Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
Kompetenz – Was ist das?
2. Hauptteil
2.1 Zugänge zum Kompetenz-Verständnis: Eine Übersicht
2.2 Unterscheidung von Kompetenzbereichen – Die klassische Unterteilung
2.2.1 Fachkompetenz – Die fachspezifische Perspektive
2.2.2 Handlungskompetenz – Die berufliche Dimension
2.2.3 Methodenkompetenz – Die methodologische und strukturelle Ebene
2.2.4 Sozialkompetenz – Die gesellschaftliche Bedeutung
2.2.5 Personale Kompetenz – Der individuelle Aspekt
2.2.6 Graphische Zusammenfassung der klassischen Kompetenzunterteilung
2.3 Die Intention der Differenzierung für Bildung und Qualifikation
2.3.1 Der gesellschaftliche und ökonomische Vorteil von Kompetenz
2.3.2 Kompetenz: Eine inhaltliche oder begriffliche Innovation?
3. Schlussteil
Kritische Bewertung
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Kompetenz – Was ist das?
In jedem Beruf wird von dem Arbeitnehmer Kompetenz als Charaktereigenschaft erwünscht. Kompetenz zu besitzen oder die Zusicherung, dass jemand kompetent sei, gibt dem betreffenden Individuum Selbstvertrauen und Selbstbestätigung, obwohl der Begriff häufig nicht mehr als einen bestimmten, meist positiven und motivierenden Anspruch erhebt. Kompetenz bedeutet sinngemäß Fähigkeit (ursprünglich vom lateinischen „ competere “ übersetzt zusammentreffen; zukommen, zustehen), die erst durch einen Perspektivenwechsel ausgelöst durch „tief greifende gesellschaftliche Veränderungen“ einen vielschichtigen und kontroversen Charakter gewann (vgl. Hölbing/Reglin, 2004 S.13). Beginnend der globalen Veränderungen, der komplexen Technologisierung und Dynamisierung der Gesellschaft und damit ihrer strukturellen Umgestaltung hatte der Kompetenzbegriff mehrere Bedeutungen erworben.
Als Studierende der Gesellschafts- und Geisteswissenschaft „Pädagogik“ möchten wir in dieser Ausarbeitung zum Abschluss prüfen, ob der Kompetenz begriff von seinen Benützern stets schlüssig und rational verwendet und die Definition von Kompetenz in den Wissenschaften einheitlich erfasst und erläutert wird.
In der Sachliteratur ist in der Regel auf den Hinweis zu treffen, in dem unmittelbar vor einer einheitlichen Begriffsbestimmung abgeraten wird (ebd.). Bezogen auf die fachdisziplinären Unterscheidungen und kontextuellen Betrachtungsweisen richtet sich das gegenwärtige allgemeine Verständnis auf unterschiedliche Gesichtspunkte der Kompetenzbereiche. Wir haben uns in dieser Ausarbeitung die Aufgabe gestellt, die wichtigsten Unterscheidungen, Abgrenzungen und Auslegungen des Kompetenz-Begriffes unter dem Aspekt der wissenschaftskritischen Auseinandersetzung zusammenzufassen.
2. Hauptteil
2.1 Zugänge zum Kompetenz – Verständnis : Eine Übersicht
Die bis heute andauernde Kompetenzdiskussion ist durch tief greifende gesellschaftliche Veränderungen entstanden, die unter anderem in der Arbeitswelt das Beschäftigungssystem, das Aus- und Weiterbildungssystem, wie aber auch die traditionellen Vorstellungen vom Lernen betreffen. Ein allgemeiner wirtschaftlicher und technologischer Wandel und die damit verbundenen neuen Anforderungen an Arbeitnehmer und Führungskräfte sind demnach die Ursache für ein neues Kompetenz-Konzept. Es ist aber kaum möglich eine einheitliche Definition von Kompetenz zu formulieren, da es stets auf den jeweiligen Zusammenhang ankommt und selbst in der Wissenschaft keine allgemein gültige Definition vorhanden ist. Auch die begriffliche Abgrenzung zwischen Kompetenz und Schlüsselqualifikation ist nach wie vor uneinheitlich und deshalb analytisch unbefriedigend.
Es sind verschiedene Auslegungen des Begriffs möglich, er kann aber verstanden werden als „die Fähigkeit und Bereitschaft zum selbstorganisierten, situationsangemessenen Management persönlicher Ressourcen“ (vgl. Wollersheim 1993, S.108). Die Frage, die sich hier nun stellt, ist was genau unter persönlichen Ressourcen zu verstehen ist.
Sie lassen sich als Grundkompetenzen bzw. in vier klassische Kompetenzbereiche zusammenfassen:
1. Die Fachkompetenz
2. Die Methodenkompetenz
3. Die Sozialkompetenz
4. Die Persönlichkeitskompetenz
Kombiniert umfassen wiederum diese vier Begriffe die Handlungskompetenz. Der Erwerb dieser Kompetenzen ist von verschiedenen Faktoren abhängig, da er zum einen ein diskontinuierlicher, individueller Prozess ist, der ein ganzes Leben lang stattfindet und sich zum anderen erst in der Auseinandersetzung mit der sozialen Umwelt und den jeweiligen Lebensbedingungen entwickelt. Ob man einen Menschen nun als Kompetent bezeichnen kann, hängt also von seiner individuellen Handlungsfähigkeit ab, die sich in verschiedenen konkreten Situationen zeigt.
2.2 Die Unterscheidung von Kompetenzbereichen – Die klassische Unterteilung
2.2.1 Fachkompetenz – Die fachspezifische Perspektive
Die Fachkompetenz wird in der Berufswelt als die Bereitschaft und die Fähigkeit verstanden, gesamtheitlich und selbstorganisiert zu handeln (Petran, 2002 [pdf.online] S.2). Ein Arbeitnehmer sollte also über grundiertes Fachwissen verfügen, das er selber kritisch überprüfen und auch in verschiedenen neuen Situationen anwenden kann. Er sollte in der Lage sein mit verschiedenen Aufgabenstellungen und daraus eventuell resultierenden Problemen selbstständig umzugehen.
Fachwissen an sich umfasst Kriterien zur Auswahl und Bewertung von Wissen, Abstraktionsfähigkeit und die Fähigkeit der flexiblen Informationsverarbeitung.
2.2.2 Handlungskompetenz – Die berufliche Dimension
Die berufliche Handlungskompetenz ist das Ziel von Aus- und Weiterbildungen, Lernen im Arbeitsprozess und neuartigen Sozialformen des Lernens, wie zum Beispiel Gruppenform oder Partnerform. Wie schon erwähnt, setzt sich die Handlungskompetenz aus den verschiedenen klassischen Kompetenzbereichen zusammen, wobei es auch hier wieder verschiedene Ansätze und Auslegungen des Begriffes gibt. Ein Arbeitnehmer wird zum Beispiel dann als kompetent bezeichnet, wenn er „über die erforderlichen Kenntnisse, Fertigkeiten und Fähigkeiten eines Berufes verfügt, Arbeitsaufgaben selbstständig und flexibel lösen kann sowie fähig und bereit ist, dispositiv in seinem Berufsumfeld und innerhalb der Arbeitsorganisation mitzuwirken“ (Projektteam, [pdf.online] 2004, S.38). Es wird von einem Wandel der Rolle des Arbeitnehmers gesprochen, der den Übergang „ von der Fremdorganisation zur Selbstorganisation“ (ebd., S.38) einschließt.
Lichtenberger z.B. sieht in der Verantwortung ein wesentliches Merkmal von Kompetenz, da persönliche Ressourcen zu einem bestimmten Zeitpunkt mobilisiert werden. Kompetent ist also jemand, der die Verantwortung für eine ihm übertragende berufliche Situation übernimmt (Lichtenberger, 1999). Er nennt weiterhin Bedingungen, auf die sich kompetentes Handeln stützen:
1. Fähigkeiten, also Qualifikationen : geistige, handlungsorientierte, symbolische
2. Handlungsfähigkeit : materielle, ausbildungs- und informationsbezogene Voraussetzungen des Handelns, geregelte Verantwortlichkeiten, Entwicklungs- und Erprobungsspielräume, Vertrauen
3. den Willen zur Übernahme von Verantwortung, d.h. das Vorhandensein definierter Motive auf Seiten des Arbeitnehmers .
Lichtenberger sieht Kompetenz aber nicht nur als eine Eigenschaft eines Individuums, sondern betont vielmehr, dass eine positive „innerbetriebliche Beziehungsstruktur“ bzw. ein gesundes Arbeitsklima, unerlässlich für kompetentes Handeln ist.
2.2.3 Methodenkompetenz – Die methodologische und strukturelle Ebene
Methodenkompetenz bezeichnet die Fähigkeit sich adäquater Methoden oder Vorgehensweisen zu bedienen, um Fachwissen zu erlangen, zu verstehen, zu verwalten und entsprechend anzuwenden. Zentrale Bedeutung nimmt hierbei die Problembehandlung ein, so dass das spezifische Fachwissen zunächst eine untergeordnete Rolle spielt. Es soll vielmehr so erst erworben und angemessen nutzbar gemacht werden.
Methodenkompetenz ist folglich die Fähigkeit, die es jemandem erlaubt, Informationen zu beschaffen, zu strukturieren, zu bearbeiten, aufzubewahren und wieder zu verwenden und darzustellen, Ergebnisse von Verarbeitungsprozessen richtig zu interpretieren und in geeigneter Form zu präsentieren.
Methodenkompetenz spielt in allen Bereichen des Lebens eine wichtige Rolle („Ich muss fast immer über die entsprechenden Methoden verfügen um etwas zu tun!“). Alleine schon Lesen und Schreiben sind elementare Methoden, ohne die das normale Leben, wie es jeder von uns kennt, kaum vorstellbar ist. Dies zeigt schon, dass gerade im Bereich der Schule und des Lernens generell, Methodenkompetenz eine äußerst wichtige Rolle spielt. Denn nur wenn schon von klein auf die Methoden gelehrt und auch gelernt werden, ist es möglich, sich nachher weiter zu qualifizieren. Würde das Lesen beispielsweise nicht schon in einen relativ frühen Stadium der Schullaufbahn gelernt, so könnten auch viele weitere Methoden nicht erlernt werden und die Vermittlung und besonders auch die Aufnahme von Wissen, und damit von Fachwissen im speziellen und damit von Fachkompetenz, wären damit deutlich gehemmt.
Bei der Methodenkompetenz im Bereich der Schule und des Lernens geht es im Eigentlichen darum, das Lernen selbst zu lernen („know how to know“).
2.2.4 Sozialkompetenz – Die gesellschaftliche Bedeutung
"Soziale Kompetenz" ist die Fähigkeit, angemessene soziale Fertigkeiten einzusetzen", sagt Sarason, was uns zu der Frage führt was diese „sozialen Fähigkeiten“ sind. Einige Beispiele hierfür führt Dorsch in seiner Definition von Sozialkompetenz im Jahre 1982 auf. Er definiert diese „als das freie und verantwortliche Verhältnis zum Mitmenschen, das getragen wird von Mitmenschlichkeit, Nächstenliebe, Solidarität und Toleranz, das erfüllt ist vom Wert des Guten und sich auch in der Konfliktsituation als humanitäres Handeln realisiert.". Einen anderen Schwerpunkt setzen Wrubel, Brenner & Lazarus, sie behaupten: „Der Hauptgesichtspunkt sozialer Kompetenz ist also, dass das kompetente Individuum aktiv bestimmt, was er oder sie in einer sozialen Situation will, und ferner die Fertigkeiten besitzt, die individuell definierten Ziele im Kontext bestimmter sozialer Situationen zu verwirklichen." Dieser Standpunkt scheint allerdings zu egozentrisch besetzt zu sein und auch die eher sozialethischen Standpunkte von Dorsch z.B. sind in ihrer Reichweite noch zu eingeschränkt. Soziale Kompetenz muss sich nicht nur auf die Menschen in unserer unmittelbaren Umgebung beziehen, sondern muss auch weiter entfernte Menschen und Gruppen berücksichtigen wie z.B. die Menschen in den Ländern der so genannten dritten Welt, oder die Menschen, die die Generationen, die nach uns kommen werden, bilden. Soziale Kompetenz muss also noch um den Tatbestand einer weitreichenden sozialen Verantwortung erweitert werden.
Abschließend lässt sich also sagen, dass Soziale Kompetenz auch eine „Sammelkategorie“ ist, in der viele Fähigkeiten und Fertigkeiten vereint werden. Einige solcher Fähigkeiten sind
- Kooperationsfähigkeit
- Kommunikationsfähigkeit
- Teamfähigkeit
- Motivationsfähigkeit
- Konfliktfähigkeit (insbesondere die Fähigkeit Konflikte partnerschaftlich zu bewältigen)
- Kritikfähigkeit
- Fähigkeit Verantwortung zu Übernehmen
Soziale Kompetenz ist also der Teilbereich der Kompetenz der das zwischenmenschliche beobachtet und die für ein erfolgreiches Zusammenleben und Arbeiten Fähigkeiten beinhaltet. Erfolgreich heißt in diesem Falle, dass die Interessen und Bedürfnisse jedes einzelnen, die Bedürfnisse aller anderen und die Sachanforderungen in Einklang gebracht werden können.
2.2.5 Personale Kompetenz – Der individuelle Aspekt
Personale Kompetenz ist der am schwierigsten zu fassende Teilbereich der Kompetenz, wenn man so will ist alles, was Kompetenz ausmacht, etwas Personelles. Es wird immer eine Eigenschaft betrachtet und diese einer Person zugeordnet, oder was noch viel öfter geschieht ist die Umkehrung; wenn jemand wissen möchte, ob sein Gegenüber kompetent ist, schaut der Prüfer, welche Eigenschaften und Fähigkeiten der Besagte besitzt.
Wichtig ist es hierbei, zwischen den generellen ihr eigenen Eigenschaften und ihrer inneren Einstellung zu unterscheiden. Denn diese ist es, die die Persönlichkeitskompetenz ausmacht. Merkmale für diesen Bereich können beispielsweise Autonomie, das heißt Selbständigkeit und Selbstdisziplin sein, aber auch Selbstbewusstsein, des weiteren aber auch die Motivation, die jeder mitbringt; also seine Bereitschaft, sich für etwas einzusetzen. Ebenso seine Flexibilität, Kreativität, Stabilität und Belastbarkeit, im Bezug auf Stress zum Beispiel. Letztendlich auch Eigenschaften wie Zivilcourage, Integrität, Authentizität und Loyalität.
Das ist allerdings nur eine Übersicht möglicher Kriterien, um die personale Kompetenz bzw. Persönlichkeitskompetenz festzustellen, einen gesicherten Katalog dafür gibt es nicht.
2.2.6 Graphische Zusammenfassung der klassischen Kompetenzunterteilung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
(Quelle: Eigene Grafik, 2005)
2.3 Die Intention der Differenzierung für Bildung und Qualifikation
Kompetenz als Fähigkeit ist ein wichtiger und ebenso fragwürdiger Begriff, der auch in Zusammenhang mit Bildung und Qualifikation steht. Es ist evident, dass eine im Bildungs-, Berufs- oder Lehrgang befindende Person fähig, d.h. kompetent sein muss, Wissen in Form von vorgegebenen Standards so zu verarbeiten, dass sie schließlich eine Qualifikation nachweisen kann. Insbesondere die schulische und berufliche Laufbahn eines jeden Menschen heutiger Gesellschaften determinieren die Ausprägung seiner Identität, seinen gesellschaftlichen Status, kurz sein gesamtes soziales Leben. Vom Individuum als Subjekt „verkörpernder Rollenidentitäten“, die durch vorgegebene „Rollen“ (zur Verfügung gestellte, existente Identitäten) und Normen (gesellschaftliche Werte und Regelungen) segmentiert und im „Ich-Identität“[1] des Einzelnen zusammengefügt sind, wird die entsprechende Repräsentation der Gesellschaftswerte wie Bildung, Qualifikation und Kompetenz u.a. erwartet (Zimmerli, 1994 S.878). Solche standardisierten Ausdrücke (Qualifikation, Assimilation, Standards, Kompetenzen) unterliegen jedoch im vielfachen und akzentuierten Sprachgebrauch der semantischen Verschwommenheit, d.h. sie laufen der Gefahr zu, zu „leeren“ und ungedachten Begrifflichkeiten zu degradieren (Hölbing/Reglin, 2004 S.14). Alle Menschen hören und benützen tagtäglich solche und ähnliche prototypische Begriffe, worunter viele im Glauben sind, deren genauen Bedeutungen und Wirklichkeitsbezug zu kennen, ohne aber die Fähigkeit (Kompetenz) zur Selbstverdeutlichung und Erklärung zu besitzen. Im letzten Themenabschnitt der Ausarbeitung soll schließlich geprüft werden, ob dieses Problem auch den Bereich der Definitionen von Kompetenz betrifft.
2.3.1 Der gesellschaftliche und persönliche Vorteil von Kompetenz
Ziel eines jeden Fremdwortes ist die prägnante Zusammenfassung von komplexen Sachverhalten, welche aber nicht so kompliziert sein dürfen, dass durch das Fremdwort ihre eigentlichen Inhalte und Bedeutungen untergehen (Duden Band 5, 2001 S.918f.). Es muss versucht werden, eine exakte und plausible Erläuterung vom Begriff Kompetenz zu finden, damit seine Seriosität und Bedeutsamkeit nicht unter Verdacht geraten. Kompetenz als „Fähigkeit und Bereitschaft zum selbstorganisierten, situationsangemessenen Management persönlicher Ressourcen“ (vgl. Hölbing/Reglin, 2004 S.24) postuliert die persönliche Komponente des Begriffes. Der zusammengesetzte, adjektivisierte Ausdruck „situationsangemessen“ impliziert jedoch auch unter anderem die gesellschaftliche Dimension: Das Begriffspaar situationsangemessen – differenziert in Situation und angemessen – zeigt die moralische Sichtweise. Angemessenheit – synonym zum Begriff „Zweckmäßigkeit“ oder „Eignung“ – widerspiegelt einen gesellschaftsphilosophischen Charakterzug. Daraus folgt für diese Definition ein Mangel an Klarheit und Plausibilität, denn dieses Wort situationsangemessen bedarf der konkreten, das heißt der erweiterten und kontextuellen Präzisierung.
Nach den unbefriedigenden PISA Ergebnissen der BRD wurde die deutsche Politik zum Umdenken und Wandel von Standards umgestimmt und es hat sich gezeigt, dass auch in diesem Bereich Kompetenz zum wichtigen Begriff etablierte. Kompetenz bedeutet in der Bildungspolitik einfach „die Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen“ (Baumert u.a., [pdf.online] S.2). Bei dieser Definition wird klar, dass der Ausdruck selbstreguliert einer näheren Erläuterung bedarf, weil er den Eindruck erweckt, dass dem Schüler Autonomie und Wahlfreiheit beim eigenen Lernen gewährleistet werden. Dabei handelt es sich bei dem Ausdruck um die Fähigkeit, „Wissen, Fertigkeiten und Einstellungen zu entwickeln, die zukünftiges Lernen fördern und erleichtern und die – vom ursprünglichen Lernkontext abstrahiert – auf andere Lernsituationen übertragen werden können“ (vgl. ebd., S.2). Es hätte sich bei dieser definitorischen Konstellation besser bewährt, statt des verwirrenden Ausdruckes selbstreguliert, „effizientes“ und „lernförderndes“ Lernen zu benützen.
Angesichts der Realität des heutigen Bildungssystems und Arbeitsmarktes lässt sich hingegen nicht leugnen, dass Kompetenz eine positive Intention beinhaltet; sie legt eine besondere Betonung auf das persönliche „Potential, bestimmte Fähigkeiten zeigen zu können“ (vgl. Anonymer Autor, [pdf.online] S.2), aber auch diese primär zu erlernen. Dabei ist es außerdem die Gesellschaft, die dem Individuum die Fähigkeiten zu zielorientierten Handlungen vermittelt, welche sie nachher von ihm wieder abverlangt. Zum Ausdruck dieses interaktionistischen Systems zwischen Individuum und Gesellschaft kommt die Kompetenz durch die Performanz des Einzelnen und der Teilstrukturen der Gesellschaft (Lehrerschaft – Schule, Ordensgemeinschaft – Kirche, Regierung – Politik, Management – Wirtschaft usw.), d.h. Umsetzung der Fähigkeiten in die Realität (Tulodziecki, [online]). Kompetenz ist folglich – wie bereits expliziert – ein das ganze Leben umfassender Lernprozess, der für die Entwicklung sowohl der Gesellschaft, als auch der Person beiträgt. Der Lernprozess gewinnt eine pädagogische Bedeutung, weil er im Bildungsprozess verankert ist, der Erziehung durch Familie und Schule und Sozialisation in die Gesellschaft bewirkt (ebd.). Individuelle Leistungen und Bemühungen lassen – gesellschaftlich betrachtet – auf persönliche Kompetenz vom Betreffenden schließen. Wissenschaftliche, ökonomische, soziale, innen- und außenpolitische Errungenschaften lassen auf eine hohe Kompetenz von Individuen, d.h. der Gesellschaft schließen. Dass die Errungenschaften nicht immer positiv sein müssen und viele Handlungen schwache und sozial benachteiligte Menschen übergehen und ignorieren, zeigt die Geschichte der Menschheit. Kompetenz muss ergo nicht immer ein Inbegriff heißen; sie kann bei unbedachtem Einsatz destruktive Folgen haben, ebenso bei dispositioneller Unterlegenheit und Schwäche. Daher müssen Voraussetzungen erfüllt werden, um Kompetenz als rationale und ethisch richtige Handlungsweise zu erörtern. Es ist wichtig, sich in diesem Zusammenhang den Begriff der sozialen Kompetenz zu verdeutlichen. Sie befasst sich mit der Fähigkeit des zwischenmenschlichen Lebens des Einzelnen in der Gesellschaft und legt ihre Charakteristiken (Erscheinungsmerkmale) fest. Persönliche Ausdrucks-, Kooperations-, Gestaltungs- und Empathiefähigkeit sind nur einige Komponente dieses Spektrums (Lexikon – sociologicus, [online]).
2.3.2 Kompetenz: Eine inhaltliche oder begriffliche Innovation?
Der Begriff Kompetenz stammt erkenntnistheoretisch aus modernen und zukunftsorientierten Bildungsideen und einer neuen Lernkultur. Auch die eingangs beschriebenen technologischen Phänomene und gesellschaftlichen Konstellationen schließen auf die Ursache der Einführung des Kompetenz-Begriffes als profilierten Terminus. Weil Kompetenz als Fachbegriff in den andauernden wissenschaftlichen Diskussionen mehr aussagen soll, als menschliche Fähigkeitspotenziale, sind die semantischen Bezüge zu den Begriffen wie fachliches Wissen, methodisches Können, Selbstorganisation, neue Lernkultur u.a. unumgänglich (Veith, 2003 S.18f.).
Die oben genannten Ausführungen der unterschiedlichen Kompetenzarten zeigen, dass eine Differenzierung unter Teilaspekten insofern sinnvoll erscheint, wenn sie aus Notwendigkeit resultiert und auch ihrer inhaltlichen Semantiken, d.h. Bedeutungen gerecht wird. Anders sieht es aus, wenn solche wissenschaftlichen Methoden der Differenzierung weder eine gebilligte Abgrenzung einhalten, noch eine systematische Erklärung wiedergeben können. Dann besteht die Gefahr der unendlichen Erweiterungsmöglichkeiten, die mitunter Unübersichtlichkeit und Verwirrung verursachen würde. Zum Beispiel könnte ein Philosoph bei der Differenzierung bemängeln, dass der Bereich der „ethischen Kompetenz“ nicht als eigene Kompetenzdomäne erwähnt wird, der Mediziner würde sich nicht zufrieden geben, die Abgrenzung der „humanmedizinischen Kompetenz“ als lebensnotwendigster Dienst für die Menschheit in die Klasse der Fachkompetenz unterzuordnen. Eine andere sehr wichtige Problematik der Differenzierung ist – wie zuvor genannt – das Fehlen einer allgemeinen wissenschaftlichen Akzeptanz (vgl. Hölbing/Reglin, 2004 S.24), weshalb auch hier die gesamte wissenschaftliche Bemühung bzw. Konzeptualisierung in Frage gerät.
3.Schlussteil
Kritische Bewertung
Kompetenz trotz schwammiger Begrifflichkeit und „inflationärer“ (vgl. Hölbing/Reglin, 2004 S.13) Verwendung ist eine gesellschaftliche Realität, die wir nicht ausnahmslos ablehnen oder befürworten können, ohne die verschiedenen Aspekte und Klassifizierungen zu berücksichtigen. Wenn Kompetenz als Fähigkeit, das eigene Wissen in bestimmten Situationen zur Bewältigung von persönlichen Aufgaben und Verpflichtungen einzusetzen, verstanden wird, so ist es in der Tat wichtig, Kompetenz von Geburt an dem Heranwachsenden zu vermitteln. Wenn Kompetenz aber sich mehr noch durch Qualifikation(en), Selbstorganisation und eigenständige Performanz definiert, dann ist es fraglich, ob Kompetenz nicht zu einem Privileg und fremdem Ideal transformiert. Wichtig erscheint es im gegenwärtigen Kompetenzdiskurs zu einem wissenschaftlich begründeten, realitätsnahen und akzeptierten Konsens zu kommen. Denn ohne eine allgemeine Verständnisbasis von Kompetenz, scheinen auch die Differenzierungen und neue Einführung von Teilkompetenzen in einer Weise in die Grenzenlosigkeit der wissenschaftlichen Verfechtungen und Floskeln ad absurdum zu führen. Die Gefahr, dass Kompetenz als Fachbegriff insbesondere nach der aktuellen, erweiterten Einführung des Begriffes Medienkompetenz zum fachwissenschaftlichen „Jargon“ wird, ist ebenso nahe legend, wie es sich inzwischen bei dem Ausdruck „Schlüsselqualifikation“ herausgestellt hat bzw. interpretiert wird.
Eigenschaftstheoretische Definitionen müssen mit den Fassungen der situationsgebundenen Konzepte verbunden werden, wonach letztlich eindeutige und allgemeine Analyseverfahren diese Divergenzen ablösen und hoffentlich entgegen der Aussage des „vergeblichen Hoffens“ (Hölbing/Reglin, 2004 S.13) auf eine eindeutige Definition hinführen.
4. Literaturverzeichnis
Anonymer Autor: Soziale Kompetenz – Definition und Abgrenzung. [online] http://www.hogrefe.de/aktuell/3-8017-1641-4_lesepr.pdf (Stand: 28.12.2004)
Baumert, Jürgen/ Klieme, Eckhard (u.a.): Fähigkeit zum selbstregulierten Lernen als fächerübergreifende Kompetenz. [online] http://www.mpib-berlin.mpg.de/pisa/CCCdt.pdf (Stand: 30.12.2004)
Duden: Fremdwörterbuch Band 5. Mannheim – Leipzig – Wien – Zürich: Dudenverlag, 2004.
Habermas, Jürgen: Moralentwicklung und Ich-Identität. In: Zur Rekonstruktion des historischen Materialismus. Frankfurt am Main: Suhrkamp Taschenbuch Verlag, 1976.
Hölbing, Gerhart /Reglin, Thomas: Computerlernen und Kompetenz – Vergleichende Analysen zum Lernen im Netz und mit Multimedia. Bielefeld: Bertelsmann Verlag, 2004.
Klippert, Heinz: Methodentraining. Übungsbausteine für den Unterricht. 9. Auflage, Weinheim und Basel 1999.
Lexikon – sociologicus: Lexikon. Wissenswertes zur Erwachsenenbildung, [online] http://www.sociologicus.de/lexikon/lex_geb/begriffe/soziale4.htm (Stand: 30.12.2004)
Lichtenberger, Yves: Von der Qualifikation zur Kompetenz – Die neuen Herausforderungen der Arbeitsorganisation in Frankreich. In: ABWF e.V., Projekt QUEM (Hrsg.): Kompetenzentwicklung `99. Aspekte einer neuen Lernkultur, Argumente, Erfahrungen, Konsequenzen. Münster: 1999.
Petran, Wolfgang: Info Dienst – Entwicklungsinitiative: Neue Förderstruktur für Jugendliche mit besonderem Förderbedarf, [online] http://www.kompetenzagenturen.de/download/infodienst_2002_2.pdf (Stand: 29.12.2004)
Projektteam, Deutsches Institut für Internationale Pädagogik; Deutsches Institut für Erwachsenenbildung; Institut für Entwicklungsplanung und Strukturforschung: Weiterbildungspass mit Zertifizierung informellen Lernens, [online] http://www.die-bonn.de/esprid/dokumente/doc-2004/die04_02.pdf Frankfurt am Main, 2004 (Stand: 29.12.2004)
Tulodziecki: Ziel- und Aufgabenbereiche für Erziehung und Bildung im Kontext von Medien und Informationstechnologien, [online] http://www.learn-line.nrw.de/angebote/mksu/basiseinheit.jsp?page=7,1,4,3,1 (Stand: 29.12.2004)
Veith, Hermann: Kompetenzen und Lernkulturen – Zur historischen Rekonstruktion moderner Bildungsleitsemantiken. Münster: Waxmann Verlag, 2003.
Wollersheim, Heinz W.: Kompetenzerziehung: Befähigung zur Bewältigung, Frankfurt am Main, 1993.
Zimmerli, Walther Christoph: Erziehung zur Persönlichkeit im Übergang von Toleranz zu Pluralismus. In: Norbert Seibert/Helmut J. Serve (Hrsg.): Bildung und Erziehung an der Schwelle zum dritten Jahrtausend; multidisziplinäre Aspekte, Analysen, Positionen, Perspektiven. München: PimS-Verlag, 1994, S. 862-885.
http://arbeitsblaetter.stangl-taller.at/KOMMUNIKATION/
SozialeKompetenzLernen.shtml (Stand: 09.01.2005)
http://www.olev.de/p/potenzial_v_mitarb.htm#Fachkompetenz (Stand: 09.01.2005)
[...]
[1] Die Darstellung der von Habermas, Piaget, Erikson, Kohlberg und anderen Identitätstheoretikern entwickelten Theorien über die Entwicklung der personalen Identität würde den Rahmen dieser Ausarbeitung sprengen, deswegen soll hier nur noch kurz angedeutet werden, dass der Mensch als Kind bestimmte Fähigkeiten, also Kompetenzen, aneignen muss, um in den interindividuellen Strukturen der Gesellschaft mit einer „gelingenden Ich-Identität“ standhalten zu können (Habermas, 1976 S.93).
- Quote paper
- Esra Onus (Author), Stephanie Leiske (Author), Stefan Gausepohl (Author), 2005, WAS IST KOMPETENZ? Eine kritische Ausarbeitung zur Begriffsdefinition, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109967
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