In der folgenden Hausarbeit zum Thema „Die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen als Herausforderung der Demokratie“ will ich die institutionellen Verfahren in einer repräsentativen Demokratie in Bezug auf ökologische Probleme untersuchen. Dabei steht die Frage im Vordergrund, ob das politische System der repräsentativen Demokratie für Lösungen dieser Probleme geeignet ist oder nicht. Vorab werde ich zunächst die verschiedenen normativen und empirischen Theoriestränge vor- und darstellen, aus denen sich die heutige repräsentative Demokratie zusammensetzt.
In der repräsentativen Demokratie vereinigen sich zwei sehr unterschiedliche Prinzipien, das Amtsprinzip und das Demokratieprinzip. Um den Unterschied dieser beiden Prinzipien zu verstehen ist zunächst ein Blick auf die Definitionen hilfreich: Das Demokratieprinzip geht davon aus, dass jeder Bürger das gleiche Recht auf die freie Mitwirkung an den gemeinsamen öffentlichen Aufgaben besitzt. Es bündelt die Rechte der Bürger in der Denkfigur der Volkssouveränität. Beim Amtsprinzip ist das jeweilige Amt an einen bestimmten Auftrag geknüpft. In demokratischen Gesellschaften ist diese Bestimmung in der Regel, dem Gemeinwohl zu dienen. Die Befugnis für andere Entscheidungen zu treffen ist zentrales Recht des Amtsinhabers. In demokratischen Verfassungsstaaten gilt dieses Recht allerdings nicht als ursprüngliches Recht, sondern als übertragene Vollmacht.[1] Ein weiterer Unterschied der beiden Prinzipien begründet sich aus ihrer unterschiedlichen historischen Entwicklung. Das Amtsprinzip ist in ihrem Charakter der Repräsentation größtenteils durch die Idee der Volkssouveränität beeinflusst worden. Während in der Ständeverfassung, aus der sie geschichtlich hervorgegangen ist, die Amtsinhaber der ständischen Parlamente spezielle Interessen gegenüber dem monarchischen Souverän vertraten, haben demokratisch legitimierte Amtsinhaber heute die Aufgabe den staatlichen Souverän darzustellen.[2] Auch das ursprüngliche Prinzip der Demokratie, entfernte sich immer mehr von seinem Ursprung, der in der attischen Demokratie liegt und eine Versammlungsdemokratie darstellte. Diese Form der politischen Ordnung änderte sich im Verlauf hin zu der Form der repräsentativen Demokratie. Die repräsentative Demokratie ist heute die gängige Staatsform in demokratischen Staaten, wie zum Beispiel dem der Bundesrepublik Deutschland. Trotzdem diese beiden Prinzipien unterschiedliche Theoriestränge sind, werden sie in dem System der repräsentativen Demokratie zusammengeführt.
Im Gegensatz zu dem Demokratieprinzip, das den Anspruch der Bürger auf die gemeinsame Regelung von öffentlichen Angelegenheiten beinhaltet, ist das Amt in demokratischen Verfassungsstaaten institutionell begrenzt und rechtlich gebunden. Dies begründet sich vor allen Dingen aus dem Umstand, dass es in dem Aufgabenbereich des Amtes bzw. des Amtsinhabers liegt, Entscheidungen über dritte zu fällen. Daher liegen seine Grenzen in der sogenannten „Amtsverfaßtheit“[3] Diesbezüglich nennt Tine Stein vier wesentliche Kennzeichen von politischen Amtsträgern in demokratischen Verfassungsstaaten: Hierzu lässt sich zunächst die Eigenschaft der „anvertrauten Gewalt“ des Amtsinhabers nennen. Damit sind die übertragenen Entscheidungsbefugnisse gemeint über die er verfügt. D.h., die ihm verliehene Gewalt, Entscheidungen zu treffen, erhält er von dritten, und zwar von denjenigen, über die er später Entscheidungen fällen muss. Ein weiteres Kennzeichen ist, dass sich die ihm verliehene Macht, Entscheidungen zu treffen, in einem rechtlich klar abgegrenzten Rahmen bewegt. Das dritte Kennzeichen knüpft an das vorangegangene an: Der Amtsträger kann demnach nämlich keine beliebigen Ziele verfolgen, sondern muss sich an den Auftrag, der an das Amt gekoppelt ist, halten. Diesen Auftrag beschreibt Kielmansegg mit den Worten „die Bestimmung des Amtes ist das Gemeinwohl.“[4] Das letzte von Stein genannte Kennzeichen ist, dass der Amtsinhaber seine Entscheidungen vor den Wählern, also denjenigen die ihm den Auftrag verliehen haben, rechtfertigen bzw. verantworten muss.
Die Verantwortung, bzw. die Verantwortlichkeit von Entscheidungen ist hinsichtlich der Zusammenführung des Demokratieprinzips bzw. der Wettbewerbsdemokratie mit dem Amtsprinzip äußerst wichtig. Da Demokratie nicht als Selbst- sondern als Mitbestimmung der einzelnen Bürger definiert wird[5], ist die eben beschriebene Amtsverfaßtheit zwingend notwendig. Der Amtsinhaber muss mit seiner Entscheidungsgewalt an dieses Amt gebunden sein, da er andernfalls nicht verantwortlich für seine Entscheidungen wäre, die er über Dritte fällt. Dies würde eklatant den Grundsätzen des demokratischen Verfassungsstaates und den Menschenrechten zuwider laufen.
Die repräsentative Demokratie weist (in Wettbewerbssituationen) in einem anderen Punkt einen weiteren Schnittpunkt zwischen Demokratie- und Amtsprinzip auf, „und zwar im Moment der Rückkoppelung der politischen Entscheidungsträger an den Willen der Wählerschaft, die über eine mögliche Verlängerung oder Revision des Auftrags bestimmt.“[6] Damit ist die demokratisch legitimierte Vergabe von Macht auf Zeit gemeint. Die demokratische Wahl als solche reicht also noch nicht aus, ein Amt ausreichend zu legitimieren. Erst die Möglichkeit des Volkes bzw. des Wählers, dem jeweiligen Amtsinhaber, die ihm anvertraute Macht zu entziehen, legitimiert die Macht des Amtsinhabers. Eine weitere wichtige Legitimationsquelle von Entscheidungsträgern darf in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Ein Amtsinhaber ist nämlich erst dann ausreichend legitimiert, wenn er sich bei seiner Wahl gegen Konkurrenten durchsetzen musste. D.h. das Volk bzw. der Wähler muss bei einer entsprechenden Wahl die Auswahl zwischen mehreren (also mindestens zwischen zwei) Bewerben haben. Andernfalls würde sich nach einem möglichen Entzug des Vertrauens gegen einen Amtsinhaber der Zustand der Anarchie bzw. der Herrschaftslosigkeit ergeben. Der Wettbewerb ist also für die demokratische Legitimation von Herrschaft von essentieller Bedeutung und die Idee der Wettbewerbsdemokratie und der Ämterdemokratie finden hier zusammen. Sie befinden sich in der repräsentativen Demokratie sogar in einem Abhängigkeitsverhältnis, da die Besetzung von öffentlichen Ämtern, wie eben beschrieben, durch Eigenschaften der Wettbewerbsdemokratie erst endgültige Legitimität erlangt.
Neben dieser normativen Ansicht ist eine kurze empirische Betrachtung der Verbindung von Wettbewerbs- und Ämterdemokratie für die darauf folgende Diskussion, um die Problemlösung von ökologischen Problemen in repräsentativen Demokratien wichtig: In der heutigen politischen Realität muss, nach Stein, ein Amtsinhaber bzw. ein Bewerber um ein Amt zwei Bedingungen erfüllen, um eine realistische Chance auf den Erwerb eines Amtes zu haben: Er muss zunächst Mitglied einer politischen Partei sein und sich zweitens in die jeweilige Parteistrategie einfügen. In Bezug auf die Verantwortlichkeit von Entscheidungen bedeutet dies, dass sich ein Amtsinhaber oder Bewerber auf zwei Ebenen rechtfertigen muss: einmal gegenüber seiner Partei und zum anderen gegenüber der Wählerschaft.[7] Der Konkurrenzkampf in einer Wettbewerbsdemokratie hat nach Stein außerdem noch einen anderen Effekt, nämlich den, dass der Wettbewerb „der wichtigste Mechanismus“ sei[8], um öffentliche Probleme, also solche, die alle Mitglieder der Gesellschaft (oder sogar darüber hinaus weitere Individuen oder Gesellschaften) betreffen, auf die politische Agenda zu setzen. Da sich der Spielraum für politische Entscheidungen in der politischen Wirklichkeit aus der Zustimmung der Mehrheit zusammensetzt, ist die Gefahr relativ groß, bei einer falschen Prognose den Wettbewerb um die Macht zu verlieren. Deshalb ist es für Politiker, aber besonders auch für politische Parteien, von größter Wichtigkeit, den Rahmen des mehrheitsfähigen genau zu kennen. Schwelle zwischen Annahme und Ablehnung wird auch als demokratischer Grenzwert bezeichnet.[9]
Nachdem eben die Zusammenführung bzw. Schnittmengen der verschiedenen Stränge des Amtsprinzips und des Demokratieprinzips bzw. des Prinzips der Wettbewerbsdemokratie aufgezeigt wurden, soll nun versucht werden, die Schwierigkeiten bei der Umsetzung von ökologisch sinnvollen Politiken dargestellt werden. Diese Schwierigkeiten werden unter anderem unter dem Aspekt der ökonomischen Theorie betrachtet. Die Probleme, die sich hinsichtlich der Umsetzung von ökologischer Politik ergeben, soll nun unter den Gesichtspunkten der ökonomischen Theorie, des zeitlichen Aspektes, der sozialen Frage und den rechtlichen Rahmenbedingung erörtert werden.
Unter Anwendung der ökonomischen Theorie, ergeben sich hinsichtlich der Problemlösungsfähigkeit von repräsentativen Demokratien, deutliche normative Grenzen. Sie ergeben sich zunächst aus der Annahme des auf Nutzenmaximierung fixierten homo oeconomicus. Die Bürger, aber auch die Amtsinhaber bzw. Bewerber, verhalten sich demnach streng rational in der Verfolgung ihrer Interessen. Die Lösung von ökologischen Problemen verlangt in der Regel aber Kosten für das gesamte ökonomische System und den einzelnen Bürgern. Diese Kosten, die bei der Lösung von ökologischen Problemen entstehen, können materieller Natur sein und die Mobilität eines jeden Bürgers (z.B. bei der Reduktion von Kohlenstoffdioxid) einschränken. Für den nutzenorientierten Bürger würden also kurzfristig mehr Kosten (z.B. materiell) als Nutzen entstehen. Für den verantwortlichen Politiker, der sich im Konkurrenzkampf um ein politisches Amt befindet, ergibt sich der ökonomische Theorie nach zur Folge, die Notwendigkeit, ökologische Themen, die mit Kosten für die Allgemeinheit verbunden sind, nicht auf die politische Agenda zu setzen, da dies für ihn wahrscheinlich mit einer Niederlage in der Wahl um das Amt oder mit dem Verlust des Amtes verbunden wäre. Diesen normativen Einwänden lässt sich entgegenhalten, dass es zahlreich empirische Beispiele dafür gibt, dass sich sowohl Wähler, als auch Bewerber um politische Ämter dieser Theorie nicht entsprechend, also im Sinne der ökonomischen Theorie nicht rational verhielten. Beispiele dafür sind der im Jahre 1998 eingeleitete Atomausstieg und die Einführung der so genannten „Ökosteuer“ durch die Rot – Grüne Bundesregierung, die trotz dieser Beschlüsse die darauf folgende Bundestagswahl im Jahre 2002 für sich entscheiden konnte. Für das Problem der Thematisierung von ökologischen Politiken bedeutet dies, dass es durchaus möglich ist, diese auf die politische Agenda zu setzen, ohne den Konkurrenzkampf um ein Amt von vornherein zu verlieren. Allerdings „hat es der Amtsinhaber unter den Funktionsbedingungen des Wettbewerbs ausgesprochen schwer, für ökologische Lösungen mehrheitlich Zustimmung zu organisieren – da im Wettbewerb grundsätzlich das Risiko besteht, dass sich ein Anbieter findet, der die kurzfristig orientierten materiellen Interessen anspricht:“[10] Der zeitliche Aspekt spielt in dieser Diskussion eine große Rolle. Dies liegt zum einen an dem Umstand, dass bedenkliche Folgen von ökologischen Schädigungen oft erst in ferner Zukunft auftreten, bzw. dass sich Erfolge von politischen Entscheidungen, die das Ziel haben, ökologische Probleme zu lösen, ebenfalls erst in ferner Zukunft einstellen. Unter Berücksichtigung der Annahme des „kurzfristig kalkulierenden Individuums“ sollte auf jeden Fall daran erinnert werden, dass in diesem Fall der Gegenwartskonsum wichtiger ist, als ein Schaden, der sich erst in ferner Zukunft einstellt[11]. Genau hier liegt eines der größten Probleme von repräsentativen Demokratien in Bezug auf ökologische Politik, da sich Erfolge in diesem, aber auch in anderen zukunftsweisenden Politikfeldern nur in den seltensten Fällen innerhalb einer Legislaturperiode einstellen.
Deshalb könnte man nun unterstellen, dass die ökologischen Probleme und ihre Lösungsmöglichkeiten zeitlich nicht im Einklang mit Legislaturperioden stehen. Allerdings lässt sich dieses vermeintliche Dilemma nach Stein durch einen erneuten Blick auf die ökonomische Theorie auflösen. Betrachtet man ökologische Systeme als öffentliches Gut, so lassen sich negative Effekte Externalisieren. Damit ist folgende Überlegung gemeint: Versteht man die politische Auseinandersetzung in einer Wettbewerbssituation als Markt, so sind die Wähler Marktteilnehmer, die an dem günstigsten Preis interessiert sind. Politiker, die sich um ein Amt bewerben sind demzufolge die Anbieter. In Bezug auf ökologische Politik bedeutet dies, dass Politiker etwaige Kosten in die Zukunft externalisieren, um den Wählern einen kurzfristigen Nutzengewinn zu ermöglichen und damit ihren eigenen Machterhalt zu sichern.
Eine weitere Restriktion bei der Umsetzung von ökologischen Problemlösungen, die mit Kosten für die Gesellschaft als Ganze und den einzelnen Bürger im speziellen verbunden sind, ergibt sich eine weitere Schwierigkeit, nämlich die der sozialen Komponente. Nach Claus Offe und Volker Ronge besteht das oberste Interesse der Staatsgewalt darin, politische Bedingungen zu schaffen, welche die staatliche Macht bewahren und „dem privaten Akkumulationsprozeß förderlich sind.“[12] Würde eine Regierung ökologisch sinnvolle Normen einführen, hätte dies, aufgrund der zu erwartenden Kosten negative Folgen auf die internationale Wettbewerbsfähigkeit des Landes. Ein Resultat, welches sich vermutlich ergeben würde, wäre die Verringerung des Wohlstandes der gesamten Bevölkerung, da die Lebenshaltungskosten und die Arbeitslosigkeit steigen, sowie die Löhne sinken würden. Die politische Gefahr einer solchen Entwicklung wäre nicht nur das Risiko des Machtverlustes für den Amtsinhaber, sondern die Gefahr des Vertrauensverlustes und damit der Legitimitätsentzug für das demokratische System als Ganzes.[13] Doch selbst wenn ein Amtsinhaber oder Repräsentant bereit sein sollte, dieses Risiko einzugehen, so wäre die Umsetzung nicht ohne weiteres möglich; denn in der Diskussion um Restriktionen, dürfen die rechtlichen Grenzen, die den Handlungsspielraum des Herrschaftsauftrags begrenzen, nicht vergessen werden. Viele Normen, die die Beseitigung von ökologischen Problemen zum Ziel haben, greifen in den geschützten Raum der Grundrechte der Bürger. Das Verhalten der Bürger hätte zufolge, dass deren private Lebensführung massiv betroffen wäre. Würde ein demokratisch legitimierter Repräsentant trotzdem dementsprechende ökologische Entscheidungen treffen, so würde er das eben bereits erwähnte Risiko eingehen, seine eigene Macht bei der Wiederwahl zu gefährden, oder im schlimmsten Fall, die Akzeptanz des gesamten demokratischen Systems aufs Spiel setzten. All diese Restriktionen zeigen, dass die Umsetzung von ökologisch sinnvoller Politik mit großen Schwierigkeiten verbunden ist. Abschließend soll untersucht werden, ob ökologisch motivierte Handlungsweisen, dem Repräsentanten Schwierigkeiten bereiten, wenn sie „dem Amtsethos genügen“[14] wollen.
Der demokratische legitimierte Amtsinhaber geht, wie bereits anfangs erwähnt, die normative Verpflichtung ein, dass er seine Entscheidung verantwortet. Die Verantwortung, die er bei der Problemlösung eingeht, lässt sich in zwei Kategorien einteilen, nämlich in die inhaltliche, die auf die Materielle Qualität gerichtet ist und die politische, in der der Amtsinhaber seine Entscheidung rechtfertigen muss.
Bezüglich der inhaltlichen Dimension muss der Amtsinhaber auf die materiellen Auswirkungen seiner Entscheidungen achten, da er sich mit dem Eintritt in das Amt dazu verpflichtet hat, dem Wohl des Volkes[15] dienen. Dies verdeutlicht noch einmal, dass er kein Repräsentant bestimmter Interessengruppen ist, sondern den Interessen aller Bürger verpflichtet ist. In einem demokratischen Verfassungsstaat ist dieser Auftrag jedoch nicht an explizit vorgeschriebene Entscheidungen gebunden. Mandatsträger sind in ihren Entscheidungen, im Rahmen rechtlicher Restriktion frei. Dies bedeutet allerdings auch, dass sie damit ihre Entscheidungen persönlich verantworten müssen. Er muss außerdem bei problemlösenden Entscheidungen bei seiner Entscheidungsfindungen nicht nur berücksichtigen, im Sinne der Unterscheidung zwischen gesinnungsethischen und verantwortungsethischen Haltung nach Max Weber, ob diese im Einklang mit moralischen Prinzipien stehen, sondern er muss auch die Folgen seiner Entscheidungen abwägen. Grenzen für die verantworteten Entscheidungen, die unter der Berücksichtigung der Konsequenzen gefällt wurden, liegen in der Variable des Nicht-Wissens. Hier liegt auch das zentrale Problem bei ökologischen Problemlösungen, da sich Konsequenzen von etwaigen Schäden, sofern sie überhaupt absehbar sind, erst wesentlich später einstellen können. Diese Grenzen von folgebewusstem politischen Handelns sind zum einen für die Betroffenen der Handlungen und für denjenigen, der die Entscheidung fällt und zu verantworten hat von größter Wichtigkeit. Gerade für denjenigen, der die Entscheidung zu verantworten hat ergibt sich hierbei ein Dilemma. Jede seiner Entscheidung, die er unter dem Eindruck des Nicht-Wissens getätigt hat (auch die, sich nicht zu entscheiden) kann in Zukunft negative Folgen nach sich ziehen. Verhält sich der Entscheidungsträger im Sinne einer Verantwortungsethik und fällt seine Entscheidung im „Dienste der Zukunft“, so kann sich für ihn ein neues Problem ergeben: Wenn Kosten die der vermeintliche Vorteil in der Zukunft, der Gegenwart aufgetragen werden, so kann die verantwortete Entscheidung moralisch in Zweifel gezogen werden. Positive Effekte würden also, auf Kosten der Lebensqualität, ja sogar auf Kosten von Freiheitsrechten, in die Zukunft externalisiert[16]. In der inhaltlichen Ebene wird also deutlich, dass es für Entscheidungsträger enorme Schwierigkeiten aufwirft, Problemlösungen im Raum des Nicht-Wissens fällen und zu verantworten müssen.
Die zweite Kategorie von verantworteten Entscheidungen ist die der politischen Verantwortlichkeit. Damit ist die Verantwortung gemeint, die der Amtsinhaber mit seinen Entscheidungen eingegangen ist und die er in dem Sinne rechtfertigen muss, ob er den ihm verliehenen Auftrag (dem Wohl des Volkes zu dienen) durch sein politisches Handeln erfüllt oder nicht. Die Instanz, die darüber zu richten hat, ist einem repräsentativen demokratischen Verfassungsstaat die Wählerschaft. Diesbezüglich wirft Tine Stein die These auf, „dass die inhaltliche und die politische Dimension der Verantwortlichkeit kollidieren können, nämlich dann, wenn es zu einer Diskrepanz zwischen dem kommt, was nach Amtsauftrag erforderlich wäre, und dem, was die Wähler wollen.“[17] Rudolph Bahro geht hier sogar noch einen Schritt weiter: Er behauptet, dass die Wettbewerbssituation in der repräsentativen Demokratie dazu führt, dass, je höher der Grad der Repräsentativität in einem demokratischen System, umso größer das Interesse der Wählerschaft an „unmittelbaren und kurzfristigen Interessen“[18] ist. In Bezug auf ökologische Problemlösungsvorschläge bedeutet dies, dass der demokratische Grenzwert, gerade von Parteien, die ein besonders hohes Interesse am Erwerb bzw. an der Verteidigung von Macht haben, so gesetzt wird, dass kurzfristige Belastungen zum Wohle der Umwelt kaum eine Chance haben, umgesetzt zu werden. Die Dimension der politischen Verantwortung kann demzufolge also die dem Gemeinwohl verpflichtete, inhaltliche bzw. sachliche Dimension blockieren. Allerdings beschreibt dieser Aspekt nur einen Teil der politischen Verantwortung. In diesem Zusammenhang muss auf jeden Fall der politische Rückbezug des Amtsinhabers an seine Auftraggeber (den Wählern) genannt werden. Die staatliche Gewalt hat demzufolge durchaus die Möglichkeit tiefgreifende Veränderungen durchzusetzen, wenn eine Mehrheit derjenigen dem zustimmt, die davon betroffen sind. Auch wenn die Untersuchung der Problemlösungsfähigkeit von repräsentativen Demokratien auf Schwierigkeiten stoßen kann, so ist die Möglichkeit, ökologische Themen in der Öffentlichkeit zu diskutieren vorhanden.
Dies ergibt sich gerade durch die Verpflichtung des Amtsinhabers seine Entscheidungen in der öffentlichen Diskussion zu rechtfertigen. Dadurch erreicht das politische System der Demokratie „einen hohen Rationalitätsvorsprung vor politischen Ordnungen, die systematisch auf frei Diskussion (parlamentarische wie auch gesellschaftliche) verzichten.“[19] Vergleicht man nämlich autokratische oder diktatorische Systeme, in welcher der Bürger weder das Recht auf freie Meinungsäußerung hat, noch die Möglichkeit besitzt, über die Vergabe von öffentlichen Ämtern und damit auch über die Alternativen zukünftiger Entscheidungen durch eine Wahl mitzubestimmen, so lässt sich empirisch nicht feststellen, dass es in solchen Systemen zu einer schnelleren Lösung von ökologischen Problemen gekommen ist, es ist sogar eher das Gegenteil feststellbar. Demokratische Gesellschaften Sind also, trotz allen Schwierigkeiten und Restriktionen eher in der Lage, ökologische Probleme zu thematisieren und zu lösen als andere politische Ordnungsformen und Systeme.
Abschließend lässt sich also festhalten, dass es für Amtsträger in einer repräsentativen Demokratie nicht einfach bzw. mit einem gewissen Risiko verbunden ist, ökologische Problemlösungsvorschläge in die öffentliche Diskussion zu bringen und vor allen Dingen diese umzusetzen. Es ergeben sich zahlreiche normative Hürden, deren Ursachen in dem politischen System und in der politischen Auseinandersetzung zu finden sind. Allerdings sind diese Schwierigkeiten nicht unüberwindbar, da es jedem Politiker bzw. jeder politischen Partei (im Gegensatz zu diktatorischen Systemen) frei steht, ökologische Themen auf die politische Agenda zu setzen. Außerdem sind Wähler, meiner Meinung nach, nicht ausschließlich an kurzfristigen Nutzen interessiert. Gerade nach Ereignissen, die ökologische Konsequenzen nach sich ziehen bzw. nach sich ziehen könnten, ist eine bemerkenswerte Sensibilisierung in der Bevölkerung in Bezug auf ökologische Nachhaltigkeit feststellbar. Beispiele dafür sind die Explosion im Kernreaktor von Tschernobyl 1986 oder der Versuch des Shell-Konzerns die Ölplattform Brent Spar in der Nordsee zu versenken, die ökologisch motivierten Bewegungen und Parteien ungemein in der Sensibilisierung für ökologische Probleme halfen. So gelang es der Partei Bündnis 90/Die Grünen, wie bereits erwähnt, im Jahre 1998 auf Bundesebene Regierungsverantwortung zu übernehmen und ökologische Politik (Förderung von regenerativen Energieträgern, Ausstieg aus der Atomenergie, Einführung der so genannten „Ökosteuer“, Eindämmung der Kohlendioxid – Emissionen etc.)in den folgenden sieben Jahren durchzusetzen. Es gelang ihnen in der Bundestagswahl 1998 so viele Stimmen zu bekommen, um in eine Regierung eintreten zu können und darüber hinaus die Regierungsverantwortung in der Bundestagwahl 2002 zu behaupten.
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[1] Vgl. http://www.abinullvier.net/downloads/Abitur_Zusammenfassung_Gemeinschaftskunde_Demokratie_abinulllvier_net.pdf
[2] Stein, Demokratie und Verfassung an der Grenze des Wachstums. Zur ökologischen Kritik und Reform des demokratischen Verfassungsstaates, Opladen 1998, S. 124
[3] Stein, a.a.O., S. 125
[4] Peter Graf Kielmansegg, (zit. Stein a.a.O., S. 126) Die Quadratur des Zirkels. Überlegungen zum Charakter der repräsentativen Demokratie, in: Ulrich Matz (Hrsg.), Aktuelle Herausforderungen der repräsentativen Demokratie, Köln u.a. 1985
[5] Stein, a.a.O., S. 126
[6] Stein, a.a.O., S. 127
[7] Stein, a.a.O., 128 f.
[8] Stein, a.a.O., 129
[9] Stein, a.a.O., 129 f.
[10] Stein, a.a.O., Seite 133
[11] Stein, a.a.O., Seite 135
[12] Claus Offe/ Volker Ronge,(Zit. Stein, a.a.O. S. 138) Thesen zur Begründung des Konzepts des “kapitalistischen Staats“ und zur materialistischen Politikforschung, in: Rahmenbedingungen und Schranken staatlichen Handelns. Zehn Thesen, C. Pozolli (Hrsg.), Frankfurt am Main, 1976 S.55
[13] Stein, a.a.O., Seite 139
[14] Stein, a.a.O., Seite 141
[15] Vgl. Ulrich K. Preuß, Politische Verantwortung und Bürgerloyalität. Von den Grenzen der Verfassung und des Gehorsams in der Demokratie, Frankfurt am Main, 1984 , S. 182f
[16] Stein, a.a.O., Seite 145
[17] Stein, a.a.O., Seite 146
[18] Rudolph Bahro,(Zit. Stein, a.a.O., Seite 147) Logik der Rettung. Wer kann die Apokalypse aufhalten? Ein Versuch über die Grundlagen ökologischer Politik, Köln 1987, S.210
[19] Stein, a.a.O., Seite 155
- Quote paper
- Bertil Starke (Author), 2006, Die Zerstörung der natürlichen Lebensgrundlagen als Herausforderung der Demokratie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110206
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