sie von nun an aber auch die Pflicht, die Theater ganz im Sinne der Reichsregierung zu führen.
Die Aufgabe des neuen Reiches lag, laut Ministerpräsident Christian Mergenthaler nicht nur darin, Arbeit und Brot zu geben, sondern besonders in der Vermittlung der höchsten Kulturwerte: »Kunst ist kein Luxus, denn gerade in harten Zeiten brauchen wir die Kunst doppelt notwendig. Kunst und Kultur müssen zur Kraftquelle des ganzen Volkes gemacht werden.«[194] Er versicherte den Staatstheatern mehrmals, dass die Württembergische Staatsregierung dazu bereit sei, »alle äußeren Mittel zur Verfügung zu stellen, um der deutschen Kunst zu dienen.«[195]
Und in der Tat, die Haushaltsbücher der Staatstheater bestätigen diese Aussagen.[196] In der Spielzeit 33/34 bis Ende 1944 lagen die Zuschüsse von Stadt und Reich kontinuierlich bei 40 bzw. 60 Prozent. Im Jahr 1935/36, als die Ausgaben von 1 601 300 RM im Vorjahr auf nun 3 219 300 RM aus heute nicht mehr erklärbaren Gründen sprunghaft angestiegen waren, gab es zusätzlich sogar noch einen einmaligen Reichszuschuss in Höhe von 80 000 RM. Insgesamt gesehen, ist eine enorme Steigerung der Ausgaben von 1933-1944 zu beobachten: Die Ausgaben in der Spielzeit 33/34 lagen bei 2 449 500 RM (davon 1 052 500 RM eigene Einnahmen, Zuschuss gesamt: 1 397 000 RM), 1938/39 bei 3 817 550 RM (davon 1 132 000 RM eigene Einnahmen, Zuschuss gesamt: 1 685 550RM), und schließlich in der Spielzeit 1942/43 bei 4 295 353 RM (davon 1 814 735 RM eigene Einnahmen, Zuschuss gesamt: 2 480 617 RM).[197] In allen Fällen stiegen sowohl der Anteil an eigenen Einnahmen als auch der Anteil der Subventionen. Diese Zahlen sind lediglich ein Indiz für die großzügige Finanzierung der Staatstheater im Dritten Reich. Durch die Inflation kann kein 1:1 Vergleich gezogen werden, die Tendenz wird aber trotz allem deutlich.
Durch die Kulturpolitik des Nationalsozialismus konnte also auf jeden Fall eine erhebliche finanzielle Verbesserung der Lage an den Opernhäusern im Vergleich zu den Jahren der Weimarer Republik erreicht werden.
Die ›Gleichschaltung‹ führte zunächst zumindest zu einer Stabilisierung und hatte in den folgenden Jahren sogar einen positiven Aufschwung zur Folge. Der Fortbestand der Theater bzw. der Oper war somit gesichert. Gehaltskürzungen oder Massenentlassungen von Künstlern fanden in Stuttgart während der Jahre 1933-1944 nicht mehr statt.
4.2. Personalpolitik
4.2.1. 1933: Der Intendantenwechsel Kehm-Krauß
nach der ›Machtübernahme‹
Den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 und der dadurch ausgelösten politischen ›Gleichschaltung‹ in den Ländern des Reichs, folgte auch in Stuttgart, unmittelbar die Neubesetzung fast aller Schlüsselpositionen mit Parteigenossen. Neuer nationalsozialistischer Kultminister und Ministerpräsident von Württemberg wurde Christian Mergenthaler, der sich bekanntlich bereits im Vorfeld als nationalsozialistischer Landtagsabgeordneter immer wieder lautstark für eine NS-Kulturpolitik ausgesprochen hatte (vgl. Exkurs 1).
Er forcierte auch rasch die personelle Umstrukturierung an den Württembergischen Staatstheatern Stuttgart. Bereits am 27. März wurde der seit 1920 an den Landestheatern als Generalintendant tätige Albert Kehm beurlaubt und schließlich zum nächsten, nach dem Vertrag zulässigen Zeitpunkt (dem 1. August 1935) gekündigt.[198] Zur Begründung führte Mergenthaler an, er sei der Ansicht, dass Kehm für die Führung der Theater im nationalsozialistischen Geist nach Auffassung der Regierung keine Gewähr biete.[199] An anderer Stelle hatte Mergenthaler darauf hingewiesen, dass nationalsozialistische Kunst nicht von Äußerlichkeiten abhänge, sondern vielmehr als deutsche Kunst der Ausdruck einer innerlichen, durch die Weltanschauung bedingten charakterlichen Haltung sei. Zudem hatte er betont, »dass für die Leitung unseres heutigen, nationalsozialistischen Theaters nicht nur hohe, künstlerische Befähigung, sondern vor allem auch eine klare nationalsozialistische Gesinnung und Weltanschauung notwendig ist.«[200]
Kehm jedoch war überzeugter Demokrat, der nie einen Hehl daraus gemacht hatte, dass er für Hitler und seine Politik nur Abscheu empfinde. Aus diesem Grunde hatte er sich auch geweigert, der NSDAP beizutreten und wurde folglich auf Grund seiner konsequenten politischen Haltung aus dem Dienst der Stuttgarter Staatstheater enthoben.[201] Kehm wurde nach Kriegsende übergangsweise wieder in das Amt des Generalintendanten an die Staatstheater Stuttgart berufen, ehe er im Jahre 1946 in den Ruhestand ging.
Kehms künstlerischer Schwerpunkt in seiner Amtsperiode lag im Schauspielbereich. Er selbst war gelernter Schauspieler und Regisseur. Sein besonderes Verdienst lag mit Sicherheit darin, dass er es geschafft hatte, in den finanziell extrem schwierigen Zeiten der 20er Jahre die Württembergischen Staatstheater vor dem ›Aus‹ zu bewahren. Obwohl er gezwungen worden war, den Spielplan nach den Publikumswünschen auszurichten, versuchte er immer wieder, auch zeitgenössische Stücke im Spielplan zu etablieren. Zu seinen umstrittensten Entscheidungen im Opernbereich zählten in erster Linie die Uraufführungen von Paul Hindemiths Einaktern Mörder, Hoffnung der Frauen (Text: Oskar Kokoschka) und Nusch-Nuschi (Text: Franz Blei) im Jahr 1921. Die Reaktionen der Öffentlichkeit reichten bereits damals von der Forderung nach Absetzung des Stückes bis hin zu Rücktrittsgesuchen des Intendanten und des Kapellmeisters Fritz Busch, die aber nicht akzeptiert wurden. Dass Kehms Vertrag allerdings 1930 wieder verlängert wurde, darüber »verwunderten sich viele«[202].
Nachfolger Kehms direkt nach der ›Machtübernahme‹ wurde Otto Krauß. Ihm sagte man nach, ein Protegé von Goebbels gewesen zu sein, zumindest soll er sich für einen solchen ausgegeben haben.[203] Die im Rahmen dieser Arbeit möglichen Recherchen haben allerdings keine weiteren Hinweise dazu ergeben. Tatsache hingegen ist, dass Krauß vor seinem Amtsantritt in Stuttgart als stellvertretender Intendant in Berlin an der Städtischen Oper Charlottenburg tätig war und dass er NSDAP-Mitglied sowie Mitglied im Kampfbund für deutsche Kultur gewesen ist, den Nationalsozialisten also in jeder Hinsicht mehr als wohlgesonnen war. Interessant ist auch, dass seine politischen Tätigkeiten vor der ›Machtübernahme‹ der Grund dafür waren, dass ihn die Stuttgarter Landestheater noch im Jahre 1927 für ein Engagement als Oberregisseur (als Ersatz für den 1928 nach Dresden gewechselten Otto Ehrhardt) abgelehnt hatten.[204]
Mit Krauß’ Amtsantritt 1933 kamen die Württembergischen Staatstheater Stuttgart erstmals unter die Leitung eines Opernfachmannes, weshalb sie von nun an eine ganz andere Ausrichtung erhielten. Musikalisch-künstlerisch also eine ›gute Partie‹. Allerdings setzten auch mit ihm die ›Säuberungen‹ im Peronalbereich, also die Entlassungen nicht-arischer Mitarbeiter, ein. Für die Stuttgarter Staatstheater begann unter Krauß eine neue, eine ›deutsche‹ Ära an der Oper. Dass er ein überzeugter NSDAP-Anhänger war, wurde nicht nur an seiner Personal-, sondern auch an der von NS-Ideologie durchtränkten Spielplanpolitik deutlich. Als Krauß 1937 einem Ruf nach Düsseldorf folgte, hieß es in der Presse:
»Generalintendant Professor Otto Krauß hat damals bei seinem Amtsantritt ein großzügiges Programm entwickelt, daß er in seinen wesentlichen Punkten mit bewundernswerter Energie und Entschlossenheit durchführte. Er erwies und bewährte sich durchaus als der Mann, den die Württ. Staatstheater zu ihrer Reorganisation und geistigen Erneuerung brauchten.«[205]
Auf Grund seiner ›Verdienste‹ wurde Krauß im Jahre 1935 von Goebbels zum Senator im Reichskultursenat und in den Präsidialrat der Reichskulturkammer berufen[206] und Mergenthaler verlieh ihm für die Dauer seiner Zugehörigkeit zu den Württembergischen Staatstheatern den Titel Professor.
4.2.2. ›Säuberungen‹ am Staatstheater
Mit dem Ausscheiden von Kehm begann unter Krauß eine starke Umstrukturierung im personellen Bereich. Zunächst legte Verwaltungsdirektor Otto Paul[207] dem Staatsministerium seine Bitte um sofortige Beurlaubung vor, der auch stattgegeben wurde.[208] Sein Nachfolger wurde der NSDAP-Mitglied Wilhelm Bruy. Der junge Kapellmeister Franz Konwitschny[209] folgte Kehm als erster Kapellmeister nach Freiburg.
Mit der Durchführung des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 und dem darin enthaltenen Arierparagraphen, der besagte, dass »Beamte, die nicht arischer Abstammung sind, [...] in den Ruhestand zu versetzen«[210] seien, begannen die offiziellen ›Säuberungen‹ aller staatlichen Einrichtungen von jüdischen Mitarbeitern. Alle Mitarbeiter mussten den Arier-Nachweis erbringen, der der Prüfstelle beim Staatsministerium vorgelegt wurde. Sofort entlassen werden mussten nach der Verordnung von 1933 alle jüdischen und halbjüdischen Beamten; es folgte dann der Ausschluss aus der jeweils zuständigen Kammer in der RKK und somit das offizielle Berufsverbot. Davon bis 1936 ausgenommen waren lediglich »Beamte, die bereits vor dem 1. August 1914 Beamte gewesen sind oder im Weltkrieg an der Front für das Deutsche Reich oder für seine Verbündeten gekämpft haben.«[211]
Im Falle der Staatstheater Stuttgart erfolgte die Entlassung sämtlicher jüdischer Angestellter bereits 1933 durch den eifrigen Parteigenossen Krauß. Die nachfolgenden Staatsverordnungen, wie die von 1935, nach der nun auch die jüdischen Beamten zu entlassen seien, die von drei oder vier der Rasse nach volljüdischen Großelternteilen abstammten, hatten somit keine personellen Auswirkungen mehr, da bis zu diesem Zeitpunkt längst alle Mitarbeiter, die in irgendeiner Weise in Verbindung mit jüdischen Vorfahren standen, entlassen worden waren.
Einer der ersten Betroffenen der Verordnung von 1933 war der Oberspielleiter der Oper, der aus Stockholm stammende Harry Stangenberg[212]. Schon in den 30er Jahren hatten die Nationalsozialisten eine antisemitische Hetzkampagne gegen ihn begonnen. In der Ausgabe vom 20. November 1930 beispielsweise schrieb der Völkische Beobachter:
»Am Stuttgarter Landestheater befindet sich, so wird uns aus Stuttgart geschrieben, außer dem bereits erwähnten Juden Kapellmeister Hans Iwanowsth als Oberregisseur der Oper ein Ausländer (Schwede) Harry Stangenberg, der auch Jude sein soll. Dieser Herr ist seit etwa zwei Jahren der Nachfolger des nach Dresden ›berufenen‹ Juden Otto Ehrhardt und ›pflegt‹ seit dieser Zeit auf seine Art und Weise ›deutsche Kunst‹. Jeder mittelmäßig begabte deutsche Regisseur könnte ihn leicht ersetzen. Anfrage: Ist am kgl. Theater in Stockholm vielleicht ein Deutscher in leitender Stellung? Haben wir nicht genügend fähigere deutsche Regisseure, die an einem Landestheater deutsche Kunst pflegen könnten? Der deutsche Steuerzahler zahlt den Ausländer, der deutschen Volksgenossen den Platz versperrt und mit deutschem Gelde großzügig fremdländische und jüdische Opernwerke inszeniert (Boito: Gero; Krenek: Orest, Jonny spielt auf usw.) Wie lange noch?«[213]
Damals konnte sich Kehm noch schützend vor Stangenberg stellen. Doch eine der ersten Amtshandlungen des neuen Generalintendanten Krauß war die sofortige Entlassung Stangenbergs. Auf eine Anfrage des Auswärtigen Amtes an den Intendanten Krauß mit der Bitte um eine kurze Stellungnahme zu dem Fall und der Darlegung der Gründe, die dazu geführt hatten, dass der Vertrag von Stangenberg nicht verlängert wurde, antwortete Krauß:
»Das neue Württembergische Kultministerium verlangte von mir eine völlige Umorganisation der Leitung. Die gesamte Oberregie ist mir übertragen und ich muß mir nun einen Mann suchen, der völlig im Sinne unserer seit Jahren vorbereiteten Kulturarbeit tätig ist. Ich habe Herrn Stangenberg geraten sich durch das Auswärtige Amt an einem der Berliner Theater zu bewerben. Dort dürfte seiner Eigenart noch am besten Rechnung getragen werden können.«[214]
Stangenberg verließ daraufhin sofort Deutschland und ging zurück nach Schweden.
Es folgten Entlassungen weiterer jüdischer Mitarbeiter: Der Kammersänger Hermann Weil[215], Heldenbariton und einstiges Aushängeschild der Stuttgarter Oper, wurde ab März 1933 in den Ruhestand geschickt. Um seine großen Verdienste zu würdigen, zog man in Erwägung, ihn im August 1933 wenigstens zum Ehrenmitglied der Staatstheater zu benennen. Allerdings hegte man auf Grund seiner jüdischen Abstammung auch hier ›berechtigte‹ Zweifel, die in einem Brief an das Kultministerium geäußert wurden:
»Die wegen der arischen Abstammung von Herrn Kammersänger Weil angestellten Erhebungen haben ergeben, daß die Großeltern des Genannten der jüdischen Religion angehörten, sich und ihre Kinder jedoch taufen ließen, so daß die Familie seit etwa 80 Jahren als christlich gilt. Erschwerend für die Ernennung ist der Umstand, daß der älteste Sohn des Kammersänger Weil vor einigen Jahren bei seiner Verheiratung wieder den jüdischen Glauben angenommen hat.«[216]
Die Antwort von Kultminister Mergenthaler lautete daraufhin prompt:
»Als Judenstämmling kann der Kammersänger Weil nicht zum Ehrenmitglied der Staatstheater ernannt werden.«[217]
Nicht viel anders erging es dem jüdischen Schauspieler Max Marx[218], der im April 1933 von Krauß einen Brief erhielt, mit den schlichten Worten: »Wir teilen ihnen ergebenst mit, daß bei der beabsichtigten Neuordnung der Verhältnisse am Württembergischen Landestheater nicht mehr die Absicht besteht, ihren Vertrag zu erneuern.«[219] Marx, der bereits seit 1912 am Schauspiel der Stuttgarter Landestheater und somit im Staatsdienst arbeitete, versuchte seinen Arbeitsplatz wiederzubekommen, und berief sich in seinem Bittgesuch an Krauß auf den Erlass des Reichskanzlers, worin ausdrücklich festgeschrieben stand, dass »Beamte und Angestellte des Staates nicht arischer Herkunft, die bereits vor dem 1. August 1914 in Deutschland tätig waren, in ihrer Stellung zu belassen oder so weit eine Entlassung erfolgte, sie wieder in ihre Rechte einzuführen.«[220] Doch selbst auf diesen Einwand reagierte Krauß nur mit den Worten:
»Umso mehr bedaure ich, Ihnen mitteilen zu müssen, daß über das Schauspiel bereits unabänderliche Dispositionen getroffen sind, die Ihre Einreihung in das Ensemble ganz ausschließen. Aus diesem Grunde ist es mir auch ganz unmöglich, einen Antrag an das Kultministerium zu stellen. Sie dürfen überzeugt sein, daß ich Ihnen helfen würde, wenn es in meiner Macht läge.«[221]
Aus den Unterlagen des Staatsarchivs geht hervor, dass Krauß diese Formulierung schlicht als Ausrede benutzte, um sich des Juden Marx ›entledigen‹ zu können. Zu diesem Zeitpunkt hatte er jedenfalls keine »unabänderlichen Dispositionen« getroffen. Fest standen lediglich die Entlassungen von 11 Personen, über die Neueinstellungen wurde zu einem späteren Zeitpunkt entschieden.[222]
Entlassungen auf Grund ihrer jüdischer Abstammung sind des Weiteren von dem Schauspieler Fritz Wisten, der Tänzerin Suse Rosen[223] und der Chorsängerin Elsa Reder[224] dokumentiert. Die genaue Anzahl der jüdischen Künstler am Staatstheater geht aus den existierenden Quellen nicht hervor. Dokumentiert sind nur einzelne Schicksale. Es ist aber anzunehmen, dass das Staatstheater Stuttgart bereits Ende 1933 komplett ›arisch‹ war.
Doch nicht nur jüdische Ensemblemitglieder waren von den Entlassungen betroffen. Die ›Säuberungsaktionen‹ von Krauß betrafen auch politische ›Gegner‹ des NS-Regimes. Zumeist führte Denunziantentum unter Kollegen zu den Entlassungen aus ›politischen Gründen‹. Ein Beispiel dafür war der Schauspieler Ernst Rottluff[225], der wegen politischer Tätigkeit in der KPD fristlos entlassen wurde: Obwohl ihm unter Kehms Intendanz noch im Februar 1933 die Verlängerung seines Dienstvertrages durch das Kultministerium bestätigt wurde, forderte ihn der neue Verwaltungsdirektor Bruy im April auf, Zwangsurlaub zu nehmen. Grund dafür war ein Schreiben eines Kollegen (NSDAP-Mitglied) an das Kultministerium, indem dieser erklärte, er habe von Rottluff unzählige Male kommunistisches Ideengut gehört, außerdem sei jener im Besitz kommunistischer Literatur. Rottluff stritt diese Vorwürfe zwar ab, musste aber noch am selben Tage während einer Abendvorstellung fliehen, um sich so der bereits im Theater anwesenden Gestapo zu entziehen.[226]
Ebenfalls aus politischen Gründen entlassen, und dann aus der Reichsschrifttumskammer ausgeschlossen, wurde der seit 1930 an den Staatstheatern als Dramaturg und Schriftsteller beschäftigte Walter Erich Schäfer.[227] Auf Erlass des Reichsdramaturgen, ohne Angabe von Gründen, wurde Schäfer 1934 ›beurlaubt‹. Die Gründe für seinen Ausschluss benannte er schließlich selbst in einem Schreiben vom 19. Juli 1945:
»1. Meine politische Einstellung, niedergelegt in meinen Schriften und in zahlreichen Aussprüchen, von denen mir die zwei folgenden zur Äußerung vorgelegt wurden: ›wenn dieser Kerl (Hitler) Reichskanzler wird, dann trete ich der sozialdemokratischen Partei bei‹, und ›wenn ihr Hitler wählt, dann wählt ihr den Krieg‹.
2. Meine ›Freundschaft‹ mit Friedrich Wolf.
3. Ein Aufsatz in der BZ am Mittag, Berlin, in dem ich geschrieben hatte, mein Schauspiel ›Der 18. Oktober‹ sei ein demokratisches Stück.
4. Eine Ehrenaffäre mit Herrn Georg Schmückle.[...]«[228]
Die Mitarbeiter, die sich 1933 nicht zur Parteimitgliedschaft entschließen konnten, gingen unter Krauß entweder freiwillig oder wurden von ihm ›zwangsbeurlaubt‹, wie beispielsweise der Generalmusikdirektor Carl Leonhardt[229]. Er war einer der einzigen leitenden Mitglieder des Staatstheaters, der nicht der Partei beigetreten war.
Nach erheblichen Schwierigkeiten mit Krauß wurde auch er schließlich in der Spielzeit 1936/37 entlassen.[230]
Die entstandenen Personallücken sollten, auf Anweisung des Reichsministers für Propaganda und Volksaufklärung, mit erwerbslosen Alt-Parteigenossen und Frontkämpfern wieder aufgefüllt werden.[231] Ein Erlass der RTK vom 3. August 1934 machte den deutschen Theatern zur Auflage, eine Anzahl der Alt-Parteigenossen, ungeachtet der Erschöpfung des Etats, neu einzustellen. Zu diesem Zwecke wurden Listen mit den erwerbslosen Mitgliedern der NSDAP, die Bühnenberufen ausgeübt hatten, an die Bühnenleitungen in ganz Deutschland verschickt. Das Bestreben von Goebbels war es, mit dieser Aktion »politisch verdiente, stellenlose Bühnenkünstler fest unterzubringen, gerade die wertvollen, um die nationalsozialistische Erhebung verdienten Künstler zu aktiver Mitarbeit an der Erneuerung der deutschen Theaterkunst heranzuziehen.«[232]
Die Württembergischen Staatstheater sollten über die frei gewordenen Stellen hinaus weitere vier künstlerische Mitglieder verpflichten, wobei die Bezüge dieser Personen auf ein Existenzminimum festgesetzt werden sollten. Obwohl sich das Württembergische Finanzministerium gegenüber dem Reichministerium der Finanzen in Berlin gegen diese Maßnahme auf Grund der schwierigen Haushaltslage der Württ. Staatstheater aussprach, wurde nach einigem Hin und Her zwischen den Staatstheatern, dem Württembergischen Kultministerium, der RTK und dem Deutschen Bühnen-Verein auf Anordnung des Präsidenten der RTK 3 Alt-Parteigenossen eingestellt und vom Staatsministerium eigens dafür zusätzliche 9600 RM zur Verfügung gestellt.
Interessanterweise lehnte der Generalintendant Krauß, in Absprache mit dem Württembergischen Kultministerium, diese soziale Maßnahme auf Grund der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Staatstheater von Anfang an ab. Doch diese Ablehnung hatte zur Folge, dass ihm von Seiten des Präsidenten der RTK wie des Präsidenten der Bühnengenossenschaft schwere Vorwürfe gemacht wurden. Krauß sah sich dermaßen in die Enge getrieben, dass er schließlich nachgeben musste. Er selbst erklärte dazu: »Ich muss nochmals betonen, daß ich mich solange gewehrt habe, bis man an meiner nationalsozialistischen Pflichtauffassung Bedenken erhob«[233]. Der politische Druck von außen war demnach so groß, dass die Meinung des Intendanten offenbar keine Rolle mehr spielte. Die Entscheidungsfreiheit der Theaterintendanten im Dritten Reich war demnach also auf ein absolutes Mindestmaß reduziert. Wirtschaftliche Argumente des Intendanten sowie des Kultministeriums kamen nicht gegen die politisch-ideologischen Ansichten der beiden Präsidenten der RTK und der Bühnengenossenschaft an.
Diese Aktion des Reichsministers war recht erfolgreich. Die größeren Theater wie Köln, Hamburg, Berlin, Breslau, Düsseldorf, München und Wiesbaden hatten der Aufforderung des Reichsministers von 1934 sofort Folge geleistet und Alt-Parteigenossen eingestellt. Im Jahre 1935 wurde daher die erfolgreiche Meldung aus dem ProMi an die Bühnen versandt, wonach 174 politische verdiente, stellungslose Künstler für die Spielzeit 1934/35 ein Engagement gefunden hatten.[234]
Die Absichten der ›Säuberungen‹ waren auf den ersten Blick rein propagandistischer Art: Die Theater wurden zunächst von den ›destruktiven Kräften‹ der Weimarer Republik, d.h. von ›politisch Linken‹ und Juden, ›befreit‹ und durch politisch ›verdiente‹ Künstler ersetzt, um dadurch die wiederholt propagierte Erneuerung der Theater im nationalsozialistischen Sinne voranzutreiben. Doch neben der Erneuerung des Theaters war ein sehr viel wichtigerer Aspekt dieser Maßnahme die ›Schaffung‹ von Arbeitsplätzen. Die Neubesetzung der frei gewordenen Stellen, sowie die anschließende Anordnung zur zusätzlichen Einstellung von Alt-Parteigenossen, trugen im wesentlichen dazu bei, dass ein Ziel der NS-Politik erreicht werden konnte: Die Senkung der Arbeitslosigkeit unter den Künstlern.
Dass diese Maßnahmen so reibungslos durchgeführt werden konnten, lag an der direkt nach der ›Machtübernahme‹ erfolgten Einsetzung von Parteigenossen in alle Schlüsselpositionen des Staatsdienstes. Es ist erschreckend, wie das nationalsozialistische Vorhaben der ›Säuberung‹ in einem Kulturbetrieb wie den Staatstheatern innerhalb kürzester Zeit und ohne nennenswerte Einwände von außen vollzogen wurde.
Es finden sich jedenfalls keine Dokumente darüber, ob es Proteste von Kollegen, Widerstand oder Unterstützung durch das Publikum gegeben hat. Der Generalintendant Krauß hatte Ende 1933 einen vollkommen ›arischen‹ Spielbetrieb geschaffen, mit dem er nun die Umsetzung seiner Pläne vom ›neuen deutschen Spielplan‹ beginnen konnte.
4.2.3. Der Intendantenwechsel im Jahre 1937: Krauß-Deharde
»Mein Ziel ist, das weiter zu bauen und nach Kräften noch zu vertiefen, was aus langer Tradition hier Wirklichkeit geworden ist – ein großes deutsches Theater zu letzter künstlerischer Geschlossenheit und Einheit zu führen, dieses Theater mit dem Gedankengut der neuen Zeit zu durchdringen und ihm in seiner künstlerischen und geistigen Bedeutung einen unverlierbaren Platz im deutschen Kulturleben zu sichern.«[235]
Mit diesen Worten stellte sich der neue Intendant der Württembergischen Staatstheater Stuttgart Gustav Deharde zu seinem Amtsantritt in der Spielzeit 1937/38 der Presse und Öffentlichkeit vor. Der Intendantenwechsel war nicht aus politischen Gründen erfolgt, sondern, weil Krauß einem Ruf als Generalintendant an die Städtischen Bühnen in Düsseldorf gefolgt war. Zum Nachfolger wurde Deharde ausgewählt, der bis dahin Intendant am Staatstheater in Schwerin war. Selbstverständlich war auch er NSDAP-Mitglied, was 1945 auf Weisung der amerikanischen Militärregierung zu seiner Entlassung in Stuttgart führte.[236]
Deharde hatte Kunstgeschichte, Literatur und Musik studiert. Nach seinem Studium sang er einige Zeit als Tenor im sogenannten Heldenfach bei den Bayreuther Festspielen, bevor er dann im Jahre 1929 als Heldentenor an das Landestheater Oldenburg wechselte. Auch er war also ein Fachmann der Oper, der somit auch die besondere Unterstützung und Pflege dieser Bereiche der Staatstheater versprach. Die Mittel, mit denen er oben beschriebenes Ziel erreichen wollte, waren:
»Eine bis ins letzte aufeinander abgestimmte und von einem einzigen künstlerischen Willen beseelte Gefolgschaft und einem zwischen Heiterem und Ernstem ausgewogenen Spielplan der sich mit besonderer Liebe der lebenden deutschen und auslandsdeutschen Dichter annimmt.«[237]
Er kenne seine hohe Verantwortung gegenüber der Gemeinschaft des Volkes und des Staates, teilte er mit und betonte, dass es nicht mehr gelte, wie in früheren Zeiten, einen vagen Kunstbegriff herauszustellen, sondern dass es gehe nur noch darum gehe, dem klaren Begriff Volk zu dienen. »Wir wollen«, so führte er weiter aus, »unserem gesamten Volk und unserer Jugend gegenüber weltanschaulich geschlossene und künstlerisch aufgeschlossene Menschen sein.«[238]
Aus Dehardes Amtszeit sind keine besonderen personalpolitischen Entscheidungen bekannt, die hier von Relevanz wären. Insgesamt gesehen konnte, bedingt durch die gewissenhaften ›Säuberungen‹ seines Vorgängers, Deharde seine personalpolitischen Entscheidungen wieder mehr von künstlerischen Kriterien abhängig machen, als ausschließlich von weltanschaulich-politischen.
Die strukturellen Veränderung, also die personalpolitischen und finanzpolitische Entscheidungen, waren somit die Grundlage für die inhaltlichen Veränderungen an der Stuttgarter Oper während des Nationalsozialismus, die im Folgenden analysiert werden. Die Ausführungen weisen deutlich darauf hin, dass auch die inhaltlichen Gestaltungen der Oper von den personellen Änderungen stark betroffen waren, d.h. dass politische Entscheidungsträger sowohl auf die Dramaturgie, als auch auf den Spielplan Einfluss hatten.
5. Inhaltliche Veränderungen
5.1. Dramaturgie – die Stuttgarter Dramaturgischen Blätter als Propagandamedium?
»Wenn Politik nichts anderes bedeutet als Sorge für das Volkstum, Abwehr seiner Feinde und Pflege der Kräfte, die es erhalten, dann muss auch die Kunst im Dienste dieses Ideals stehen.«[239] Diese Worte stammen von Goebbels aus seinem Aufsatz Von völkischer Kunst aus dem Jahre 1933. Seine Definition von Politik – propagandistisch aufbereitet – lässt nur einen Schluss zu: Die Kunst hat in jedem Fall der NS-Politik zu dienen. Auch die Württembergischen Staatstheater bekamen das ab April 1933 deutlich zu spüren: Der politische motivierte Intendantenwechsel äußerte sich nicht nur in den oben dargestellten strukturellen Veränderungen, auch die Inhalte wurden binnen eines Monats deutlich ›nationalsozialistischer‹. Dass die Staatstheater von nun an in den Dienst der allgemeinen politischen Propaganda gestellt wurden, lässt sich in sehr beeindruckender Weise an den hauseigenen Publikationen aufzeigen. Als Beispiel hierfür können die Stuttgarter Dramaturgischen Blätter herangezogen werden. Diese ›Hauszeitschrift‹ der Württembergischen Staatstheater erschien seit 1919 regelmäßig wöchentlich und diente in erster Linie dazu, die Opern- und Theaterbesucher über das Geschehen in und um das Theater umfassend zu informieren. Der von 1924-1930 am Staatstheater tätige Dramaturg Curt Elwenspoek sah die Aufgabe der Schwäbischen Thalia der Stuttgarter Dramaturgischen Blätter, wie sie bis 1934 genannt wurden, in einer harmonischen Abrundung der praktischen Theaterarbeit:
»Die Dramaturgischen Blätter endlich sind teils in wissenschaftlich-kritischer, teils in anekdotischer Form bemüht, die laufende künstlerische Arbeit durch berufene Persönlichkeiten zu kommentieren, daß sich durch ihre Mitwirkung das Gesamtbild der Kulturarbeit unserer Württembergischen Landestheater zu einem in sich geschlossenen harmonischen Ganzen abrundet.«[240]
Neben wissenschaftlichen Werkeinführungen zu den Stücken des Opern- und Theaterspielplans wurden allgemeine Aufsätze über die Arbeit am Theater, sowie Biografisches zu den Künstlern veröffentlicht. Die einzelnen Aufsätze stammten von renommierten Musik- und Theaterwissenschaftlern aus Württemberg.
Doch die neue Kulturpolitik ab 1933 sah die Vereinnahmung aller Bereiche im Kunst- und Kultursektor vor. Nicht nur Künstler, Werke und Bühnen wurden mit den neuen Zielen und Aufgaben betraut, auch über den gezielten Einsatz der Dramaturgie im nationalsozialistischen Staat machte man sich Gedanken:
»Das Neue aber ist: Das eindeutige Primat der Politik in Kunst und Kultur. Die praktische Verwirklichung von Forderungen der nationalsozialistischen Weltanschauung im deutschen Theaterleben. - Dies ist die große Sendung, zu der im heutigen deutschen Theaterbetrieb in allererster Linie der Dramaturg berufen ist. Die Berufung eines Reichs-Dramaturgen an das Steuer aller Theaterdinge im neuen Deutschland beweist dies – zumal nach der kürzlich erfolgten Betrauung des Reichs-Dramaturgen mit dem gleichzeitigen hohen Amt des Präsidenten der Reichstheaterkammer – unverkennbar. [...] Aus solchen Voraussetzungen könnte dann den deutschen Theatern eine Fülle ausgesprochen dramaturgischer Persönlichkeiten erwachsen, die imstande wären, die große und schwere nationalsozialistische Kulturmission im Rahmen des Theaters zu erfolgreicher Vollendung zu führen. Menschen, die in ihrem Wesen die Grundelemente des Dichters, des Komödianten, des Wissenschaftlers und des Kulturpolitikers harmonisch vereinen und so das Zeug haben, ständig Mahner an die große Aufgabe, selbstlos dienende Betreuer und Pfleger fremden Schaffens, eifrige Vermittler zwischen Dichter und Bühne, zwischen Volk und Theater (Propaganda und Programmhefte – man unterschätze das nicht!) zu sein.«[241]
Die Aufgabe der Dramaturgen des neuen Reiches war es von nun also, als Vermittler zwischen Volk und Bühne zu dienen und dafür Sorge zu tragen, dass die nationalsozialistische Weltanschauung auch im Theater zum Ausdruck käme.
Und in der Tat: Betrachtet man beispielsweise die Stuttgarter Dramaturgischen Blätter ab April 1933 genauer, lässt sich das »eindeutige Primat der Politik in Kunst und Kultur« von nun an in fast allen Aufsätzen wiederfinden. Wie stark auch diese Hefte ab 1933 unter dem Einfluss der Partei standen, wieviel NS-Ideologie und Propaganda auch in dieser bis zu diesem Zeitpunkt neutralen, unpolitischen Theaterzeitschrift vorhanden war, soll im Folgenden näher beleuchtet werden. Die Untersuchungen beziehen sich auf den Zeitraum 1933-1941, da die Produktion der Hefte 1941 auf Grund von kriegsbedingter Materialkontingentierung eingestellt werden musste. Um noch einmal die Rolle der jeweiligen Intendanten aufzuzeigen, sind die Ausführungen in zwei Abschnitte unterteilt, die mit den jeweiligen Amtsperioden der Intendanten Krauß und Deharde zusammenfallen.
5.1.1. Die ›Machtübernahme‹ am Staatstheater: NS-Ideologie und aktive Propaganda (1933-1937)
Der neutrale, wissenschaftliche Ton der Stuttgarter Dramaturgischen Blätter änderte sich schlagartig mit der ›Machtübernahme‹ der Nationalsozialisten im April 1933. Bereits in der Ausgabe vom 20. April 1933[242] bestand der gesamte Inhalt des Heftes aus der Niederschrift der Reden, die auf einer Kundgebung des KfdK, anlässlich einer Morgenfeier, am 9. April 1933 in den Württ. Staatstheatern, gehalten worden waren. Unter dem Titel Kulturprogramm und -tat im neuen Reich hatten diverse Persönlichkeiten aus Politik, Wissenschaft und Kultur in dieser sowie den beiden darauffolgenden Ausgaben, Pamphlete zu den Bereichen Universitäten, Technische Hochschulen, Philosophie, Geschichte und Geschichtsforschung, Baukunst, Bildende Kunst, Theater, Jugend, Musik, Drama und Akademische Jugend formuliert, die die Aufgaben und Ziele der NS-Kulturpolitik aufzeigten. Auch der neue Generalintendant Krauß hatte dazu einen Aufsatz verfasst, in dem er die Hauptaufgabe der Intendanten für die neue Spielzeit darin sah, den Spielplan von minderwertigen Stücken zu bereinigen und durch reine, deutsche Kultur wie sie aus dem Volke erwachsen sei, zu ersetzen.[243] Zwischen den Aufsätzen prangt ein Bild von Hitler und dem Hinweis auf seinen Geburtstag, den man selbstverständlich in den Staatstheatern festlich begehen werde.
In den weiteren Heften ab April 1933 finden sich vor allem allgemeine Aufsätze zu den neuen kulturpolitischen Zielen des NS-Staates. Was in allen Beiträgen, sei es über einen Komponisten, über ein Werk oder aber über die neuen Aufgaben des Staatstheaters anklingt, sind die typischen Schlagworte der ›Machtübernahme‹-Zeit: es geht um ›nationale‹ bzw. ›völkische Kunst‹, um die »Erschaffung des Volkstheaters als Symbol der großen Volksgemeinschaft«[244], sowie um das »Ausscheiden des Fremdkörpers«[245]. Als Autoren traten in erster Linie Wissenschaftler in Erscheinung, bei denen es sich entweder um Pg., auf jeden Fall aber – wie es im Sprachgebrauch der Zeit hieß – um »nationalsozialistisch gefestigte Persönlichkeiten«[246] handelte. Unter ihnen beispielsweise der Tübinger Musikwissenschaftler Prof. Dr. Karl Hasse (auch im Verwaltungsrat der RMK). Des weiteren wurden Aufsätze zur Kulturpolitik von Hitler[247], Goebbels[248] sowie von Kultminister Mergenthaler und dem Reichsdramaturgen Schlösser abgedruckt.
Neben den allgemeinen kulturpolitischen Ausführungen wurde von nun an auch auf besondere Veranstaltungen hingewiesen, die nicht unmittelbar mit dem Theater in Verbindung standen. Selbst so unpolitisch scheinende Veranstaltungen wie das 15. Deutsche Turnfest in Stuttgart wurden zum Anlass genommen, die Rolle der Kultur neu zu definieren:
»Die Kunst und ganz besonders das Theater ist eine notwendige Vervollständigung der turnerischen und sportlichen Erziehung und es ist keine Besonderheit des griechischen Volkes gewesen, sondern es liegt tief im Wesen der Sache begründet, dass der Wettkampf des Geistes, dessen reinste Form das Theater darstellt, mit dem Wettkampf des Körpers unzertrennlich verbunden sein muss. Und noch etwas anderes verbindet uns deutsche Theaterleute der deutschen Turnerschaft ganz besonders, das ist der gemeinsame Kampf für das Deutschtum, für die deutsche Einheit und für das deutsche Nationalgefühl, das in der deutschen Turnerschaft auch in den Jahren des nationalen Verfalls seine Zuflucht gefunden hat, und das jetzt in den Kundgebungen des 15. Deutschen Turnfestes sein machtvolles Symbol finden soll. Wir werden dabei nicht fehlen, heute nicht und niemals, und werden nicht ruhen, bis wir ein deutsches Theater geschaffen haben, das der deutschen Turnerschaft an einheitlichem Willen und nationaler Kraft nicht nachsteht.«[249]
Kultur wurde durch die Nationalsozialisten in neue Zusammenhänge gebracht: Die Idee vom ›gesunden Geist im gesunden Körper‹ wurde von nun an im Extrem popagiert und sowohl Sport als auch Kultur in den Dienst jenes mystischen ›Deutschtums‹ gestellt. Damit bekam die Kultur eine neue Funktion zugesprochen, die eine erhebliche Rolle im politischen, volksdienenden Kontext spielen sollte.
Der politische Umschwung mit seiner Weltanschauung und Ideologie wurde von nun an also auch durch die Publikationen der Staatstheater propagiert, seine Umsetzung mit fester Hand betrieben – wofür die Blätter Ausdruck waren – und das Publikum auf die neuen Werte und Ziele geradezu ›eingeschworen‹. Interessanterweise geschah dies noch unter der Schriftleitung des Dramaturgen Dr. E.W. Schäfer (1930-1933), der zur Spielzeit 1933/34 ja wegen angeblicher ›Linienuntreue‹ entlassen wurde Es ist daher davon auszugehen, dass die Veränderungen im Inhalt direkt auf den neuen, parteitreuen Intendanten Krauß zurückzuführen sind. Auf Schäfer jedenfalls, der noch der alten Garde der Staatstheater vor der ›Machtübernahme‹ zugehörte und der bis dahin eine ganz andere Linie gefahren war, ist der Umschwung sicherlich nicht zurückzuführen. Um so mehr wird deutlich, wie groß der Einfluss des neuen Intendanten Krauß gewesen ist, wie seine Haltung zum Nationalsozialismus war und mit welchem Engagement er sich am Staatstheater Stuttgart für die neuen Aufgaben und Ziele der NS-Politik eingesetzt hat. Die Texte zu Theater- bzw. Opernaufführungen wurden von nun an in nationalsozialistisch-wissenschaftlichem Sinne erstellt, d. h. mit dem typischen NS-Wortschatz, inhaltlich durchdrungen von der Blut- und Bodenideologie des neuen Führers und der damit verbundenen typischen ›pseudo-wissenschaftlichen‹ Argumentation. Das einstige Organ der Staatstheater wurde zum politischen Sprachrohr des KfdK und der Partei.
Zur Spielzeit 1933/34 wurden Erscheinungsbild und Name der Hefte geändert. Jetzt hießen sie schlicht Stuttgarter Dramaturgische Blätter, ab der Spielzeit 34/35 dann Das Programm – Blätter der Württembergischen Staatstheater. Die Schriftleitung wurde dem neuen Chefdramaturgen Heinz Müller-Eschborn anvertraut, der seine Aufgabe darin sah, eine volkstümliche Dramaturgie zu schaffen um damit der nationalen Volksgemeinschaft zu dienen:
»Früher war es üblich, das Heft zum einseitigen intellektuellen Sprachrohr der Dramaturgen und Regisseure zu machen. Und wie der eigenmächtige Regisseur das Publikum aus den Theatern trieb, so nahm er in Gemeinschaft mit dem Dramaturgen ihm auch das Programmheft aus der Hand. Die dramaturgischen Blätter waren nicht volkstümlich, sie dienten nicht, sondern herrschten. Der Geist echter Volksverbundenheit, die neue Auffassung der Kunst als Dienst an Geist und Seele des deutschen Volkes, hat endlich auch das Programmheft aus der Fessel der intellektuellen Einseitigkeit erlöst.«[250]
Die Aufgabe des Programmheftes bestand folglich in erster Linie darin, die Besucher mehr an das Theater zu binden und dadurch eine ›wahrhaftige‹ Theatergemeinde bzw. -gemeinschaft zu gründen, denn: »Das Theater ist aus Gebenden und Nehmenden zusammengesetzt; das Theater ist nicht nur der Künstler und sein Helfer, das Theater ist auch das Publikum. Ohne den Besucher und seine aktive Teilnahme sind Künstler und Theater sinnlos.«
Künstler und Publikum wurden gleichermaßen in die Verantwortung genommen beim Aufbau des neuen Theaters zu helfen. Es zeigt sich darin die gefährliche Verbindung von Kunst und Politik. Die Einschwörung auf die Volksgemeinschaft war absolut – da nur Einfügung oder Ablehnung, nicht aber kritische Distanz gestattet waren. Die Kunst-/Kultur-Gemeinschaft wurde dafür instrumentalisiert. Kritisch zu sein, bedeutete Ablehnung. Die Absolutheit dieses Anspruchs, die umfassende Totalität auf allen Gebieten des privaten und öffentlichen Lebens, macht der folgende Satz deutlich, der in einem Kulturorgan (!) wie dem Programmheft der Württ. Staatstheater Sprache fand:
»Möge das Wissen im Volke immer klarer werden [...], daß Volk und Kunst [...]zur Erhaltung Gesundung und Kräftigung der Nation beitragen, daß der einzelne nur dadurch Sinn hat, daß er opfernd das Leben der Gesamtheit erhalten hilft, ohne die er selbst nicht bestehen und glücklich sein kann.«[251]
Um eine engere Bindung zwischen Publikum und Theater herzustellen, bot man den Besuchern tiefere Einblicke und ein breiteres Hintergrundwissen zu den diversen Arbeitsbereichen des Theaterlebens an. Neben den weiterhin bestehenden allgemeinen programmatischen Aufsätzen gab es verstärkt Beiträge zum Spielplan, zur künstlerischen Arbeit sowie Monographien und Biographien diverser Künstler. Zusätzlich wurden Serien in die Hefte mit aufgenommen, die Themen wie Bühne und Film im neuen Deutschland, Das Orchester und Alltag des Theaterpersonals behandeln . Auch hier stand immer im Vordergrund, die neuen Prinzipien der NS-Musikpolitik hervorzuheben, wie beispielsweise im ersten Teil der neuen Serie Bühne und Film im neuen Deutschland: Der Autor beklagt sich ausschließlich und in gewohnt nationalsozialistischer Polemik über die »artfremden Einflüsse« und den »hochgezüchteten Intellektualismus« der vergangenen 50 Jahre, um dann die »nationale Revolution« und ihre Verdienste am »heiligen Volksgut«[252] zu preisen, ohne dabei jedoch ein Wort über das eigentliche Thema zu verlieren.
Das Hauptaugenmerk der Herausgeber der Dramaturgischen Blätter lag in den ersten beiden Jahren des NS-Regimes primär auf der Vermittlung der Grundzüge der aktuellen NS-Kulturpolitik. Wie ein roter Faden durchzieht der nationalsozialistische Tenor alle Beiträge und Berichte, von der Werkseinführung bis hin zur Vorstellung der einzelnen Orchesterinstrumente. So heißt es beispielsweise in der Reihe Das Orchester, in der regelmäßig die einzelnen Instrumente vorgestellt wurden, über die Verwendung des Fagottes:
»Schon in der Ouvertüre zum Barbier von Bagdad leistet sich Cornelius etwas, was man wohl so als recht dreckiges Lachen bezeichnen könnte, indem er die zwei Fagottstimmen zweimal mit obendrein recht schweren Staccatostellen im Sechsachteltakt umeinander hüpfen läßt, als wollte er sagen: jetzt mal ’ran, ihr Brüder, im Dritten Reich heißt es arbeiten. Obwohl es 1859 noch kein Drittes Reich gab.«[253]
Der Autor – von Berufswegen Fagottist – tut hier weit mehr als seine Pflicht und biedert sich stattdessen den Machthabern unverhüllt an. Seinen fingierten Brief unterschreibt er daher auch Führertreu: »Mit deutschem Gruß. Heil Hitler!«[254]
In den darauffolgenden beiden Spielzeiten lassen sich in den Dramaturgischen Blättern inhaltlich einige Veränderungen beobachten. Nach der starken Demonstration der neuen Kulturpolitik in den ersten Jahrgängen lässt sich ab 1934/35 eine deutliche Konzentrierung auf das eigene Theater und somit das eigene Publikum feststellen. So schrieb der neue Chefdramaturg, Hans Teßmer, über die Aufgabe des Programmheftes, dass es von nun an nicht mehr nur ein fortlaufender Kommentar zur Arbeit der Staatstheater sein würde, sondern sich vor allem »der Behandlung allgemeiner, zeitgegebener wie historischer Themen in Schauspiel und Oper zuwenden«[255] werde. Es werde eine Schau des Theaters in seinen großen kulturellen Kräften und Zusammenhängen angestrebt, um »den Lesern dieser Blätter allmählich eine noch viel tiefere und weitere Einsicht in das Wesen der Bühne und in das Bühnenschaffen zu vermitteln.«[256]
Die Hauptaufgabe der Intendanz bestand darin, ein ›volksnahes Theater‹ zu schaffen und durch verschiedene Maßnahmen mehr Publikum und eine breitere Bevölkerungsschicht anzusprechen. Die Aufgabe der neuen Kulturlage war es, »ein neues Vertrauensverhältnis zwischen dem Theater und dem jetzt zur Volksgemeinschaft gewordenen Publikum herzustellen.«[257] Da das Theater, laut NS-Ideologie, eine wichtige Rolle auf dem Weg zur wahren ›Volksgemeinschaft‹ spielte, versuchte man mit allen Mitteln die Bevölkerung dafür zu begeistern. So heißt es in dem Aufsatz Spielplansorgen – Spielplanziele 1934/35:
»Das Theater geht heute einen offenen, geraden Weg. Seine Sorgen sind die Sorgen des Volkes; die Erwartung des Volkes ist seine Erwartung, seine Hoffnung soll die Hoffnung des Volkes sein. Das Theater geht mutig in die Zukunft, ehrlich und fleißig; es weiß, daß es immer am Anfang steht, obschon es rüstig wandert. Es ruft heute aber das Volk zur Mitarbeit auf; und wenn es ihm seine Sorgen mitteilt, macht es zugleich auch den Mut, die Geduld und die Tatkraft des Volkes zur Bedingung. Das Theater ist ein Teil des Staates. In einem Staat aber, der die Nation ist, sind auch Theater und Volk aufeinander angewiesen und bedingen sich gegenseitig.«[258]
An andere Stelle wird der Versuch unternommen, in nationalsozialistisch-weihevoller Manier die Verbindung von Theater und Volk im Alltag anzusetzen:
»Denn das Theater eines Volkes ist nichts Geringeres als der eigentliche Schauplatz seines Lebens: ein Schauplatz, auf dem es mitagiert. Ein Schauplatz, der gar keinen Sinn hat ohne den gefüllten Zuschauerraum. Ein Schauplatz nicht für den noch so guten Schauspieler, sondern für den Zuschauer in Gemeinschaft mit seinen Volksgenossen. Das Theater ist nicht die Bühne – wie viele glauben –, auf der gute und schlechte Stücke gespielt werden, sondern ist die große Gemeinsamkeit des Volkes im Tempel seiner Kunst.«[259]
Neben solcher Art von Propaganda wurde von den Staatstheatern in Zusammenarbeit mit der NSKG versucht, durch Spielplanänderungen in Richtung ›Volkstheater‹, sowie durch zahlreiche finanzielle Erleichterungen für die Bevölkerung bessere Möglichkeiten des Theaterbesuchs zu schaffen. Und in der Tat, bereits in der Rückschau der Staatstheater auf die erste Hälfte der Spielzeit 1934/35 heißt es: »[Es] ist erfreulicherweise eine Steigerung der Anteilnahme der Bevölkerung [...] festzustellen. So kann die Leitung bekannt geben, daß sich die Besucherziffer in der Oper um 28 Prozent [...] gesteigert hat.«[260] Und über die Spielzeit 1935/36 hieß es wiederum: »Der Theaterbesuch hat sich außerordentlich gesteigert. Beide Häuser waren in den ersten sechs Spielwochen jeden Abend ausverkauft.« Der NS-Kurier folgerte sogleich:
»Wir sehen daraus, daß wir auf dem richtigen Wege sind, ein Theater für das Volk und eine für Kunst und Kultur aufgeschlossene Gemeinschaft von Volksgenossen zu formen und dem Theater wieder den ihm gebührenden Platz im Leben des Volkes zu verschaffen . «[261]
Neben der starken Konzentrierung auf das Publikum kam ab 1934/35 ein weiterer Grundgedanke hinzu, als erstmalig die Sorge um die zeitgenössischen Werke der deutschen Kultur angesprochen wurde. Die erhoffte Erneuerung der deutschen Kunst und Kultur nach den ›Säuberungen‹ war ausgeblieben. Die dem Publikum angekündigten zeitgenössischen Werke der neuen Kulturpolitik waren weit weniger erfolgreich als erwartet. Die Theaterbesucher selbst fingen nun an, Kritik an dem Spielplan des nationalsozialistischen Theaters zu äußern:
»Man sagt, es [das NS-Theater] habe Repertoireschwierigkeiten; denn man vergleicht den heutigen Spielplan kurzerhand mit den Spielplänen des marxistischen Theaters, die gespickt waren mit künstlerischen Sensationen. Man weist auch zuweilen mit erhobenem Finger in die theatralische Konjunktur jüngster Vergangenheit und fragt: ›Wo sind denn nun eure Schaffenden? Zeigt uns doch die nationalsozialistische Kultur, stellt uns doch euren lebenden Schiller vor!‹«[262]
Müller-Eschborn behauptet weiter, dass Devisenschwierigkeiten Schuld an der Misere seien, was für die Theater bedeutete, vorläufig von ausländischen Verlagen nichts mehr einkaufen zu können. Das wiederum habe zur Folge, dass Werke von beliebten deutschen Autoren, deren Werke im Ausland verlegt würden, nur selten im Spielplan erscheinen könnten. Ferner könne man zudem natürlich nur noch diejenigen Dichter und Komponisten aufführen,
»die sich stets einer einwandfreien frei deutschen Haltung und Gesinnung befleißigt haben. All die andern, die einer vergangenen Konjunktur zum Opfer gefallen sind, müssen so lange dem deutschen Theater fern bleiben, bis sie in der Stille zu sich selbst und ihren Aufgaben zurückgefunden haben. Hierin sieht der nationalsozialistische Staat eine vornehme Verpflichtung«[263].
Insgesamt macht der Verfasser dem Publikum den Vorwurf, die zeitgenössische Musik zu wenig zu unterstützen. Die meisten Ur- und Erstaufführungen seien auf Grund des mittelmäßigen Erfolges beim Publikum wieder abgesetzt worden. Es schließt sich auch hier die eindringliche Bitte »um ein aufbauendes Interesse gegenüber allen richtunggebenden Neuerscheinungen«[264] an das Opernpublikum an.
Aufschlussreich ist, wie der NS-Staat bei Kritik von außen jegliche Verantwortung sofort wieder abgegeben hat, und in diesem Fall maßgeblich das Publikum selbst für den Wegfall erfolgreicher zeitgenössischer Werke verantwortlich machte. In diesem Zusammenhang wurde zum ersten Mal deutlich auf die eigentliche Aufgabe des Theaters im NS-Staat hingewiesen: »Und deshalb ist es die erste Aufgabe des Theaters des Volkes, hier wie überall, Erziehungs- und Bildungstheater zu sein, nicht aber nur Unterhaltungsstätte!«[265] Die große Idee des wahren Volkstheaters sei es nämlich, nicht zu amüsieren, sondern »dem Bequemen aus dem Weg [zu] gehen, jeder als Führer auf seinem Posten, und das heißt: zwingen, was widerstrebt, aus dem bürgerlichen Amüsiertheaterbegriff hinaus, koste es, was es wolle!«[266]
Von nun an hatte das Theater einem Bildungs- und Erziehungsanspruch gerecht zu werden, d.h. von nun an musste neben dem Volksstück vor allem das politische Stück Gestalt annehmen. Der Ruf nach politischen Stücken wurde 1936 laut und bedeutet nichts anderes als den Ruf nach aktiver Kriegspropaganda im Theater:
»Es ist die Tat des Führers, daß sich die Welt langsam wieder öffnet, nicht für den Sklavenblick Unterworfener, sondern für die mitformende Kraft eines Volkes, daß sein Schicksal selber bestimmt, weil es mit diesem Schicksal einig ist. So ist jetzt erst Zeit, das große Kriegsdrama zu schreiben, in dem – ein gigantischer Nibelungenstoff – das Reich zusammenbricht im Sturm seiner Gegner. [...] Je mehr der Führer außenpolitisch Klarheit schafft, je einiger dann die politischen und kulturellen Kräfte des Dritten Reiches werden, um so eher dürfen wir hoffen, daß auch das weltgültige politische Drama wächst.«[267]
Die Spielzeit 1936/37, die letzte unter dem Generalintendanten Krauß, erfuhr in den Dramaturgischen Blättern eine erneute Steigerung in der propagandistischen Nutzung. Krauß sah seine künstlerische Aufgabe in der neuen Spielzeit im Ausbau des kulturpolitischen Programms, mit dem Ziel der Gründung eines sogenannten deutschen Nationaltheaters.[268] Die wesentliche Aufgabe des Theaters läge, so Krauß, nach wie vor in der Entdeckung und Förderung junger Dichter und Dramatiker. Denn, »Kein Volk lebt länger als die Dokumente seiner Kultur. Der Nationalsozialismus wird Deutschland durch Höchstleistungen der Kultur auf allen Gebieten verschönern.«[269] In einer kulturpolitischen Bilanz über Nationalsozialistische Theaterkultur heißt es zu diesem Vorhaben:
»In drei Jahren ist es uns zum Beispiel gelungen, die gesamte Überfremdung der deutschen Theaterspielpläne durch einen üblen Import von ausländischen Boulevardstücken zu beseitigen und an ihrer Stelle eine Fülle von deutschen Unterhaltungsstücken einzusetzen, wie sie das Theater brauchte, wie sie andererseits unserer Vorstellung von einer lustigen, menschlich anständigen, weltanschaulich richtigen Unterhaltung entsprechen.«[270]
Und vergessen scheinen die Sorgen um die zeitgenössische Kultur, denn
»so töricht schon früher das tendenziöse Gerede war, daß wir Deutschen unfähig seien, eine eigene theatralische und dramatische Produktion zu schaffen, so glänzend ist es durch die Tatsache der letzten Jahre widerlegt worden. Was wir brauchen, um ein gänzlich deutsches Theaterleben zu besitzen, das haben wir inzwischen sowohl an heiteren und leichten, wie an ernsten und gewichtigen Erscheinungen geschaffen.«[271]
Der Jahrgang 1936/37 der Dramaturgischen Blätter hebt sich von den vorangegangen Jahrgängen primär hinsichtlich der starken Dominanz von Texten zur NS-Kulturpolitik ab, im Gegensatz zu Werkbesprechungen und Themen, die sich mit den Staatstheatern befassen. So war beispielsweise in jedem Heft vorn auf dem Titelblatt ein Zitat von Hitler oder Goebbels zur aktuellen Kulturpolitik abgedruckt. Vermehrt wurden Reden und Aufsätze zur Kulturpolitik von Reichsdramaturg Schlösser unter anderem zur Frage der nationalpolitischen Bedeutung der Oper[272], von Goebbels über Die Aufgabe des Theaters im neuen Deutschland[273] oder aber von Hitler selbst über Kultur und Kunst[274] veröffentlicht. Auf die einzelnen Inhalte der Aufsätze wird an dieser Stelle nicht näher eingegangen, da sie sich mit den oben bereits dargestellten Ausführungen im Wesentlichen decken. Für den Jahrgang 1936/37 der Dramaturgischen Blätter hatte man es sich offensichtlich zur Aufgabe gemacht, nach drei Jahren NS-Herrschaft die kulturpolitischen Ziele und Aufgaben noch einmal umfassend darzustellen und sie wieder mehr in das Bewusstsein der Bevölkerung zu rücken.
5.1.2. Die Jahre 1937-1941 – Rückkehr zur unpolitischen Theaterzeitschrift?
Die Spielzeit 1937/38 war die erste Spielzeit unter der Aegide des neuen Intendanten Gustav Deharde. Mit Beginn dieser Spielzeit änderte sich abermals die Gestalt der Dramaturgischen Blätter. Deharde sah die Aufgabe der Blätter von nun an in erster Linie darin, »vor allem Aufsätze zu den jeweiligen Neuerscheinungen und Autoren des lebendigen Spielplans zu bringen.«[275]
Die eigentliche Bestimmung des Programmheftes sollte es sein, »Theaterzettel, Flugschrift, Kommentar der Sprech- und Singbühne, Mitteilungsblatt der Generalintendanz, kulturpolitisches Forum, Propagandainstrument in engem und weitem Sinne «[276] zu werden und die von Intendant Krauß vorgegebene Linie auszubauen.
Zum ersten Mal wird hier von Seiten der Staatstheater die propagandistische Instrumentalisierung der Blätter offen als eine ihrer zentralen Aufgaben benannt. Und dennoch: von da an sind die Dramaturgischen Blätter inhaltlich und sprachlich weit weniger ›nationalsozialistisch‹, als sie es unter der Generalintendanz von Krauß gewesen sind. Die kulturpolitischen Schriften von NS-Persönlichkeiten sind bis auf wenige vereinzelte Ausnahmen[277] verschwunden. Statt dessen sind verstärkt Besprechungen von Erst- und Uraufführungen, Aufsätze zu den Autoren bzw. Komponisten und deren weiteres Schaffen enthalten. Natürlich waren diese Beiträge ebenfalls Teil der Propaganda, da mit Ihrer Hilfe dem Publikum die zeitgenössische Kunst des NS-Staates näher gebracht werden sollte. Der propagandistische Auftrag lässt sich in mehrfacher Hinsicht aufzeigen:
1. Besprechungen der sogenannten Klassiker beschränken sich auf die Komponisten W.-A. Mozart, R. Wagner, H. Pfitzner, R. Strauss, G. Puccini und C. M. von Weber. Also ›Die‹ Komponisten der ›deutschen‹ Kultur.
2. Die ausgeprägte Konzentrierung auf Besprechungen von zeitgenössischen Werken und deren Verfassern zeigt die Förderung der NS-Kultur durch die Theater. Mit den neuen Werken sollte das NS-Herrschaftssystem repräsentiert werden. Um den Erfolg der Stücke zu sichern, musste man jedoch erst einmal das Publikum dafür begeistern, was mit der verstärkten Präsenz auch in den Dramaturgischen Blättern versucht wurde.
3. Allein die Auswahl der Erst- und Uraufführungen geschah unter ideologischen Gesichtspunkten, d.h. es wurden lediglich Stücke von Künstlern mit reiner nationaler Gesinnung aufgeführt.
4. Die Werke hatten entweder einen ideologischen oder aber einen hohen Unterhaltungscharakter. In jedem Fall aber einen Charakter der im Sinne der NS-Kulturpolitik stand.
5. Die Besprechungen der Werke wurden von Wissenschaftlern verfasst, die in den meisten Fällen der NS-Ideologie positiv gegenüberstanden, d.h. die Interpretationenwaren ebenfalls stark ideologisch geprägt. So schrieb beispielsweise Müller-Eschborn über Die Dramaturgie von Peter Cornelius’ lyrischem Drama »Der Cid«:
»Drum ist es unser aller Wunsch, durch seine Aufnahme in den Spielplan der Stuttgarter Staatsoper nicht etwa dem musik- und theatergeschichtlichen Museum eine neue Ausgrabung zu schenken, sondern die Originalität, die volkstümlichen Kräfte und den grunddeutschen Gehalt des Werkes einem Publikum vorzuführen, das ›ja überhaupt zum Besten gehört, das sich ein Dichter wünschen kann‹«[278].
Diese Propaganda war aber trotzdem von nun an wieder mehr auf die Arbeit am Stuttgarter Staatstheater bezogen, und nicht allgemein kulturpolitisch gefasst, wie das in den vergangenen Jahren der Fall gewesen war. Nach wie vor war das große Ziel die Schaffung eines ›Volkstheaters‹[279], das von innen heraus in Zusammenarbeit mit dem Publikum entstehen sollte. Die Dramaturgischen Blätter sollten zu diesem Zwecke Identifikationsmöglichkeiten zwischen dem Publikum und ›ihrem‹ Theater bieten.
In diesem Zusammenhang muss auch die ab dem Jahrgang 1937/38 verstärkte Zusammenarbeit mit der Hitler-Jugend (HJ) verstanden werden. Deharde hatte bereits in seiner ersten Amtsperiode eine Reihe Sondervorstellungen für die HJ organisiert. Die Dramaturgischen Blätter hatten eigens dazu mehrere Aufsätze unter dem Titel Die Jugend und das Theater veröffentlicht. Dabei wurde in allen Beiträgen der besondere erzieherische Auftrag des Theaters in den Vordergrund gestellt:
»weit darüber hinaus ist es mein aufrichtiger Wunsch, daß unsere Jugend aus eigenem Antrieb bereit ist, vom Theater, dem ersten Kulturträger der Nation, seelische und geistige Werte zu empfangen. [...] Das Theater ist nach meiner tiefsten Überzeugung neben Elternhaus, Schule und HJ, die unentbehrliche Stätte der seelischen Erhebung, der geistigen Erziehung und der weltanschaulichen Charakterschulung unserer Jugend«[280].
Unter dem Titel Erzieherisches Theater statt billigem Vergnügen ging man mehr und mehr auf das »erhebende Gemeinschaftserlebnis« und auf die Jugend als die »zuhörende Gemeinschaft von Morgen« ein. Die Überinterpretation des Theaters als ›Religionsersatz‹ wird an folgendem Zitat deutlich: »Die Jugend als Stoßtrupp in der kulturellen Revolution unserer Zeit hat die Pflicht, mit der Pseudokultur des verlogenen Theaters von gestern aufzuräumen, sie hat aber auch die Pflicht, am Bau des neuen Tempels mit Hand anzulegen.«[281] Diese uns aus den Jahren 1933-37 bekannten Worten richteten sich – im Unterschied zu früher – nunmehr allerdings nicht mehr an das gesamte ›Volk‹, sondern primär an den Nachwuchs des NS-Staates.
Die Fünfundzwanzigjahrfeier der Einweihung des Großen und Kleinen Hauses, fand im September 1937 statt und wurde mit einer großen Festwoche feierlich begangen. Dieses Ereignis wurde schließlich auch zum Anlass genommen, die geschichtlichen und politischen Geschehnisse der Jahre zuvor in den Blättern der Württ. Staatstheater wieder mehr in den Vordergrund zu stellen, um in den diversen Texten als Resümee die ›großen Taten‹ der NS-Herrschaft in der Kulturpolitik hochzuhalten:
»Die einstigen Hoftheater sind Landes- und Staatstheater geworden. Sie unterstehen einer einheitlichen geistigen Führung durch die Reichstheaterkammer. Aus Stätten der Unterhaltung eines die Aufrechterhaltung gesellschaftlicher Kastengliederung peinlich wahrenden Genusses wurden sie zu Erziehungs- und Erhebungsstätten für die Volksgemeinschaft.«[282]
1939 begann der Krieg, und damit setzte auch an den Staatstheatern eine Veränderung ein: Mit der »Kriegsspielzeit 1939/40«[283] wurde eine Reihe von Mitgliedern zur Wehrmacht eingezogen. Auch der Generalintendant Deharde musste mehrere Monate im Krieg dienen. Der Spielbetrieb ging dennoch ungehindert weiter. An den Blättern der Württ. Staatstheater lassen sich allerdings keine nennenswerten Veränderungen aufzeigen. Weiterhin standen auch in den folgenden Spielzeiten die Werkbesprechungen im Vordergrund. Allerdings wurde von nun an den Theatern eine neue Aufgabe zugesprochen: Die deutschen Theater hatte man zu W-Betrieben erklärt, was bedeutete, dass sie im Krieg weitergeführt werden mussten, da ihr Auftrag die »Stützung der ›inneren Front‹«[284] sei. So heißt es etwa in einem Beitrag über die Kriegsfestspiele Bayreuth im Juli 1940 über die neue Bedeutung des Theaters:
»Der Führer befahl, daß die Festspiele auch in diesem Jahr stattfinden, und er selbst suchte die Werke aus, die gespielt werden sollten: ›Holländer‹ und ›Ring‹. Der Standpunkt, mit dem der Führer diese Entscheidung begründete, ist bedeutsam: entweder es werde im Juli, wenn wir beginnen, noch Krieg sein, dann sollen die Bayreuther Kriegsfestspiele vor der gesamten Welt erweisen, dass deutsche Kulturgut an der heiligsten Stätte, die es für uns gibt, als Zeugnis ungebrochener innerer Geisteskraft in Erscheinung tritt; oder, falls der Krieg bis dahin zu Ende sei, dann sollen die Bayreuther Spiele den Anfang einer neuen Friedenskultur bedeuten.«[285]
Die »Kriegsfestspiele« in Bayreuth fanden statt und die Zuhörerschaft war eine besonders ausgewählte: »die opferfreudigsten und tatkräftigsten Mitgestalter unserer gewaltigen Zeit, Verwundete, Frontsoldaten, Front- und Rüstungsarbeiter sollen in diesem Jahre die Spiele erleben dürfen.«[286] Darin zeigen sich zwei für den NS-Staat charakteristische Züge: zum einen war es Hitler wichtig, mit der deutschen Kultur
dem Ausland ein Zeichen zu setzen, denn mit dem Fortbestehen der Theater und Festspiele während des Krieges sollte Macht und Stärke demonstriert werden. Zum anderen sollte die Kultur dem Volke in den Kriegsjahren hauptsächlich Ablenkung, Trost und Freude spenden. Indem Hitler die ›Helden‹ des Krieges kostenlos zu Aufführungen nach Bayreuth einlud, machte er einerseits auf die für den Staat besondere Bedeutung dieser Personengruppen aufmerksam, andererseits wies er auf die neue Funktion der Kultur hin: »Beseelung durch die heilige deutsche Kunst!«[287] In einem Aufruf an die Stuttgarter Bühne heißt es demonstrativ:
»Und wenn die Stuttgarter Bühnenleitung im Laufe der neuen Spielzeit sich entschließt, den ›Lohengrin‹ einmal für KdF, also für die Volksgenossen im weitesten Verstand zu geben, so würde dadurch auch der mit dem Bayreuther Kriegsfestspiel 1940 verbundene Führerwille aufs neue bestätigt. Der ›Lohengrin‹ mit seinem vaterländisch deutschen Gehalt, wie er in König Heinrich und seiner Sendung sich darstellt, ist für die deutsche Geschichte allezeit zeitgemäß und heute ganz besonders: ›Für deutsches Land das deutsche Schwert!‹«[288]
Zusammenfassend bleibt anzumerken, dass der Zeitschrift Das Programm mit der ›Machtübernahme‹ eine neue Aufgabe zugesprochen wurde. Wie dargestellt, wurde eine ursprünglich unpolitische Theaterzeitschrift durch das totalitäre Herrschaftssystem des Nationalsozialismus komplett vereinnahmt und zum Zweck der politischen Propaganda eingesetzt. Beide Intendanten haben sich bemüht, ›vorbildlich‹ beim Aufbau einer neuen Kultur des Regimes mitzuhelfen, indem sie durch ihr Mitteilungsorgan dem Publikum der Staatstheater Stuttgart sowohl die Weltanschauung des Nationalsozialismus als auch die neuen Aufgaben und Ziele der Kulturpolitik näher brachten.
Insgesamt gesehen lassen sich dennoch zwei unterschiedliche Phasen in der Dramaturgie erkennen. Die erste Phase fällt mit dem zeitlichen Abschnitt des Intendanten Krauß zusammen. Man könnte sie auch als ›Machtübernahme- bzw. Machtsicherungsphase‹ bezeichnen, da diese Jahrgänge (1933-1937) stark geprägt waren von den kulturpolitischen Anschauungen der Partei, sowie von der NS-Ideologie allgemein. Es fällt zudem der extrem nationalsozialistische Wortschatz mit seinen ausgeprägt aggressiven und ›schlagwortdurchtränkten‹ Parolen auf. Unabhängig davon, ob
diese Phase die allgemeine kulturpolitische Entwicklungsphase der NS-Politik widerspiegelt – dazu wäre ein Vergleich mit anderen Theatern notwenig – ist sie doch vor allem auch ein Hinweis auf die Bedeutung des persönlichen Engagements der Intendanten. Diesem ›Engagement‹ des Intendanten Krauß, der als Mitglied des KfdK die völkisch-nationale Kulturpolitik vehement vertrat, war es letztlich zu ›verdanken‹, dass die NS-Ideologie derart unverhüllt in den Blättern zum Ausdruck kam.
Die zweite Phase, die mit der Amtszeit des Intendanten Deharde in die Dramaturgie Einzug hielt, könnte man als eine Art von ›Konsolidierungsphase‹ bezeichnen. Er durfte davon ausgehen, dass sich die Kulturpolitik in den Köpfen des Publikums gefestigt hatte, und ging, die allgemeine NS-Ideologie betreffend, nur noch vereinzelt auf einige wenige Aspekte ein. Im Großen und Ganzen wurde die Propaganda nun nicht mehr als theoretische Abhandlung, sondern an den Werkbesprechungen der Erst- und Uraufführungen vollzogen. Der Wortschatz war sehr viel gemäßigter und wies weit weniger NS-Vokabular auf, als in den vorangegangen Jahren.
Abschließend kann also festgehalten werden, dass Das Programm, als Zeitschrift der Württ. Staatstheater Stuttgart in jeglicher Hinsicht zum Werkzeug der Nationalsozialisten wurde und beide Intendanten in jedem Fall darum bemüht waren, das Stuttgarter Publikum von den Absichten der NS-Politik im Bereich der Kultur zu überzeugen.
Spielplanpolitik
Die Zeitschrift Deutsche Bühne gab in der Ausgabe vom September 1933 einen Überblick über die frühen nationalsozialistisch-kulturpolitischen Ziele. Es waren die wichtigsten Aufgaben aufgelistet, für die die deutschen Theater von nun an Sorge zu tragen hatten:
»- für [die] Säuberung der deutschen Theaterspielpläne von allen art- und volksfremden Einflüssen
- für [die] Heranziehung des deutschen Arbeiters, des deutschen Bauern und der deutschen Jugend
- für [die] Wiedergewinnung der Kreise, die vielerorts mit Recht dem Theater in den letzten Jahren fernblieben
- für [die] Vertiefung der Erlebnisgemeinschaft zwischen Besuchern, Darsteller und Dichter
- für [die] Bildung eines breiten Grundstocks für den Etat der Bühnen durch starken Ausbau der Besucherstämme unter Anpassung der Preisgestaltung an die Vermögenslage der Stände
- für den Aufbau einer festverankerten Gesinnungsgemeinschaft der Volksgenossenschaft und dadurch im Endziel für Schaffung des neuen, reinen und starken Volks- und Nationaltheaters !«[289]
Auch der KfdK empfahl wiederholt einen ›Deutschen Spielplan‹ für Oper und Operette und informierte die Bühnenleiter über genehme Repertoiremöglichkeiten. Darunter vertreten waren Werke der Klassik und Romantik von Händel über Gluck, von Mozart bis Lortzing und Wagner. Bis zum Jahre 1936 wurde von der RKK und dem Reichsdramaturgen ein ausgewiesen deutscher Spielplan verordnet und erarbeitet: Als ›Standartwerke deutscher Tradition‹[290] galten die deutschsprachigen, italienischen und französischen Opern, in erster Linie mit volksnahem Sujet und nationalem Kolorit. Von den ›Klassikern‹ traf das auf Komponisten wie Wagner, Verdi oder Bizet zu. Was ihre Werke in den Augen der Nazis zum geschlossenen Kunstwerk machte, war eine »große Linie der Melodie, überzeugende Harmonie und die das Ohr bezwingende, aber nicht ermüdende Orchestrierung. [...] Meistersinger, Carmen und um ins Volkstümliche zu steigen: Lortzings Bühnenwerke«[291] erfüllten die genannten Anforderungen. »Atonale Konstruktivität, intellektuelle Libretti und überladene Instrumentierung«[292] hingegen seien schuld daran, dass sich das Publikum von der Oper distanziert habe.
Es wurden für die Intendanten konkrete Richtlinien zur Spielplangestaltung im Dritten Reich vorgegeben. Diese Richtlinien zogen bei Nichteinhaltung zwar keine Sanktionen nach sich, konnten jedoch erhebliche Anfeindungen aus der Partei oder zu Entlassungen führen, die auf Grund von Zweifeln an der rechten politischen Gesinnung ausgesprochen wurden. Der künstlerische Freiraum der Intendanten war demnach erheblich eingeschränkt. Dies wiederum lässt Vermutungen über die Spielplangestaltung zu: Wurden die allgemeinen Vorgaben und Richtlinien der Partei tatsächlich umgesetzt? Lassen sich Charakteristika in der Spielplangestaltung der einzelnen Intendanten aufzeigen, oder handelte es sich vielmehr um einen ›Einheitsspielplan‹ im Dritten Reich?
Zur Erörterung dieser Fragen am Beispiel der Stuttgarter Staatstheater bedarf es zunächst einer Darstellung der Äußerungen zur Spielplangestaltung der beiden Intendanten Krauß und Deharde. Lassen sich hier eventuell bereits Unterschiede bzw. Gemeinsamkeiten aufzeigen? Kann etwas über die künstlerische Freiheit der Intendanten gesagt werden? Inwieweit war sie noch unabhängig von den politischen Rahmenbedingungen?
Ein zweiter wichtiger Einschnitt war zudem der Kriegsbeginn 1939. Hier änderten sich primär die Rahmenbedingungen in Form von konkreten Anweisungen des ProMi zur Spielplangestaltung. Im Folgenden wird die Spielplangestaltung der beiden Intendanten aufgezeigt, die zudem unter Dehardes Amtszeit kriegsbedingte Veränderungen aufweist.
5.2.1. Spielplangestaltung unter Otto Krauß (1933-1937)
»Spielzeit 1933/34. Das heißt: Erste Spielzeit unter der Fahne der nationalen Erhebung. Das heißt: Erste Etappe auf dem Weg zum wirklichen deutschen Nationaltheater. Wir deutschen Theaterleiter sind uns bewusst, dass wir mit der Verwirklichung dieses Wunschtraums vieler deutschen Generationen nicht um eine Sache kämpfen, die an der Peripherie der großen politischen Bewegung liegt, sondern um eine der wesentlichsten Fragen des Neuaufbaus und der Volkwerdung Deutschlands. Die lebendige Gemeinschaft von Schauspielern und Schauenden, von Werk und Darstellung, die wir Theater nennen, ist für uns gleichzeitig eine Keimzelle und ein Symbol der großen Volksgemeinschaft.«[293]
Nach seinem Amtsantritt im April 1933 verkündete der neue Generalintendant der Württ. Staatstheater, Otto Krauß, bereits am 28. Mai ›sein‹ Programm. Der politische Umschwung, der mit der ›Machtergreifung‹ Hitlers stattgefunden hatte, bedeutete offensichtlich auch eine völlige Um- und Neuorientierung des Theater- und Opernlebens im Sinne des Nationalsozialismus. Nachdem die Landestheater zu Staatstheatern ernannt worden waren, hatten sie von nun an auch eine neue Aufgabe zu erfüllen.
Krauß stellte, wie zitiert, den neuen Aufgabenkreis eines deutschen Staatstheaters dar und erklärte dazu er wolle die Württ. Staatstheater zu »Dienern an Volk und Werk« machen und zu »wahrhaften Verkündern und Trägern der großen völkischen Mission, die ihnen in der Zeit »größten geistigen Tiefstandes in Kunst und Nation« zugefallen sei.[294]
Die wichtigste Aufgabe des Theaters im Nationalsozialismus bestehe in erster Linie in der Aktivierung des deutschen Theaters hin zum Volkstheater aller Deutschen. Während seiner vierjährigen Amtszeit setzte sich Krauß daher auch immer wieder verstärkt für die Zusammenarbeit mit dem KfdK und der NSKG, und für die ›Öffnung‹ der Theater ein. Krauß versprach einen Spielplan aufzubauen, der sich
»inhaltlich mit unserer Geistes- und Kulturgeschichte auseinandersetzt und sich planmässig und organisch durch einen zyklischen Aufbau in d i e Werke der Gegenwart hineinentwickelt, die von u n s e r e m Blut, von u n s e r e m Empfindungs- und Gedankenleben künstlerisch durchtränkt sind.«[295]
Zudem sollten unter seiner Leitung von nun an keine Stücke mehr gespielt werden, die nur für einen Teil des Volkes von Interesse seien, sondern ausschließlich Werke, »deren Gefühls- und Gedankengehalt jeder Deutsche mitfühlen und mitdenken kann.«[296]
Das bedeutete in der Kunst in erster Linie, »die grossen seelischen Kräfte, die durch das Kunstwerk des deutschen Genies im deutschen Werk aufgefangenen göttlichen Energien«[297] wieder zu erkennen. Im Mittelpunkt des neuen Theaters sollte zum einen die Pflege des deutschen Kulturguts, zum anderen die Förderung der lebenden nationalen Dichter und Komponisten stehen: »Aus unserem eigenen Blute heraus muss ein Händel, Brahms, Mozart, Haydn, Marschner, Weber, Strauss, Beethoven, Pfitzner, Wagner durch unser eigenes blutsmässiges Umformungsgesetz dem Volke dargebracht werden.«[298] Dafür sei es wichtig, dass sich der Künstler vollkommen in den Dienst der neuen kulturpolitischen Verpflichtungen stellt. Krauß verlangte vom deutschen Künstler keine »nationale P o l i t i k«, sondern »n a t i o n a l e K u n s t.«[299] Sein Programm sollte Erziehungsprogramm sein, das sowohl dem Erbauungs- wie dem Erheiterungsbedürfnis[300] Rechnung trage.
Den neuen Aufbau in der Oper unterteilte Krauß in vier Zyklen: Der erste Zyklus hieß ›Festspielaufführungen‹ und bezog sich auf Werke, die seiner Meinung nach wegen ihrer großen künstlerischen Gestaltung und ihrer Monumentalität wegen nur als Festspielaufführungen in Frage kommen konnten: Fidelio, Die Meistersinger, Parsifal und Palestrina sollten von nun an nur bei besonders festlichen Gelegenheiten gespielt werden, denn: »Das bedeutende Werk muss auch äusserlich den Charakter des Bedeutungsvollen tragen.«[301]
Der zweite Zyklus, genannt ›programmatische Erziehung, programmatische künstlerische Herausbildung und Darbietung der Meisterwerke deutscher Tonkunst von Händel bis Schillings‹[302], betraf zum einen die Klassiker wie Julius Caesar von Händel, Mozarts Cosi van tutte, Die Entführung aus dem Serail oder Die Zauberflöte, Beethovens Fidelio, Lortzings Wildschütz und Hans Sachs, sowie sämtliche Werke von R. Wagner. Ferner beinhaltete dieser Zyklus das Wesentliche von deutschen Komponisten wie Schubert, Cornelius, Flotow, Hugo Wolf, Humperdinck, Siegfried Wagner, Reznicek, Strauss, Pfitzner, Graener u. a.
Zyklus drei beinhaltete »Spitzenwerke des Auslandes, soweit sie ein Spiegelbild des betreffenden Volks-Charakters sind.«[303] Darunter vertreten waren die italienischen Komponisten Verdi, Rossini, Puccini, die russischen Komponisten Mussorgsky, Tschaikowsky, Borodni und aus Frankreich Gounod, Bizet, Berlioz. Jedoch wurden in dieser Aufzählung nur Werke genannt, die in den Augen der Nat.soz. als ›volkstümlich‹ galten: Nabucco, Der Barbier von Sevilla, Boris Godunow, Fürst Igor, Eugen Onegin sowie Carmen. In der Spielzeit 1936/37 wurde beispielsweise als musikalische Erstaufführung Das Leben für den Zaren von Michael Glinka einstudiert. Zur Begründung heißt es:
»Die erste Oper, in der das typisch Nationale und Völkische im Rhythmus und Motiv zum Ausdruck kommt. Ein Heldenlied der Treue bis in den Tod, ein großes Beispiel heroischer Komposition! Gerade heute ist es unsere Pflicht und künstlerische Aufgabe, [...] Glinka als einen der bedeutendsten Opernkomponisten des kaiserlichen Rußland der deutschen Bühne zu erhalten.«[304]
Im vierten Zyklus schließlich sollten Werke gespielt werden, »die sich volkstümlich oder geschichtlich künstlerisch mit unserer engeren Heimat auseinandersetzen.«[305] Es sei für die Zukunft außerordentlich wichtig, vor allem den lebenden Autoren mehr Beachtung zu schenken. So zum Beispiel Die sieben Schwaben von Millöcker, die Uraufführung Michael Kohlhaas [306] von Paul von Klenau, oder aber Konradin von Schwaben von Kreutze. Lortzings
Neben Krauß’ Absicht, von nun an verstärkt Operetten und Volksopern in den Spielplan mit aufzunehmen, zielte insbesondere die Errichtung einer Freilichtbühne vor dem Großen Haus darauf ab, ein ›wahres Volkstheater‹ in Stuttgart zu schaffen. Krauß wollte mit dieser Tat Anschluss an die allgemeinen ns-politischen Bestrebungen finden, die ihren Höhepunkt in der sogenannten Thingspielbewegung[307] fanden. Durch die Thingspiele sollte der ›Volksgemeinschaft‹, als Inbegriff von Macht und Einheit des neuen Staates, künstlerisch endlich der geforderte repräsentative Ausdruck verliehen werden. ›Thing‹ bezeichnete ursprünglich germanische Volks- oder Gerichtsversammlungen an altgewohntem Ort, auch Thingstätten genannt. 1933 initiierte das Promi unter Goebbels eine ›Thing-Bewegung‹, die an diese ältere Vorgabe unter Berücksichtigung der Traditionen des Laienspiels, der Naturtheaterbewegung und des Freilichttheaters anknüpfte. Thingspiele sollten als national-kultisches und heroisches Drama den politischen Glaubensgehalt der NS-Politik zelebrieren. Eigens dafür wurden, meist auf »historisch geweihtem Boden«[308], sogenannte Thingplätze, erbaut. Bis 1937 existierten 40 derartige Spielstätten in Deutschland.
Wichtigstes Element der nationalsozialistischen Thing-Dramatik waren das Motiv der Erlösung und die Führung des Volkes zum Heil. Im Vordergrund stand die Präsentation der NS-Ideologie von Gemeinschaftsseele, Volk, Rasse und Kult. Die Darsteller waren Helden, die den Feind besiegten und in zahlreichen Kämpfen mit Rüstung und Uniform die Dominanz der ›Herrenrasse‹ demonstrierten. Die Theater waren meist in der offenen Form des Amphitheaters angelegt, um die Zuschauer möglichst nah an das Geschehen heranzuholen und auf diese Weise zum Teil der Volksgemeinschaft zu machen. Goebbels richtete 1934 einen ›Dichterkreis‹ zur Förderung
von Thingspielen ein, der allerdings, wie auch die zahlreichen organisieren Wettbewerbe, kaum Erfolg brachte. Für diese Art von ›Massenerhebung‹ fehlten im Dritten Reich ganz offensichtlich die geeigneten Stücke, und so wurde die Thing-Bewegung bereits im Jahr 1937 von Goebbels wieder eingestellt, das Thingspiel und mit ihm jede Form des Freilichttheaters von ihrer ›Reichswichtigkeit‹ entbunden.
In Stuttgart ließ Krauß im Sinne dieser Thingspielbewegung 1933 eine Freilichtbühne errichten. Diese Bühne, die insgesamt 1534 Sitzplätze hatte, wurde im Sommer 1933 mit Wagners Rienzi eröffnet. Krauß führte selbst Regie und bezog in das Kampfgetümmel Reichswehr und SA mitein. Insgesamt waren 500 Mitwirkende und 20 Reiter beteiligt. In einem Bericht über diese Aufführung heißt es: »Er [Krauß] bot ungeheuer bewegte Massenszenen, verlieh den Aufzügen nicht nur vollste Natürlichkeit durch die Masse der Mitwirkenden, sondern auch eine Farbenpracht und eine äußere Aufmachung, die nicht zu überbieten ist.«[309] Die häufig wiederholte »vollste Natürlichkeit« der Aufführung zeigte sich unter anderem in einem Fechtkampf mit »wirklicher, echter Fechtkunst«. Schließlich wurde die Verschränkung von Leben und Kunst beim Schlussbild mit einer »gewaltigen, lebensechten und von Wagner ja auch geforderten Wirkung« symbolisiert:
»aus dem Reiter-Regiment 13 stammenden Reiter sprengten mit eingelegter Lanze den aufrührerischen Pöbel nieder, rasten, Hufe klappernd, über die 50 Meter freie Vorbühne wie ein Spuk hinweg, die schreienden Volksmassen vor sich hertreibend.«[310]
Der Bericht schließt mit den Worten:
»Tausende haben von dieser Aufführung nicht zu verlöschende Eindrücke mit nach Hause genommen, Tausende sind durch diesen Freilicht –›Rienzi‹ dem Theater, der Oper neu gewonnen worden. Damit hat Generalintendant Krauß als Erster die Forderung des Reichspropagandaministers Dr. Goebbels erfüllt, für das deutsche Theater, die deutsche Kunst durch vorbildliche Freilichtaufführungen zu wirken.«[311]
Trotz dieser anfänglichen Begeisterung wurde das Bespielen der Freilichtbühne aufgrund von mangelndem Publikumsinteresse und dem Fehlen geeigneter Werke bereits nach der Spielzeit 34/35 wieder eingestellt. Insgesamt kamen auf dieser Bühne die Opern Der Troubadour von Verdi, Rienzi und Tannhäuser von Wagner und Cavalleria Rusticana und Der Bajazzo von Mascagni und Leoncavallo zur Aufführung.
Rahmenprogramm und Sondervorstellungen
Seine Pflicht erfüllte Krauß auch, indem er die diversen nazistischen Gedenk- und Feiertage mit entsprechenden Festaufführungen beging. Neben regelmäßigen Morgenfeiern in Zusammenarbeit mit dem KfdK wurden diverse Feiertage und Ereignisse gefeiert. Zur Reichsgründungsfeier am 18. Januar 1934 wurde Der Freischütz gespielt, zum Tag der nationalen Erhebung am 30. Januar 1934 Lohengrin, anlässlich des zweiten Jahrestages der Machtübernahme am 30. Januar 1935 Cosi van tutte. Zum Gedächtnis der Gefallenen am 9. November 1923 spielte man 1933 Michael Kohlhaas, 1934 und 1935 Fidelio, zum Heldengedenktag der Reichsregierung am 25. Februar 1934 Lohengrin. Weiter gab es Festvorstellungen zum Geburtstag des Führers mit Siegfried (1934), Parsifal (1935) und Die Hochzeit des Figaro (1936).
Festvorstellungen fanden zudem aus Anlass der Gautagung des NS-Lehrerbundes, anlässlich des Gautages der NSDAP, zum Tag der schwäbischen Erzieher oder anlässlich der Reichstagung des Richard-Wagner-Frauenverbandes statt. Auch hier wurden Werke mit überwiegend ›festlichem Charakter‹, wie Der fliegende Holländer, Der Freischütz oder Der Schmied von Marienburg aufgeführt. Gefeiert wurde zudem der 70. Jahrestag der Uraufführung von Tristan und Isolde am 13. Juni 1935, der gleichzeitig der 49. Todestag König Ludwigs II. war, und an welchem man das Werk als Festaufführung spielte. Zu Ehren der Anwesenheit von Reichsminister Dr. Josef Goebbels fand im GH ebenfalls 1935 eine Festaufführung der Oper Arabella von R. Strauß statt.
An Ostern fanden zwei und an Himmelfahrt eine Aufführung von R. Wagners Bühnenweihefestspiel Parsifal statt, in der Faschingswoche gab es ausschließlich Operetten wie Die Fledermaus, Der goldene Pierrot oder Die lustige Witwe.
Im Rahmen der Festspiele für die Jugend wurden insgesamt sechs Opernvorstellungen gegeben: Fidelio, Der fliegende Holländer und Der Evangelimann. Von 15. bis 22. Oktober 1933 fand eine Deutsche Handwerker-Woche mit Werken wie Der Freischütz oder Fidelio statt, 1933 gab es einen Mozart-Zyklus sowie die Richard-Strauss-Woche zum 70. Geburtstag des Komponisten.
Insgesamt betrachtet war Krauß während seiner gesamten Amtszeit in Stuttgart äußert bemüht, den kulturpolitischen Wünschen und Anforderungen des Nationalsozialismus gerecht zu werden. Sein dramaturgisches Konzept von der Pflege der Klassiker und der Förderung junger Dichter und Komponisten entsprach demnach vollkommen der neuen Politik. Es gab keine ›Experimente‹ mehr, das Repertoire der Oper bestand weitestgehend aus bekannten Klassikern, überwiegend lustige und unterhaltende Werke bestimmten den Spielplan. So verwundert es auch nicht, dass sein Spielplan mit der letzten Spielzeit 1936/37 sogar vom Reichsdramaturgen durch das Prädikat »geradezu vorbildlich« ausgezeichnet[312] wurde.
Mit Krauß hatte die Staatsoper einen überzeugten Nationalsozialisten als Intendanten bekommen, dessen politische Überzeugung in allen Bereichen, egal ob im personellen oder künstlerischen Bereich, deutlich erkennbar wurde und die die Staatstheater zum ›Vorbild‹ der neuen NS-Opernlandschaft Deutschlands machten, wie ein Zeitgenosse von Krauß 1934 ehrfurchtsvoll und bewundernd feststellte:
»Seine [Krauß] Großtat ist, daß er das Eis der künstlerischen Lethargie zum Schmelzen brachte. Die Kraft seiner Inszenierungen sucht ihresgleichen. Seine Tätigkeit ist rastlos, seine Pflichttreue und sein Menschentum beispielgebend. [...] es wird in Deutschland nicht viele Theater geben, die, gleicher Größe, so entschieden umgesteuert wurden und sogleich nach der Wendung schon so sicher und schnell in neuer Richtung fuhren.«[313]
5.2.2. Spielplangestaltung unter Gustav Deharde (1937-1939)
»So reiche ich allen meinen Mitarbeitern die Hand und so stehen wir nicht nur als Hüter einer unendlich kostbaren Tradition, sondern auch als Kämpfer für eine reiche Gegenwart, die uns Freiheit brachte und die Einigung aller Deutschen. Darüber hinaus aber ist es meine feste Überzeugung, daß das Theater die große und ewige Aufgabe hat, Wegbereiter in die Zukunft zu sein, für die wir alle leben: ein starkes Deutschland unseres Führers in Frieden und Glück.«[314]
Der Intendantenwechsel 1937 bedeutete für die Staatstheater keinen Umbruch, sondern vielmehr die Fortsetzung des von Krauß Begonnenen. Deharde selbst äußerte sich zu seiner Spielplangestaltung sehr viel weniger konkret als sein Vorgänger.
Die wenigen Ausführungen, die es von ihm gibt, sind allgemein gehalten und vor allem weit weniger politisch als die von Krauß. Das oberste Ziel der Spielplangestaltung von Deharde war es, »die großen Werke der Vergangenheit in ehrfurchtsvoller Arbeit lebendig zu machen, ihren wesentlichen Gehalt mit unseren Augen neu zu erkennen und so die Brücke zu schlagen in die geistige Haltung der heutigen Zeit.«[315]
Auch Deharde versuchte mit seiner Spielplangestaltung das Theater zum geforderten deutschen Volkstheater zu machen. Zudem lag sein Interesse besonders auf der Pflege der zeitgenössischen Werke, da das Theater seiner Meinung nach von diesen seinen wesentlichen Lebensinhalt erfahre, nämlich: »Ausdruck des heutigen geistigen Lebens zu sein.«[316] Dabei ging es ihm allerdings nicht mehr um die »unfruchtbare Suche nach Uraufführungen um jeden Preis«, entscheidend für ihn war primär die künstlerische Qualität, denn: »Nicht nur der Inhalt – auch die künstlerische Form entscheidet!«[317] Zudem wollte er keine Rücksicht auf Publikumsinteresse und materiellen Erfolg nehmen. Sein Spielplan sollte, zumindest was die zeitgenössischen Werke betraf, nach seinen Vorstellungen geschaffen werden, ohne Einmischung von außen.
Als besonderes Merkmal der Spielplangestaltung von Deharde in den Jahren 1937-1939 fällt – wie bereits in Kapitel 4.1. dargestellt – die Stärkung der Zusammenarbeit mit der HJ, und somit eine deutliche Hervorhebung des erzieherischen Charakters des Theaters auf.
Rahmenprogramm und Sondervorstellungen
Auch Rahmenprogramm und Sondervorstellungen lassen keine nennenswerten Unterschiede zu denen von Krauß erkennen. Morgenfeiern, österliche Gralsfeiern, Parteitage, sowie die staatlich vorgeschriebenen Feier- und Ehrentage wurden weiterhin hauptsächlich mit Werken von Wagner und Beethoven begangen, wie es von dem Reichsdramaturgen offiziell gewünscht wurde. Neben diesen Feierlichkeiten gab es dennoch in der Spielzeit 1937/38 zwei besondere Ereignisse an den Württ. Staatstheatern: die Fünfundzwanzigjahrfeier der Einweihung des Großen und Kleinen Hauses sowie das Internationale Musikfest. Die Feierlichkeiten zur Fünfundzwanzigjahrfeier wurden in der Oper mit Wagner (Lohengrin u. Tannhäuser), Schultze (Schwarzer Peter) und Verdi (Aida), also dem ›klassischen‹ Repertoire begangen.
Vom 15.-23. Mai 1938 schließlich waren »die Augen der ganzen Welt auf Stuttgart gerichtet«[318]: Die »Stadt der Auslandsdeutschen« [319] präsentierte ein Internationales Musikfest. Veranstalter war der 1934 gegründete Ständige Rat für die internationale Zusammenarbeit der Komponisten unter dem Vorsitz von Richard Strauss. Auf dem Programm standen Werke von 40 lebenden Komponisten aus 17 Ländern. Um dem Dritten Reich internationales Ansehen als Hort künstlerischer Freiheit zu verschaffen, wurden auch solche Werke aufgeführt, wie sie im selben Jahr in der Düsseldorfer Ausstellung als Entartete Musik gebrandmarkt wurden.[320]
Die Gesamtleitung des Musikfestes hatte Deharde inne. Die Oper führte an drei Abenden fünf Werke auf: das lyrische Drama Der Cid (Peter Cornelius), die drei italienischen Einakter Orpheus (Alfredo Casella; UA), Der falsche Harlekin (Francesco Malipiero; EA) und Der Teufel im Kirchturm (Adriano Lualdi; UA), sowie abschließend eine Festaufführung von Ottmar Gersters Enoch Arden.
In der Spielplangestaltung Dehardes in den Jahren 1937-1939 finden sich kaum prägnante Merkmale und Besonderheiten, die den Intendantenwechsel für Außenstehende deutlich erkennbar werden ließen. Der Amtswechsel Krauß-Deharde zeigte sich auch weniger in der Spielplangestaltung als in den Publikationen, Reden und Schriften der Staatstheater. Deharde führte in erster Linie das weiter, was Krauß begonnen hatte. Man könnte sagen, dass in den Spielzeiten 37/38 und 38/39 an den Staatstheatern eine Art von Konsolidierung der bereits bestehenden Verhältnisse stattgefunden hat. Die aggressive Propaganda, wie sie von Krauß zweifelsohne verbreitet wurde, wurde unter Dehardes Leitung nur in sehr geringem Maße fortgeführt. Ihm schien es wieder verstärkt um die Kunst und weniger um die Vermittlung von politischer Propaganda durch diese zu gehen.
5.2.3. Spielplangestaltung Dehardes während des Krieges (1939-1944)
»Die Eröffnung der Spielzeit 1939/40 wurde, um Vorkehrungen zu treffen, die im Falle einer Fliegerwarnung ausreichende Sicherheit der Besucher zu gewährleisten, um acht Tage verschoben. Es versteht sich von selbst, dass eine ganze Reihe von Mitgliedern des künstlerischen und technischen Personals in diesen Tagen Soldat sind und dass deshalb eine gewisse Zeit benötigt wurde, Spielplan und Betrieb den gegebenen Verhältnissen anzupassen.«[321]
Mit Kriegsbeginn am 1. September 1939 wurden die negativen Seiten des Nationalsozialismus auch für die durchschnittliche Bevölkerung und die Oper drastisch spürbar. Dennoch wurde versucht, bis zum Ende die Normalität zu bewahren. Zum Theaterbetrieb während der Kriegszeit ließ der Präsident der RTK verlauten, dass für alle, die nicht unter den Waffen stünden, der Grundsatz gelte: »Die Arbeit geht weiter!«[322] Auch die Theater hatten weiter zu spielen, soweit es die örtlichen Verhältnisse in Bezug auf Luftschutz- und polizeilichen Gründen zuließen. In Stuttgart wurde aus luftschutz-, polizeilichen und anderen sicherheits-polizeilichen Gründen das Kleine Haus ganz, das Grosse Haus im II. und III. Rang für die Vorstellungen geschlossen. Für den Besuch der Vorstellungen standen also nur das Parkett und der I. Rang zur Verfügung. Nach Fertigstellung geeigneter Schutzräume konnten der II. und der III. Rang aber bereits am 25. Dezember dem Publikum wieder zugänglich gemacht werden. Des weiteren wurde eine besondere Spielplan- und Programmgestaltung vom ProMi erlassen, in der es hieß:
»Die Musik hat heute mehr denn je die große Aufgabe, unser Volk zu erheben und seine seelischen Kräfte zu stärken. Deswegen ist die Programmgestaltung des dt. Musiklebens dem Ernst der Zeit und dem nat. Volksempfinden anzupassen. Damit soll keineswegs die heitere Musik ausgeschaltet werden, sie ist jedoch freizuhalten von Würdelosigkeit und Übertreibung in der Wiedergabe. Ich ordne deshalb an, dass Werke, die dem nationalen Empfinden entgegenstehen, sei es durch das Ursprungsland, den Komponisten oder ihre äussere Aufmachung, nicht mehr aufzuführen, sondern durch andere zu ersetzen sind. Weiter ist dafür Sorge zu tragen, dass eine Einschränkung der öffentlichen musikalischen Betätigung nach Möglichkeit in nennenswertem Umfang nicht eintritt oder dass Konzerte nicht grundlos abgesagt werden.«[323]
Goebbels hatte damit bereits in den ersten Tagen des Krieges das kulturelle Leben auch während des Krieges für lebenswichtig und kriegsnotwendig erklärt und angeordnet, dass alles getan werden müsse, damit die Theaterbetriebe keine merkbare Beeinträchtigung erführen. Zu den ersten, die zum Wehrmachteinsatz eingezogen wurden, gehörten dennoch die Hauptverantwortlichen der Stuttgarter Staatstheater, Generalintendant Deharde und Staatskapellmeister Alfons Rischner. Beide wurde aber bereits nach wenigen Monaten, wie es hieß »zur Wahrung der Amtsgeschäfte«, vom Kriegsdienst beurlaubt.
Von kunst- und technischem Personal wurden bis zu diesem Zeitpunkt nur eine kleine Anzahl von Mitgliedern zum Wehrdienst eingezogen, der Spielbetrieb war daher in der Spielzeit 39/40 nicht behindert.[324]
Die Spielpause im Sommer wurde stark verkürzt, damit, »wie in vielen anderen Städten, auch in Stuttgart die theaterlose Zeit während des Kriegssommers möglichst kurz bemessen wird.«[325] Dies ging wiederum auf eine Anordnung des Ministerialdirigenten Schlösser vom 9. März 1940 zurück, in der er auf Dehardes Anfrage geantwortet hatte, dass die Durchführung der künstlerischen Arbeit der deutschen Spitzenbühnen auch während des Krieges ausdrücklich gewünscht werde. »Der Umstand, daß die Württembergischen Staatstheater zum W-Betrieb erklärt wurden, dürfte die Lage Ihres Theaters ganz klarstellen.«[326] Die Theateraufführungen wurden, wie es von offizieller Seite aus hieß: »Im Hinblick auf die Steuerung der Stimmung und Erhaltung der Spannkraft der Bevölkerung als kriegsentscheidend«[327] angesehen.
Dennoch kam es im Jahre 1941 auf Grund der Belastung durch den Wehrmachtseinzug im Orchester des Staatstheaters, zu Engpässen in der Oper. Die Gesamtstärke des Orchesters vor dem Krieg betrug 93 Mitglieder. In der Spielzeit 1940/41 wären es nach Durchführung der bevorstehenden Einberufungen noch 76 Mitglieder gewesen.[328] Deharde warnte davor, dass bei weiteren Einziehungen die Spielfähigkeit des Orchesters zwar nicht in Gefahr sei, aber die Durchführung des sonst gewohnten und gewünschten großen Opernspielplans nicht zu gewährleisten sei. Die Antwort des Präsidenten der RMK lautete daraufhin:
»Die bevorstehenden großen Entscheidungen machen eine außerordentliche Anspannung aller Kräfte zur Pflicht. Es ist daher notwendig, sich für die nächste Zeit auch in den deutschen Kulturorchestern mit einer Mindestbesetzung zu begnügen, die die Spielfähigkeit des Orchesters gewährleistet, die Erfüllung besonders großer Aufgaben aber auf spätere Zeit verschiebt.«[329]
Man einigte sich schließlich auf eine Spielstärke von 77 Instrumentalisten.
Rahmenprogramm und Sondervorstellungen
Sondervorstellungen wurden von nun an, neben den allgemein üblichen Fest- und Feiertagsvorstellungen, regelmäßig für die »Frauen der zur Wehrmacht einberufenen Gefolgschaftsmitglieder« (1942: Operette Monika, 1943: Volksoper Hans Sachs), und für die »politischen Leiter und Gliederungsführer der NSDAP im Kreis Stuttgart« (1943: Oper Gudruns Tod) gegeben. Zudem wurden 1944, auf Wunsch der NSDAP Kreisleitung Stuttgart, folgende Sondervorstellungen anlässlich des Muttertags aufgeführt: Der Zigeunerbaron und Der Waffenschmied. Des weiteren fanden 1943/44 Märchen-Vorstellungen für die Patenkinder der Stadt Stuttgart statt. Diese Vorstellungen wurden von der Stadt Stuttgart für kinderreiche Mütter und für Frauen und Kinder von Frontsoldaten initiiert, und mussten trotz erheblicher Überbelastung des Stuttgarter Opernensembles »im Interesse der guten Sache durchgeführt werden.«[330]
Im Jahr 1940, nach der Besetzung der Tschechoslowakei, entsandte die Stadt der Auslandsdeutschen ›deutsches Kulturgut‹ nach Prag: Die Stuttgarter Staatsoper gastierte unter Dehardes Leitung vom 19.-22. 02. mit vier Aufführungen von Mozarts Figaro und Cosi van tutte am dortigen Ständetheater[331] und war somit zu einem Teil der NS-Auslandpropaganda geworden.
Im Mozart-Jahr 1941 (Mozarts 150. Todestag) wurde in den Staatstheatern eine Mozart-Festwoche gegeben, im Jahre 1942, also mitten im Krieg, erlebten die Stuttgarter vom 10. Mai bis zum 11. Juni vier Wochen Zeitgenössisches Deutsches Opernschaffen mit Werken von Werner Egk, Ottmar Gerster, Paul Graener, Joseph Haas, Carl Orff, Hans Pfitzner, Hermann Reutter und Richard Strauss. Im Jahre 1943, nach dem Fall von Stalingrad am 31. Januar, der die Kriegswende und den ›totalen Krieg‹ brachte, veranstaltete das Staatstheater im Mai eine Woche der Frontdramatiker.
Der Spielbetrieb an den Württ. Staatstheatern wurde bis zum 24. Juli 1944 aufrecht erhalten. Das Kleine Haus fiel im Juli den Bomben zum Opfer, das Große Haus hatte den Angriff beinahe unbeschadet überstanden. Bereits am 3. Oktober 1945 wurde mit der Operette Die Fledermaus wieder Musiktheater in Stuttgart gegeben.
In den Kriegsjahren sollte in der Oper statt aktiver Propaganda zur Mobilisierung der Massen, nun die Unterhaltung in den Vordergrund gerückt werden, die dem Volk primär zur Entspannung und Ablenkung dienen sollte. Statt der Mobilisierung der Massen propagierte man nun das ›Durchhalten‹. Dehardes Spielplangestaltung sah dafür insbesondere die klassisch-etablierten Werke von Mozart, Verdi, Puccini und Wagner vor.
Deharde schaffte es, trotz aller kriegsbedingten Einschränkungen, den Spielbetrieb der Oper bis zum Schluss aufrecht zu erhalten. Er sah sich in diesen Jahren verstärkt den Zwängen der allgemeinen NS-Politik durch Anordnungen und Vorschriften unterworfen. Seine bis dato sowieso erheblich eingeschränkte künstlerische Freiheit wurde nun fast komplett von den Machthabern der Politik diktiert. So bestimmten vor allem die politischen Feier- und Festtage und die Auslandsreisen Opernalltag. Der Spielplan wurde gezielt auf die aktuellen politischen Geschehnisse abgestimmt.
5.2.4. Der Spielplan der Oper: Spielplananalyse 1933-1944
In den 11 Jahren zwischen der Spielzeit 33/34 und 43/44 standen insgesamt 3001 Opern- und Operettenaufführungen auf dem Programm Stuttgarter Oper. Es gab insgesamt 2390 Opern- und 611 Operettenaufführungen. Sie verteilten sich auf 131 Werke (110 Opern/21 Operetten) von 72 Komponisten (63 Oper/9 Operette).
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Abbildung 1: Verhältnis Oper/Operette im Vergleich (gemessen an den Aufführungszahlen)
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Tabelle 1: Das Prozentuale Verhältnis von Oper/Operette im Vergleich (gemessen an den Aufführungszahlen)
Abb. 1 und Tab. 1 zeigen deutlich, dass, gemessen an den Aufführungszahlen, die Operette entgegen landläufiger Ansicht, nur einen geringen Anteil des Spielplans einnahm.
Die meisten Aufführungen erlebte die Operette in den Spielzeiten 36/37 bis 38/39 mit fast 30 %. Obwohl gerade im Krieg von Goebbels verstärkt Werke mit Unterhaltungscharakter gefordert worden waren, ist in den Jahren 1942/43 und 1943/44 eine starke Abnahme der Operette von ansonsten um die 20 % auf lediglich 14 bzw. 12 % zu beobachten.
Von den Komponisten wirklich bedeutsam war – an den Aufführungszahlen gemessen – nur ein geringer Teil, wie die folgende Tabelle zeigt:[332]
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Tabelle 2: Die meistgespielten Opernkomponisten mit den jeweiligen Aufführungsanteilen in Prozent (in Klammern: Anzahl der Aufführungen).
Durchschnittlich 50 % aller Opernaufführungen in Stuttgart entfielen bis 1939 auf die Werke Verdis, Wagners, Lortzings, Puccinis und Mozarts. Insgesamt wurden von 1933-39 Werke von 52, von 1939-44 Werke von 38 verschiedener Komponisten aufgeführt. Vergleicht man diese Ergebnisse der Stuttgarter Oper mit anderen Auswertungen zum Spielplan im Dritten Reich, lässt sich feststellen, dass die oben angeführte Tendenz durchaus dem allgemeinen Trend der Bühnen entsprach. Konrad Dussel beispielsweise, der in einer Untersuchung die Spielpläne der Opernbühnen in Dortmund, Coburg, Karlsruhe und Bielefeld analysiert hat, lieferte fast dieselben Namen und Zahlen. So rangieren auch in seiner Untersuchung der Jahre 1933-1944 auf den ersten fünf Plätzen der meistgespielten Opernkomponisten Wagner (14 %), Verdi (12 %), Lortzing (10 %), Mozart (8 %) und Puccini (6 %), mit einem Aufführungsanteil von ebenfalls fast 50 %.[333] Die Opernstatistik von Köhler bestätigt ebenfalls diese Annahme. Eine näherungsweise Berechnung ergibt für sie einen nahezu gleichen Aufführungsanteil von 52 %.[334] Das wiederum lässt erahnen, wie groß der Einfluss der NS-Kulturpolitik auf die Spielpläne der Opern im Dritten Reich tatsächlich gewesen ist und dass man angesichts dieser Tatsache durchaus von einem ›Einheitsspielplan‹ der Bühnen während der NS-Herrschaft sprechen kann.
Die Reihenfolge der an der Oper gespielten Komponisten weist während der Kriegszeit nur geringe Veränderungen auf. Lediglich die Reihenfolge der fünf oben genannten Spitzenreiter änderte sich: Lortzing rangiert nun auf Platz 1, gefolgt von Verdi und Puccini, während Wagner auf Platz 4 abfällt. Hierfür waren die Auswirkungen des Krieges verantwortlich, die den Intendanten in der Weise Beschränkungen auferlegten, dass aufwendige Opern kaum noch umzusetzen waren. Auffallend hingegen ist das gänzliche Verschwinden des französischen Komponisten Georg Bizet, der bis 1939 auf Platz sieben rangiert und ab 1939 auf Platz 22 abrutscht. Diese Tatsache ist mit Sicherheit auf die Verordnung der RMK vom 15. Juli 1941 zurückzuführen, wonach im Krieg die Aufführung von Werken ›feindstaatlicher‹ Komponisten untersagt wurde.[335] So wurde in Stuttgart Bizets Oper Carmen, die von 1933-1939 mit 44 Aufführungen Platz eins der meistgespielten Opern einnahm (vgl. Tab. 4), in der Spielzeit 1941/42 zum letzten Mal aufgeführt.
Auch im Bereich der Operette konzentrierten sich die Aufführungsanteile auf einige wenige, besonders beliebte Komponisten.[336] Hier war der Kreis der Erwählten sogar noch kleiner und die Gewichtung sowohl eindeutiger, als auch die gesamte Zeit über beständiger.
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Tabelle 3: Die meistgespielten Operettenkomponisten mit den jeweiligen Aufführungsanteilen in Prozent (in Klammern: Anzahl der Aufführungen).
Johann Strauß war bis 1944 der Spitzenreiter auf Platz 1 mit bis zu 51 % Aufführungsanteilen im Krieg, gefolgt von dem zeitgenössischen Komponisten Nico Dostal, der sich die gesamte Zeit über auf Platz 2 behaupten konnte. Während der Kriegsspielzeiten wurden insgesamt nur noch die vier Operettenkomponisten Strauß, Dostal, Lehar und Grothe gespielt.
Zu den beliebtesten Werken der Oper bzw. der Operette zählten:
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Tabelle 4: Die meistgespielten Opern mit der jeweiligen Anzahl von Aufführungen
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Tabelle 5: Die meistgespielten Operetten mit der jeweiligen Anzahl von Aufführungen
Insgesamt gesehen standen an der Spitze der meistgespielten Opern- und Operettenwerke zwischen 1933 und 1944 auf den Plätzen 1 bis 3 die Operetten Die Fledermaus (97), Der Zigeunerbaron (83) und Monika (81). Erst auf Platz 4 und 5 folgten zwei Opern: Der Freischütz (75) und Madame Butterfly (74). Obwohl also die Operette im Verhältnis zur Oper insgesamt lediglich auf etwa 20 % Aufführungsanteile kam, gehörten die Spitzenreiter der aufgeführten Werke dieser Gattung an.
Es kamen von 1933-44 113 Werke in der Oper und 21 in der Operette zur Aufführungen. Allerdings lassen sich auch hier kriegsbedingte Auswirkungen aufzeigen: so wurden von 1933-39 92 Opern und 18 Operetten gegenüber 65 Opern und nur noch sieben Operetten in den Jahren 1939-44 aufgeführt. Und das, obwohl die Gesamtanzahl der Aufführungen in den Kriegsspielzeiten noch zugenommen hatte (vgl. Tab. 1). Das bedeutet also, dass von 1939-1944 zwar weniger Werke gespielt wurden, diese aber im Schnitt häufiger. So war es dem Intendanten möglich, mit möglichst geringem finanziellen, personellen sowie geringen Material- und Proben-Aufwand den Spielbetrieb aufrecht zu erhalten, bzw. die Aufführungszahlen noch zu steigern.
Zum festen Repertoire[337] der Stuttgarter Oper zählten von 1933-1944 die Werke Aida, Tosca und Rigoletto von Verdi, Boheme und Madame Butterfly von Puccini, Zar und Zimmermann von Lortzing, Der fliegende Holländer, Lohengrin, Der Ring des Nibelungen, Tannhäuser und Die Meistersinger von Nürnberg von Wagner, Der Freischütz von Weber, Die Hochzeit des Figaro und Die Zauberflöte von Mozart, Fidelio von Beethoven sowie Tiefland von d’Albert. In der Operette Die Fledermaus und Der Zigeunerbaron von Strauß.
Inhaltlich lässt sich feststellen, dass die am häufigsten gespielten Werke sowohl der Oper als auch der Operette insgesamt eine starke Tendenz zum Volkstümlichen aufwiesen. Zudem sind etwa ¾ der Opern, besonders ab 1939, den im Spielplan offiziell als solche ausgewiesenen Genres ›Romantische Oper‹ (Der Freischütz; Tannhäuser), ›Märchenoper‹ (Undine; Hänsel und Gretel) und ›Komische Oper‹ (Der Waffenschmied; Der Barbier von Sevilla; Die lustigen Weiber von Windsor) zuzuordnen.[338] Bei fast allen Werken handelte es sich um Werke der sogenannten ›Klassik‹ im Gegensatz zur zeitgenössischen Musik, d.h. bevorzugt wurden Werke aus den Musikepochen Klassik und Romantik. Ausnahmen bildeten in der Oper die Stücke Der Rosenkavalier (UA: 1911) von Richard Strauss und Tobias Wunderlich von Joseph Haas (1927); in der Operette Monika (UA: 1937) von Nico Dostal und Die Nacht mit Casanova (1941) von Franz Grothe.
Der Anteil von zeitgenössischen und ›klassischen‹ Werken am Spielplan ist, gemessen an den Werktiteln, recht ausgewogen. 67 unterschiedliche ›klassische‹ und 64 unterschiedliche zeitgenössische Werke in Oper und Operette wurden in der gesamten Zeit von 1933-1944 in Stuttgart aufgeführt. Gemessen an den Aufführungszahlen nahmen die zeitgenössischen Werke jedoch einen vergleichsweise geringen Anteil ein: 28,72 % aller Aufführungen entfielen demnach auf zeitgenössische Werke. Auf den Plätzen eins bis fünf (ebenfalls gemessen an den Aufführungszahlen) rangierten Der Rosenkavalier (60), Monika (81), Die lustige Witwe (58), Der Evangelimann von Wilhelm Kienzl (26) und Die ungarische Hochzeit (25) von Nico Dostal. 43 der Operettenwerke kamen in diesen elf Jahren nicht über eine maximale Aufführungsanzahl von 14 hinaus, 25 wurden sogar lediglich sechs Mal oder weniger aufgeführt.
Vergleicht man den Spielplan ab 1933/34 mit der Zeit davor, ist auf den ersten Blick kein einschneidender Umbruch erkennbar. Auch in der Weimarer Zeit standen die traditionellen, klassischen ›Publikumslieblinge‹ Mozart, Wagner, Verdi und Puccini ganz oben auf der Rangliste der meistgespielten Opern. Bei näherer Betrachtung werden jedoch einige Unterschiede, besonders bei den Ur- und Erstaufführungen, also primär bei zeitgenössischen Komponisten deutlich: So standen von 1925-1933 beispielsweise die Komponisten Franz Schreker mit Die Gezeichneten (EA: 1925/26), Paul Hindemith mit Cardillac (EA: 1927/28) und Nush-Nushi, Ernst Krenek mit Jonny spielt auf (EA: 1927/28) und Das Leben des Orest (EA: 1929/30), Kurt Weill mit Der Protagonist und Der Zar läßt sich photographieren (EA: 1928/29), Igor Strawinsky mit Die Geschichte vom Soldaten (EA: 1929/30), Ludwig Lajtai mit Sommer von einst (EA: 1930/31) und der jüdische Operettenkomponist Jaques Offenbach regelmäßig auf dem Spielplan der Stuttgarter Oper. Ab 1933 tauchte nicht einer dieser von nun an als ›entartet‹ diffamierten Komponisten mehr im Stuttgarter Opernspielplan auf. ›Ersetzt‹ wurden sie durch die im Dritten Reich besonders geförderten zeitgenössischen Komponisten, wie Eduard Künneke mit Nadja, Der Vetter aus Dingsda (EA: 1934/35) oder Herz über Bord (EA: 1935/36), Nico Dostal mit Die Vielgeliebte (EA: 1934/35) und Monika (UA: 1937/38), Paul Graener mit Der Prinz von Homburg (EA: 1935/36) oder Friedemann Bach (EA: 1938/39), Emil Nikolaus von Reznicek mit Donna Diana (EA: 1935/36), Ludwig Maurick mit Die Heimfahrt des Jörg Tilman (EA: 1936/37), Norbert Schultze mit Schwarzer Peter (EA: 1937/38), Rudolf Wagner-Régeny mit Die Bürger von Calais (EA: 1938/39), Paul von Klenau mit Michael Kohlhaas (UA: 1933/34) und Rembrandt van Rijn (UA: 1936/37), Hermann Reutter mit Dr. Johannes Faust (EA: 1938/39) sowie Carl Orff mit Carmina Burana (EA: 1940/41) und Die Kluge (EA: 1942/43).
5.2.5. Uraufführungen von 1933-1944 – ideologisch oder musikalisch ›wertvoll‹?
Das nationale wie internationale künstlerische Renommee eines Opernhauses wird, bis heute, primär bestimmt durch die Anzahl und Qualität der Uraufführungen. Auf Grund der schlechten wirtschaftlichen Lage während der Weimarer Republik konnten am Stuttgarter Landestheater in den Jahren 1930-33 nur wenige aufwendige Ur- und Erstaufführungen präsentiert werden. Stattdessen wurde, wie oben dargestellt, ein eher traditioneller Spielplan erarbeitet, der vor allem den Wünschen des Publikums entsprechen musste. So gab es in den Spielzeiten 1930/31 keine, 1931/32 eine und 1932/33 ebenfalls keine UA an der Stuttgarter Oper.
Da ein besonders wichtiges Ziel der NS-Kulturpolitik jedoch in der Hervorbringung und Förderung von deutschen zeitgenössischen Werken bestand und beide Stuttgarter Intendanten diese Forderung als wesentlichen Aspekt ihres Schaffens begriffen, wurden ab 1933 verstärkt UA und EA in den Spielplan aufgenommen. Insgesamt gab es unter Krauß Amtszeit von 1933-1937 sechs Uraufführungen (UA), 22 Erstaufführungen (EA) und 30 Neuinszenierungen (NI) und unter Deharde von 1937-1944 sieben UA, 18 EA und 39 NI. Im Durchschnitt waren das ein bis zwei UA pro Spielzeit. Davon ausgenommen waren lediglich die beiden letzten Spielzeiten während des Krieges, 1942/43 und 1943/44, in denen auf Grund der erschwerten Rahmenbedingungen, wie Materialbeschaffung und die erhebliche Reduzierung der am Staatstheater Beschäftigten durch Wehreinsätze, keine UA mehr stattfand.
Die Spielplananalyse in Kapitel 5.2.4 zeigt aber auch, dass trotz der verstärkten Förderung durch Politik und Intendanz, die Uraufführungswerke bzw. die zeitgenössischen Komponisten, gemessen an der Gesamtzahl der Aufführungen, lediglich einen sehr geringen Anteil am Repertoire der Stuttgarter Oper ausmachten. Diese Tendenz wird noch deutlicher, wenn man die Zahlen der folgenden Tabelle betrachtet:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Tabelle 6: Uraufführungen mit Aufführungszahlen in den Spielzeiten von 1933-1944
Die meisten Werke wurden demnach in nur einer Spielzeit aufgeführt und tauchten danach nicht wieder im Spielplan auf. Lediglich die Operette Monika sowie Lortzings Oper Hans Sachs [339] bildeten eine Ausnahme. Monika schaffte es sogar bis zum Jahre 1943 aufgeführt zu werden und erreichte insgesamt eine Anzahl von stolzen 81 Aufführungen.
Insgesamt wurden also neun Opern und vier Operetten in Stuttgart uraufgeführt. Dabei fällt auf, dass alle uraufgeführten Operetten unter Dehardes Leitung stattgefunden haben.
Ab 1937/38 wurden somit vier Operetten und lediglich zwei Opern uraufgeführt. 1943/44 konnte auf Grund der Kriegsauswirkungen in Stuttgart keine Uraufführung mehr durchgeführt werden.
Die meisten Uraufführungen gab es von Werken der Komponisten Nico Dostal (3 UA), Paul von Klenau (2) und Marc-André Souchay. Dostal und Klenau waren im Dritten Reich äußerst beliebt und gefördert. Paul von Klenau (1883-1946) war, musikalisch gesehen, ein, für die Verhältnisse des Nationalsozialismus, enorm fortschrittlicher Komponist. Seine Opern waren in Zwölftontechnik komponiert. Und obwohl die Komponisten die diese Technik anwandten, offiziell als ›kulturbolschewistisch‹ galten, wurde Klenau von diesen Vorwürfen verschont. Er selbst bezeichnete seine Zwölftontheorie als »tonartbestimmte Zwölftontheorie«[340]. Die Zwölftonreihen waren demnach so eingerichtet, dass es aus ihnen Harmonie, Disharmonie und tonartbestimmtwirkende Polyphonien zwanglos ableiten konnte. Klenau war der Meinung, dass für die Musik der neuen Zeit eine neue, ordnende Gesetzmäßigkeit geschaffen werden müsse, die dem ethischen Gehalt entspreche,
»denn eine zukunftgerichtete, der nationalsozialistischen Welt entsprechende Kunst verlangt ethische Volksnähe und ein handwerkliches Können, das mit allen willkürlichen individualistischen Umtrieben im Reiche der Töne aufräumt.«[341]
Klenau rechtfertigte sein Handeln also damit, dass seine konstruierte Zwölftontechnik dem Anspruch Ausdruck verleihen könne, den der Nationalsozialismus von der neuen Kunst erhob. Später sprach der Komponist dann sogar nicht mehr von Zwölftonreihen, sondern vom ›totalitären System‹ und berief sich dabei auf die Tristan -Harmonik Wagners.[342]
Am 4. November 1933 gelangte in Stuttgart Klenaus Oper Michael Kohlhaas (nach einer Novelle von Heinrich von Kleist) zur Uraufführung. Über die Gründe, das Werk zur Uraufführung anzunehmen, sagte Generalintendant Krauß:
»Alle Deutschen beschäftigt, bewegt und ergreift heute das große Thema der Gerechtigkeit, Gleichberechtigung und Freiheit. [...] Mit dieser Uraufführung will ich ein Werk ins Leben rufen, das den Forderungen einer neuen, volkstümlichen, zugleich menschlichen ergreifenden Kunst gerecht wird, die jüngsten politischen Entscheidungen künstlerisch beleuchtet und unser Volk zu tatkräftiger innerer Teilnahme und Begeisterung mitreißt.«[343]
Die Auswahl der Werke fand aus rein ideologischen Gesichtspunkten statt. Hier wird die Verbindung von NS-Politik und Oper noch einmal deutlich aufgezeigt. Die Geschichte des Michael Kohlhaas wurde dazu missbraucht, dem Opernpublikum die neuen Werte des Nationalsozialismus zu propagieren und dadurch eine geistige Mobilisierung der Massen zu erzielen. Noch deutlicher zeigt sich diese Absicht in folgendem Zitat von Krauß, in dem er die Geschichte und das aktuelle politische Geschehen mit der Person des Kohlhaas gleichsetzt.
»Sie wissen, lieber Herr von Klenau, dass das Theater heute wieder seiner völkischen Mission inne geworden ist, und dass es einer großen kulturellen Idee dient. Wir freuen uns, dass Sie uns ein Werk gegeben haben, das nach meiner Überzeugung würdig ist, gerade in diesen Tagen zum Leben und Wirken zu kommen. Ganz Deutschland ist ja doch ein einziger Kohlhaas; auch uns sind unsere Rappen genommen und ohne Berechtigung geschunden. Wir kämpfen um Frieden – wie Kohlhaas, um unsere Ehre und unser gutes Recht – wie Kohlhaas: und ich glaube, dass ihr Werk groß und stark genug ist, um das jedem Deutschen zum Bewusstsein zu bringen. Wir tun nur unsere Pflicht, wenn wir alles dransetzen, um dieses Ziel zu erreichen.«[344]
Obwohl Publikum und Presse das Werk nach der Uraufführung gleichermaßen feierten, kam es in Stuttgart insgesamt nur achtmal zur Aufführung. Eine erneute UA von einem Werk Klenaus in Stuttgart gab es derweil am 23. Januar 1937: Rembrandt van Rijn. Die Presse ernannte ihn danach zum »größten Dichterkomponisten unserer Zeit«[345].
Wie im Kohlhaas steht auch hier ein Einzelgänger im Mittelpunkt des dramatischen Geschehens. Dort ist es ein Individualist der Auffassung des Rechts, hier ein Individualist der Kunst und des Lebens.
Der Inhalt schildert die letzten Lebensjahre des Maler Rembrandt und dessen Kampf gegen den Unverstand der Welt und den Vernichtungswillen seiner Gegner. Über das Besondere an diesen beiden Werken hieß es:
»Das Element des Reinmenschlichen, die dichterische wie musikalische Formung seelischer und geistiger Gehalte, tritt in den beiden Opern Michael Kohlhaas und Rembrandt van Rijn aus der Hülle der stofflichen, der inhaltlichen Gegebenheiten dramatisch besonders auffällig heraus«[346].
Auch dieses Werk wurde nach der Premiere von Presse und Publikum stürmisch gefeiert wurde, erreichte aber ebenfalls nur eine Aufführungsanzahl von gerade mal vier.
Ein ähnlich gefeierter und beliebter Komponist im Dritten Reich war der österreichische Operettenkomponist Nico Dostal (1895-1981). In Stuttgart kamen gleich drei seiner Werke zur Uraufführung. Am beliebtesten war die »schwäbische Operette« Monika. Sie spielte im Glottertal (Schwarzwald) und wurde von Dostal unter Verwendung von heimatlichem Volksgut und -bräuchen komponiert. Er stützte sich sowohl im Liede als auch in den diversen Tänzen auf volkstümliche, leicht eingängige Melodien. Der Text war von Hermann Hermecke. Er wollte mit diesem Werk die Operette von ihrem Gehalt auf neue Wege führen, denn,
»soll die Operette dem neuen Empfinden des deutschen Volkes angepasst sein, das heißt, soll sie wirklich eine deutsche Operette und nicht von dem internationalen Operettenschema angekränkelt sein, muss sie sich eine neue innere Haltung erobern. [...] Also weg mit den gräflichen Salons, weg mit der Karikierung einzelner Stände, auch weg mit dem beliebten ausländischen Milieu, weg von den billigen Spässen und mitten hinein ins Volk, in seine Sitten, sein Fühlen und sein Brauchtum.«[347]
Es geht um eine junge Frau (Monika) vom Lande, die aus Liebe zu einem jungen Arzt (Horst) ihr Dorf verlässt und in die Stadt zu ihm zieht. Dort werden ihr die gesellschaftlichen Unterschiede zwischen ihrer bäuerlichen Herkunft und der aristokratischen Welt ihres Geliebten schmerzlich vor Augen geführt. Sie flieht zurück ins Dorf, wo sie sich aus Kummer bereit erklärt, den schon etwas in die Jahre gekommenen Sonnenwirt zu heiraten, bis ihr Horst erscheint und ihr erklärt er werde sich als Dorfarzt betätigen und mit ihr ein Leben auf dem Land verbringen. Thematisiert werden der Gegensatz von Stadt und Land. In den jungen Menschen lebt das Bewusstsein von dem Wert aller Stände. Schließlich triumphiert die Liebe über den Standesunterschied.
In einer Rezension über die Operette hieß es: »Sie hat einen durchaus aktuellen und, wenn man so will, auch ernsten Inhalt. Eine Operette handlungsmäßig geformt aus dem Geschehen und den Gedanken unserer neuen Zeit.«[348].
Weit weniger bekannt als die beiden oben genannten Komponisten, war der schwäbische Dichter und Komponist Marc-André Souchay[349] (*1906, NSDAP-Mitglied). Von ihm kamen in Stuttgart immerhin zwei seiner Werke zur Uraufführung. Er gewann mit seiner Oper Das Stuttgarter Hutzelmännlein (Heitere Oper), nach einem Märchen von Eduard Mörike, das Ausschreiben Nationalbühne Stuttgart 1933. Die Uraufführung fand 1935 statt. Souchay dichtete Mörikes berühmtes Märchen vom Stuttgarter Hutzelmännlein und von der schönen Lau neu, hielt sich aber mit seiner Prosafassung eng am Originaltext. Generalintendant Krauß dazu:
»So ist also der Geist eines großen schwäbischen Dichters der Vergangenheit hier nicht nur bewahrt geblieben, sonder auch – und gerade dies ist sehr wesentlich – für die Bühne gewonnen worden. Freilich, der Publikumserfolg der zu erwartenden Aufführungen wird entscheiden müssen, ob die Schwaben von heute und darüber hinaus das moderne deutsche Volksgemüt noch empfänglich ist für eine so verinnerlichte Kunst und Komik.«[350]
Musikalisch versuchte Souchay einen neuen Weg zu gehen. Er verknüpfte die Kompositionstechnik und die Idee über das Gesamtkunstwerk von Wagner mit dem polyphonen Kompositionsstil Bachs. Das Publikum war sehr angetan und begeistert von Souchays Werk. Anders hingegen die Kritiker. Zwar lobten alle den Versuch des jungen Komponisten, endlich ein »echtes volkstümliches« Werk für die Oper komponiert zu haben, allerdings waren sie sich auch einig über die kompositorischen Schwächen des Erstlingswerkes und versprachen sich nur wenig Zukunft für dessen weiteres Bestehen.[351] In Stuttgart wurde das Hutzelmännlein nur dreimal aufgeführt.
Sehr viel interessanter, besonders was den ideologischen Hintergrund betrifft, ist Souchays szenische Kantate Kampfwerk 39, die im Krieg, genauer gesagt im Mai 1940 in Stuttgart uraufgeführt wurde. Bereits der Titel besagt, dass es sich dabei um direkte Kriegspropaganda handelt. In der Widmung zu seinem »kämpferischen Werk« aus dem Jahre 1939 schrieb Souchay dann auch unverblümt:
»Als der Schütze Marc André Souchay habe ich dieses Kampfwerk meiner Gruppe geschrieben. [...] Aber jeder Mann von der Front und jeder, der sich an seinem Arbeitsplatz in den Zustand des Soldaten hineindenkt, jeder Deutsche also weiß, daß wir erfüllen, was von uns gefordert wird. Ein jeder möge auch wissen, daß die dauernde Anspannung der Bereitschaft, des Wartens unsere schwere Pflicht und schweigsame Tapferkeit ist.«[352]
Souchay kämpfte selbst 1939 drei Monate als Soldat am Westwall. In Kampfwerk 39 wird der Ablauf eines Bunkertages (Kampfwerk war das deutsche Wort für Bunker) von 24 Stunden – patriotisch verklärt – dargestellt. Es handelt von einer Gruppe von 13 Soldaten. Es gibt keinen Hauptdarsteller, keinen ›Star‹ der im Vordergrund steht. Alle Darsteller werden gleichberechtigt behandelt, womit die Idee der Gemeinschaft dargestellt werden sollte. Das eigentliche Thema des Werkes sei das Warten, denn »die größte und schwerste Pflicht des Westwallsoldaten« sei eben dieses.[353]
Souchay, der im April 1940 mit der Oper Alexander in Olympia ein ähnliches Propagandastück verfasst hatte, in dem er gleichnishaft auf das Heldentum des deutschen ›Führers‹ hinwies und dem der Komponist damit zu dessen 50. Geburtstag »tiefe deutsche Dankbarkeit« abstattete, äußerte sich selbst zu diesen beiden Werken folgendermaßen:
»So verschieden diese beiden Werke auch sein mögen, so gleich sind sie sich in der Grundhaltung: sie wollen ganz auf dem Boden des heutigen, ungeheuren Geschehens stehen. Der Alexander ist eine Verherrlichung des Führerprinzips, das Kampfwerk ein Mahnmal für alle, täglich und stündlich des unbekannten Soldaten zu gedenken.«[354]
Dieser junge Komponist war zu einem überzeugten NS-Ideologen der Partei geworden, was er in seinen Werken von 1939-1940 offen ausdrückte. Sein Engagement ermöglichte ihm eine Karriere, die ihm ansonsten sicherlich versagt geblieben wäre. Dennoch, seine Werke blieben trotz aller Förderung durch den Staat, sogenannte Eintagsfliegen. Kampfwerk 39 wurde in Stuttgart insgesamt dreimal aufgeführt, einmal war es eine geschlossene Vorstellung für die HJ.
Souchays Karriere als Komponist war mit diesen offensichtlich propagandistischen Stücken, nach 1945 jedenfalls beendet. Aus den Unterlagen[355] geht hervor, dass er sich nach seiner Kriegsgefangenschaft in Frankreich im Juni 1945 erneut bei den
Staatstheatern als Dramaturg zur Verfügung stellte, wo man ihn auf Grund seines früheren Schaffens ablehnte. Auch die Versuche Souchays, seinem Schaffen im Nachhinein einen weniger ideologischen Rahmen zu verleihen, scheiterten. In einem Schreiben vom September 1945 an die Entnazifizierungs-Prüfungskommission der Amerikaner versuchte er sich und seine Kantate Kampfwerk 39, der er nun den weitaus unverfänglicheren Titel Wir warten... gegeben hatte, zu rechtfertigen:
»1. Die Kantate wurde am 5.5.40 im Kleinen Haus uraufgeführt. Am 12. 5. 40 wurde sie ein einziges Mal wiederholt – und zwar für die HJ. Ich selber hatte darauf überhaupt keinen Einfluss – und war bei einer Opernfestwoche in Köln, wo mein Alexander gespielt wurde. Durch die Invasion am 10.5.40 hatte die Kantate, die ja ganz auf dem Thema Wir warten... steht, jegliche Aktualität verloren, wie man so schön sagte. Sie wurde deshalb auch nirgends mehr aufgeführt.
2. Das Stück wurde ganz und gar nicht aus irgendwelchen politischen Gesichtspunkten geschrieben. Ich war sofort Soldat geworden zu Kriegsbeginn und lag ein Vierteljahr am Westwall. Dieses rein persönliche Erlebnis suchte ich mit den mir zur Verfügung stehenden Mitteln zu formen – und damit auch zu überwinden.«[356]
In allen genannten Beispielen lassen sich NS-ideologische Merkmale aufweisen. Allein die Themenwahl der Werke macht dies deutlich: Die Themen stammen aus der Geschichte, große historische Persönlichkeiten dienten als Träger großer Ideen oder politisch aktueller Tugenden, das Volk wurde als Hauptperson in den Vordergrund gestellt. Im Krieg wurden dann offensichtlich propagandistische Stücke wie Kampfwerk 39 und – ganz nach Goebbels Devise, Unterhaltung sei kriegswichtig – vermehrt Operetten uraufgeführt. Der Erfolg jedoch blieb schon zu Aufführungszeiten bei fast allen Werken aus. Aus musikalischer Sicht war keiner dieser Komponisten originell und gut genug, dass er es schaffen konnte, sich einen dauerhaften Platz in der Musikgeschichte zu sichern.
6. Schlussbetrachtung
Die Untersuchungen an der Staatsoper Stuttgart haben gezeigt, dass in den Jahren 1933-1944 die Opernpolitik zu einem wesentlichen Teil von der NS-Politik vorgegeben wurde. Jegliche Entscheidungen, ob personalpolitischer oder künstlerischer Art wurden fortan von den neuen politischen Leitlinien der NS-Ideologie bestimmt. Leitgedanken waren der Antisemitismus sowie die Blut- und Bodenideologie. Mit der staatlichen Zentralisierung des Kulturlebens setzte die unmittelbare Instrumentalisierung der Kunst zu Propagandazwecken ein. Man erhoffte sich durch sie zum einen die ideologische Mobilisierung der Massen für die nazistischen Zwecke, zum anderen, vor allem im Krieg, Ablenkung und Entspannung zum Alltag. In Stuttgart durchzog diese Art von offensichtlicher Politisierung der Oper alle Arbeitsbereiche, wie Personalpolitik, Dramaturgie und Spielplanpolitik.
Nachdem man den Spielplan von allem unerwünschten, störenden und ›entarteten‹ durch restriktive Maßnahmen ›gesäubert‹ hatte, bestanden die Hauptziele der allgemeinen Opernpolitik 1. in der Pflege der ›Klassiker‹ 2. in der Förderung von zeitgenössischem Opernschaffen. Die ideologische Einflussnahme ging soweit, dass man die ›Klassiker‹ der deutschen Musik uminterpretierte um sie für die eigenen Ziele nutzen zu können. Die Nationalsozialisten nahmen also direkt Einfluss auf die Spielpläne und schränkten die künstlerische Freiheit der Intendanten bis auf ein Mindestmaß ein.
An der Stuttgarter Oper verantwortlich waren die beiden Intendanten Krauß und Deharde. Durch die Einsetzung der beiden doch im Gesamten betrachtet sehr linientreuen Parteigenossen wurde die Stuttgarter Oper zu einem Sprachrohr der Partei. So hatte Krauß beispielsweise nichts unversucht gelassen, sich innerhalb kürzester Zeit sämtlicher jüdischer Mitarbeiter zu ›entledigen‹. Die Spielplangestaltung beider Intendanten entsprach ebenfalls absolut den Vorstellungen der NS-Kulturpolitik. Der ›Leitstern‹ ihrer Arbeit war somit auch identisch mit den Hauptzielen der Opernpolitik.
Bedeutende künstlerische Erfolge lassen sich hingegen kaum aufzeigen: weder der Stuttgarter Oper, noch anderen Opernhäusern, verhalf die politische Einflussnahme zu Höchstleistungen.
Die Förderung zeitgenössischer Werke war in erster Linie geprägt von den ideologischen Ansichten der Komponisten. Insgesamt gesehen konnte das Hauptziel der NS-Kulturpolitik, nämlich die Schaffung einer neuen deutsche Kultur, die die nächsten 1000 Jahre überdauern sollte, nicht Ansatzweise erreichte werden. Bis auf ein paar wenige Komponisten dieser Zeit, wie etwa Strauss, Pfitzner, Egk oder Orff, konnte keiner, weder im Dritten Reich, geschweige denn danach, Erfolge feiern. Von den an der Stuttgarter Oper aufgeführten Erst- und Uraufführungen der anderen Komponisten wird heute kaum noch ein Werk gespielt. So war das, was die NS-Politik von den jungen Künstlern zur Schaffung einer neuen Oper gefordert hatte, nämlich ein an der staatlichen Ideologie orientiertes Einheitsmuster, weder das, was bereits damals dem Publikumsgeschmack entsprochen hätte, noch war es von solch’ künstlerischem Niveau, das es in die Musikgeschichte hätte eingehen können. Stattdessen gehören zum heutigen Repertoire der Oper die Werke von Brecht/Weill, Hindemith, Krenek, Berg und anderen. Das Propagandaziele der Nationalsozialisten, die komplette ›Auslöschung‹ aller jüdischen Komponisten, wurde glücklicherweise nicht erreicht.
Das alles zeigt aber vor allem, dass Kultur Freiraum braucht, um sich entwickeln zu können. Staatliche Förderung sollte als Rahmenbedingung zwar gegeben sein, staatliche Einmischung hingegen hindert den kreativen Prozess. Wie das Beispiel des Nationalsozialismus gezeigt hat, braucht Kultur Freiheit und kann somit nicht Abbild der Staatspolitik sein.
Abschließend dazu ein Zitat aus dem Jahre 1945 von Thomas Mann, der das gesamte Ausmaß der NS-Kulturpolitik für Staat und Künstler in seinem Aufsatz Warum ich nicht nach Deutschland zurückgehe! sehr beeindruckend darstellte:
»Es war nicht erlaubt, es war unmöglich, ›Kultur‹ zu machen in Deutschland, während rings um einen herum das geschah, wovon wir wissen. Es hieß die Verkommenheit beschönigen, das Verbrechen schmücken. Zu den Qualen, die wir litten, gehörte der Anblick, wie deutscher Geist deutsche Kunst sich beständig zum Schild und Vorspann des absolut Scheusäligen hergaben. [...] Ein Kapellmeister, der, von Hitler entsandt, in Zürich, Paris oder Budapest Beethoven dirigierte, machte sich einer obszönen Lüge schuldig – unter dem Vorwande, er sei ein Musiker und mache Musik, das sei alles. Lüge aber vor allem schon war diese Musik von Hause aus. Wie durfte denn Beethovens Fidelio, diese geborene Festoper für den Tag der deutschen Selbstbefreiung, im Deutschland der zwölf Jahre nicht verboten sein? Es war ein Skandal, daß er nicht verboten war, sondern daß es hochkultivierte Aufführungen davon gab, daß sich Sänger fanden, ihn zu singen, Musiker, ihn zu spielen, ein Publikum, ihm zu lauschen. Denn welchen Stumpfsinn brauchte es, in Himmlers Deutschland den Fidelio zu hören, ohne das Gesicht mit den Händen zu bedecken und aus dem Saal zu stürzen!«[357]
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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Meyer, Michael: Eine musikalische Fassade für das Dritte Reich. In: Stephanie Barron: ›Entartete Kunst‹. München 1992. S. 171-183
Potter, Pamela M.: Most German of the Arts. Musicology and Society from the Weimarer Republic to the End of Hitler’s Reich. London 1998
Prieberg, Fred K.: Musik im NS-Staat. Köln 2000 (Originalausgabe: Frankfurt am Main 1982)
Ders.: Musik und Macht. Frankfurt am Main 1991
Ruck, Michael: Bibliographie zum Nationalsozialismus. Köln 1995
Rummenhöller, Peter: Romantik in der Musik. Kassel 1989
Scherle, Arthur: Oper und Politik. Betrachtungen zur ›historischen Oper‹. In: Politische Studien 305 (1998), S. 394-408
Schröder-Nauenburg, Brigitte: NS-Musikpolitik in Stuttgart 1933-1945 ›Arisch geartet‹. Regionalbeitrag zur Ausstellung ›Entartete Kunst‹ vom 13.11.-15.12.1991 in der Württembergischen Landesbibliothek Stuttgart. (Ausstellungsbroschüre) Stuttgart 1991
Sponheuer, Bernd: Nationalsozialismus. In: Die Musik in Geschichte und Gegenwart. Allgemeine Enzyklopädie der Musik. Sachteil Bd. 7. Hg. von Ludwig Finscher. Kassel, Basel, London u. a. 1997. S. 25-43
Stommer, Rainer: Die inszenierte Volksgemeinschaft. Die »Thing-Bewegung« im Dritten Reich, Marburg 1985.
Thrun, Martin: Die Errichtung der Reichsmusikkammer. In: Musik und Musikpolitik im faschistischen Deutschland. Hg. von Hanns-Werner Heister und Hans-Günter Klein Frankfurt am Main 1984. S. 75-82
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Walter, Michael: Hitler in der Oper. Deutsches Musikleben 1915-45. Stuttgart und Weimar 1995
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Weiß, Hermann: Ideologie der Freizeit im Dritten Reich. Die NS-Gemeinschaft ›Kraft durch Freude‹. In: Archiv für Sozialgeschichte, 33 (1993), S. 289-303
Wulf, Joseph: Musik im Dritten Reich. Eine Dokumentation. Frankfurt am Main, Berlin und Wien 1983 (Originalausgabe 1963)
Zelzer, Maria: Stuttgart unterm Hakenkreuz. Chronik aus Stuttgart 1933-1945. Stuttgart 21984
Quellen:
Jahrbuch 1934 der Württembergischen Staatstheater. Hg. von der Generalintendanz der Württ. Staatstheater. Stuttgart o. J.
Württ. Landestheater Stuttgart (Hg.): Rückblick auf das Spieljahr 1931/32. Stuttgart o. J.
Württ. Landestheater Stuttgart (Hg.): Rückblick auf das Spieljahr 1932/33. Stuttgart o. J.
Zeitschriften:
Schwäbische Thalia der Stuttgarter Dramaturgischen Blätter. Jg. 14 (Stuttgart 1932/33) Nr. 1-41
Stuttgarter Dramaturgische Blätter. Jg. 15 (Stuttgart 1933/34) Nr. 1-41
Das Programm – Stuttgarter Dramaturgische Blätter. Jg. 16 (Stuttgart 1934/35) Nr. 1-20
Das Programm – Stuttgarter Dramaturgische Blätter. Jg. 17 (Stuttgart 1935/36) Nr. 1-20
Das Programm – Stuttgarter Dramaturgische Blätter. Jg. 18 (Stuttgart 1936/37) Nr. 1-18
Das Programm – Blätter der Württembergischen Staatstheater. Jg. 19 (Stuttgart 1937/38)
Das Programm – Blätter der Württembergischen Staatstheater. Jg. 20 (Stuttgart 1938/39)
Das Programm – Blätter der Württembergischen Staatstheater. Jg. 21 (Stuttgart 1939/40)
Das Programm – Blätter der Württembergischen Staatstheater. Jg. 22 (Stuttgart 1940/41)
Die Bühne. H. 1-6, 1936
Zeitungsartikel (mit Autorenangabe):
Brandl, Willy: Das Stuttgarter Hutzelmännlein. NS-Kurier vom 2. 12. 1935.
Elsässer, M.: Bemühungen um das Landestheater. Neues Tagblatt vom 27. 07. 1931
Fröhlich, Willy: Rembrandt van Rijn. NS-Kurier vom 25. 01. 1937.
Graener, Paul: Deutsche Romantik und Kraft In: Der Mittag vom 25. 12. 1934.
Hiller, Otto: Ein Kampf zwischen Licht und Finsternis. Württemberger Zeitung vom 25. 01. 1937.
Kühn, Oswald: Uraufführung einer schwäbischen Operette. Schwäbischer Merkur vom 5. 10. 1937.
Ders.: Rembrandt van Rijn. Schwäbischer Merkur vom 26. 01. 1937.
Nied, Willibald: Klenaus ›Rembrandt van Rijn‹. Neues Tagblatt vom 25. 01. 1937.
Zeitungsartikel (ohne Autorenangabe):
Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Schwäbischer Merkur vom 3. 12. 1935.
Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Württemberger Zeitung vom 29. 11. 1935.
Der Evangelische Volksbund zum Stuttgarter Theaterskandal. Neues Tagblatt vom 26. 10. 1930.
Der Kulturbolschewismus auf der Bühne. Völkischer Beobachter vom 24. 10. 1930.
Der Theaterskandal am Samstag. Schwäbischer Merkur vom 23. 10. 1930.
Die Kunst muß dem ganzen Volk gehören. Neues Tagblatt vom 16. 09. 1937.
Ein Abschnitt Stuttgarter Theatergeschichte. Stuttgarter Neues Tagblatt vom 28. 03. 1937
Eine Uraufführung mit Skandal. Schwarzwälder Bote vom 21. 10. 1930.
Fortsetzung des Skandals im Landestheater. Württemberger Zeitung vom 23. 10. 1930.
Gegen Kürzung der Theaterzuschüsse. Cannstatter Zeitung vom 9. 07. 1931.
Generalintendant Gustav Deharde im Amt. NS-Kurier vom 9. 06. 1937.
Kulturfaschismus gegen Landestheater. Süddeutsche Arbeiterzeitung vom 20. 10. 1930.
Landestheater ›Schatten über Harlem‹. Staatlicher Anzeiger vom 20. 10. 1930.
Nachwort zum Theaterskandal. Süddeutsche Zeitung vom 26. 10. 1930.
Nationalistenskandal im Landestheater. Schwäbische Tagwacht vom 20. 10. 1930.
Protest gegen kulturpolitischen Terror. Hamburger Echo vom 29. 11. 1930.
Schatten über Harlem. Schwäbischer Merkur vom 24. 10. 1930.
Schatten über Harlem im Landestheater. Neues Tagblatt vom 20. 10. 1930.
Schatten über Harlem – Nationalsozialistische Anfrage im Landtag. Schwäbischer Merkur vom 26. 10. 1930.
Schatten über Harlem – Schatten über Deutschland. Süddeutsche Zeitung vom 23. 10. 1930.
Schatten über Harlem und Stuttgart. Neues Tagblatt vom 25. 10. 1930.
Skandal im Württembergischen Landestheater. Schwäbischer Merkur vom 21. 10. 1930.
Theaterskandal in Stuttgart. Eßlinger Zeitung vom 20. 10. 1930.
Theaterskandal in Stuttgart. Generalanzeiger Dortmund vom 28. 10. 1930.
Um die Freiheit der Kunst. Berliner Tagblatt vom 28. 10. 1930.
Uraufführung: Das Stuttgarter Hutzelmännlein. Cannstatter Zeitung vom 2. 12. 1935.
Vertiefung der Tradition und neue Ziele. Kultminister Mergenthaler und Generalintendant Deharde über die Aufgabe des deutschen Theaters. NS-Kurier vom 16. 09. 1937
Was soll aus unserem Theater werden? Neues Tagblatt vom 24. 10. 1930.
Württ. Landestheater: ›Schatten über Harlem‹. Süddeutsche Zeitung vom 20. 10. 1930.
[...]
[1] Schreiben der RTK und des DBV vom 9. 11. 1933. In: StArchiv LB, E18 V, Bü 7.
[2] ebd.
[3] Warum Kampf um die Kunst? NS-Kurier vom 3. 3. 1932: In: Kritikenbuch Sept. 1930-Juli 1932. StArchiv LB E 18 VII, Bd. 103
[4] Brenner (1963), S. 273
[5] Sponheuer (1997), S. 25
[6] a.a.O., S. 34
[7] Brenner (1963), S. 275
[8] Nach einem Bericht vom 16. Juni 1933. vgl. dazu Meyer (1992), S. 171 und Prieberg (1982), S. 263
[9] Schemm war NSDAP-Gauleiterund Gründer (1929) des NS-Lehrerbundes. Ab 1933 wurde er schließlich bayerischer Staatsminister für Unterricht und Kultus.
[10] Schemm, H. zit. n. Benz/Graml/Weiß (1997), S. 429
[11] Fulfs (1995), S. 13
[12] vgl. dazu bspw. die sozial- und gesellschafts-kritischen Opern von Weill, Brecht, Krenek oder Berg.
[13] Bei den Württemberger Staatstheatern Stuttgart handelt es sich um ein Drei-Sparten-Theater mit zwei Bühnen (Opernbühne = Großes Haus (GH), Theaterbühne = Kleines Haus (KH)). Da als Untersuchungsgegenstand der vorliegenden Arbeit die Verbindung von Oper und Politik im NS-Staat gewählt wurde, waren die Bereiche Theater und Ballett hierfür nicht relevant. Alle Ausführungen beziehen sich also ausschließlich auf die Oper.
[14] Ganz anders hingegen heute (2001): Die Oper der Stuttgarter Staatstheater unter dem Intendanten Klaus Zehelein gehört zu den Spitzenbühnen Deutschlands: 1998-2000 wurde sie dreimal in Folge zum Opernhaus des Jahres gekürt.
[15] Diese Oper war dem preußischen Ministerpräsidenten Göring unterstellt, der als neuen Operndirektor Furtwängler berief. Heinz Tietjen war dort lange Zeit der Künstlerische Leiter.
[16] vgl. Kehm (1990), S. 16
[17] vgl. dazu die Beiträge von Bair (1984), S. 83-90 und Fulfs (1995), S. 95 ff.
[18] Schlösser, R.: Das Volk und seine Bühne. Bemerkungen zum Aufbau des deutschen Theaters. Berlin 1935, S. 73. Zit. n. Dussel (1988), S. 246
[19] Da im Juli 1944 das Kleine Haus vollständig zerbombt wurde, musste der Spielbetrieb in Stuttgart 1944 eingestellt werden und wurde erst nach Kriegsende, im Jahre 1945, wieder aufgenommen.
[20] Brenner, H.: Die Kunstpolitik des Nationalsozialismus. Reinbek bei Hamburg 1963
[21] Wulf, J.: Kunst und Kultur im Dritten Reich. Eine Dokumentensammlung. Frankfurt am Main 1989
[22] Prieberg, F. K.: Musik im NS-Staat. Köln 2000
[23] Heister, H.-W./Klein, H.-G.: Musik und Musikpolitik im faschistischen Deutschland. Frankfurt am Main 1984
[24] Kater, M. H.: Die mißbrauchte Muse. Musiker im Dritten Reich. München 2000
[25] John, E.: Musikbolschewismus. Die Politisierung der Musik in Deutschland 1918-1938. Stuttgart und Weimar 1994
[26] Dümling, A./Girth, P. (Hg): Entartete Musik. Dokumentation und Kommentar zur Düsseldorfer Ausstellung 1938. Eine kommentierte Rekonstruktion. Düsseldorf 31993
[27] Kater, M. H.: Composers of the Nazi Era. New York und Oxford 2000.
[28] Fulfs, I.: Musiktheater im Nationalsozialismus. Marburg 1995
[29] Walter, M.: Hitler in der Oper. Deutsches Musikleben 1915-45. Stuttgart und Weimar 1995
[30] Ziegler, H.S.: Entartete Musik. Eine Abrechnung. In: Dümling/Girth (31993), S. 176
[31] siehe dazu Mathieu, Th.: Kunstauffassung und Kulturpolitik im Nationalsozialismus. Saarbrücken 1997
[32] vgl. Benz/Graml/Weiß (1997), S. 360
[33] Wulf (1983), S. 17
[34] vgl. Brenner (1963), S. 10
[35] Kieser (1991), S. 13
[36] Die Auseinandersetzungen werden im Rahmen dieser Arbeit nicht näher ausgeführt, können aber bei Brenner (1963), S. 78 ff.; Kater (1998), S. 34 ff.; und Prieberg (2000), S. 132 ff. nachgelesen werden.
[37] zit. n. Wulf (1983), S. 142
[38] Sämtliche im Folgenden zitierten Artikel sind dem Kritikenbuch (Sept. 1930-Juli 1932) mit der Signatur E18 VII/Bd. 102 aus dem Staatsarchiv LB entnommen.
[39] Schwäbische Tagwacht vom 20. 10. 1930, o. S.
[40] Süddeutsche Arbeiterzeitung vom 20. 10. 1930, o. S.
[41] Berliner Tagblatt vom 28. 10. 1930, o. S.
[42] Süddeutsche Arbeiterzeitung vom 10. 10. 1930, o. S.
[43] Württembergischer Kultminister ab 1933
[44] Württemberger Zeitung vom 25. 10. 1930, o. S.
[45] Generalanzeiger Dortmund vom 28. Oktober 1930, o. S.
[46] Hamburger Echo vom 29. 11. 1930, o. S.
[47] Briefwechsel von Kehm. In: StArchiv LB E18 VII/Bü 456
[48] Weiß (1993), S. 294
[49] R. Strauss zit. n. Walter (1995), S. 218
[50] vgl. hierzu Weiß (1993), S. 300
[51] Rede von Joseph Goebbels vom 15. 11. 33: Die deutsche Kultur vor neuem Anfang. In: Dreyer, Ernst Adolf: Deutsche Kultur im neuen Reich. Berlin 1934, S. 30 f. Zit. n. Hofer (1957), S. 96
[52] vgl. Frei (2001), S. 90
[53] Mergenthaler, Ch.: Geleitwort zur Kampfbundkundgebung. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 249
[54] vgl. Dümling (1997), S. 25
[55] vgl. Kieser (1991), S. 6)
[56] § 1 des Reichskulturkammergesetzes RGB1. Jg. 1933, Teil I, S. 661
[57] § 3 Abs. 1 der Ersten Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes, RGB1. Jg. 1933, Teil I, S. 797
[58] Zweite Verordnung zur Durchführung des Reichskulturkammergesetzes, RGB1. Jg. 1933, Teil I, S. 969
[59] vgl. dazu §§ 19, 21-23 des Reichskulturgesetzes
[60] siehe dazu die Arbeit von Bleyl, H.: Klassische Musik als Propaganda-Medium? Zur politischen Funktion der Auslandsreisen der Berliner Philharmoniker für den NS-Staat (1933-1944). (Diplomarbeit) Hildesheim 1998
[61] Hitler, A.: Kulturpolitische Rede auf dem Reichsparteitag 1938. In: Der Parteitag Großdeutschland vom 5. bis 12. September 1938. Offizieller Bericht über den Verlauf des Reichsparteitages mit sämtlichen Kongressreden. München 1938, S.84 f. Zit. n. Sponheuer (1997), S. 39
[62] Goebbels, J.: Rede vom 25. März 1933. In: Goebbels, J.: Reden. Hg. von H. Heiber. Bd. 1. Düsseldorf 1971. S. 95. Zit. n. ebd.
[63] Lennartz (1996), S. 51
[64] ebd.
[65] Leers 1933, zit. n. Lennartz (1996), S. 255
[66] Otto Laubinger zit. n. Lennartz (1996), S. 254
[67] Lennartz (1996), S. 52
[68] vgl. Kieser (1991), S. 11
[69] vgl. Faustmann (1990), S. 185
[70] § 1 Abs. 2 des Reichstheatergesetzes, RGB1. I 1934. In: Lennartz (1996), S. 256 ff.
[71] Faustmann (1990), S. 153, Anm. 1
[72] vgl. Faustmann (1990), S. 184
[73] Pfundtner/Neubert: Das neue deutsche Reichsrecht, zit. n. Faustmann (1990), S. 185
[74] § 5 Abs. 1 des Reichstheatergesetzes, RGB1. I 1934. In: Lennartz (1996), S. 257
[75] Schlösser, R.: Theaterrecht. DR 1935, S. 357 ff. Zit. n. Faustmann (1990), S. 188
[76] § 4 Abs. 2 des Reichstheatergesetzes, a.a.O.
[77] § 4 Abs. 1, a.a.O.
[78] § 4 Abs. 2, a.a.O.
[79] vgl. Kieser (1991), S. 9 ff.
[80] Aßmann, Gustav: Das Theatergesetz vom 15. Mai 1934 nebst Durchführungsverordnung, S. 51, Anm. 1) zu § 5. Zit. n. Faustmann (1990), S. 187
[81] Handbuch der Reichskulturkammer, 1937, S. 247 f. Zit. n. Kieser (1991), S. 10
[82] Anordnung des Reichsministers für Propaganda und Volksaufklärung vom 1. Okt. 1935 an alle Theaterintendanten. Betr.: Mitteilung der Wochenspielpläne und Programmhefte. In: StArchiv LB E 18 V/Bü 1273
[83] Anordnung der Fachschaft Bühne in der RTK vom 6. Nov. 1936 an die deutschen Bühnenleiter. Betr.: Spielplan am 9. Nov. 1936. In: StArchiv LB E 18 V/Bü 1273
[84] Schreiben des Landesleiters der RTK Gau Württemberg-Hohenzollern vom 22. Feb. 1937 an die Generalintendanz der Württ. Staatatheater Stuttgart. Betr.: Neuerscheinungen der Bühnenkunst. In: StArchiv LB E 18V/Bü 1273
[85] Benz/Graml/Weiß (1997), S. 681
[86] A. Hitler zit. n. Dümling/Girth (31993), S. 39
[87] Bauer, Rudolf: Vom Wesen deutscher Musikauffassung. In: Die Musik-Woche vom 2.12.1939, zit. n. Wulf (1983), S. 332
[88] Dümling/Girth (31993), S. 39
[89] Raabe war Dirigent und Musikhistoriker. 1935 wurde er Präsident der RMK.
[90] Peter Raabe zit. n. Prieberg (2000), S. 110
[91] Mergenthaler, Ch.: Kulturprogramm und -tat im Neuen Reich. Kundgebung des KfdK am 9. April 1933 im Württ. Staatstheater. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 249
[92] Zur Entstehung und Verwendung des Begriffes Kulturbolschewismus siehe die Publikation von John, E.: Musikbolschewismus. Die Politisierung der Musik in Deutschland 1918-1938. Stuttgart/Weimar 1994
[93] Meyers Lexikon. Bd. 14, Leipzig 71933, Sp. 1304. Zit. n. John 1994, S. 363
[94] Das kluge Alphabet. Bd. 4, Berlin 1934,. S. 85. Ebd.
[95] Der große Brockhaus. Ergänzungsband A-Z, Leipzig 151935, S. 498. Ebd.
[96] vgl. Benz (1997)
[97] Rosenberg, A.: Weltanschauung und Kunst (1935) In: Rosenberg, A.: Gestaltung der Idee. Blut und Ehre. II. Band: Reden und Aufsätze 1933-1935. München 1936, S. 331 f. Zit. n. John (1994), S. 357
[98] NS-Kultusminister von Preußen Bernhard Rust im Februar 1933 bei seiner Amtseinführung gegenüber den Funktionären des KfdK. In. Stege, F.: Der neue musikpolitische Kurs in Preußen. In: ZfM, 100 (1933), H. 3 (März), S. 264. Zit. n. John (1994), S. 339
[99] ebd.
[100] Diese Liste ist in den Akten des Amtes Rosenberg im Bundesarchiv Koblenz erhalten. BA: NS 15/187. Vgl. Faksimile der Liste in John (1994), S. 360 f.
[101] Das Interessante an der Nennung Havemanns ist, dass er schon vor 1933 NSDAP-Mitglied gewesen ist und sogar das 1932 gegründete Berliner Kampfbundorchester leitete. Zudem er war einer der führenden Persönlichkeiten im KfdK. Da er sich in den eigenen Reichen aber auch viele Feinde gemacht hatte, weil seine musikpolitischen Positionen teilweise den Vorstellungen anderer Pg. widerstrebten, hatte man an seinem Einfluss gesägt und ihn sogar auf die Liste der Musikbolschewisten gesetzt. Das Schimpfwort Musikbolschewismus wurde also auch zu einem Instrument innerparteilicher Auseinandersetzung. Vgl. John (1994), S. 359
[102] vgl. dazu John (1994), S. 362
[103] ebd.
[104] Goebbels, J.: Von völkischer Kunst. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 355
[105] vgl. Mathieu (1997), S. 80 f.
[106] Das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin hat 1995 in Zusammenarbeit mit DeutschlandRadio eine CD-Reihe Entartete Musik herausgegeben, mit dem Ziel, bedeutende Werke, die durch die politischen Ereignisse des 20. Jhs. verloren gingen, zerstört oder verboten wurden, wieder ins Bewusstsein zu bringen. Die Reihe ist bei DECCA erschienen.
[107] Staatsrat Dr. H. S. Ziegler gehörte zu den frühen Hitler-Anhängern. Er war vor 1933 u.a. Stellvertreter des thüringischen NSDAP-Gauleiters. Kulturpolitischen Einfluss erhielt er 1930 mit der Wahl Wilhelm Fricks in Thüringen zum ersten nationalsozialistischen Minister in Deutschland. Ziegler, der u.a. den Erlass Wider die Negerkultur für deutsches Volkstum entworfen hatte, ist im April 1933 zum Chefdramaturg und Schauspieldirektor des Deutschen Nationaltheaters in Weimar avanciert. 1935 wurde er dort zum Generalintendanten berufen. Zieglers wichtigste Mitarbeiter an der Ausstellung waren GMD Paul Sixt und Chefdramaturg Dr. Otto zur Nedden (Aktivist des KfdK und Dozent für Musikwissenschaften an der Universität Jena), beide ebenfalls aus Weimar.
[108] vgl. Ziegler, H.S.: Entartete Musik. In: Dümling/Girth (31993), S. 184.
[109] John (1994), S. 363
[110] Ziegler, H. S.: Entartete Musik. In: Dümling/Girth (31993), S. 24
[111] zit. n. John (1994), S. 369
[112] Zur Rolle Hermann Reutters im NS-Staat siehe auch John (1994), S. 374. Reutter, der Komponist, Pianist, Lehrer und Hochschulleiter gewesen ist, wurde, obwohl ein Mitglied der NSDAP, mit dem Vorwurf der ›Entartung‹ konfrontiert. Seine Oper Dr. Faustus (1936 UA in Weimar) wurde sogar offiziell von Goebbels verboten, woraufhin der Präsident der RMK Raabe mit dem Rücktritt von seinem Amt drohte. Die Oper wurde daraufhin wieder gespielt, aber die Hetze ging weiter. Dennoch wurden seine Opern im Dritten Reich bis 1945 aufgeführt. Reutter bezeichnete es später als »ehrenvolle Diffamierung, unter Goebbels als ›entarteter Künstler‹ auf der Düsseldorfer Ausstellung« genannt zu werden. Reutters Faust-Oper gehörte zu den zehn meistgespielten Opern zwischen 1933 und 1942, und 1943 erhielt Reutter sogar den schwäbischen Komponistenpreis (»in Würdigung seines gesamten Schaffens«) von Goebbels verliehen! Vgl. dazu John (1994), S. 375 u. Schröder-Nauenburg 1991, S. 5
[113] Maurick, L.: Opernbetrachtung. In: Das Programm, Jg. 18 (1936/37), S. 133
[114] Danuser (1984)
[115] vgl. Dümling/Girth (31993), S. 16 f.
[116] Ziegler, H.S.: Entartete Musik. Eine Abrechnung. Düsseldorf o.J., S. 24. Dieses Zitat stammt aus der offiziellen Broschüre von Ziegler zur Ausstellung Entartete Musik im Jahre 1938. Die Broschüre ist vollständig abgedruckt bei Dümling/Girth (31993), S. 175-190.
[117] Vgl. John (1994), S. 379 u. Prieberg (2000), S. 125 f. u. 297-306
[118] Strawinsky wurde im NS-Staat von Anfang an Opfer von Anfeindungen, ist aber dennoch immer wieder aufgeführt worden; vgl. dazu Prieberg (2000), S. 53-55.
[119] Vgl. Anordnung zum Schutze musikalischen Kulturguts. In: Amtl. Mitteilungen d. RMK, VI (1939), Nr. 7 (1. April), S. 21-23. Faksimiles der Listen auch in Dümling/Girth (31993), S. 67 u. 69 f.
[120] Beilage zu AMdRMK, VI (1939), Nr. 16/17 (1. Sept.). Eine Zweite Liste unerwünschter musikalischer Werke folgte im April 1940.
[121] Amtl. Mitteilungen d. RMK 1941, Jg. 8, Nr. 7, o. S.
[122] zit. n. Eisel (1990), S. 37
[123] zum ›Fall Hindemith‹ vgl. Prieberg (2000), S: 65 ff.
[124] vgl. dazu auch Prieberg (2000), S. 110 ff.
[125] Graener, P.: Deutsche Romantik und Kraft. In: Der Mittag vom 25. 12. 1934, o. S.
[126] Goebbels, J.: Richard Wagner und das Kunstempfinden unserer Zeit. In: Das Programm, Jg. 15 (1933/34), S. 34
[127] Zu Wagners Rolle im Dritten Reich siehe auch Kolland, H.: Wagner und der deutsche Faschismus. In: Heister/Klein (1984), S. 126-135
[128] Wolfgang Wagner, Lebens-Akte, S. 12. Zit. n. Kater (1997), S. 73
[129] vgl. Kater (1997), S. 75
[130] Kater (1994), S. 74
[131] vgl. Kater (1997), S. 73
[132] Fest (1973), S. 527
[133] vgl. Fest (1973), S. 526
[134] Goebbels, R.: Richard Wagner und das Kunstempfinden unserer Zeit. In: Das Programm, Jg.. 15 (1933/34), S. 34
[135] vgl. Dümling/Girth (31993), S. 47 ff.
[136] A. Rosenberg zit. n. Kater (1997), S. 76
[137] Kater (1997), S. 76
[138] W. Rauschenberger zit. n. Dümling/Girth (31993), S. 48
[139] Dümling/Girth (31993), S. 48
[140] Die Zitate in diesem Absatz entstammen alle dem Artikel von Hasse, K.: Johannes Brahms. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 273-280
[141] Vgl. dazu ausführlicher Dümling/Girth (31993), S. 50-55.
[142] Faksimile des Aufsatzes in Dümling/Girth (31993), S. 98-107
[143] vgl. Dümling/Girth (31993), S. 50 ff.
[144] Mathieu (1997), S. 301
[145] Goebbels, J.: Aus der Rede des Präsidenten der RKK, Reichsminister Dr. Goebbels, bei der Jahrestagung am 27. November in der Philharmonie. In: Die Bühne, Jg. 2 H. 23 (1936), S. 706
[146] vgl. Drewniak (1983), S. 317.
[147] zit. n. Dussel (1988), S. 252
[148] Generalintendant Otto Krauss: Kulturprogramm und -tat im neuen Reich: Theater. Kundgebungen des KfdK im Württ. Staatstheater. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 255 f.
[149] Preisausschreiben Nationalbühne Stuttgart. In: Schw. Thalia; Jg. 14 (1932/33), S. 286
[150] Zit. n. Walter (1995), S. 244
[151] Goebbels im Jahre 1933. In: Die Musik. Zit. n. Meyer (1992), S. 174
[152] Möller, W. E.: Programmgestaltung im neuen deutsche Theater. In : Das Programm, Jg. 16 (1934/35), S. 126
[153] ebd.
[154] Goebbels, J.: Rede zur Eröffnung der RKK am 15. 11. 1933. Zit. n. Klein (1984), S. 147
[155] Muschler, R. C.: Georg Vollerthun. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 329
[156] Loder, D.: Volkstümliches Theater. In: Das Programm, Jg. 15 (1933/34), S. 271
[157] vgl. Klein (1984), S. 147
[158] Zur Volksoper siehe auch Walter (1995), S. 263-276
[159] Loder, D.: Volkstümliches Theater. In: Das Programm, Jg. 15 (1933/34), S. 270. Hervorhebungen im Original.
[160] ebd.
[161] vgl. Klein (1984), S. 147
[162] ebd.
[163] Maurick, L.: Opernbetrachtung. In: Das Programm, Jg. 18 (1936/37), S. 136
[164] Klein (1984), a.a.O.
[165] vgl. Klein (1984), S. 145
[166] vgl. Prieberg (2000), S. 307
[167] ebd.
[168] Zur Romantik in der Musikwissenschaft siehe auch Rummenhöller, P.: Romantik in der Musik. Kassel 1989
[169] vgl. Schaul, Bernd-Peter: Die Königlichen Hoftheater von Max Littmann. Aspekte ihrer Entstehung. In: Gönnenwein (1987), S. 8-29
[170] vgl. Horst Weber In: Gönnenwein (1987), S. 30-51
[171] Generalmusikdirektor in Stuttgart von 1908-1918
[172] Oberspielleiter der Oper von 1912-1917
[173] GMD von 1919-1922
[174] Oberspielleiter der Oper von 1917-1920
[175] vgl. Horst Weber In: Gönnenwein (1987), S. 30-51
[176] Bloem, W.: Zur fünfundzwanzigsten Wiederkehr der Einweihung der Stuttgarter Staatstheater. In: Das Programm, Jg. 19 (1937/38), S. 43
[177] Vgl. Zelzer (21984)
[178] zit. n. Gönnenwein (1987), S. 246
[179] ebd.
[180] a.a.O., S. 247
[181] ebd., S. 247
[182] ebd.
[183] vgl. dazu und zur Publikumsstruktur Walter (1995), S. 105 ff.
[184] ebd.
[185] vgl. Prieberg (2000), S. 263
[186] Württembergische Zeitung vom 25. 10. 1926 zit. n. Weber In: Gönnenwein (1987), S: 42
[187] vgl. bspw. Schatten über Harlem – Schatten über Deutschland. Süddeutsche Zeitung vom 23. 10. 1930.
[188] vgl. dazu Waidelich (1956), S. 125
[189] Berliner Tagblatt vom 25. 6. 31: Neue Etat-Abstriche. Dramatische Wendung für das Landestheater. In: StArchiv LB Kritikenbuch Sept. 1930-Juli 1932. E 18 VII, Bd. 103
[190] Wie könnte dem Landestheater geholfen werden? Sparmöglichkeiten bestehen – Eine Aenderung der Preispolitik. Neues Tagblatt vom 4. 8. 1931. In: ebd.
[191] Elsässer, M.: Bemühungen um das Landestheater. Neues Tagblatt vom 27. 7. 1931. In: ebd.
[192] Neues Tagblatt vom 15. 10. 1931: Die Landestheaterfrage. Ankündigung weiterer Kürzung der Personalausgaben durch Sondernotverordnung. In: ebd.
[193] Gegen Kürzung der Theaterzuschüsse. Cannstatter Zeitung vom 9. 7. 1931. In: ebd.
[194] Vertiefung der Tradition und neue Ziele. Kultminister Mergenthaler und Generalintendant Deharde über die Aufgabe des deutschen Theaters. NS-Kurier vom 16. 09. 1937. In: StArchiv LB Kritikenbuch Sept. 1936-April 1939. E 18 VII, Bd. 105
[195] ebd.
[196] Die Zahlen beziehen sich auf das gesamte Staatstheater. Eine getrennte Aufstellung der Finanzen von Oper und Schauspiel ging aus den Angaben der Haushaltsbücher leider nicht hervor. Was allerdings festgehalten werden kann, ist die Tatsache, dass das Schauspiel insgesamt im Verhältnis zur Oper nur etwa ein Viertel der Gesamtfinanzierung ausgemacht hat.
[197] vgl. dazu die Haushaltspläne der Stuttgarter Staatstheater von 1933-1944. In: StArchiv LB E 18 V
[198] vgl. Akte Beschäftigung von Albert Kehm In: StArchiv LB E 18 V/Bü 210
[199] vgl. Kehm (1990), S. 25
[200] Generalintendant Gustav Deharde im Amt. NS-Kurier vom 9. 06. 1937. In: StArchiv LB Kritikenbuch Sept. 1936-April 1939. E 18 VII, Bd. 105. Hervorhebung im Original.
[201] Kehm folgt daraufhin – im Rahmen seines bestehenden Vertrags – einem Angebot als Intendant ans Stadttheater nach Freiburg. Hier hatte man kurz zuvor den Intendanten Max Krüger aus dem Amt entfernt. Merkwürdigerweise hatte der neue NS-Bürgermeister Freiburgs keine Einwände gegen den politisch andersdenkenden Kehm, sondern hielt ihn offenbar trotzdem für geeignet das Theater zu leiten. Später musste er sich für seine Entscheidung allerdings vor den Machthabern rechtfertigen: Die RTK kritisierte, der neue Intendant habe »das nationalsozialistische Kulturwollen nicht erfaßt« (Kehm (1990), S. 31), was allerdings zu diesem Zeitpunkt keinerlei weitere Auswirkungen hatte. Nach Vertragsende, im Jahre 1936, wurde Kehm von offizieller Seite aus pensioniert.
[202] Schwäbischer Merkur, zit. n. Waidelich (1956), S. 127
[203] vgl. Waidelich (1956), S 127
[204] ebd.
[205] Ein Abschnitt Stuttgarter Theatergeschichte. Stuttgarter Neues Tagblatt vom 28. 03. 1937. In: StArchiv LB Kritikenbuch Sept. 1936-April 1939. E 18 VII, Bd. 105
[206] Vgl. Das Programm, Jg. 16 (1935/36), S. 91
[207] Amtszeit von 1912-1933, ab 1939 stellvertretend für den in den Kriegsdienst abberufenen Bruy, nach dem Krieg, ab 1945 wurde er wieder zum Verwaltungsdirektor der Württ. Staatstheater Stuttgart.
[208] StArchiv LB E 18 VI/Bü 1594
[209] Kapellmeister Franz Konwitschny war in Stuttgart von 1927-1933 tätig.
[210] Art. 3 aus dem Gesetz zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums. Zit. n. Eisel (1990), S. 36
[211] Durchführung des Gesetzes zur Widerherstellung des Berufsbeamtentums. In: StArchiv LB E 18 V/Bü 1275
[212] Harry Stangenberg war Regisseur und Oberspielleiter an der Oper von 1927-1933.
[213] Völkischer Beobachter vom 20. 11. 1930. Zit. n. StArchiv LB E18 VI/Bü 1839
[214] Brief vom 28. 05. 1933. In: StArchiv LB E18 VI/Bü 1839
[215] Weil war als Sänger an der Stuttgart Oper von 1904-1933 tätig und emigrierte dann in die USA. Im Wiedergutmachungsprozess 1945 hieß es zu seinem Fall: »Die Zurruhesetzung am 1. Aug. 1933 ist nur deshalb erfolgt, weil Herr Weil für das Dritte Reich aus rassischen Gründen untragbar gewesen sei. Es ist als erwiesen anzusehen, dass der verstorbene aus rassischen Gründen als Opfer nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen vorzeitig in den Ruhestand versetzt worden sei. Nach einer Erklärung von Herrn Albert Kehm steht fest, daß Kammersänger Weil noch in der Spielzeit 32/33 zu den hervorragendsten und meistbeschäftigten Mitgliedern dieses Theaters gehörte, und dieser Bühne auch weiterhin erhalten geblieben wäre, wenn er nicht ein Opfer des Naziregimes geworden wäre.« In: StArchiv LB E 18 VI/Bü 1078
[216] Brief vom 02. 08. 33. In: StArchiv LB E 18 V/Bü 144
[217] Brief vom 05. 08. 33. In: ebd.
[218] Marx war als Schauspieler und Spielleiter des Schauspiels von 1912-1933 tätig.
[219] Brief vom 06. 04. 33. In: StArchiv LB E 18 V/Bü 622
[220] Brief vom 27. 07. 33. In: ebd.
[221] Brief vom 29. 07. 33. In: ebd.
[222] vgl. dazu Eintritte/Austritte in der Spielzeit 1932/33. In: Rückblick auf das Spieljahr 1932/1933. S. 30
[223] Suse Rose ist ein Künstlername. Ihr richtiger Name war Susanne Rosenthal. Sie war als Chortänzerin von 1927-1933 in Stuttgart tätig und emigrierte dann in die USA.
[224] Elsa Reder war von 1925-1933 als Chorsängerin in Stuttgart tätig.
[225] Ernst Rottluff war in Stuttgart als Schauspieler von 1928-1933 tätig.
[226] vgl. Briefwechsel. In: StArchiv LB E18 VI/Bü 1214
[227] Walter E. Schäfer war als Dramaturg in Stuttgart von 1930-1933 tätig.. Nach dem Krieg wurde er von 1950-1972 Generalintendant der Stuttgarter Staatstheater und verhalf diesen zu internationalem Ansehen.
[228] StArchiv LB E 18V/Bü 214
[229] Carl Leonhardt war GMD an den Staatstheatern Stuttgart von 1922-1937.
[230] vgl. Waidelich (1956), S. 279
[231] Anordnung des Reichsministers betreffs Unterbringung von erwerbslosen Alt-Parteimitgliedern. Schreiben vom 20. 07. 1934. In: StArchiv LB E 18 V/Nr. 7
[232] Der Vorstand des Deutschen Bühnen-Verein. Schreiben vom 14. 01. 1935. In: StArchiv LB E 18 V/Nr. 7
[233] Krauss an das Württ. Kultministerium. Schreiben vom 4. 02. 1935. In: StArchiv LB E 18 V/Nr. 7
[234] Schreiben des ProMi vom 28. 01. 1935. In: ebd.
[235] Die Kunst muß dem ganzen Volk gehören. Neues Tagblatt vom 16. 09. 1937. In: StArchiv LB Kritikenbuch Sept. 1936-April 1939. E 18 VII, Bd. 105.
[236] vgl. StArchiv LB E 18 V/Bü 211
[237] Gustav Deharde zit. n. Neues Tagblatt vom 16. 09. 1937: Die Kunst muß dem ganzen Volk gehören. In: a.a.O.
[238] ebd.
[239] Goebbels, J.: Von völkischer Kunst. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 355
[240] Schw. Thalia, Jg. 11 (1931/32), S. 333
[241] Die Bühne (1936), S. 33
[242] vgl. Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 249–266
[243] a.a.O., S. 255
[244] vgl. z. B. Mein Programm von Generalintendant Otto Krauß. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1942/33), S. 289
[245] vgl. z. B. Goebbels, J.: Von völkischer Kuns t. In: a.a.O., S. 355
[246] Walter (1995), S. 217
[247] z. B.: Von deutscher Kunst. Aus der Nürnberger Kulturrede des Reichskanzlers Adolf Hitler. In. Das Programm, Jg. 15, S. 1-8
[248] z. B.: Goebbels, J.: Von völkischer Kunst. In: Schw. Thalia, Jg. 14, S. 355 f.
[249] Krauß, O.: Den deutschen Turnern zum Gruß! In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 354
[250] Müller-Eschborn, H.: Das Programmheft. In: Das Programm, Jg. 15 (1933/34), S. 225
[251] a.a.O., S. 226
[252] Grünwaldt, W.: Bühne und Film im neuen Deutschland. In: Das Programm, Jg. 15 (1933/34), S. 358
[253] Loeben, Th.: Der Fagott. In: Das Programm, Jg. 15 (1933/34), S. 580
[254] a.a.O., S. 581
[255] Teßmer, H.: Zum Geleit in die neue Spielzeit. In: Das Programm, Jg. 16 (1934/35), S. 1
[256] a.a.O., S. 2
[257] Kraus, R.: Gedanken zum heutigen Opernspielplan. In: Das Programm, Jg. 16 (1934/35), S. 138
[258] Müller-Eschborn, H.: Spielplansorgen – Spielplanziele. In: ebd. S. 106
[259] Binding, R. G.: Schau-Platz der Nation. In: Das Programm, Jg. 16 (1934/35), S. 18. Gesperrte Hervorhebung im Original.
[260] In: a.a.O., S. 143
[261] NS-Kurier vom 24. 10. 1935. Zit. n. Rückblick auf die vier ersten Arbeitsmonate der Württ. Staatstheater in der Spielzeit 1935/36. In: Das Programm, Jg. 17 (1935/36), S. 103
[262] Müller-Eschborn, H.: Spielplansorgen – Spielplanziele. In: Das Programm, Jg. 16 (1934/35), S. 107
[263] ebd.
[264] a.a.O., S. 140
[265] Forster, F.: Das Theater ist kein Warenhaus! In: Das Programm, Jg. 17 (1935/36), S. 206. Der Dichter Friedrich Forster war Direktor des Bayrischen Staatsschauspiels in München und hat diesen Vortrag als KdF-Schulungsvortrag mit dem Titel Das Theater des Volkes gehalten.
[266] ebd.
[267] Wehner, J. M.: Drei Jahre nationalsozialistisches Theater. In: Das Programm, Jg. 17 (1935/36), S. 316 f.
[268] Krauß, O.: Vorwort In: Das Programm, Jg. 18 (1936/37), S. 1
[269] In: a.a.O., S. 81
[270] Möller W. E.: Nationalsozialistische Theaterkultur. Eine kulturpolitische Bilanz von E.W. Möller. In: a.a.O., S. 226 f.
[271] a.a.O., S. 227
[272] Schlösser, R.: Die nationalpolitische Bedeutung der Oper. In: a.a.O., S. 100-106
[273] Aus der Rede des Reichsministers Goebbels anlässlich der Münchner Reichstheaterwoche. Zit. n. a.a.O., S. 257 f.
[274] Adolf Hitler über Kultur und Kunst zusammengestellt aus Mein Kampf und den Kulturreden auf den Parteitagen zu Nürnberg 1933, 1934, 1935 und 1936. In: a.a.O., S. 274-282
[275] Deharde, G.: Das Programm. In: Das Programm, Jg. 19 (1937/38), S. 3
[276] ebd.
[277] vgl. z. B.: Mergenthaler, Ch.: Kunst und Volk. In: Das Programm, Jg. 19 (1937/38), S. 13 f.
[278] a.a.O., S. 249
[279] vgl. dazu Der Spielplan. Rückblick 1937/38 und Ausblick 1938/39. In: Das Programm, Jg. 19, S. 373-375
[280] Deharde, G. In: Das Programm, Jg. 20 (1938/39), S. 23
[281] von Schirach, E. In: ebd., S. 25 f.
[282] Bloem, W.: Zur fünfundzwanzigsten Wiederkehr der Einweihung der Stuttgarter Staatstheater. In: Das Programm, Jg. 19 (1937/38), S. 43
[283] vgl. dazu: Kriegsspielzeit 1939/40 Rückblick und Vorschau. In: Das Programm, Jg. 21 (1939/40), S. 168-171
[284] Deharde, G.: Vorwort. In: Das Programm, Jg. 22 (1940/41), S. 3
[285] Golther, W. In: a.a.O., S. 8
[286] ebd.
[287] a.a.O., S. 11
[288] ebd.
[289] zit. n. Fulfs (1995), S. 57. Hervorhebung im Original.
[290] siehe Bair, Henry: Die Lenkung der Berliner Opernhäuser. In: Heister/Klein (1983), S. 87
[291] Muschler, R. C.: Der Begriff ›Oper‹ und ›Der Freikorporal‹. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 342
[292] ebd.
[293] Krauß, O.: Zum Beginn der Spielzeit 1933/34. In: Stuttg. Dram. Blätter, Jg. 15 (1933/34), S. 1
[294] a.a.O., S. 29
[295] a.a.O., S. 290
[296] ebd.
[297] Krauß, O.: Mein Programm. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 289
[298] ebd.
[299] ebd.
[300] a.a.O., S. 296
[301] Krauß, O.: Mein Programm. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S: 291
[302] a.a.O., S. 293
[303] a.a.O., S. 294
[304] Winds, E. A.: Der Spielplan der Württ. Staatstheater. In: Das Programm, Jg. 18 (1936/37), S. 5
[305] Krauß, O.: Mein Programm. In: Schw. Thalia, Jg. 14 (1932/33), S. 295
[306] Basiert auf einer Novelle von Heinrich von Kleist
[307] siehe dazu Brenner (1963) S. 95-106 u. Stommer, R.: Die inszenierte Volksgemeinschaft. Die »Thing-Bewegung« im Dritten Reich, Marburg 1985.
[308] Brenner (1963), S. 98
[309] Ehmer, W.: Das Theater geht ins Freie! Die neue Stuttgarter Freilichtbühne inmitten der Großstadt. In: Jahrbuch 1934 der Württ. Staatstheater. S: 38
[310] ebd.
[311] ebd.
[312] Winds, E. A.: Der Spielplan der Württ. Staatstheater. In: Das Programm, Jg. 18 (1936/37), S. 3
[313] Müller-Eschborn, H: Die Württ. Staatstheater im Jahre 1933/34. Rück- und Ausblick. In: Jahrbuch 1934 der Württ. Staatstheater. Stuttgart o.J., S. 26
[314] Deharde, G.: Vorwort. In: Das Programm, Jg. 19 (1937/38), S. 1
[315] ebd.
[316] Deharde, G.: Tradition und Gegenwart. In. Das Programm, Jg. 19 (1937/38), S. 49
[317] a.a.O., S. 51
[318] zit. n. Schröder-Nauenburg, S. 5
[319] Dieser Titel wurde Stuttgart am 27. 08. 1936 von Hitler verliehen.
[320] vgl. ebd.
[321] Das Programm, Jg. 21 (1939/40), S. 86
[322] Schreiben der RTK vom 1. Sept. 1939. In: StArchiv LB, E 18 V, Bü 1330
[323] Betr. Deutsches Musikleben. Schreiben des Reichspropagandaamt Württemberg vom 4. Sept. 1939. In: ebd.
[324] vgl. Dehardes Antwort auf das o.g. Schreiben. In: ebd.
[325] Kriegsspielzeit 1939/40. Rückblick und Vorschau. In: Das Programm, Jg. 21 (1939/40), S. 169 f.
[326] Schreiben Schlössers vom 9. März 1940. In: StArchiv LB, E 18 V, Bü 1330
[327] Schreiben der RTK vom 28. Juli 1944. In: ebd.
[328] vgl. Antwort auf eine Umfrage der RMK zur Spielstärke und Belastung durch den Wehrmachtseinzug in den Orchestern vom 11. Feb. 1941. In: ebd.
[329] Schreiben des Präsidenten der RMK vom 12. März 1941: Betr. Einberufungen zur Wehrmacht. In: ebd.
[330] Anordnung Dehardes. In: StArchiv LB, E 18 V; Bü 579
[331] Siehe auch Das Programm, Jg. 21 (1939/40), S. 104
[332] Bei der folgenden Analyse wurden die Spielzeiten zwischen 1933-1939, 1939-1940 (›Kriegsspielzeiten‹) und die gesamte Zeit 1933-1944 getrennt dargestellt und untersucht. Da eine nochmalige Unterteilung auf Grund des Intendantenwechsels keine besonderen abweichenden Ergebnisse zur Folge hatte, wird an dieser Stelle auf eine detaillierte Darstellung dieser Spielzeiten verzichtet.
[333] Vgl. dazu Dussel (1988), S. 247.
[334] Vgl. Köhler (o. J.), S. 54
[335] vgl. Werke feindländischer Komponisten. In: Anordnung der RMK. (Jg. 8) Nr. 7, 1941, S. 42
[336] Insgesamt wurden von 1933-1944 in der Operette lediglich die Werke von neun Komponisten gespielt. Zur Vollständigkeit seien an dieser Stelle Platz 6-9 genannt: Platz 6: Goetze (32), Platz 7: Künneke (26), Platz 8: Grothe (20), Platz 9: Heuberger (19).
[337] Als sogenannte Repertoireopern werden in diesem Fall die Werke bezeichnet, die in mindestens 8 der 11 analysierten Spielzeiten von 1933-1944 auf dem Stuttgarter Opernspielplan standen.
[338] vgl. dazu sämtliche Spielpläne der Stuttgarter Staatsoper von 1933-1944. StArchiv LB E 18 VII, Bde. 416-427.
[339] Lortzings Hans Sachs wurde bereits im Jahre 1840 in Leipzig uraufgeführt. 1933 fand eine komplette Neubearbeitung der Partitur durch Oswald Kühn statt, die so gravierend war, dass man die ›Stuttgarter Fassung‹ im Mai 1934 schließlich ebenfalls als Uraufführung bezeichnete. Da das Interesse der vorliegenden Analyse aber den zeitgenössischen Komponisten und ihren Werken gilt, wird Hans Sachs in die Erörterung nicht mit einbezogen. Vgl. Stuttgarter Dramaturgische Blätter, Jg. 15 (1933/34), S. 514
[340] zit. n. Prieberg (2000), S. 305
[341] ebd.
[342] vgl. ebd.
[343] Krauß, O: Michael Kohlhaas als Oper. Deutsche Kultur-Wacht Berlin II/31, 4. 11. 1933, S. 6. Zit. n. Prieberg (2000), S. 303
[344] Gespräche zw. dem Dichter-Komponisten, dem Generalintendanten und dem Operndramaturgen über ›Michael Kohlhaas‹. In: Stuttg. Dram. Blätter, Jg. 15 (1933/34), S. 97-112
[345] Nied, W.: Klenaus ›Rembrandt van Rijn‹. Neues Tagblatt vom 25. 01. 1937.
[346] Paul von Klenau. In: Das Programm, Jg. 18 (1936/37), S. 142
[347] Uraufführung ›Monika‹. Cannstatter Zeitung vom 4. 10. 1937. In: StArchiv LB Kritikenbuch Sept. 1936-Apr. 1939. E 18 VII, Bd. 105
[348] ebd.
[349] Neben dieser Tätigkeit war er zudem von 1941 bis zur Einberufung zum Wehrdienst 1942 als Aushilfs-Dramaturg an der Stuttgarter Oper beschäftigt.
[350] Die Uraufführung der heiteren Oper ›Das Stg. Hutzelmännlein‹. In: Das Programm, Jg. 17 (1935/36), S. 82
[351] vgl. bspw. Das Stuttgarter Hutzelmännlein. NS-Kurier vom 2. 12. 1935. In: StArchiv LB Kritikenbuch Sept. 1936-Apr. 1939. E 18 VII, Bd. 105
[352] Das Programm, Jg. 21 (1939/40), S: 130
[353] Souchay, M.-A.: Kampfwerk 39. In: Das Programm, Jg. 21 (1939/40), S. 140
[354] ebd.
[355] StArchiv LB, E 18 VI; Bü 1671
[356] ebd.
Häufig gestellte Fragen
Was ist der Inhalt des Inhaltsverzeichnisses?
Das Inhaltsverzeichnis gliedert sich in die Einleitung, die Zentralisierung des Musiklebens, die Instrumentalisierung der Musik, strukturelle und inhaltliche Veränderungen, Schlussbetrachtung, Abkürzungsverzeichnis sowie Quellen- und Literaturverzeichnis.
Was ist der zentrale Punkt in der Einleitung?
Die Einleitung thematisiert die Instrumentalisierung von Kunst und Kultur durch die Nationalsozialisten ab 1933, wobei die Frage aufgeworfen wird, wie die Kunst als autonomes Medium Teil der NS-Propaganda werden konnte.
Was behandelt das Kapitel "Zentralisierung des Musiklebens"?
Dieses Kapitel untersucht die Träger nationalsozialistischer Musiktheaterpolitik, insbesondere Alfred Rosenberg und den Kampfbund für deutsche Kultur, die NS-Gemeinschaft Kraft durch Freude und Joseph Goebbels mit der Reichskulturkammer, inklusive der Reichstheaterkammer und des Reichstheatergesetzes.
Was sind die Hauptthemen im Kapitel "Die Instrumentalisierung der Musik"?
Hier werden die Vorgaben zur Erstellung eines neuen deutschen Spielplans behandelt, insbesondere die Ausgrenzung durch ›Kulturbolschewismus‹ und ›Entartete Musik‹, sowie die Rückbesinnung auf das ›Deutsche‹ an Mozart, Beethoven, Brahms und Wagner.
Welche strukturellen Veränderungen werden analysiert?
Es werden die Finanz- und Personalpolitik am Württembergischen Staatstheater Stuttgart untersucht, insbesondere der Intendantenwechsel und die ›Säuberungen‹ am Staatstheater.
Welche inhaltlichen Veränderungen werden im Detail betrachtet?
Das Kapitel analysiert die Dramaturgie (insbesondere die Stuttgarter Dramaturgischen Blätter) als Propagandamedium und die Spielplanpolitik unter verschiedenen Intendanten, inklusive einer Analyse des Opernspielplans und der Uraufführungen von 1933-1944.
Was sind die Hauptquellen für diese Arbeit?
Zu den Quellen gehören Archivmaterialien aus dem Staatsarchiv Ludwigsburg, die Zeitschrift Das Programm - Stuttgarter Dramaturgische Blätter, sowie Publikationen von Hildegard Brenner, Joseph Wulf, Fred K. Prieberg und anderen Forschern zur Kulturpolitik im Nationalsozialismus.
Welche Rolle spielte die Reichstheaterkammer (RTK)?
Die RTK diente als Instrument zur Kontrolle und Gleichschaltung des Theaterwesens, wobei durch das Reichstheatergesetz dem Reichspropagandaministerium weitreichende Befugnisse zur Zensur und Spielplangestaltung eingeräumt wurden.
Was war die Aufgabe des Reichsdramaturgen?
Der Reichsdramaturg war dafür verantwortlich, die nationalsozialistischen Kulturrichtlinien im Theaterwesen umzusetzen und die Spielpläne entsprechend zu lenken.
Wie beeinflusste die NS-Ideologie die Spielpläne?
Die Spielpläne wurden von ›undeutschen‹ Einflüssen ›gesäubert‹, ›deutsche Klassiker‹ wurden ideologisch neu interpretiert und zeitgenössische Werke gefördert, die den NS-Vorstellungen entsprachen oder propagandistische Zwecke erfüllten.
Was bedeutete der Begriff "Entartete Musik"?
Dieser Begriff diente zur Diffamierung und Ausgrenzung von Musikern und Komponisten, deren Werke nicht den ästhetischen und ideologischen Vorstellungen der Nationalsozialisten entsprachen, insbesondere jüdische und modernistische Künstler.
Welche strukturellen Veränderungen gab es im Württembergischen Staatstheater Stuttgart?
Die wesentlichen Veränderungen umfassten den Wechsel der Intendanten von Kehm zu Krauß und später zu Deharde, die ›Säuberung‹ des Personals von jüdischen und politisch unliebsamen Mitarbeitern sowie die Anpassung der Finanzpolitik an die Vorgaben des NS-Staates.
Wie veränderte sich die Dramaturgie der Stuttgarter Staatstheater?
Die Stuttgarter Dramaturgischen Blätter wurden von einem neutralen Informationsorgan zu einem Propagandamedium, das die NS-Ideologie verbreitete und das Publikum auf die neuen Werte und Ziele einschwor.
Welche Schlussfolgerungen zieht die Arbeit?
Die Arbeit kommt zu dem Schluss, dass die Opernpolitik im NS-Staat stark von den ideologischen Vorgaben bestimmt war und die künstlerische Freiheit der Intendanten erheblich eingeschränkt wurde. Die Instrumentalisierung der Kunst zu Propagandazwecken führte jedoch nicht zu künstlerischen Höchstleistungen, sondern zu einer Verarmung und ideologischen Vereinnahmung des Kulturlebens.
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- Nina Urban (Author), 2002, Die Oper im "Dienst" der NS-Politik - dargestellt am Beispiel der Württembergischen Staatsoper in Stuttgart 1933-1944, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110646