HUMOR, KULTUR ODER NATUR?
Wenn es um wissenschaftliche Betrachtungsweisen von Humor geht, stürzen sich seltsamer Weise immer die Psychologen und nicht die Soziologen auf dieses Thema. Es gibt nur wenige theoretisch-soziologische Studien über den Humor — dabei haben Soziologie und Humor doch einiges gemeinsam: Beide treten aus der alltäglichen Routine heraus, um menschliches Verhalten darzustellen — und mitunter zu persiflieren.
LACHEN HAT AUTONOME FUNKTIONEN
Folgt frau Analysen verschiedener Philosophen und Psychologen, ist Humor einer der fundamentalsten Aspekte des Menschen. So stellt die humorvolle Haltung eine Erweiterung der Möglichkeiten dar, Unlust zu vermeiden. Freud war immer der Meinung, Humor sei die einzige nicht-neurotische Abwehr der Leidensmöglichkeit. Wie eine Neurose, so der Urvater aller Triebtheorien, entsteht auch der Humor aus dem Konflikt zwischen Natur und Kultur im Menschen.
Sicher ist, dass es ein Lachen gibt, das nicht mit Humor verknüpft ist und Humor, der kein Lachen auslöst. Somit hätten wir zwar schon geklärt, dass Lachen autonome Funktionen hat und unabhängig vom Humor ist - nur: Ist dieser dem Menschen nun in die Wiege gelegt oder “erlernt” er ihn im Rahmen der Sozialisation?
DAS GEHEIMNIS IST GELÜFTET
Die Briten behaupten, jetzt das Rätsel gelöst zu haben. Und siehe da: Die Gene sind es nicht, die uns schenkelklopfend zusammenbrechen lassen, wo andere uns nur irritiert mustern. Nach Ansicht einer britischen Forschergruppe sind die Erziehung und die Umgebung, in der man aufwächst, dafür verantwortlich, ob wir Humor entwickeln oder nicht. Um dieses Ergebnis in einer Studie präsentieren zu können, wurden ein- und zweieiigen Zwillingspaaren Gary Larson Cartoons vorgelegt, die sie dann auf einer Skala von «Papierverschwendung» bis “eine der witzigsten Karikaturen, die ich je gesehen habe” bewerten sollten. Da aber leider wider Erwarten die eineiigen Zwillinge in ihrer Bewertung nicht näher beieinander lagen als die Kontrollgruppe der zweieiigen Zwillinge, ist jetzt alles klar. Die Angelsachsen folgern daraus, dass es offenbar keinen “Humor-Faktor” gibt - auch das Alter ist unerheblich.
FORM DER AUSEINANDERSETZUNG
Doch dass der Mensch überhaupt lacht, lässt sich laut Schiefenhöfel, seines Zeichens Verhaltensforscher an der Universität München, durchaus genetisch erklären. So ist unser Lachen nichts weiter als die Fortentwicklung des tierischen Spielbeissens - eine ungefährliche, unbeschwerte Auseinandersetzung mit Artgenossen. Und da können wir Soziologen schliesslich auch noch etwas zum Thema beitragen. Ist es uns doch schon lange aufgefallen, dass Menschen lachen, um ihren Platz in der Gruppe zu sichern, sich von “den anderen” abzugrenzen. Humor verbindet, erzeugt ein Gefühl der Zusammengehörigkeit, auch wenn es nur von kurzer Dauer sein mag. Wer sich in einer Gruppe von Fremden erfolgreich mit Humor einführt, hat die ersten Hürden genommen.
Humor hat in den allermeisten Fällen aber auch etwas mit der Schwäche anderer zu tun, seien es nun Biondinen oder Männer, und das bewirkt das Gefühl der Überlegenheit. Und je überlegener ich mich fühle oder wenigstens präsentiere, desto weniger bedrohlich erscheint mein Gegenüber - für mich und alle anderen Anwesenden. Humor: oft das Spiel mit der Bedeutung. Manchmal wird ein Witz erzählt, um ein paar Lacher zu ernten. Harmlos und ohne tiefere Bedeutung. Oft aber stehen hinter Witzen psychologische und soziale Motive, wie das Ausdrücken von Feindschaft oder das Abreagieren von Spannungen. Der Humor ist die einzige Möglichkeit des Menschen, in einer Gruppe Ressentiments zu thematisieren, ohne die Anwesenden zu provozieren, Stellung zu beziehen. Der Angegriffene wird zwar die Spitzen in den meisten Fällen sehr wohl registrieren aber nur selten wird es zu einem offenen Konflikt kommen. Hat der (<Angreifer)) die Lacher auf seiner Seite, wird er nur den Ball aufgreifen können und scherzhaft, boshaft antworten —ansonsten geht ihm schnell der Ruf voraus, humorlos zu sein. Ein Witz ist somit oft nur in einem sozialen Kontext sinnvoll und verständlich. Die Qualität seines Humors ist abhängig von der menschlichen Interaktion in einer bestimmten Situation.
Da fällt mir ein: Wissen Sie eigentlich, was Wolken und Männer gemeinsam haben? Es kann noch ein schöner Tag werden, wenn sie sich verziehen...
Quellen:
- Sigmund Freud (1940): Gesammelte Werke Band VI: Der Witz und seine
Beziehung zum Unbewussten. Frankfurt/Main: Fischer.
Annette M. Fried & Joachim Ph. Keller (1991): Identität und Humor. Frankfurt/Main: Haag und Herchen.
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