INHALTSVERZEICHNIS
I. Einführung
II. Die ausgewählten Zeitungen
III. Analyse
IV. Schlussbemerkungund Ausblick
V. Quellenverzeichnis
V.1. Primärliteratur
V.2. Sekundärliteratur
Einführung
Die vorliegende Arbeit soll einen Einblick in die Berichterstattung der deutschen politischen Tagespresse über die Eskalation der Kosovo-Krise im März 1999 geben. Dazu wurden vier als einflussreich geltende Zeitungen ausgewertet: Die „ Frankfurter Allgemeine Zeitung “, die „ Süddeutsche Zeitung “, „ DIE WELT “ und die „ Frankfurter Rundschau “. Bei der Analyse der Berichterstattung liegt mein Hauptaugenmerk bei der Kommentierung der Ereignisse. Hierfür wurden insgesamt 28 Leitartikel, 52 weitere Kommentare sowie 30 Artikel untersucht.
Der Kosovo-Konflikt inklusive der im März 1999 eingeleiteten NATO-Luftschläge gegen serbische Militärstellungen bietet sich in mehrerer Hinsicht für eine solche Analyse an. Bundeskanzler Gerhard Schröder rechtfertigte die Intervention: „Damit will das Bündnis [die NATO] weitere schwere und systematische Verletzungen der Menschenrechte unterbinden und eine humanitäre Katastrophe im Kosovo verhindern.“1
In dieser Begründung stecken zwei eng miteinander verbundene Topoi, die für die Politik der Internationalen Beziehungen der 1990er charakterisierend waren. Diskutiert wurde darüber, ob ein
‚Krieg für Menschenrechte’ gerechtfertigt sei und ob dies mit Hilfe eines militärisches Eingreifen in die Souveränität eines Nationalstaates völkerrechtlich erlaubt sei.2 Axel Hermann fasst dies unter der Frage: „Ist die Gewährleistung der Menschenrechte im Völkerrecht der Gegenwart noch eine innere Angelegenheit souveräner Staaten?“ zusammen.3 Nach den militärischen Interven- tionen in Irak 1990/91, auf dem Balkan 1992, in Somalia 1993, in Haiti 1994 und Ost-Timor 1998,4 bei denen alle auch „Verletzungen der Menschenrechte“ eine tragende Rolle spielten, ist über den Alleingang der NATO 1999 als ‚humanitäre Intervention’ besonders heftig gestritten worden. Hinzu kommt, wie Richard Meng feststellt: „Wenn Krieg ist, wird die Medien- Gesellschaft vor neue Fragen gestellt“.5 Unter anderem darauf soll dies Arbeit Antworten suchen.
Aber auch aus einem anderen Blickwinkel ist eine Analyse der Tagespresse für einen Historiker spannend und hilfreich zugleich.
Eric Hobsbawm hat darauf hingewiesen, dass für einen Zeithistoriker das Studium von Zeitung zwingend zum Handwerkszeug gehöre.6
Zentral ist im Rahmen dieser Arbeit deshalb nicht eine historisch-wissenschaftliche Analyse des Kosovo-Krieges an sich7 sondern eine Aufarbeitung der journalistische Kommentierung in der deutschen Tagespresse. Detlef Junker schreibt dazu: „In Fragen der Politik und Weltgeschichte [haben] die Politiker das erste Wort, die Journalisten das zweite, die Politikwissenschaftler das dritte, aber die Historiker das letzte Wort“.8
Die Erforschung des Handeln von Politikern ist seit dem Altertum die wichtigste Disziplin der historischen Wissenschaft. Die Beschäftigung mit der ‚Geschichte der Geschichtswissenschaft’9 ist hochaktuell. Das zweite Glied der Junker’schen Kette, der Journalismus, rückt zusehends in das Blickfeld von Historikern – insbesondere von Zeithistorikern. Denn, wer beansprucht, tatsächlich ‚das letzte Wort’ zu haben, sollte sich stets bewusst sein, wie dieses zustande kommt.10 Dazu will diese Arbeit einen Beitrag leisten.
DIE AUSGEWÄHLTENZ EITUNGEN
II.1. Süddeutsche Zeitung
Die Süddeutsche Zeitung – kurz: SZ11 – hat ihre Redaktion in München. Sie wurde im 4. Quartal 1998 414.00012 mal verkauft. Sie wird als links-liberal eingestuft.13 Die Kommentare finden sich Seite vier („MEINUNGSSEITE“). Der zweispaltige Leitartikel umfasst in der Regel 138 Zeilen, darunter befinden sich drei Kurzkommentare mit je 44 Zeilen. Zwei weitere Kommentare mit je 80 Zeilen, eine Karikatur, die Vorstellung einer Person des aktuellen Zeitgeschehens („Im Profil“)
sowie Kommentare anderer Zeitungen („Blick in die Presse“) decken die restlichen vier Spalten ab. In der Zeit zwischen dem 8. März und dem 31. März 1999 wurden sechs Leitartikel und zehn Kommentare zu den Geschehnissen auf dem Balkan veröffentlicht.
II.2. Frankfurter Allgemeine Zeitung
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung – kurz FAZ14 – wurde im 4. Quartal 1998 400.00015 mal verkauft. Sie wird als rechts-liberal eingestuft.16 Die Kommentare befinden sich auf der ersten und der letzten Seite des Politik-Teils. Sie sind gekennzeichnet durch die gravurartige Überschrift. Der zweispaltige Leitartikel auf Seite eins umfasst in der Regel 160 Zeilen. In Ausnahmefällen finden sich zwei oder auch drei Leitartikel auf dem Titelblatt. Der zweite Kommentar auf dieser Seite umfasst 64 Zeilen, die drei Kurzkommentare auf der Rückseite 30. In der Zeit zwischen dem 24.
Februar und dem 31. März 1999 wurde sechs relevante Leitartikel und zwölf Kommentare veröffentlicht. Des weiteren wurden elf weitere Artikel auf Meinungsäußerungen untersucht.
II.3. DIE WELT
„DIE WELT“17 erscheint im Axel-Springer Verlag in Hamburg. Sie wurde im 4. Quartal 1998 218.00018 mal verkauft. Sie wird als recht-orientiert eingestuft.19 Die Kommentare (Leitartikel, drei weitere Kommentare und ein Gastkommentar) finden sich neben „Die internationale Presse“ auf Seite zehn. Der dreispaltige Leitartikel umfasst 111 Zeilen. Die Seiten zehn und elf sind beide unter „FORUM“ rubriziert. Auf Seite elf sind u.a. ein Porträt und ein Essay abgedruckt. In der
Zeit zwischen dem 19. März und dem 31. März 1999 wurden sieben relevante Leitartikel, acht Kommentare und 13 Essays, Gastkommentare bzw. Porträts abgedruckt.
II.4. Frankfurter Rundschau
Die Frankfurter Rundschau – kurz: FR20 – wurde im. 4. Quartal 1998 189.00021 mal verkauft. Sie wird als linksorientiert eingestuft.22 Die Kommentare finden sich unter der Überschrift
„Kommentar“ auf Seite drei („DIE SEITE DREI“). Der zweispaltige Leitartikel umfasst in der Regel 132 Zeilen, darunter befinden sich drei Kurzkommentare mit je 40 Zeilen. In Ausnahmefällen wird der Leitartikel auf Kosten der Kurzkommentare verlängert. In der Zeit zwischen dem 27. Februar und dem 31. März 1999 wurden neun Leitartikel und neun Kurzkommentare zu den Geschehnissen auf dem Balkan veröffentlicht. Für diese Arbeit wurden zudem 19 Artikel auf Meinungsäußerungen dazu analysiert.
Die Reihenfolge der Zeitungen in den folgenden Rubriken ist willkürlich, es herrscht keine Gewichtung bei der Auswahl der Artikel vor. Sie wurden repräsentativ für die jeweiligen Zeitungen ausgewählt und so aufgearbeitet, dass sie einen Fließtext ergeben. Zur besseren Orientierung wurden Autor und Zeitung hervorgehoben.
III. Analyse
III.1. Gerechter Krieg für Menschenrechte?
Zunächst sollen die Kommentare, die nach den Gründen für die Kosovo-Krise suchen, erläutert werden. Wichtigste Frage hierbei ist, ob es sich bei dieser ‚humanitären Intervention’, um einen Krieg für Menschenrechte handelt oder ob sie – als Eingriff in ‚innere Angelegenheiten’ Jugoslawiens – als Bruch des Völkerrechts anzusehen ist.
Für Herbert Kremp können „Luftschläge allein nicht zum Ziel führen“. Er schreibt in der WELT:
„Im Kosovo verstieß die ‚Reichsexekution’ [wie in Tschetschenien] gegen die Menschenrechte. Im Fall des Kosovo ist der Westen nicht gewillt, dies hinzunehmen. Das unterschiedliche Verhalten hat gute Gründe: eine bewaffnete humanitäre Intervention ist nur gegen kleinere Staaten möglich. Politische Opportunität besitzt Vorrang vor dem Prinzip. Zwar rücken die Menschenrechte im Kanon des Völkerrechts auf, haben aber die Souveränität und das aus ihr abgeleitete Recht zur Verteidigung nicht enthauptet. […] In die Drohung, Belgrad militärisch zum Einlenken zu zwingen, sind handfeste Interessen gemischt, die sans phrase überwiegen.
In der Balkan-Politik seit 1991/92 ging es um drei klare Ziele:
1.Das Hegemonialstreben Serbiens zu brechen;
2.Die Ausweitung des Krieges zu verhindern;
3.Die chaotische Migration nach Mitteleuropa zu stoppen.“23
Auch Torsten Krauel glaubt nicht an ein „goldenes Zeitalter der Menschenrechte“, denn: „die Europäer […] wissen, daß das Kosovo kein Modell für die globale Durchsetzung von Menschenrechten ist. In Europa soll weder ein neues Vertriebenenproblem entstehen noch ein Präzedenzfall für andere Staaten, Minderheiten einfach umzubringen.“24 Jörg Friedrich zeichnet ein sehr düsteres Bild der Verhältnisse in Serbien, das „ein restlos isolierter Pariastaat geworden [ist], wirtschaftlich ausgelaugt und gegen seine Chefs ermittelt das Haager Tribunal.“25
In der SZ begrüßt Michael Frank die Intervention, denn „in dem Bündel von Motiven zum Eingreifen das Schicksal der Menschen das primäre. Schon deshalb muß man der NATO Erfolg wünschen.“26. Auch für Kurt Kister sind die militärischen Maßnahmen „berechtigt“. Seine Argumente sind konservativer Natur, er schreibt: „Es ist ehrenhaft. als Pazifist militärische Gewalt grundsätzlich abzulehnen. Allerdings ist dies keine moralisch höherwertige Position als die Überzeugung, daß es Werte gibt, für deren Durchsetzung auch der höchste Einsatz, der des Lebens gerechtfertigt sein kann“27 Peter Münch weist darauf hin, dass durch diese Intervention, die NATO die Macht des Weltsicherheitsrates „unterminieren“ würde, dennoch geht es „im Fall der humanitären Intervention darum, die Blockademacht zu brechen, die im [UN-Sicherheitsrat] von den Veto-Mächten Rußland und China aus sachfremden Gründen […] mißbraucht wird. Bedauern können das nur Zyniker, denen der Buchstabe eines solchermaßen mißbrauchten Völkerrechts heiliger ist als die Menschenrechte und wichtiger als die Verhinderung eines Völkermordes“28 Münch hatte knapp zwei Wochen zuvor schon befunden, dass sich die serbische Armee auf einen Krieg einstelle: „Die Streitkräfte bereiten sich auf die ‚Verteidigung des Vaterlandes’ vor, albanischen ‚Terroristen’ wird ebenso wie „Verrätern“ in den eigenen Reihen mit Abrechnung gedroht.“29
[...]
1href="http://www.bundeskanzler.de/Reden-.7715.8165/Erklaerung-von-Bundeskanzler-Gerhard-Schroeder-z...htm">http://www.bundeskanzler.de/Reden-.7715.8165/Erklaerung-von-Bundeskanzler-Gerhard-Schroeder-z...htm 22.2.2004 (17.00h).
2 z.B.: Brunkhorst, Hauke (Hg.): Einmischung erwünscht? Menschenrechte und bewaffnete Intervention, Frankfurt/Main 1998; Peter Rudolf: Menschenrechte und Souveränität: Zur normativen Problematik ‚humanitärer Intervention’. Berlin (Stiftung Wissenschaft und Politik) 2001.
3 BpB (Hg.): Menschenrechte. In „Informationen zur politischen Bildung“ 210/2000. S. 37.
4 Aber auch der nicht erfolgten Intervention 1994 in Somalia.
5 Richard Meng: Angst vor dem falschen Signal. Bonn am Tag vor den NATO-Angriffen – zwischen leisem Erschrecken und antrainierter Routine. Frankfurter Rundschau 25.3.1999. S. 3.
6 Eric Hobsbawm: Das Zeitalter der Extreme. Weltgeschichte des 20. Jahrhunderts. München 62003. S. 7– 13.
7 Die es bis heute noch gar nicht umfassend gibt. Ansätze u.a. bei: Gregor Schöllgen: Der Auftritt. Deutschlands Rückkehrm auf die Weltbühne. München 2003. S. 70ff. Robert Kagan: Macht und Ohnmacht. Amerika und Europa in der neuen Weltordnung. S. 55 – 63. oder Herfried Münkler: Die neuen Kriege. Reinbek 2002. S. 222ff.
8 Detlef Junker: Power and Mission. Was Amerika antreibt. Freiburg 2003. S. 155f.
9 z.B..: Lutz Raphael: Geschichtswissenschaft im Zeitalter der Extreme. Theorien, Methoden, Tendenzen von 1900 bis zur Gegenwart. München 2003. Nicolas Berg: Der Holocaust und die westdeutschen Historiker. Göttingen 2003. Oder auch ‚Feuilleton-Diskussion’ über die Biografie wichtiger Historiker wie Martin Broszat oder Fritz Fischer.
10 Insbesondere da Journalisten nicht nur die ersten Interpreten der Politik sind (‚veröffentlichte Meinung’), sondern auch unmittelbaren Einfluss auf die Meinung der Bevölkerung (‚öffentliche Meinung’) haben.
11href="http://www.sueddeutsche.de/">www.sueddeutsche.de
12 Wolfgang Rudzio: Das politische System der Bundesrepublik Deutschland. Opladen 52000. (Rudzio: 2000) S. 494
13 ebd. S. 491
14 href="http://www.faz.net/">www.faz.net
15 Rudzio: 2000. S. 494.
16 ebd. S. 491.
17 href="http://www.welt.de/">www.welt.de
18 Rudzio: 2000. S. 494.
19 ebd. S. 491.
20href="http://www.fr-aktuell.de/">www.fr-aktuell.de
21 Rudzio: 2000. S. 494.
22 ebd. S. 491
23 Herbert Kremp: Auf Belgrad mit Backpulver schießen. Luftschläge allein führen nicht zum politischen Ziel – die Politik will aber nicht hören. DIE WELT 20.3.1999. S. 11.
24 Torsten Krauel: Kosovo ist nah und Tibet weit. DIE WELT 30.3.1999. S. 10.
25 Jörg Friedrich: Ewiger Mythos vom "Stirb und werde!" Wie 1914 will Serbien sich durch Krieg und mit Hilfe Rußlands aus der Paria-Rolle befreien. DIE WELT 27.3.1999. S. 11.
26 Michael Frank: Kreuzpunkt aller Konflikte. Auch dieser Balkan-Krieg setzt nur fort, was schon zu römischen Zeiten die Region zerfleischte. SZ 27.3.1999. S.4.
27 Kurt Kister: Der höchste Einsatz. SZ 26.3.1999. S.4. (Leitartikel)
28 Peter Münch: Die Würfel sind gefallen. SZ 25.3.1999. S.4. (Leitartikel)
29 Peter Münch: Das zynische Spiel des Despoten. SZ 12.3.1999. S.4.
- Arbeit zitieren
- Sven Matis (Autor:in), 2002, 'Humanitäre Intervention': Krieg für Menschenrechte? Der Kosovo-Krieg im Echo Der Deutschen Presse (März 1999), München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110382
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