Was unterscheidet den Terrorismus vom klassischen Staatenkrieg?


Essay, 2005

7 Seiten


Leseprobe


Innerhalb der letzten Jahrzehnte hat der Krieg, unbemerkt von der politischen Öffentlichkeit, sein Wesen verändert. Aus dem klassischen Staatenkrieg entstand nach und nach eine neue Form des Krieges, der Terrorismus. Doch was unterscheidet diesen von den historischen Staatenkriegen und welche Gefahr resultiert daraus? Dieser Fragestellung werde ich im Folgenden nachgehen. Seit dem 11. September 2001 ist der Begriff des Terrorismus in aller Munde. Die Frage, was als Krieg zu bezeichnen ist und was nicht ist seitdem von weltpolitischer Relevanz und nicht mehr nur ein innerakademisches Problem. Literatur- und Forschungslage verbessern sich seitdem ständig. So stand auch mir eine Vielzahl von guter Literatur zur Verfügung. Von ganz besonderer Bedeutung war für mich Herfried Münklers Standardwerk: „Die neuen Kriege“ aus dem Jahr 2002.

Als Ausgangspunkt meiner Untersuchungen beginne ich mit einer einfachen Definition des Krieges: Krieg ist die „gewaltsame Austragung von Streitigkeiten zwischen Staaten“ (Brockhaus, S. 502). Diese Definition des Krieges geht ganz klar von der heute noch oft vertretenden Vorstellung des Krieges, als Auseinandersetzung zwischen Staaten, aus. Hier ist zwingend eine Abgrenzung zum Terrorismus, als neuer Erscheinungsform des Krieges, erforderlich. Beziehungsweise muss geklärt werden, ob der Begriff des Krieges unter diesen Bedingungen überhaupt noch sinnvoll ist. Münkler nutzt in seiner Monographie den unpräzisen Begriff der „neuen Kriege“, stellt allerdings auch fest, dass es eigentlich gar nicht soviel neues gibt, sondern in vieler Hinsicht eine Rückkehr zum ganz Alten festzustellen ist. Zur Untersuchung der neuen Kriegsform ist es also durchaus sinnvoll, einen Blick auf die Bedingungen vor der Verstaatlichung des Krieges zu werfen, um Ähnlichkeiten zu den inzwischen entstandenen Verhältnissen finden zu können. Ein genauer Vergleich würde jedoch den Rahmen meiner kurzen Darstellung sprengen. Daher werde ich mich darauf konzentrieren, die wesentlichen Entwicklungslinien zu skizzieren, die zur Entstehung der neuen Kriegsform führten, und darzustellen, worin explizit Unterscheidungsmerkmale bestehen. Der Begriff der „neuen Kriege“ umfasst neben dem Terrorismus auch noch andere neuartige Erscheinungsformen des Krieges, z.B. den Partisanenkrieg. Dieser unterscheidet sich vom Terrorismus, neben anderen Merkmalen, hauptsächlich durch seine passive Form der Auseinandersetzung. Diese weiteren Erscheinungsformen sind für meine Darstellung jedoch unbedeutend. Der Terrorismus selbst kann nur schwer definiert werden. Der Duden definiert ihn als die „Ausübung von [politisch motivierten] Gewaltakten“ (Duden, S.736). Durch die Verwendung des Begriffs in der internationalen Politik wird in der Praxis zudem häufig versucht, bestimmten Gewalthandlungen ihre politische Legitimität abzusprechen.

Zunächst sind hier ganz klar drei Entwicklungslinien zu erkennen, die auch Münkler in seiner Darstellung erwähnt. Die Entstaatlichung der Kriege ist eine erste wesentliche Entwicklung. Sie ist ein Resultat der immer billigeren Kriegsführung. Billige Waffen machten eine Privatisierung der Kriege möglich. Schon hier wird deutlich, dass die klassische Definition des Krieges, bzw. der Begriff des Krieges selbst, nicht mehr zeitgemäß ist. Trotzdem ich mir dessen bewusst bin, werde ich den Begriff des Krieges in meiner Ausführung zunächst weiter verwenden. Eine weitere sehr wichtige Entwicklungslinie ist die Asymmetrisierung von Gewalt. Diese ist als eine Folge der Entstaatlichung des Krieges zu sehen. Dies verdeutlicht, dass in der Regel nicht gleichartige Gegner miteinander kämpfen. Es kommt selten zu Gefechten. Die militärischen Kräfte verbrauchen sich nicht gegenseitig. Stattdessen kommt es vermehrt zur Gewaltanwendung gegen die Zivilbevölkerung. Einem schwachen Akteur ist es so möglich, einen starken Gegner zu zermürben, indem er seine Basis schwächt. Daraus leitet sich die dritte Entwicklung, die Verselbständigung des Krieges, ab. Wohingegen die regulären Armeen die Kontrolle des Kriegsgeschehens aus den Augen verlieren, gewinnen Gewaltakteure die Macht, denen eine gleichartige Form der Auseinandersetzung fremd ist.

Diese Entwicklungen führten ursächlich zur Herausbildung neuer Erscheinungsformen des Krieges. Ich werde nun einige Merkmale zusammenstellen, die den Terrorismus von den herkömmlichen Staatenkriegen unterscheiden. Diese Zusammenstellung ist zwar nicht erschöpfend, die wesentlichsten Aspekte werden jedoch Erwähnung finden. Die Wesentlichkeit ergibt sich aus meiner subjektiven Wahrnehmung und der Häufigkeit der Erwähnung durch andere Autoren.

Der wohl wichtigste Unterscheidungspunkt ist das Vorhandensein von Nonkombattanten als Akteure des Krieges. Wohingegen klassische Staatenkriege zwischen regulären Armeen und somit klar erkennbaren Kombattanten stattfanden, verloren die Staaten nach und nach ihr Gewaltmonopol. Nun sind Söldner und lokale Kriegsherren die Hauptakteure. Dies ist ein klares Indiz für die Privatisierung und Verselbständigung des Krieges. Der Krieg muss dabei den Krieg ernähren, private Akteure nutzen die Gelegenheit ,um sich am Krieg zu bereichern. Es kommt zu einer Kommerzialisierung kriegerischer Gewalt. Zweck des Krieges und nicht mehr nur Begleiterscheinung ist also das Geld. Dementsprechend sind wirtschaftliche Aspekte bei der Betrachtung des Terrorismus nicht zu vernachlässigen. So tritt er in einigen Fällen sogar als Instrument zur Regulierung von Märkten auf. Das Vorhandensein von privaten Akteuren wird zudem erst durch die Verbilligung des Krieges möglich. Führung, Vorbereitung und Waffen sind billig und ermöglichen es einem übermächtigen Gegner Stand zu halten. Selbstverständlich ist eine asymmetrische Form der Kriegsführung die unmittelbare Voraussetzung dafür.

Die Länge des Krieges ist ein weiteres wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen dem Terrorismus und den klassischen Staatenkriegen. Während die Zeit zwischen offizieller Kriegserklärung, Entscheidungsschlacht und offiziellem Friedensvertrag in den klassischen Kriegen meist nur kurz war, ist dies im Falle des Terrorismus völlig anders. Meist sind weder Anfang noch Ende genau zu bestimmen. Es fehlen offizielle Akte des Beginns und der Beendigung des Krieges. Einer Entscheidungsschlacht wird zudem aus dem Wege gegangen. Stattdessen werden die Kräfte in Zeit und Ort disloziert. Der Krieg wird beinahe endlos, mit nur wenigen Kampfhandlungen fortgeführt. Die Terroristen versuchen also nicht den Gegner militärisch zu besiegen sondern ihn wirtschaftlich zu zermalmen. Daher sind auch nicht die physischen, sondern die psychischen Folgen der terroristischen Gewaltakte als unmittelbare Ziele zu sehen. An dieser Stelle werden auch die Medien zu einem Mittel der Kriegsführung, da mit deren Hilfe die psychische Wirkung von kleineren Gewaltakten deutlich gesteigert werden kann.

Während zivile Opfer im herkömmlichen Staatenkrieg die Ausnahme bildeten, sind sie nun die Regel. Das Vorhandensein ziviler Opfer erhöht die psychische Wirkung der Gewaltakte und trifft den Gegner an seiner empfindlichsten Stelle. Internationale Vereinbarungen, wie die Genfer Konvention, finden dabei keinerlei Beachtung. Auffällig sind zudem noch die häufige Rekrutierung von Kindersoldaten und das vermehrte Auftreten von Sexualverbrechen.

Bei der Betrachtung der vorgestellten Eigenschaften wird schnell die Gefahr des Terrorismus deutlich. Zunächst ist der Terrorismus billig, dies eröffnet die Möglichkeit der Kriegsführung für nichtsstaatliche Akteure. Dieser Krieg ist mit hohen Kosten und vielen zivilen Opern für den Gegner verbunden. Selbst ein übermächtiger Gegner kann auf diese Weise schnell psychisch und wirtschaftlich ruiniert werden. Die asymmetrische Kriegsführung macht es unmöglich, eine Entscheidungsschlacht zu suchen. Somit kann sich der Krieg beinahe endlos fortsetzen. Dies bürgt die Gefahr, dass selbst ein starker Akteur nach und nach erpressbar wird und dies dann auch für immer bleibt. Die Gefahren sind also vielschichtig und unberechenbar. Zwar hat sich die Wahrnehmung des Terrorismus seit dem 11. September 2001 deutlich geschärft, jedoch scheint die Gefahr noch immer nicht in vollem Umfang erkannt zu sein. Den Krieg, wie wir ihn kennen, gibt es nicht mehr. Der Terrorismus, als eine neue Erscheinungsform des Krieges, stellt nicht nur für die USA, sondern für die gesamte internationale Gemeinschaft eine massive Herausforderung dar.

Sowohl die Wesensmerkmale des Terrorismus als auch die damit verbundenen Gefahren sind deutlich, wenn auch nicht ganz vollständig, hervorgegangen. Die eingangs gestellte Frage konnte somit beantwortet werden.

Verwendete Literatur

Barth, P.: Herausforderung Terrorismus? Überlegungen zum Terrorismus. In: Friedensforum 6/2004, S. 21-24.

Der Brockhaus. In einem Band, neunte vollständig überarbeitete und aktualisierte Auflage, Leipzig 2000.

Duden. Die Deutsche Rechtschreibung, 21., völlig neu bearbeitete und erweiterte Auflage, Mannheim, Leipzig, Wien, Zürich 1996.

Münkler, H.: Die neuen Kriege, Reinbek 2002.

Pradetto: A.: Sicherheit und Verteidigung nach dem 11. September 2001. Akteure – Strategien – Handlungsmuster, Frankfurt am Main 2004.

Theodor, E.: Herausforderung Terrorismus? Alternativen zum Krieg gegen den Terror. In: Friedensforum 6/2004, S. 39-40.

Thoden, R.(Hrsg.): Terror und Staat. Der 11. September – Hintergründe und Folgen, Berlin 2004.

Townshend, C.: Terrorismus. Eine kurze Einführung, Stuttgart 2005.

Waldmann, P.: Terrorismus. Provokation der Macht, München 1998.

Weidenfeld, W. (Hrsg.): Herausforderung Terrorismus. Die Zukunft der Sicherheit, Wiesbaden 2004.

Ende der Leseprobe aus 7 Seiten

Details

Titel
Was unterscheidet den Terrorismus vom klassischen Staatenkrieg?
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg
Veranstaltung
'Die arabische Welt und der Westen'
Autor
Jahr
2005
Seiten
7
Katalognummer
V110172
ISBN (eBook)
9783640083480
Dateigröße
577 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Terrorismus, Staatenkrieg, Welt, Westen“
Arbeit zitieren
Henri Schmidt (Autor:in), 2005, Was unterscheidet den Terrorismus vom klassischen Staatenkrieg?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110172

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