Das kybernetische Modell in der Philosophie des Geistes


Term Paper, 2006

28 Pages, Grade: 1


Excerpt


Inhalt

1. Einführung

2. Die Philosophie des Geistes
2.1 Descartes klassischer Dualismus
2.2 Monistische Positionen
2.2.1 Der Behaviorismus
2.2.2 Wie die Identitätstheorie widerlegt wurde
2.2.3 Putnams Funktionalismus
2.3 Kritik am Materialismus: Das Qualiaproblem
2.4 Das Bewusstsein

3. Modelltheorie
3.1 Mensch-Außenwelt-System
3.1.1 Der Systemteil „Mensch“
3.1.2 Der Systemteil „Außenwelt“
3.1.3 Das kybernetische System „Mensch-Außenwelt“
3.2 K-Systeme
3.2.1 Funktionseinheiten des K-Systems
3.2.1 Motivation
3.3.2 Perzeption der Außenwelt
3.3.2 Rationalitätsannahmen

4. Die Philosophie in den Kognitionswissenschaften
4.1 Kritik an der naturwissenschaftlichen Methodik
4.2 Die Rolle der Philosophie

Literaturverzeichnis

„Alle Menschen streben von Natur aus nach Wissen.“

- Aristoteles, Metaphysik

1. Einführung

Etwas zu wissen, heißt es, sei mehr als gewisse Fakten zu kennen. Die in den 50er Jahren entstandene Kognitionswissenschaft hat sich zum Ziel gesetzt, die in der interdisziplinären Forschung gesammelten Fakten in Wissen, in Ver- ständnis über den menschlichen Geist umzusetzen: Denn in der Tat konnte die experimentelle Sinnes- und Neurobiologie viele Kenntnisse über das menschli- che Gehirn gewinnen. Man weiß, welche Gehirnareale bei welcher geistigen Tätigkeit aktiv sind, man kann anhand sensorischer Daten Schlafzustand von Wachzustand unterscheiden und ist sich bewusst, dass die optische Wahrneh- mung des Menschen die kognitiv anspruchsvollste Leistung von allen ist.

Andere mentale Phänomene wiederum, wie Bewusstsein und Selbstbewusst- sein, lassen sich im kognitionswissenschaftlichen Blickfeld kaum ausmachen. Die auf die Außenperspektive beschränkte empirische Wissenschaft kann intra- perspektivische Erlebnisse wie das Bewusstsein (oder auch Schlaf bzw. Traum) nicht definieren.

Dennoch gibt es sowohl unter Philosophen als auch unter Naturwissenschaft- lern die Ansicht, dass der menschliche Geist modellierbar sei – und zwar durch physikalische Architekturen. Diese Architekturen sind derzeit die seriellen, nach dem von-Neumann-Prinzip arbeitenden Computer1. Obwohl bekannt ist, dass das menschliche operationale System (d.h. Denkprozesse, Verarbeitung afferenter sensorischer Daten) auf einer hochgradig distribuierten und paralle- len Architektur beruht, gibt und gab es Versuche, menschliche Denkprozesse zu modellieren.

Um dieses Ziel zu erreichen, müssen sowohl der Mensch selber als auch die auf ihn einwirkenden Signale seiner Umwelt informationstheoretisch aufgear- beitet werden: Aus diesem Vorhaben resultiert ein hoher Grad mathematischer Verfahren, welche hier explizit vorgestellt werden. Der Autor hat sich hierbei

die Freiheit genommen, die in den philosophischen Lehrbüchern gefundenen Formeln an geeigneter Stelle lesbarer zu machen bzw. genauer auszuführen: Denn diese Mathematik bildet den Kern der Modelltheorie, da sie die Kluft zwischen der „Realität“ und den uns zu Verfügung stehenden technischen Mit- teln zu überbrücken hat.

Darüber hinaus will sich diese Arbeit kritisch mit der Modelltheorie auseinan- dersetzen. Es wird hinterfragt, ob non-modellierbare Geisteseigenschaften wie das Bewusstsein durch naturwissenschaftliche Erkenntnisse und Verfahren überhaupt gelöst werden können.

Zum Aufbau der Arbeit: Um die Thematik der Modelltheorie nicht im Vaku- um stehend erscheinen zu lassen, wird in Kapitel Zwei eine Einführung in die zentralsten Begriffe der Philosophie des Geistes gegeben. Neben historischen philosophischen Perspektiven soll hier auch auf die Probleme des physikali- schen Monismus aufmerksam gemacht werden, indem auf das Qualiaproblem und die Problematik der Modellierung des Bewusstseins eingegangen wird.

Kapitel Drei beschäftigt sich ausführlich mit der Modelltheorie, wobei der Schwerpunkt hier auf der informationstheoretischen Verarbeitung sowie der Modellierung so genannter K-Systeme gelegt wird. Hierbei handelt es sich um an die Automatentheorie angelehnte Prozessstrukturen, welche das menschli- che operationale System simulieren sollen.

Abschließend wird die Gültigkeit naturwissenschaftliche Verfahren diskutiert und die Rolle der Philosophie kurz diskutiert.

2. Die Philosophie des Geistes

Abbildung 1: Phrenologische Abbildung der geistigen Funktionen auf Hirnareale

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Im Mittelpunkt der Philosophie des Geistes steht das Leib-Seele-Problem, das manchmal auch „Körper-Geist-Problem“ genannt wird. Es entsteht durch die Frage, wie sich mentale Zustände (der Geist, das Bewusstsein) zu den physi- schen Zuständen (dem Gehirn, der Materie) verhalten. Die zentralen Fragen der Philosophie des Geistes lauten: Handelt es sich hier um verschiedene Substan- zen? Oder sind das Mentale und das Physische doch eins?

Die bisherige Entwicklung dieser Dis- kussion verlief im Wesentlichen in drei Phasen: Die erste und klassische Formu- lierung des Leib-Seele-Problems stammt von René Descartes. Der von ihm for- mulierte Dualismus trennt das Geistige (res cogans) streng vom Materiellen (res extensa). Die meisten Menschen empfin-

den intuitiv eine Kluft zwischen menta- len und physischen Phänomenen, wes-

halb dualistische Standpunkte in der Philosophie des Geistes lange Zeit vor- herrschend waren.

Mit den Fortschritten der empirischen Wissenschaften vertrat eine zunehmen- de Anzahl von Philosophen monistische Positionen: Denn mit Hilfe der Neuro- wissenschaften konnten komplexe Vorgänge im Gehirn sehr genau beschrieben und auf physikalische Phänomene reduziert werden. Man glaubte die kogniti- ven Vorgänge im menschlichen Gehirn verstanden zu haben und entwickelte kybernetische Modelle, welche die Arbeitsweise des Gehirns simulieren soll- ten. Dennoch blieb der Begriff des Bewusstseins durch die erzwungene Außen- perspektive der experimentellen Wissenschaften unzugänglich und nicht defi- nierbar.

Auf Basis dieser Problematik spaltete sich der philosophische Standpunkt ab, dass das Problem des „Rätsel des Bewusstseins“2 gar nicht durch die empiri- schen Wissenschaften gelöst werden könne. Es sei vielmehr angebracht, dass

sich die Philosophie in Zukunft kritischer mit der Methodik und den Ergebnis- sen der Naturwissenschaften auseinandersetzen solle.

2.1 Descartes klassischer Dualismus

Der Dualismus reagiert auf die intuitive Kluft zwischen dem mentalen Innenle- ben und der physischen Realität wie folgt: Er behauptet, dass es zwei grund- sätzlich verschiedene Entitäten gibt – die mentale und die physische Entität.

Abbildung 2: René Descartes in einem Portrait von 1648

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die cartesianische Form des Dualismus ist der interaktionistische Dualismus. Er wur- de in maßgeblicher Weise von René Des- cartes3 formuliert und lässt sich wie folgt zusammenfassen: Geist und Materie sind verschiedene Substanzen, die aufeinander einwirken. Demnach gilt: Wenn man sich mit einer Nadel in den Finger sticht, so werden von dort Signale in das Gehirn ge- leitet und dort muss es eine „Stelle“ ge-

ben, wo das Gehirn auf den immateriellen Geist wirkt.

Der so formulierte Dualismus hat mit massiven Problemen zu kämpfen: Wenn es einen Ort der Interaktion zwischen Geist und Gehirn gibt, so müsste dieser Ort auffindbar sein. Die Spekulationen von Descartes (er hoffte auf die Zirbel- drüse als Interaktionsort) wurden jedoch bald widerlegt. Auch sonst wurden nirgendwo sichtbare Stellen im Gehirn gefunden, an denen das Verhalten der Neuronen nur durch einen immateriellen Geist zu erklären wäre. Abgesehen davon, dass im Gehirn gar kein „Platz“ zu sein scheint für eine Interaktion, ist die Art der Wechselwirkung dabei eine offene Frage. Allgemein lässt sich sa- gen, dass dualistische Positionen eher durch die Probleme des Monismus plau- sibel werden als durch eigenständige positive Argumente [wiki/geist].

2.2 Monistische Positionen

Dem Monismus zufolge gibt es nur eine einzige Substanz. Nicht zuletzt durch die Erfolge der experimentellen Wissenschaften sind heute fast alle Monismen materialistisch. Sie behaupten, dass die einzig vorhandene Substanz die (physi- sche) Materie sei. Es sind jedoch auch andere Formulierungen möglich: Man könnte auch behaupten, dass es keine Materie gebe, sondern nur den Geist (So- lipsismus). Ein solcher idealistischer Monismus wird heute nur noch selten ver- treten. Im Folgenden soll eine kurze Übersicht über die monistischen Positio- nen wiedergegeben werden [wiki/geist].

2.2.1 Der Behaviorismus

Der Behaviorismus hat die Philosophie des Geistes in weiten Teilen der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts beherrscht. In der Psychologie war der Behavioris- mus als Reaktion auf Probleme der Introspektion entstanden: Wenn jemand über sein mentales Innenleben berichtet, so ist keine Überprüfung der Aussa- gen möglich. Ohne allgemeine Überprüfbarkeit ist jedoch, so die Behavioris- ten, keine Wissenschaft möglich. Der Ausweg für die Psychologie: Sie sollte auf mentales Innenleben und Introspektion verzichten und stattdessen das Ver- halten beschreiben. Behaviorismus reduziert also mentale Zustände auf Verhal- tensbeschreibungen. Der philosophische Behaviorismus gilt heute weitgehend als überholt [wiki/geist].

2.2.2 Wie die Identitätstheorie widerlegt wurde

Die von John Smart4 und Ullin Place5 entwickelte Identitätstheorie war die di- rekte Reaktion auf das Scheitern des Behaviorismus. Wenn mentale Zustände etwas Materielles sind, aber kein Verhalten, so sind mentale Zustände vermut- lich mit inneren materiellen Zuständen identisch. Ein mentaler Zustand ist demnach nichts anderes als ein ganz bestimmter, eindeutiger Gehirnzustand. Der mentale Zustand „Wunsch nach einem Kaffee“ wäre also nichts anderes als das „Feuern“ bestimmter Neuronen in bestimmten Hirnregionen. Das

Scheitern der Identitätstheorie folgte aus der vom amerikanischen Philosophen Hilary Putnam6 formulierten multiplen Realisierung:

Demnach gilt beispielsweise, dass nicht nur Menschen, sondern auch höher entwickelte Tiere Schmerzen empfinden können. Es scheint aber unwahr- scheinlich, dass alle Wesen mit gleichen Schmerzen im gleichen Gehirnzustand sind. Wenn das aber nicht der Fall ist, dann kann der Schmerz auch nicht mit einem bestimmten Gehirnzustand identisch sein. Also ist die Identitätstheorie empirisch unbegründet und somit widerlegt.

[...]


1 Obwohl parallele arbeitende Rechnerkaskaden oder neuronale Netze in der kogniti- ven Informatik benutzt werden, bleibt das zugrunde liegende Modell der von-Neu- mann-Rechner

2 Siehe auch Pauen, Michael, Das Rätsel des Bewusstseins, mentis Verlag 1999

3 René Descartes, latinisiert Renatus Cartesius, (* 31. März 1596 in La Haye/Tourai- ne, Frankreich; † 11. Februar 1650 in Stockholm, Schweden) war ein Philosoph, Ma- thematiker und Naturwissenschaftler.

4 John Jamieson Carswell Smart, auch: Jack Smart oder J.J.C.Smart, (* 1920) ist ein britisch-australischer Philosoph.

5 Ullin Place (* 1924 in Yorkshire, England; † 2000) war ein britischer Philosoph und Psychologe. Er gilt zusammen mit John Smart als Entwickler der Identitätstheorie

6 Hilary Whitehall Putnam (* 31. Juli 1926 in Chicago, Illinois) ist ein US-amerika- nischer Philosoph. Er gilt als eine der Schlüsselfiguren der Metaphysik, der Sprach- philosophie und der Philosophie des Geistes im 20. Jahrhundert. Putnam wendete sich später gegen seinen eigenen Funktionalismus und ist heute der Meinung, dass es sich bei der Differenzierung von Körper und Geist um ein „Scheinproblem“ handelt.

Excerpt out of 28 pages

Details

Title
Das kybernetische Modell in der Philosophie des Geistes
College
University of Marburg
Course
Hauptstudium
Grade
1
Author
Year
2006
Pages
28
Catalog Number
V110158
ISBN (eBook)
9783640083343
ISBN (Book)
9783640114412
File size
839 KB
Language
German
Notes
Hierbei handelt es sich um eine freie Hausarbeit im Nebenfach Philosophie (Hauptfach Informatik). Schwer punkt ist das kybernetische Modell nach Herbert Stachowiak. Seine mathematischen Theorien sollten hier verstanden und dargestellt werden. Gleichwohl soll diese Theorie kritisiert werden (Stichwort: Marburg Schule, Methodischer Kulturalismus)
Keywords
Modell, Philosophie, Geistes, Hauptstudium
Quote paper
Nicolas Menzel (Author), 2006, Das kybernetische Modell in der Philosophie des Geistes, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/110158

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