Gliederung
1.Einleitung
2.Inhaltliches und stilistische Besonderheiten
3. Personen
3.1.Vera
3.2 Pit
3.3 Helge
3.4 Nora
3.5 Tom
3.6 Bettina
3.7 “Der Mann”
3.8 Ruth
3.9 Karl
4. Motive
4.1 Einsamkeit
4.2 Gestörte Kommunikation
4.3 Langeweile
5. Schlussbemerkung
1. Einleitung:
In der folgenden Hausarbeit habe ich den Roman „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ von Sibylle Berg, der auch schon mein Referatsthema im Seminar war, untersucht. Im Folgenden habe ich mein Referat schriftlich ausformuliert und bin auf stilistische und inhaltliche Besonderheiten des Werkes eingegangen.
Mir ist hierbei besonders aufgefallen, dass ich große Schwierigkeiten hatte, den Inhalt des Romans knapp wiederzugeben. Den Grund hierfür sehe ich in der „Episodenhaftigkeit“ und der damit verbundenen Inhaltsfülle des Romans. Mein eigentliches Vorhaben, eine sehr originelle Inhaltswiedergabe mit Hilfe der von Frau Berg gewählten Kurzüberschriften, der einzelnen Episoden zu geben, konnte ich leider nicht realisieren. Zum Einen, weil meine Inhaltsangabe dann den „Rahmen“ meiner Arbeit gesprengt hätte, denn es handelt sich immerhin um 88 solcher Überschriften, und zum Anderen weil, die im Roman verwendeten Überschriften zu stark umgangssprachlich gefärbt sind, als dass ich sie in meine Arbeit hätte „einbauen“ können.
Um meine Idee trotzdem nicht ganz unbeachtet zu lassen habe ich in wenigen, exemplarischen Sätzen die Überschrift verwendet und mit kursiver Schrift kenntlich gemacht.
Ich habe auf ein Literaturverzeichnis verzichtet, da ich keinerlei Sekundärliteratur zu Sibylle Bergs Debütroman finden konnte und mich deshalb ausschließlich auf das Buch selbst beziehe.
2.Inhaltliches und stilistische Besonderheiten:
Vera trinkt Kaffee, so ist die Erste und auch die Letzte der 88 Episoden aus Sibylle Bergs Erstlingswerk „Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“ überschrieben.
Beide Episode erzählen von Veras Geburtstag, was vermuten lässt, dass sich der Roman in einem Zeitraum von genau einem Jahr abspielt. In diesem Jahr erfährt der Leser nicht nur mehr über Veras Leben, sondern er lernt noch neun weitere Protagonisten bzw. Protagonistinnen kennen. Die dazwischenliegenden 86 Episoden folgen dem selben Muster, sie sind jeweils mit einer Überschrift und einer ungefähren Handlungsangabe versehen. Diese Einteilung des Romans stiftet Unruhe und Verwirrung. Zunächst scheint es sich um die Darstellung von zehn Einzelschicksalen zu handeln, die sich nebeneinander her entwickeln. Allmählich jedoch verflechten sich im Laufe des Romans die Handlungsstränge, die Personen haben fast alle mehr oder weniger viel miteinander zu tun. Die Abstände, in denen der Handlungsstrang einer Person „wiederaufgenommen“ wird, sind unregelmäßig und lassen kein Muster erkennen. Manchmal liegt nur eine, oft aber auch bis zu acht anderen „Szenen“ dazwischen. Auch wird nicht jede Romanfigur gleich oft behandelt, so sind Bettina zum Beispiel 20, Pit hingegen nur drei Episoden gewidmet. Ein ebenfalls Unruhe stiftendes Element des Romans sehe ich in der sich häufig ändernden Erzählperspektive, die Autorin springt innerhalb des Romans und auch innerhalb der einzelnen Personen zwischen Ich- und Er- Erzählung. Die meisten Episoden sind eine Art „Innerer Monolog“ der Protagonisten. Diese stilistischen Eigenheiten des Romans geben ihm das hohe Tempo, denn durch dieses „Springen“ in den Episoden erreicht Frau Berg, dass dem Leser der Roman wie ein Film mit sehr harten, schnellen Schnitten und völlig unvermittelten „Szenenwechseln“ erscheint. Auch ihre oft sehr ungewöhnlichen Halbsätze, z.B: “Ich habe keine Lust mehr. Zu reisen. Die erste Pension nehme ich. Dunkel und es stinkt.“[1], verstärken diesen Eindruck. Einen Grund für die episodische Darstellung des Romans sehe ich darin, dass es der Autorin in konventioneller Romanform nicht möglich wäre, so vielen Charakteren gerecht zu werden. Auf nur 180 Seiten gelingt es Frau Berg dem Leser ein klares Bild von immerhin zehn sehr eigenwilligen Menschen und deren bizarren Lebensauffassungen zu vermitteln. Sibylle Berg kreiert nicht nur das Bild dieser eigenwillige Charaktere, sie lässt den Leser auch an deren Lebenskrise und schließlich auch an deren Tod teilhaben. Denn mit Ausnahme von Vera kommen alle Romanfiguren ums Leben. Wobei auffällig ist, dass keine der Personen eines natürlichen Todes stirbt. Nora und Ruth begehen Selbstmord, Karl, Pit und Helge werden ermordet „Der Mann“ und Paul verdursten und Tom und Bettina kommen bei einem Autounfall ums Leben.
Die Romanfiguren bei Sibylle Berg haben viele Gemeinsamkeiten: sie hassen ihre Berufe, leben in unglücklichen Beziehungen oder sind ohnehin frustrierte Singles, die sich gegenseitig emotional und manchmal auch sexuell missbrauchen.
3.Personen:
3.1 Vera:
Vera ist mit Helge verheiratet, allerdings leben beide aneinander vorbei und haben sich nicht viel zu sagen. Vera arbeitet in einem Büro und träumt sich ein aufregenderes Leben.
„Meistens bin ich ziemlich traurig, wenn ich aufhören muss zu träumen. (...) Die Menschen, die ich kenne sind entweder esoterisch geworden oder familiär. Unglücklich sind sie alle. Ich geh ins Büro. Ich werde erst mal Kaffee trinken, und dann werde ich an den Mann denken, der alles ändert.“[2]
Tatsächlich lernt Vera einen anderen Mann kennen, der ihr Leben verändert: Pit. Obwohl Beide erkennen, dass die zwischen ihnen entstandene Nähe allein auf Körperlichkeiten basiert und sie sich ansonsten nicht viel zu sagen haben, beschließen sie gemeinsam nach Amerika zu reisen. Dort angekommen entwickelt sich ihre Beziehung in ein Mutter-Sohn Verhältnis, so dass Vera nach kurzer Zeit beschließt zurück nach Deutschland zu kehren. Zurück zuhause beschließt Vera alles anders zu machen, sie sagt sich, dass ihr Mann Helge bestimmt nicht zurückkommen wird und räumt seine Sachen in eine Kammer. Sie beschließt auch, dass ihre Tochter Nora, die nach Spanien „durchgebrannt“, ist inzwischen alt genug für ein eigenes Leben ist und räumt auch ihre Sachen weg.
Diese Entscheidung macht Vera zur Heldin des Romans, denn Vera ist nicht nur die einzig Überlebende, sie ist am Ende auch glücklich, denn sie hat den Sinn ihres Lebens gefunden:
„Worum es geht, ist doch einfach nur, etwas zu lieben. Und wenn es Milchkaffee und Zigaretten sind“[3]
3.2 Pit:
Pit ist ein talentloser Musiker, der davon träumt Rockstar zu werden. Er lernt Vera kennen und reist mit ihr nach Amerika. Aber Pit hat Pech und Vera verlässt ihn schon bald wieder.
Pit entscheidet sich in Amerika zu bleiben und wird dort kurzerhand von einer Frau, die er in einer Kneipe kennen gelernt hat, skalpiert.
3.3 Helge:
Helge ist der Ehemann von Vera und der Vater von Nora, allerdings erwähnt er seine Tochter kaum. Helge geht ins Hotel, denn er arbeitet in der Hotelbar als Pianist und ist frustriert darüber, dass niemand seine eigenen Lieder hören möchte. Deshalb spielt er, bis alle Gäste betrunken sind, bekannte Lieder und erst danach seine Eigenen. Regelmäßig kommen dann am späteren Abend alte, unglückliche Frauen zu ihm ans Klavier und laden ihn auf ihr Zimmer ein. Von Ihnen lässt er sich für Sex bezahlen, nicht weil er das Geld braucht, sondern um wenigstens „konsequent Scheiße zu bauen“.
„Ich weiß nicht, was ich mit dem Geld soll, außer es zu vertrinken. Nein, ich nehm das Geld, weil es konsequent ist. Wenn ich schon nichts anderes hinkriege, dann will ich wenigstens konsequent Scheiße bauen.“[4]
Um seinem unglücklichen Dasein ein Ende zu bereiten beschließt Helge nach Venedig zu reisen, dort trifft er Freitag, bemerkt, dass es wahre Liebe nur unter Männern gibt und wird, letztlich von seiner „ersten richtigen Liebe“ Freitag, umgebracht.
3.4 Nora:
Nora hat Hunger, aber sie isst nur noch Gurken, Äpfel und Salat, denn Nora ist Magersüchtig. Seit sie beschlossen hat nicht mehr zu essen fühlt sie sich stark. Erst jetzt, da sie bei einer Körpergröße von 1,75 m nur noch 40 Kilo, wiegt empfindet sie sich als Persönlichkeit.
„Seit ich nicht mehr esse, brauche ich niemanden mehr. Meine Eltern sind mir fremde Personen geworden. Es ist mir egal, ob sie mich beachten oder nicht.“[5]
Nora beschließt nach Spanien zu gehen, sie hofft, dass am Meer alles besser sein wird als zuhause. Allerdings hat sie schon bald kein Geld mehr und wird ihrer selbstgewählten Einsamkeit überdrüssig. Jeden Tag trinkt sie Rotwein um die „Kälte“ besser zu ertragen. Sie redet mit niemandem und ihre einzigen Kontakte zu anderen Menschen sind kurze sexuelle Begegnungen, bei denen sie selbst nichts empfindet.
„Jeder kann mich haben. Es macht mir nichts. Es ist besser als allein zu sein. Sie nehmen mir für einen kurzen Moment die Entscheidung ab, wohin ich gehen soll, diese Männer.“[6]
Einzig mit Thomas, einem selbsternannten Sadisten, baut sie eine Art Beziehung auf. Diese „Beziehung“ allerdings gipfelt für Nora in einem Selbstmordversuch. Mit aufgeschnittenen Pulsadern wird Nora in ein spanisches Krankenhaus eingeliefert, wo sie auf Tom trifft.
In Tom verliebt sie sich und mit ihm überfällt sie eine Bank, gemeinsam reisen sie nach Venedig. Dort angekommen bemühen sich beide sehr eine Beziehung miteinander zu führen, allerdings bemerkt Nora sehr bald, dass sie in Toms Gegenwart nicht sie selbst sein kann.
„Mit Tom bin ich mir fremd. (...) Aber allein sein kann ich auch nicht. Ich glaube mal, ich hasse mich.“[7]
Als sie dann auch noch Toms Ex-Affäre, Bettina, treffen und Tom sich ganz prächtig mit ihr unterhalten kann, bekommt Nora Angst, dass Tom sie verlassen könnte. In ihre Angst verrennt sich Nora vollständig und stellt Toms Liebe zu ihr auf eine Probe. Tom allerdings ist irritiert und versteht Nora nicht, er beschließt sich nicht auf Noras „Kindereien“ einzulassen und lässt sich nicht davon abhalten mit Bettina einen Tagesausflug zu machen.
Für Nora ist Toms Verhalten der Beweis für seine nicht ausreichende Liebe zu ihr.
„Ich weiß, dass ich mit Tom nicht glücklich bin. Aber ohne ihn auch nicht, und ohne ihn bin ich dann unglücklich und alleine. Und das ist echt zuviel.“[8]
Diese Erkenntnis und ihr fester Glauben daran, dass Tom nicht mehr zu ihr zurückkommen wird, führt dazu, dass Nora sich mit Benzin übergießt und anzündet.
3.5 Tom:
Tom ist auf der Suche nach der Frau seines Lebens, als er Nora kennenlernt ist er froh endlich eine Frau gefunden zu haben, die er beschützen kann und mit der er sich groß, stark und erfahren fühlt.
Er weiß nicht, ob er wirklich Nora liebt, oder nur das Gefühl, das sie ihm gibt, aber er entscheidet sich sein Leben mit ihr zu teilen und nimmt sich vor, immer und über alles mit ihr zu reden. Dieser Vorsatz von Tom führt zu schrecklichen Missverständnissen zwischen ihm und Nora, denn Nora wertet Toms Versuch, ein Gespräch über ihre Zukunft mit ihr zu führen, als Abwertung ihrer Person.
Trotz aller kommunikativen Schwierigkeiten entscheidet sich Tom für ein Leben mit Nora. Bei seinem Tagesausflug mit Bettina wird ihm ganz klar, dass er Nora wirklich liebt. Kurz bevor er in einem Autounfall tödlich verunglückt denkt er, dass es schön wäre Nora zu heiraten.
3.6 Bettina:
Bettina ist eine vom Leben im Allgemeinen und der Liebe im Besonderen unausgefüllte Journalistin. Sie verliebt sich immerzu unglücklich und ist auf der Suche nach ihrem „eigenen“ Menschen.
„Wie alle, die nicht zur intellektuellen Ekstase taugen. Renne ich der Ekstase der Liebe hinterher. Damit etwas passiert, das mich aus der Gewöhnlichkeit meiner Gedanken hebt. Und rechtfertige wie alle: Die Liebe ist es doch, um die es geht. Es geht vermutlich um etwas ganz anderes.“[9]
Zunächst glaubt sie in Pit ihren eigenen Menschen gefunden zu haben, aber der verliebt sich in Bettinas Freundin Vera.
Nach dieser gescheiterten Liebe folgen noch einige, nicht erwähnenswerte, unglückliche Liebschaften. Doch dann trifft sie ihn doch, „den Mann“, der ihr eigener Mensch werden könnte. Sie schläft mit ihm und zum ersten Mal fühlt sie sich einem fremden Mann ganz nah.
Bettina verliebt sich in den Mann, aber der verschwindet nach drei Tagen wieder aus ihrem Leben. Damit möchte Bettina sich nicht abfinden und geht deshalb zu einem Zauberer, der dafür sorgen kann, dass der Mann zurückkommt. Aber er kann Bettina nicht versprechen, dass er sie dann auch lieben wird. Bettina ist das egal, sie will unbedingt, dass „der Mann“ zu ihr zurückkommt. Der Zauber funktioniert, drei Wochen später steht der Mann plötzlich vor Bettinas Tür.
Aber wieder bleibt ihre Sehnsucht nach der großen Liebe und dem „eigenen Menschen unerfüllt, denn „der Mann“ liebt Bettina nicht. Er wohnt bei ihr, schläft mit ihr, aber er ist nicht in sie verliebt.
„Ich rede mir gerne ein, dass der Mann mich nicht liebt, weil er Angst davor hat. (...)Aber ab und zu erkenne ich, dass ich mir da was vormache. Ich liebe den Mann. Der Mann liebt mich nicht.“[10]
Frustriert, weil auch der Versuch mit ihm nach Marrakesch zu fahren um dort seine Liebe zu gewinnen, fehlschlägt, stürzt sich Bettina in Ihre Arbeit. Nach qualvollen Tagen des Liebeskummers landet Bettina schließlich in Venedig, wo sie ihren längst verflossenen Ex- Liebhaber Tom mit seiner neuen Freundin Nora, trifft. Sie überredet Tom zu einem Tagesausflug.
„Tom neben mir im Auto. Ich wie ein Hund. Reflexe sind alles. Mann. Hübsch. Sonne scheint. Will ich haben. Sollte ich doch mal zu einem Therapeuten? Mir erklären lassen, dass es Glück nicht durch einen anderen Menschen gibt? Erklären lassen, was ich längst weiß? Alleine zu sein finde ich furchtbar. Niemanden zu haben zum Drandenken. Tom ist grad da. Pech für ihn. Ich glaube, ich bin jetzt soweit. Ich könnte wirklich mit jemandem zusammenwohnen. Ich glaube nicht mehr an die große Liebe.“[11]
Zwar verbringt Bettina eine Nacht mit Tom und schläft auch mit ihm, aber bereits am nächsten morgen wird ihr klar, dass Tom glücklich mit Nora ist und als „eigener“ Mensch für sie auch nicht in Frage kommt. Kurz bevor Tom und Bettina mit einem Auto in einen Laster hineinfahren und tödlich verunglücken, denkt Bettina trotzdem plötzlich, dass das Leben schön ist und freut sich auf das, was noch kommen mag.
3.7 Der Mann:
„Der Mann“ hat keinen Namen, zumindest wird sein Name nicht erwähnt. Er lernt Bettina kennen und freut sich nicht mehr alleine sein zu müssen. Allerdings ist er nicht in sie verliebt.
In Marrakesch lernt er Paul kennen, der ihm die Wüste zeigen will, so fährt„der Mann“ mit Paul in die Wüste, wo sie eine Autopanne haben und verdursten.
3.8 Ruth:
Ruth langweilt sich, denn sie lebt im Altenheim und ihr Leben ist anders verlaufen, als sie sich das vorgestellt hatte. Sie hat sich alt werden immer sehr schön vorgestellt und plötzlich ist sie alt geworden und weiß gar nicht, wie das so schnell passieren konnte. Sie ist sehr einsam und wünscht sich noch einmal einen Mann kennen zulernen. Als sie Karl, den Neuzugang im Altenheim, kennenlernt, verliebt sie sich auf der Stelle in ihn und hofft, dass sie mit ihm ihre Einsamkeit überwinden und sich wieder jung fühlen kann. Allerdings bemerkt sie sehr bald, dass Karl sie nicht „zurückliebt“. Aus Frustration hierüber bringt sie erst Karl und schließlich auch sich selbst um.
3.9 Karl:
Karl fühlt sich alt, er wünscht sich noch einmal mit einer jungen Frau zu schlafen, denn der Geruch von alten Menschen widert ihn an. Er lernt Ruth kennen und ist froh darüber nicht mehr alleine zu sein, allerdings stört es ihn, dass Ruth ihn ständig anfassen möchte, er kann nicht mit Ruth schlafen, weil sie alt riecht und dieser Geruch ihn daran erinnert, dass es bald zuende ist. Er mag Ruth, aber er ist nicht verliebt, sie ist ihm zu alt.
4.MOTIVE:
4.1 Einsamkeit:
Immer wiederkehrend ist in Sibylle Bergs Roman das Motiv Einsamkeit. Alle Personen fühlen sich auf die eine oder andere Art einsam. Jeder der Hauptfiguren befindet sich auf der Suche nach dem persönlichen Glück, der Lebensaufgabe und vor allem auch der Erfüllung der eigenen Liebesauffassung.
Das „sich einsam fühlen“ ist Symbol für das noch nicht gefundene Glück, den noch nicht gefundenen Lebenssinn und schließlich auch für das noch nicht erfüllte Liebesglück.
So trinkt zum Beispiel Nora Rotwein gegen die Kälte, die ich auf jeden Fall als Metapher für die Einsamkeit werten möchte.
„Ich trinke abends immer Rotwein. Manchmal auch schon morgens. Dann ist mir nicht so kalt. Ich friere auch, wenn die Sonne scheint. (...)Wenn ich Rotwein trinke, dann ist auch alles so schön weich, und es macht total Sinn dass ich weggefahren bin“[12]
Alkohol wird zum Ersatz für Wärme und zur Sinngebenden Instanz. Nicht nur für Nora, sondern auch für ihren Vater Helge, ist das Leben alkoholisiert leichter zu ertragen.
Nora kompensiert ihre Einsamkeit auch durch Sex, Sex vermittelt Nora, zumindest kurzfristig, das Gefühl nicht alleine zu sein:
„Er legt nur Partien frei. Ich zähle Schiffe.10, 11, 12 Schiffe.beim30sten Schiff ist er fertig und rollt ab. Ich stehe auf, und es läuft mir die Beine runter. Ich mache endlich dieses mistige Licht aus. So im Dunkel kann ich liegen und kurz glauben, ich wäre nicht allein.“[13]
Auch Vera ist sehr einsam, dies wird gleich zu Begin des Romans deutlich, denn niemand ist da um Vera zum Geburtstag zu gratulieren.
Noch eindeutiger formuliert Bettina ihre Einsamkeit:
„Ich sehne mich so nach einem eigenen Menschen. Lieber Gott, schenk mir einen eigenen Menschen. Einen, der nur mir gehört.“[14]
Dieser Wunsch von Bettina ist so dringlich, dass sie sich sklavisch ihrem stark ausgeprägten Liebesbedürfnis unterwirft und sogar Zauberei anwendet um ihren Wunsch erfüllt zu bekommen.
Weihnachten wird als Symbol für Familie und Harmonie eingesetzt. Tom träumt davon mit „seiner“ Frau zu Weihnachten vor dem Schaufenster mit der Spielzeugeisenbahn zu stehen. Diese Vorstellung bereitet ihm wohlbehagen, sie wäre die Erfüllung dessen, was er sich unter Glück vorstellt.
4.2 Gestörte Kommunikation:
Alle im Roman beschriebenen Beziehungen scheitern an mangelnder bzw. gestörter Kommunikation. Sehr deutlich wird das im Gespräch von Nora und Tom:
„Tom fragt Nora: Du, was stellst du dir eigentlich so vor, für deine Zukunft. Ich meine, was willst du denn mal machen und so? Und Nora hört aus dieser Frage, ich will dich los sein. Und alles in ihr verkrampft sich.“[15]
Auch Vera und Pit schaffen es nicht sich anders als nur körperlich nahe zu kommen:
„Als hätten sie beide Angst, dass die Situation sich grundlegend ändert, dass sie kippt, peinlich wird, falsch wird, wenn sie sprächen, sprechen sie nicht. Die Ruhe stimmt auch nicht. Aber reden macht Wirklichkeit. Wirklichkeit ist für jeden etwas anderes.“[16]
In diesem Zitat wird deutlich, woher die Angst miteinander zu reden kommt. Ich glaube, dass nicht nur Vera und Pit, sondern ausnahmslos alle Romanfiguren Angst davor haben zu merken, dass der andere eine andere Wirklichkeit und somit andere Vorstellungen von Leben und Lieben hat.
Die nicht funktionierende Kommunikation wird bei Sibylle Berg auch zu einem geschlechterspezifischen Problem erklärt. Reden wollen wird als weiblich, Reden unnötig finden als männlich eingestuft. So denkt zum Beispiel Karl:
„Wenn ein Mann von Liebe spricht, dann meint er begehren, dann meint er Geschlechtsverkehr und Orgasmus. Wenn eine Frau von Liebe spricht, dann meint sie Seele und Verschmelzen, dann meint sie alt werden und reden und anfassen ohne Ende und Symbiose.“[17]
Auch Helge, der nach vielen frustrierenden Ehejahren mit Vera seine Homosexualität entdeckt, stellt fest:
„Wie konnte ich nur mal mit einer Frau zusammensein, denkt sich Helge. Die wollen dauernd reden. Dabei gibt es, wenn man ehrlich ist, nichts zu sagen. Für niemanden.“[18]
4.3 Langeweile:
„Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot“, doch auf dem Weg ins „Jenseits“ langweilen sie sich vor allem zu Tode.
Zumeist resultiert die Langeweile, der Protagonisten aus der Unzufriedenheit in ihren Berufen. So sagt zum Beispiel Helge:
„Jeden Abend das Lied des eigenen Versagens spielen zu müssen kann ja nun wirklich nicht spannend sein.“[19]
Auch Bettina, die Journalistin bewertet ihre eigene Arbeit kritisch, wenn sie sagt:
„Mit jedem Wort, dass ich schreibe, formuliere ich ein Stück Lüge. Raube ich die Zeit derer, die diese Worte lesen. Ohne ihnen was dafür zu geben. Und mit der gestohlenen Zeit fange ich noch nicht einmal etwas an. Sammle sie nicht, um etwas Wichtiges zu schaffen.“[20]
Und Bettina langweilt sich nicht nur beruflich, wie die meisten anderen Romanfiguren langweilt auch sie sich in ihrer Freizeit:
„Die richtig schlauen haben erkannt, dass Langeweile der Normalzustand des nicht schwer arbeitenden Menschen ist. Abends gehe ich weg. Um mich mit anderen in der Gruppe zu langweilen“[21]
5. Schlussbemerkung:
Abschließend stellt sich mir noch einmal die Frage, warum Frau Berg ihren Roman in Episoden unterteilt hat.
Ich habe mich mit dieser Frage an Sibylle Berg direkt gewandt, aber zu meiner großen Enttäuschung habe ich bis heute keine Antwort auf meine Frage erhalten, so dass ich mir die Antwort selbst geben muss.
In Punkt 2 meiner Arbeit habe ich schon einige Gründe hierfür aufgezeigt. Allerdings, so glaube ich, ist der eigentliche Grund für die „Episodenhaftigkeit“ des Romans, der ganz persönliche Stil von Frau Berg.
In einem Interview hat sie einmal gesagt, dass sie aufgehört hat Bücher zu lesen um nicht den Stil eines anderen Autors zu adaptieren. In ihrem Erstlingswerk zeigt sie, meiner Meinung nach, dass es ihr gelungen ist einen ganz eigenen „Ton“ zu finden.
Nie zuvor habe ich ein Buch gelesen, in dem der Autor seine Helden auf so grausame Art und Weise und mit so einer Genugtuung hinrichtet.
Mit grauenhaften, oft syntaktisch unvollständigen Sätzen und einem boshaften Schuss lakonischer Ironie wird dem Leser jegliche Freude und jeglicher Optimismus ausgetrieben. Trotzdem, oder vielleicht gerade deshalb schafft es Frau Berg den Leser in ihren Bann zu ziehen.
Bleibt lediglich die Frage: Wird wenigstens Vera lachend sterben?????
[...]
[1] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S .74
[2] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot
[3] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S.180
[4] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S.22
[5] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S.9
[6] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S.44
[7] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 136
[8] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 171
[9] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 92
[10] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 145
[11] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot: S.170
[12] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 20
[13] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 43
[14] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 58
[15] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 127
[16] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 76
[17] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 67
[18] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 155
[19] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S.21
[20] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 91
[21] Sibylle Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot. S. 98
- Quote paper
- Sabine Winkler (Author), 2002, Sybille Berg: Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109759