INHALT
Vorbemerkungen
I. Theoretischer Hintergrund
1. Freuds Konzept der Verneinung
2. Das Inzestverbot und Phèdre
3. Warum Psychoanalyse? Die Ungeschichtlichkeit des Mythos
II. Methodisches Vorgehen und Textanalyse
1. Freuds Technik der Traumdeutung
2. Benennung der Verneinungssymbole innerhalb der Erzählung
3. Systematisierung der Symbole
III. Anwendung und Deutung
1. Verneinung der physischen Ordnung
2. Verneinung der verbalen Ordnung
3. Verneinung der institutionellen Ordnung
Schlussbetrachtungen
Literaturverzeichnis
Einführung
Es gibt in der Literaturwissenschaft bereits seit dem Erscheinen von Freuds Traumdeutung Ansätze, die versuchen, in Anlehnung an die Deutung von Träumen auch (andere) Erzählungen auf ihren symbolischen[1] Gehalt hin zu untersuchen um so eine tiefen-psychologische Dimension des Textes zu erschließen, die traditionellen Analyse- und Interpretationsverfahren nicht zugänglich ist. Dabei stellt Freud selbst den Zusammenhang zwischen Psychoanalyse und Literatur her:
„Es war dem Verfasser wahrlich nicht eingefallen, Bekräftigung seiner Ergebnisse bei den Dichtern zu suchen, und darum war seine Überraschung nicht gering, als er [...] merkte, daß der Dichter seiner Schöpfung das nämliche zugrunde lege, was er aus den Quellen ärztlicher Erfahrung neu zu schöpfen vermeinte.“[2]
Einen (umgekehrten) Versuch, die Psychoanalyse für die Literaturwissenschaft nutz-bar zu machen, unternimmt der 1934 in Palermo geborene Romanist Francesco Orlando in seiner Lettura Freudiana della Phèdre mit der Tragödie von Jean Racine. Der Text ist die nachträgliche Veröffentlichung einer Vorlesung in Pisa, wo Orlando 1984 ein Institut für theoretische Literaturwissenschaft etablierte. In Per una teoria freudiana della letteratura [3] geht Orlando auf seinen Forschungsansatz ein. Den theoretischer Hintergrund der oben genannten Untersuchungen bildet Freuds Aufsatz Die Verneinung.
Ziel dieser Arbeit ist es, Freuds Modell der Verneinung und dessen Anwendung auf den Text durch Orlando zu beschreiben, auf andere Ansätze einzugehen, die sich ebenfalls auf die Psychoanalyse beziehen und schließlich in einer kritischen Bestandsaufnahme festzuhalten, wie zielführend eine psychoanalytische Lesart klassischer Texte sein kann, was sie zu leisten im Stande ist und was nicht. Dazu ist es zunächst notwendig, die theoretischen Grundlagen der hier vorgestellten Ansätze zu untersuchen und ihre Relevanz für den Text zu prüfen. In einem zweiten Schritt ist das methodische Vorgehen zu erläutern und zu begründen sowie eine erste Analyse des Textes anhand dieser Methodik vorzunehmen. Im dritten Teil geht es schließlich um die Interpretation der Ergebnisse des zweiten Teils.
Bei der verwendeten Literatur stütze ich mich vor allem – selbstverständlich – auf den Primärtext von Racine sowie auf die Arbeiten von Freud und Orlando. Zudem gehe ich auf Texte aus der Psychologie ein, die Freuds Aufsatz, die Inzest-Thematik oder generell die tiefenpsychologische Deutung von Erzählungen im weitesten Sinne behandeln. Theoretische Arbeiten über den Ansatz Orlandos liegen leider bisher nicht vor. Es gibt lediglich vereinzelte Versuche, dessen Vorgehensweise auf andere klassische Texte anzuwenden. Auf Arbeiten aus der umfangreichen Sekundärliteratur zu Racine gehe ich ein, sofern sie die hier behandelte Thematik berühren, ohne sich dabei explizit auf die Psychoanalyse zu berufen.
I. Theoretischer Hintergrund
1. Freuds Konzept der Verneinung
Freud gelingt es in einer Reihe von Veröffentlichungen, systematisch eine Ebene der Kommunikation aufzuzeigen, die sich dem Bewusstsein entzieht. Zunächst erklärt er 1900 in der Psychopathologie des Alltagslebens neurotische Symptome als Ausflüsse des Unter-bewusstseins, von denen sich auf eine vorliegende psychische Störung schließen lasse. 1901 folgt Die Traumdeutung, in der Freud den Traum als Erzählung begreift, in welcher – sym-bolisch verschlüsselt – Triebregungen verarbeitet werden, die im Wachzustand der Verdrän-gung anheim fallen. In Der Witz und seine Verbindung zum Unterbewußten stellt der Autor 1905 heraus, welche Mechanismen dazu führen können, dass Bedeutungsinhalte aus dem Unterbewusstsein in die Kommunikation einfließen, ohne verdrängt bzw. herausgefiltert zu werden. Den Witz begreift Freud, vereinfacht gesagt, als sublimierte Triebenergie. Er im-pliziere, so Orlando, „conscious, voluntary, and socially institutionalized communication“ [4] und komme der Literatur als „communicating language“ [5] somit am nächsten. Zusammenfassend erläutert Freud schließlich in seinen Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse (1915 bis 1917) seine Technik der Traumdeutung[6] und geht erneut auf die zentrale Bedeutung ein, die er dem Unterbewusstsein[7] zuspricht.
Diejenige Arbeit, auf die sich Orlando bei seiner Analyse des Textes ausschließlich stützt, ist der sehr komprimierte Aufsatz Die Verneinung [8] von 1925. Darin beschreibt Freud eine Situation, in der der Patient eine ihm unangenehme Deutung vorauseilend dem Therapeuten unterstellt, um sogleich zu widersprechen, die Deutung also zu verneinen. Dies erklärt Freud als „Abweisung eines eben auftauchenden Gedankens durch Projektion“[9] und liefert sogleich ein prägnantes Beispiel:
„ ,Sie fragen, wer diese Person im Traum sein kann. Die Mutter ist es nicht.’ Wir berichtigen: ‚Also ist es die Mutter.’ Wir nehmen uns die Freiheit, bei der Deutung von der Verneinung abzusehen und den reinen Inhalt des Einfalls herauszugreifen. Es ist so, als ob der Patient gesagt hätte: ‚Mir ist zwar die Mutter zu dieser Person eingefallen, aber ich habe keine Lust, diesen Einfall gelten zu lassen.’ [...] Die Verneinung ist eine Art, das Verdrängte zur Kenntnis zu nehmen, eigentlich schon eine Aufhebung der Verdrängung, freilich keine Annahme des Verdrängten.“[10]
Freud geht also davon aus, dass ein an sich authentischer Einfall, sofern er dem be-wussten Subjekt nicht genehm ist, in Verbindung mit einem Verneinungssymbol ins Bewusst-sein dringt bzw. ausgesprochen wird. Lacan präzisiert die besondere Valenz derjenigen Aus-sagen, die nur unter Überwindung eines solchen Widerstandes gemacht werden können:
„Das Ego manifestiert sich hier als Abwehr, als Zurückweisung. Hier ist die ganze Geschichte der sukzessiven Oppositionen eingeschrieben, die das Subjekt in der Integration dessen aufgewiesen hat, was man anschließend in der Theorie [...] seine tiefsten und verkanntesten Triebe genannt hat. Wir erfassen [...] in diesen von Freud so exakt bezeichneten Augenblicken des Widerstands das, wodurch die Bewegung der analytischen Erfahrung selbst die fundamentale Funktion des Ego isoliert, das Verkennen.“[11]
Noch klarer wird bei Lacan, was Freud nur andeutet, nämlich der Druck, der vom Ver-neinten in zweifacher Weise auf das Subjekt ausgeht: Erstens drängt die unterdrückte Triebregung, je bedrohlicher sie zu sein scheint, um so machtvoller an die Oberfläche des Bewusstseins, so dass eine Abwehr durch das Ego notwendig wird. Zweitens darf die Trieb-regung um keinen Preis angenommen (bzw. verinnerlicht), sondern sie muss verneint (bzw. ausgestoßen)[12] werden. Freud weist weiter darauf hin, dass die Verneinung lediglich eine Verurteilung auf intellektueller Ebene sei, durch die sich das Denken
„vermittels des Verneinungssymbols [...] von den Einschränkungen der Verdrängung frei (macht) und [...] sich um Inhalte (bereichert), deren es für seine Leistung nicht entbehren kann. Die Urteilsfunktion [...] soll einem Ding eine Eigenschaft zu- oder absprechen, und sie soll einer Vorstellung die Existenz in der Realität zugestehen oder (diese) bestreiten.“[13]
Der letzte Punkt ist insofern von Bedeutung, als hier eine Loslösung vom Lustprinzip erfolgt: Es ist nicht mehr ausschließlich entscheidend, ob einem Ding eine gewünschte Eigenschaft, die zur Befriedigung eines Bedürfnisses geeignet wäre, zugestanden werden kann oder nicht, sondern dieses Ding muss auch in der Realität, also außerhalb der subjektiven Vorstellung, konkret vorliegen, um zumindest potentiell zur Befriedigung des Bedürfnisses verfügbar zu sein. Ansonsten wird die Triebregung verneint werden[14]. Im Rahmen dieser Realitätsprüfung rechnet Freud die Bejahung dem Eros, die Verneinung jedoch dem Destruktionstrieb zu. Die Leistung der Urteilsfunktion werde dadurch ermöglicht, dass „die Schöpfung des Ver-neinungssymbols dem Denken einen ersten Grad von Unabhängigkeit [...] vom Zwang des Lustprinzips“[15] gestatte.
Orlando führt nun noch eine Unterscheidung[16] ein, die sich in dieser Form bei Freud nicht findet, die allerdings so einleuchtend ist, dass man hier kaum wird widersprechen wollen. Die Verneinung, wie sie Freud auf wenigen Seiten beschreibt, kann nämlich in einer starken und in einer schwachen Form vorliegen:
„The […] word unavowable can have a strong or weak meaning: weak when the inclination in question is clearly known to the conscious ego, which cannot, however, bear its being perceived by others; strong when the inclination does not cross the threshold of the unconscious and cannot even be confessed by the conscious ego to itself […].” [17]
Zudem betont Orlando, dass die Ursache der Verneinung nicht nur in den „primären Verzichtsforderungen der Kultur“[18] an die „Triebwünsche [...] des Inzest, des Kannibalismus und der Mordlust [...]“[19] zu sehen sei, sondern dass zu diesem externen Druck auf das Subjekt durch Strukturen wie Moral oder Religion ein interner Druck durch das Gewicht der Begierde selbst hinzukomme, zu dem sich die Heftigkeit der Verneinung, deren Variation auf sprach-licher Ebene kaum Grenzen gesetzt sind, direkt proportional verhalte: „Thus the greater the danger posed by the repressed to the consciousness, the more energetically it will be denied [...].“ [20]
Schematisch habe ich die Verneinung in ihrer starken und schwachen Form in Abb. 1 auf der folgenden Seite dargestellt, und zwar anhand eines Beispiels, das mir anschaulicher zu sein scheint als die Inzest-Problematik[21]: Es ist heute unstrittig, dass die menschliche Sexualität ebenso wie die „nichtmenschlicher Tiere“[22] nie vollkommen heterosexuell strukturiert ist[23]. Dies muss schon allein deshalb so sein, da ein so starker Trieb wie der die Reproduktion steuernde biologisch nicht derart genau fixiert werden kann, dass er sich ausschließlich auf andersgeschlechtliche Artgenossen richtete. Eine so eindeutige Fixierung kann nur die Kultur leisten, die zu diesem Zweck homosexuelle Neigungen (oder auch Inzest, Polygamie usw.) unterdrückt bzw. mit Tabus[24] belegt. Trotzdem kann man in Gesprächen eine erstaunlich ausgeprägte Tendenz zur Verneinung dieser Neigungen feststellen, die zu leugnen angesichts der Erkenntnisse der Medizin, der Biologie und der Psychologie ein ganz und gar aussichtsloses Unterfangen sein dürfte. Es scheint jedoch so zu sein, dass die meisten Menschen (insbesondere Männer[25] ) in homosexuellen Neigungen eine derartige Bedrohung sehen, dass sie diese noch vor sich selbst leugnen (starke Form der Verneinung). In der Kommunikation lässt sich dies durch heftige Abwehrreaktionen nachweisen, die sich leicht provozieren lassen, indem einer Person etwa homoerotische Neigungen unterstellt werden. Die Tendenz zu betont maskulinen Verhaltensweisen oder auffällig ausgeprägte (und/oder kundgetane) Ekelgefühle[26] beispielsweise bei der Betrachtung von Filmsequenzen homo-erotischen Inhalts (welcher ja in keiner Weise verfänglich wäre, lägen tatsächlich [gar] keine homoerotischen Neigungen vor) können als anschauliches Beispiel der Verneinung dieser Triebregungen interpretiert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In den folgenden Abschnitten verzichte ich grafisch in Anlehnung an Orlando auf die Differenzierung zwischen starker und schwacher Form der Verneinung und gebe nur noch die zu unterdrückende Triebregung (Verneintes) mit dem dazugehörigen Abwehrmechanismus (Verneinung) an, so wie sie bei der Analyse des Textes relevant sein werden:
Verneinung
Verneintes
2. Das Inzestverbot und Phèdre
Racine konfrontiert seine Leser in Phèdre mit einer heiklen Thematik: Kernproblem der Tragödie ist die (unerfüllte)[27] inzestuöse Liebe von Phädra zu ihrem Stiefsohn Hippolytos. Es handelt sich um eine Umkehrung des Ödipus-Mythos, der weitaus häufiger in der Weltliteratur anzutreffen ist. Mauron bemerkt zum Titel des Stückes: „Mais alors, pourquoi Phèdre, et pourquoi pas Œdipe? Parce que, selon la structure racinienne, la mère devait être coupable et non le fils. “ [28] Schuldig ist Phädra aus unterschiedlichen Gründen[29]: Ihr Begehren ist vor dem Hintergrund der patriarchalen Strukturen der Antike[30], mehr noch vor dem der katholischen Moralvorstellungen im Frankreich des 17. Jahrhunderts, an sich schon verwerf-lich. Es führt zudem als Katalysator des Stückes zu zahlreichen Intrigen, zum Tod von Hippolytos und Önone und schließlich zu Phädras Suizid. Damit ist aber die Brisanz des Stoffes noch nicht hinreichend beschrieben, denn hinzu kommt die Tatsache, dass gerade in Phèdre eine außerordentlich starke Identifikation des Lesers mit der Hauptfigur erfolgt, was bei einem Autoren dieses Ranges selbstredend nicht Zufall sein kann. Orlando führt als Beleg hierzu eine Anekdote an, derzufolge Racine im Salon der Mme de la Fayette behauptet haben soll, ein großer Dichter könne sogar Mitgefühl für eine moralisch schuldige Figur erzeugen:
„Racine soutint qu’un bon poète pouvait faire de la compassion pour les criminels. Il ajouta qu’il ne fallait que de la fécondité, de la délicatesse, de la justesse d’esprit pour diminuer tellement l’horreur des crimes de Médée ou de Phèdre, qu’on les rendrait aimables aux spectateurs au point de leur inspirer de la pitié pour les malheurs. Comme les assistants lui nièrent que cela fût possible, et qu’on voulut même le tourner en ridicule sur une opinion si extraordinaire, le dépit qu’il en eut le fit résoudre à entreprendre la tragédie de Phèdre , où il réussit si bien à faire plaindre ses malheurs que le spectateur a plus de pitié de la criminelle belle-mère que du vertueux Hippolyte.“ [31]
Bereits in der ersten préface zu Andromaque hatte Racine angekündigt, die Helden mit einer mittleren Tugend ausstatten zu wollen, um Mitleid anstatt Abscheu für sie erzeugen zu können (Vom Mit-Leid zur Identifikation ist es nur noch ein kleiner Schritt[32] ):
„Il faut donc qu’ils aient une bonté médiocre, c’est-à-dire, une vertu capable de faiblesse, et qu’ils tombent dans le malheur par quelque faute, qui les fasse plaindre, sans les faire détester.“ [33]
In auffälligem Kontrast dazu steht das Vorwort zur Tragödie Phèdre, in welcher schon das bloße Begehren – unabhängig von einer inzestuösen Handlung, die ja gar nicht stattfinden kann[34] – auf das Schärfste bestraft werde:
„Ce que je puis assurer, c’est que je n’en ai point fait où la vertu soit plus mise en jour que dans celle-ci. Les moindres fautes y sont sévèrement punies. La seule pensée du crime y est regardée avec autant d’horreur que le crime même. Les faiblesses de l’amour y passent pour de vraies faiblesses. Les passions n’y sont présentées aux yeux que pour montrer tout le désordre dont elles sont cause; et le vice y est peint partout avec des couleurs qui en font connaître et haïr la difformité. C’est là proprement le but que tout homme qui travaille pour le public doit se proposer.“ [35]
Orlando beurteilt diese Aussage jedoch als wenig maßgeblich, da sie der Komplexität des Textes nicht gerecht werde:
„[...] compared to the much more complex reality of the text, [...] (these statements) seem one-sided, oversimplified, and self-interested. They are expressed as though the problem of emotional identification did not exist […].” [36]
Mit dieser Ansicht steht er nicht allein: Mony behandelt die Konzeption der Figuren bei Racine und kommt zu dem Schluss, dass diese sich von den Corneilleschen Figuren durch ihre Leidenschaftlichkeit unterscheiden.
„Racine croit donc à la puissance bienfaisante des sentiments naturels. […] Avec Racine, la vérité (de son personnage) est toute proche de la Nature. […] On ne peut guère s’étonner que la Passion soit plus dangereuse pour l’Homme si l’on adopte le point de vue de Racine […]. C’est pour cela, sans doute, que les personnages raciniens se trouvent si aisément emportés par leur passion, comme par un courant fatal qui saccage tout autour de lui. On peut être saisi de l’impétuosité de la passion chez une […] Phèdre: comment en serait-il autrement chez des personnages qui, par définition, n’ayant aucun sentiment chrétien, ne peuvent se retenir à rien qui soit de valeur morale, sous peine de ne revêtir qu’un masque! Alors, la seule sincérité qui leur reste est celle de leur passion.” [37]
Sucher kommentiert prägnant „Was sich nicht ziemt, ist wahr.“[38] Sambanis verweist auf Valéry, bei dem es heiße „Seule, ici, la chair règne“ [39] (über Phèdre), nicht etwa „Seule, ici, la vertu est mise au jour” [40] und stellt selbst fest:
„ Phèdre ist Racines sinnlichste Tragödie. [...] Dass Racine die Gestalt der Phèdre als eine Warnung konzipiert hätte, scheint unwahrscheinlich. Von Phèdre geht als Figur eine zu große Faszination aus, wohingegen Warnungen vielmehr ernüchternd sind. [...] (Es) ist bekannt, dass jede Préface eine apologetische oder polemische Ausrichtung besitzt, die das Stück verteidigen, die Schaffensfreiheit des Autoren rechtfertigen und sowohl das Werk als auch den Verfasser vor Angriffen schützen soll.“[41]
Mit Phèdre liegt also ein Stoff vor, dessen Brisanz in erheblichem Widerspruch zur etablierten katholischen Ordnung steht, der jedoch durch das Vorwort entschärft bzw. – in Freudscher Terminologie – verneint wird. Das Verhältnis von Vorwort und Text lässt sich in der oben eingeführten Weise darstellen[42]:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Weiterhin fasst Orlando das Theater als gesellschaftlich institutionalisierte Form der Kommunikation auf und verbindet Freuds Modell mit Jakobsons Kommunikationsmodell[43]: Es gelte für das Verhältnis zwischen addresser (der Autor) und message (der Text), dass die historische Person Jean Racine selbstverständlich nicht in besonderer Weise[44] inzestuös veranlagt war und auch nicht beabsichtigte, die Moralvorstellungen der Epoche zu konterkarieren, wohingegen der fiktive Autor Racine sich die Freiheit genommen habe, in der poetischen Fiktion derartige Triebregungen durch Projektion zu sublimieren. Das Theater wirkt also als Nicht -Realität in genau der Weise, wie das Modell der Freudschen Verneinung und ermöglicht das örtlich und zeitlich begrenzte Ausleben unterbewusster Triebregungen in der poetischen Fiktion[45]. Ebenso stelle sich auch das Verhältnis zwischen message und addressee (das Publikum) dar.
Verwunderlich ist es, da der Text das Publikum bzw. den Leser zu Reaktionen veranlasst, die derart im Konflikt mit der herrschenden Moral stehen, dass die Tragödie einen so großen, gesellschaftlich akzeptierten Erfolg haben konnte[46]. Orlando vermutet aus diesem Grund innerhalb des Textes noch weitere Strukturen, die die Inzest-Thematik verneinen. Dies scheint notwendig zu sein, da die Regelung der Sexualität und insbesondere die Tabuisierung des Inzests die entscheidende Schwelle zwischen einem Zustand der Natur und einem der Kultur bilden, wodurch das Inzestverbot zur Grundvoraussetzung jeglicher Zivilisation wird, wie Marcuse[47], Lévi-Strauss[48] und Freud gezeigt haben:
„Von diesen armen, nackten Kannibalen (den Ureinwohnern Australiens, d. V.) werden wir gewiß nicht erwarten, daß sie im Geschlechtsleben in unserem Sinne sittlich seien, ihren sexuellen Trieben ein hohes Maß von Beschränkung auferlegt haben. Und doch erfahren wir, daß sie sich mit ausgesuchtester Sorgfalt und peinlichster Strenge die Verhütung inzestuöser Geschlechtsbeziehungen zum Ziele gesetzt haben. Ja ihre gesamte soziale Organisation scheint dieser Absicht zu dienen oder mit ihrer Erreichung in Beziehung gebracht worden zu sein.“[49]
Weiterhin ist neben der psychologischen auch die biologische Dimension des Pro-blems nicht aus den Augen zu verlieren: Der wichtigste Vorteil der sexuellen gegenüber der asexuellen Reproduktion liegt in der Möglichkeit der Variation des Erbgutes. Dieser Vorteil wäre im Falle des Inzests erheblich beeinträchtigt. Zwar ist Phädra mit Hippolytos nicht verwandt, jedoch ist der biologische Zusammenhang eine neuere Erkenntnis, welche in der kulturellen Fixierung nicht vollständig umgesetzt zu sein scheint. So bestreitet Lévi-Strauss, dass das Inzestverbot zur Vermeidung von Erbkrankheiten aufgestellt worden sei. Tatsächlich wäre es in diesem Falle unerklärlich, warum der Mensch, der sich „seit dem Ende des Paläolithikums endogamer Reproduktionsverfahren bei Tieren und Pflanzen bedient, nicht vom Verbot (des Inzests, d.V.) zum Gebot (der Züchtung, d.V.) übergegangen“[50] sein sollte. Drewermann geht sogar davon aus, dass der Inzest auch ohne eine gesellschaftlich institutionalisierte Abwehr für das Individuum zutiefst bedrohlich sei:
„(Es liegt auf der Hand), daß diese (inzestuöse, d. V.) Neigung in sich selbst, also ohne jede gesellschaftliche Beeinflussung, die allergrößte psychische Gefahr wie Verlockung zugleich darstellen muß, indem hier alle psychische Energie gewissermaßen nach rückwärts verbraucht zu werden droht und damit [...] der Lebensentfaltung entzogen bleiben könnte.“[51]
So sind auch im Text nicht alle Abwehrmechanismen gesellschaftlich institutionalisiert: Wozu noch eine Opposition Geheimnis-Geständnis[52], wozu Phädras Zögern, wenn doch das institutionalisierte Inzestverbot durch Theseus’ vermeintlichen Tod vorerst negiert ist? Orlando argumentiert mit dem inflexiblen moralischen Bewusstsein der Charaktere[53]. Ob dieses Bewusstsein allerdings so inflexibel bliebe, fiele Phädras Realitätsprüfung im Rahmen der „Urteilsfunktion“[54] der Verneinung positiv aus, liegt leider im Bereich der Spekulation. In dieser Tragödie muss daher in jedem Fall gelten, dass der Tod zur einzig möglichen Konsequenz der Begierde wird. „In the text, therefore, the negating element in the model of Freudian negation is undoubtedly as important as the negated element [...].“ [55] Also gilt es, im Text diejenigen Elemente aufzuspüren, die als Verneinungssymbole fungieren.
3. Warum Psychoanalyse? Die Ungeschichtlichkeit des Mythos
Bevor ich zur Analyse des Textes übergehe, ist es notwendig, auf die historische Dimension von Mythos und Verneinung einzugehen. Drewermann[56] betont, dass sich der Mythos gerade aus seiner Ungeschichtlichkeit definiere (Abb. 2):
„[...] (Es) lässt sich zwischen dem Faktor der Zeit (der historischen Entfernung) und der wachsenden Ungeschichtlichkeit der Überlieferung eine Korrelation erstellen, die sich in einer Geraden zur Verbindung der verschiedenen formgeschichtlichen Gattungen ausdrückt.“[57]
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Daraus folgt für die Analyse, dass die historische Betrachtung der verschiedenen Bear-beitungen des Stoffes bei der Entschlüsselung der Symbole nicht im Vordergrund der Unter-suchung stehen kann, da der Mythos ohnehin kaum historisch legitimiert ist. Die Variation des Mythos ist zwar insofern von Interesse, als dessen einzelne Varianten nebeneinander untersucht werden können, wie es etwa Bury herausstellt:
„[...] on a toujours intérêt à consulter les éditions anciennes de ces textes canoniques, qui étaient celles que nos auteurs « modernes » avaient sous les yeux, car elles reflètent justement, par leurs notes, leurs commentaires, leurs index, cette culture de synthèse que l’on admire aujourd’hui chez Racine […]“ [58]
Die Bedeutung einzelner Symbole kann jedoch nicht in einem historisch-deterministischen[59] Sinne erschlossen werden, sondern sie changiert innerhalb der Varianten des Mythos und hängt – wie bei der Deutung von Träumen – allein von ihrer Stellung zueinander im Text ab. Die Ungeschichtlichkeit des Mythos liefert somit ein weiteres Argument für eine psycho-analytischen Lesart mythologischer Stoffe, für die Drewermann sich stets einsetzt:
„Das Verständnis derartiger Texte besteht fortan nicht länger mehr in der qualvollen Abstinenz von allem wirklichen Leben und dessen Ersetzung durch historische Kaschen (rabbinische Fangfragen) und Qisquilien.[60] [...] Man versteht [...] (vom Text, d. V.) nicht mehr und nicht weniger, als man vom Menschen, d.h. von sich selbst [...] versteht. Alles andere führt exegetisch samt und sonders in die Wüste, in die Irre.“[61]
Ansonsten drohe sich jede Interpretation auf eine Beschreibung des bloßen „Abfalls von der geschichtlichen Wahrhaftigkeit“[62] zu beschränken, anstatt der eigentlichen Bedeutung des Mythos gerecht zu werden, nämlich seiner „Fähigkeit, das historisch Einmalige in die Sym-bolsprache überzeitlicher Gültigkeit zu retten“[63] und im Symbol „energetische Grundkonflikte der menschlichen Psyche“[64] zum Ausdruck zu bringen. Zum selben Ergebnis bezüglich einer kontextbezogenen Deutung einzelner Symbole kommt Orlando:
„Whether, in fact, an element of the play was invented by Racine or derived in some way from ancient works by Euripides (Hippolytus), Seneca (Phaedra), Ovid (Heroides IV, Meta-morphoses VII, XV), or Plutarch (Life of Theseus), its true significance comes only from the complex of symbolic coherences belonging exclusively to the work by Racine.” [65]
Orlando eröffnet seine Untersuchung des Textes mit einem der berühmtesten Verse der Tragödie: „Depuis que sur ces bords les dieux ont envoyé | La fille de Minos et de Pasiphaé.“[66] Der Verweis auf den Mythos charakterisiert hier die Hauptfigur in ihrer Wider-sprüchlichkeit[67], wie sie in der Tragödie in Erscheinung treten wird: Minos als Vater, König und Richter, später als Richter der Unterwelt, steht der Mutter Pasiphae gegenüber. Sie gebiert, von perverser[68] Leidenschaft für einen Stier erfüllt, Phädras Halbbruder, den Minotaurus. In psychoanalytischer Terminologie steht Pasiphae für die Libido, Minos für den Destruktionstrieb[69].
Weiter ist die häufige Nennung des Wortes monstre im Text auffällig. Dabei ist zwischen zwei Bedeutungsinhalten zu unterscheiden, die untereinander in engem Zusammen-hang stehen: Erstens wird das Wort in seiner manifesten Bedeutung zur Bezeichnung des Minotaurus, des Seeungeheuers und der prähistorischen Ungeheuer gebraucht, die Theseus tötet (Destruktion), um auf diese Weise eine Zivilisation zu gründen[70]. Zweitens steht monstre aber auch im übertragenen Sinn für die zahlreichen Begierden und Leidenschaften (Libido), die zu zügeln Aufgabe eben dieser Zivilisation (Kultur, Ordnung...) stets bleibt[71].
„Thus the circle of monstrousness is closed, containing within itself and linking together two essential elements: on one hand, the entire complex of the tragedy’s truly mythical aspects […]; on the other, all the moral horror that can be generated by the tension between an overbearing repression and an overbearing return of the repressed.” [72]
Phädra ist in ihrer Schuldhaftigkeit demnach mythologisch-genealogisch prädestiniert: So wie bei der Mutter die moralische Monstrosität (Begierde) in physische (Minotaurus) über-geht, so manifestiert sie sich bei der Tochter im Seeungeheuer, das Theseus auf Önones Intrige hin heraufbeschwört und das nicht zufällig das Aussehen eines Stieres hat: „ Indomptable taureau , dragon impétueux . “[73] Die Verbindung dieser beiden Textstellen[74], bei denen animalische Leidenschaften durch Ungeheuer[75] symbolisiert werden, ist noch stärker als Orlando es ausführt, zieht man Drewermanns Deutung der jahwistischen Urge-schichte[76] hinzu:
„(Wahrscheinlich ist, d. V.), daß die magische Herrschaft über die Tiere (ihre Benennung, d. V.) und die Unmöglichkeit, sie zu heiraten, auf totemistische Zusammenhänge hinweist. Zu denken wäre [...] an eine Verbindung des Totemismus mit Exogamieregeln sowie an die matrilineare Vererbung des Totems [...], die verlangt, daß die Angehörigen des eigenen Totemclans untereinander nicht heiraten dürfen. Letztlich bedeutet das Bild von den Tieren demnach das Verbot des Inzests.“[77]
Will man dieser Auslegung folgen, so beinhaltet der Verweis auf den Minotaurus zu Beginn der Tragödie nicht nur die (ebenfalls matrilineare) Vererbung perverser Begierde, sondern konkret Phädras Prädestination zum Inzest. Um so mehr ist der Mythos somit „scandal by nature, the scandal of the irrational, of non-sense.“ [78] Er müsse daher, so Orlando, wann immer er literarisch Verwendung finde, gleichzeitig symbolisch verneint werden:
„Yet, since myth […] was expected by literary code, its use as part of the poetic fiction itself actually contributed simultaneously to the neutralization of the return of the repressed in the work of art.“ [79]
Diese Verneinung des Mythos lässt sich an zwei Stellen im Text nachweisen, und zwar zunächst in der Aufforderung der Önone an Phädra, das Verbrechen ihrer Mutter (und somit ihre eigene mythologisch-genealogische Prädestination) zu vergessen:
Œnone: Ô haine de Vénus! Ô fatale colère! | Dans quels égarements l’amour jeta ma mère!
Phèdre: Oublions-les, Madame. Et qu’à tout avenir | Un silence éternel cache ce souvenir. [80]
Die zweite Textstelle bezieht sich, wie nach der bereits beschriebenen Schicksal-haftigkeit ihrer Schuld nicht anders zu erwarten, auf Phädra und ihr Verbrechen, somit auf den Inhalt der gesamten Tragödie und letztlich, überspitzt ausgedrückt, auf diese selbst: In der Schlussrede Theseus’ heißt es: „ D’une action si noire | Que ne peut avec elle expirer la mémoire? “[81] Die Verneinung dieser Bezüge auf eine „finstere, durch und durch vorratio-nale“[82] Zeit lässt sich mühelos in das Schema der Freudschen Verneinung übertragen:
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II. Methodisches Vorgehen und Textanalyse
1. Freuds Technik der Traumdeutung
Die beiden schon behandelten Verneinungen stehen insofern nicht ganz in der Reihe der Symbole, die in den nächsten Schritten untersucht werden sollen, als sie nicht innerhalb der Erzählung angesiedelt sind: Der erste Abwehrmechanismus fand sich außerhalb des Textes, nämlich im Vorwort. Der zweite fand sich zwar im Text, verneint aber die Erzählung (den Mythos) als Ganzes. Zur Systematisierung habe ich eine Nummerierung vorgenommen, wobei ich in Abweichung zu Orlando den angesprochenen Elementen die Ziffern (-1) und (0) zugewiesen habe, um diesen Zusammenhang deutlich zu machen[83].
Wie ich im vorigen Abschnitt zu zeigen versucht habe, kann die Bedeutung der Symbole im Text nur erschlossen werden, wenn es gelingt, sie in Bezug zueinander zu setzen. Dazu müssen sie zunächst einzeln ausfindig gemacht und benannt werden, um sodann der Frage nachzugehen, ob sie sich zu einem sinnvollen Muster (System) neu zusammenfügen lassen. Orlando geht auf diese Weise vor, ohne sich dabei ausdrücklich auf das Verfahren zu berufen, das er anwendet, nämlich auf Freuds Technik der Traumdeutung. Freuds Ansicht nach werden verdrängte Inhalte im Traum symbolisch verschlüsselt und durch Verdichtung[84], Verschiebung[85] und sekundäre Bearbeitung[86] verfremdet, da ansonsten die Zensur durch das Über-Ich dazu führe, dass wir aus dem Traum erwachten[87]. Durch diesen „Verhüllungs- und Entstellungsprozess“[88] ergebe sich eine halblogische Struktur des manifesten[89] Traums, die aufzulösen man erreiche, indem die zu den einzelnen Symbolen auftauchenden Assoziationen ihrerseits in Beziehung zueinander gesetzt werden. Dies führe dann zu einer sinnvollen und logischen Erzählstruktur des latenten Traums[90]. Bei der Analyse des Textes müssen daher zunächst die Symbole benannt werden. Die nächsten Schritte sind dann ihre Systematisierung und kontextbezogene Deutung.
2. Benennung der Verneinungssymbole innerhalb der Erzählung
Neben den außerhalb der Erzählung angesiedelten Verneinungen habe ich oben bereits angedeutet, dass Phädra ihre Begierde aus zwei Gründen verneinen muss: Erstens ist der Inzest tabuisiert und ihr eigener Mann repräsentiert die Ordnung, die in Frage zu stellen ein Bruch dieses Tabus bedeuten würde. Zweitens liebt Hippolytos Aricie, nicht seine Stief-mutter. Das Objekt ihrer Begierde ist für sie damit nicht verfügbar, so dass Phädra ihre Liebe schon aus diesem Grund verneinen müsste, selbst wenn der externe Druck entfiele. Der Destruktionstrieb der Verneinung richtet sich somit gegen sie selbst. Um jedoch ihre Begierde und die Schuld, die sich daraus ergibt, verneinen zu können, muss sie sich selbst verneinen:
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Spitzer verweist auf einen Hell-Dunkel-Gegensatz in der Tragödie sowie in der Figur der Phädra: „Immer werden sich Dunkel und Licht [...] in ihr bekämpfen.“[91] Dieser Gegensatz lässt sich erneut theogonisch erklären[92]: Pasiphae ist die Tochter des Helios[93], Minos ist Richter der Unterwelt. In der Tat hält sich Phädra vor ihrem Geständnis gegenüber Önone zunächst in ihren dunklen Gemächern versteckt und spricht/gesteht nicht. So erhebt auch Barthes die Frage „Dire ou ne pas dire?“ [94] zur zentralen der Tragödie. Sucher spricht von „Schweigeschwärze“[95] und Orlando fasst die Oppositionen Hell-Dunkel bzw. Sprechen-Schweigen im Gegensatz von Geheimnis und Geständnis zusammen, der die anderen beiden in sich aufnimmt:
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Ein psychoanalytischer Ansatz legt die Frage nach dem Vater nahe. Theseus’ Abwe-senheit wirkt im Stück zunächst als Aufhebung der Verneinung, als Negation der Negation[96]. Insofern Theseus als Held, König, Richter, Ehemann und Vater die bestehende Ordnung repräsentiert[97], ermöglicht seine Abwesenheit Phädras Geständnis. Auch sein Sohn kann sich dem Gebot des Vaters widersetzen und Aricie seine Liebe gestehen. Gleichzeitig betont Orlando[98] allerdings, dass diese Eigenschaften Theseus lediglich formal charakterisierten, die Schwächen[99] der Figur aber unberücksichtigt ließen. Diese könnte man in den Liebschaf-ten und Affären (den „jeunes erreurs“ [100] ) sehen, auf die Theseus in großer Zahl zurückblicken kann, oder (zwingender) in der Tatsache, dass Theseus nach seiner Rückkehr die Ordnung, die er repräsentiert, nicht wiederherstellen kann. Aus diesem Grund setzt Orlando in der schematischen Darstellung den Abwehrmechanismus in Klammern:
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Das nächste Symbol betrifft das Seeungeheuer, das Phädra über die Vermittler Önone, Theseus und Neptun heraufbeschwört. Das Seeungeheuer ist die Folge der Begierde und verneint deren Objekt, nämlich Hippolytos’ Körper. Dieser wird, so wie das Seeungeheuer als einziges Monster in der Tragödie physisch in Erscheinung tritt, auch physisch getötet[101].
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Ein weiteres Symbol taucht im Zusammenhang mit Phädras Geständnis zunächst gegenüber ihrer Vertrauten Önone[102], später gegenüber Hippolytos[103] auf: Bereits die sprach-liche Ausgestaltung durch Racine beschreibt hier nicht nur die „Geschichte der sukzessiven Oppositionen“[104] bei dem Versuch, ihre Liebe zu gestehen, sondern Racine spielt genau an diesen beiden Textstellen auf den Minotaurus-Mythos[105] an. Dem Labyrinth, in dem Phädras Halbbruder gefangengehalten wurde, entspricht in auffälliger Weise die Länge der Passagen und der labyrinthische Stil[106], in dem sie ausgeführt sind. Dem monströsen Minotaurus steht das Labyrinth als Abwehrmechanismus gegenüber:
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Oben wurde bereits die Tatsache erwähnt, dass Theseus als Held Ungeheuer tötet. Insofern diese aus der vorhistorischen Zeit des Mythos stammen und irrationale Leiden-schaften symbolisieren, kann man von einer gewaltsamen Rationalisierung der Welt[107] sprechen. Diese steht im Zusammenhang mit der politischen Macht[108], die Theseus als König ausübt. Der archaischen Tendenz des Aufbegehrens gegen die Ordnung und die den Rückfall in einen chaotischen Natur-Zustand symbolisierenden Ungeheuer steht als Abwehrmechanis-mus der Archetypus des Königs bzw. Helden[109] gegenüber:
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3. Systematisierung der Symbole
Orlando fügt die Symbole in ein „System der Äquivalenzen“ (Abb. 3), in welchem er zwischen mythologischer (4; 5; 6) und nicht-mythologischer Ebene (1; 2; 3) unterscheidet. Zudem differenziert er die Abwehrmechanismen nach der Ordnung, der sie entstammen bzw. die aufrechtzuerhalten ihr Zweck ist: Diese finde sich in Form der physischen (1; 4), der verbalen (2; 5) sowie der institutionellen (3; 6) Ordnung. Die Verneinung des Mythos (0) lässt sich anhand dieser Systematik nicht verorten, da sie die Erzählung als Ganzes verneint. Die Verneinung des Textes (-1) fällt noch offensichtlicher ganz aus diesem Rahmen.
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III. Anwendung und Deutung
1. Verneinung der physischen Ordnung
Phädras Begierde löst bei ihr einen Kontrollverlust aus: Nicht mehr die raison be-stimmt ihr Handeln, sondern désordre, trouble und fureur: „Un désordre éternel règne dans son esprit.“ [110] Eine regelrechte Verwirrung der Sinne beklagt sie selbst: „Insensée, où suis je? Et qu’ai-je dit? | Où laissé-je égarer mes vœux, et mon esprit? | Je l’ai perdu. Les dieux m’en ont ravi l’usage.“ [111] Problematisch ist es dabei für Phädra, dass sie selbst nicht nur als Frau begehrt, sondern zugleich als Königin regiert, also politische Macht ausübt[112]: „Moi règner! Moi ranger un État sous ma loi! | Quand ma faible raison ne règne plus sur moi.“ [113]
„Intolerance of the body, as well as vindictive rejection by the body of the demands of social life“ [114] sieht Orlando in der Last, als die Phädra ihre höfische Kleidung und Haartracht empfindet. Sie versucht, ihre Begierde zu unterdrücken[115]. Dieser Widerstand zeigt sich am deutlichsten bereits im ersten Akt: „Mes yeux le retrouvaient dans les traits de son père. | Contre moi-même enfin j’osai me révolter.“ [116] Es ist ein Symptom dieser Verneinung, dass sich ihr der eigene Körper versagt. Der Destruktionstrieb richtet sich gegen sie selbst: „Je ne me soutiens plus, ma force m’abandonne. | Mes yeux sont éblouis du jour que je revois, | Et mes genoux tremblants se dérobent sous moi.“ [117] Dieser Gefahr versucht Phädras Vertraute Önone entgegenzuwirken, indem sie die Königin zum Leben drängt. Theseus sei verschollen, sie hingegen habe Verantwortung für ihren Sohn zu tragen, damit dieser die Erbfolge antreten könne. Die Verse sind zunächst zweideutig: „Mais ce nouveau malheur vous prescrit d’autres lois. | Votre fortune change et prend une autre face. | Le roi n’est plus, Madame, il faut prendre sa place.“ [118] Da Theseus in der Unterwelt ist, um Proserpina (Persephone, Kore) zu retten, ist er dem Tod tatsächlich sehr nahe. Die Verneinung, für die er steht, ist durch seine Abwesenheit außer Kraft gesetzt. „In Thésée’s absence, the royal family is reconstructed in cultural terms by the pressure of forbidden desire.” [119] Der Liebe Phädras zu ihrem Stiefsohn stünde das Inzestverbot nicht mehr entgegen: „Votre flamme devient une flamme ordinaire.“ [120] Insofern Önone der Missachtung des Inzestverbots das Wort redet, repräsentiert sie die Negation der Negation. Diese wird nach Theseus’ Rückkehr ihrerseits negiert, Önone bringt sich um. Orlando liest den Suizid folglich als die Negation der Negation der Negation[121].
Hippolytos ist hingegen als Held eigentlich selbst zur Tötung von Ungeheuern bestimmt[122]. So fordert Phädra ihn nach dem Geständnis ihrer Liebe auf, sie (als monstre) zu töten: „Digne fils d’un héros qui t’a donné le jour, | Délivre l’univers d’un monstre qui t’irrite. | La veuve de Thésée ose aimer Hippolyte? | Crois-mois, ce monstre affreux ne doit poit t’échapper.“ [123] Diese Verse kann man bereits als Warnung und als Anspielung auf das Seeungeheuer verstehen, durch das Hippolytos den Tod finden wird. Hier spricht die noch liebende Phädra gegen die, zu der sie bald wird.
Der Übergang zur mythologischen Ebene vollzieht sich für Phädra aus der Fatalität ihrer Begierde: Diese kann sie weder auslöschen noch befriedigen, also muss sie deren Objekt verneinen. Drewermann geht der Frage nach,
„[...] zu welchem Zwecke Menschen sich in tödlicher Weise verfeinden. Mörderisch wird ein Dasein unter der Last des Nichtakzeptiertseins, der Angst des Nichtgeliebtseins, der Qual des Abgewiesenseins; [...] die Verneinung [...] gilt immer einer verlorenen Liebe und einer tödlich vermissten Zustimmung.“[124]
Aus einer solchen Zurückweisung und aus der Verletzung, die damit einhergeht, speist sich der Hass, den Phädra als Komplement ihrer Liebe empfindet: „Mes homicides mains promptes à me venger, | Dans le sang innocent brûlent de se plonger.“ [125]
Eine ähnliche Konstellation findet sich bereits in Andromaque: Hermione fordert Orest zunächst auf, den geliebten Pyrrhus zu ermorden, da der Andromache heiraten will[126]. Nachdem der Mord vollzogen ist, wird Orest für sie jedoch zum monstre [127], so wie Önone für Phädra (nach Theseus’ Rückkehr): „Je ne t’écoute plus. Va-t’en, monstre exécrable.“ [128] Für Phädra ergibt sich somit eine ausweglose Situation: Nicht nur hat sie die Schuld der inzestuösen Begierde auf sich geladen, sondern auch noch die am Tod des unschuldigen Hippolytos. „Le ciel, tout l’univers est plein de mes aïeux. | Où me cacher? Fuyons dans la nuit infernale.“ [129] Unter der Last dieser Schuld kann sie nicht länger existieren. Ihr Tod ist der einzige Weg, einen Zustand der Unschuld in die von ihren Vorfahren erschaffene Welt zurückzubringen, der sie folglich nicht mehr angehören kann: „Et la mort à mes yeux dérobant la clarté | Rend au jour, qu’ils souillaient, toute sa purté.“ [130]
2. Verneinung der verbalen Ordnung
Im Dunkel verbirgt Phädra nicht nur sich, sondern auch ihre Begierde und Schuld: „Phèdre atteinte d’un mal qu’elle s’obstine à taire | Lasse enfin d’elle même, et du jour qui l’éclaire.“ [131] Das Dunkel entspricht einer Verdrängung, die Phädra jedoch aufheben muss, um leben zu können: „Elle veut voir le jour; et sa douleur profonde | M’ordonne toutfois d’écarter tout le monde...“ [132] Hippolytos hingegen vergleicht seine Unschuld mit dem Tageslicht: „Le jour n’est pas plus pur que le fond de mon cœur, | Et l’on veut qu’Hippolyte épris d’un feu profane...“ [133]
Nachdem Hippolytos sich weigert, die Königin mit seinem Schwert[134] zu töten, rät Önone ihr, sich zu verbergen: „Venez, rentrez, fuyez une honte certaine.“ [135] Phädra bittet Önone wenig später selbst, sie zu verstecken: „Cache-moi bien plutôt, je n’ai que trop parlé.“ [136] Nach der Rückkehr Theseus’ äußert sie sogar dem König gegenüber ihren Wunsch, sich zu verbergen: „Je ne dois désormais songer qu’á me cacher.“ [137] Hier deutet sich bereits der Versuch an, ihre Schuld zu gestehen, jedoch kann Phädra lediglich das Symptom benen-nen, das als Symbol der Schuld fungiert.
Besonders gut lässt sich die psychologische Funktion des Verbergens[138] auf der sprachlichen Ebene daran zeigen, dass Phädra den Namen des geliebten Hippolytos nicht nur selbst nicht ausspricht, sondern heftig auf dessen bloße Nennung durch ihre Vertraute Önone reagiert und sogar als Königin verfügt, er dürfe in ihrer Gegenwart nicht genannt werden:
Œnone: Cet Hippolyte...
Phèdre: Ah dieux!
Œnone: Ce reproche vous touche.
Phèdre : Malheureuse, quel nom est sorti de ta bouche? [139]
Phèdre: J’aime… à ce nom fatal je tremble, je frissonne. | J’aime… [140]
Phèdre: C’est toi qui l’a nommé. [141]
Phèdre: J’ai même défendu par une expresse loi
Qu’on osât prononcer votre nom devant moi.[142]
Das Äquivalent zur Opposition Geheimnis-Geständnis bildet die Anspielung auf das Labyrinth, in dem der Minotaurus, dem das Tabu des Inzests auf der nicht-mythologischen Ebene entspricht, verborgen gehalten wurde. Im Geständnis Phädras gegenüber Hippolytos lobt sie zunächst den König. „Oui, Prince, je languis, je brûle pour Thésée.“ [143] Auch hier spricht Phädra Hippolytos nicht mit dem Namen an, sondern mit dem Titel. Sie projiziert zudem die Eigenschaften des Vaters auf den Sohn: „Il avait votre port, vos yeux, votre langage.“ [144] Von diesem Vers an nähert sich die Königin allmählich der unerhörten Wahrheit[145]. Der Verweis auf das Labyrinth folgt unmittelbar: „Moi-même devant vous j’aurais voulu chercher, | Et Phèdre au Labyrinthe avec vous descendue, | Se serait avec vous retrouvée, ou perdue.“ [146] In ihm, Hippolytos, muss Phèdre ihren Mann (wieder)finden – oder verloren sein.
3. Verneinung der institutionellen Ordnung
Orlando stellt fest: „The condition for the return of the repressed is the dis-appearance of the repressive authority.” [147] Theseus selbst repräsentiert dabei die Ordnung, die während seiner sechsmonatigen Abwesenheit[148] aus den Fugen gerät: „Thésée is the ultimate signifying force upon youth: patriarch, sovereign and a superman hero whose adventures have gained him fame throughout the known world.“ [149]
Dabei wird seine Autorität nicht nur durch Phädras Liebe, sondern auch durch die Liebe Hippolytos’ zu Aricie verletzt, der eigentlich der Thron Athens zustünde und die nur am Leben bleibt, so sie nicht heiratet: „Mon père la réprouve, et par des lois sévères | Il défend de donner des neveux à ses frères“ [150]. Die Dauer der Liebe stimmt daher mit der Dauer der Abwesenheit des Vaters überein[151]. Hiscock widmet sich ausführlich der väterlichen Autorität: „(The) passions of both, Phèdre and Hippolyte, militate against the continuation of Thésée’s sovereignty.” [152] Hippolytos stellt selbst fest: „L’amour a répandu toute sa maison!“ [153] Tatsächlich scheint der Hof sich aufzulösen: Die Königin weicht dem Prinzen aus und verbannt ihn: „C’est peu de t’avoir fui, cruel, je t’ai chassée.“ [154] Hippolytos seinerseits weicht der rechtmäßigen Prinzessin Aricie aus, die er nicht lieben darf. „Dois-je épouser ses droits contre un père irrité?“ [155] Ihrer Liebe kann er sich zudem (noch) nicht gewiss sein. „Je fuis, je l’avouerai, cette jeune Aricie.“ [156] Hippolytos hat auch dieses Motiv um aufzubrechen und seinen Vater zu suchen. Nach dessen Rückkehr weichen sowohl Phädra als auch Hippolytos dem König aus: „Que vois-je? Quelle horreur dans ces lieux répandue | Fait fuir devant mes yeux ma famille éperdue?“ [157]
Theseus ist dabei nicht nur pater familias, wie Hiscock[158] betont, sondern mehr noch pater patriae [159]: Nicht nur hat er als Held zur Gründung[160] der zivilisatorischen (patriarchalen) Ordnung maßgeblich beigetragen, auch ist deren Aufrechterhaltung als König seine Pflicht. Dieser kann er keineswegs genügen, da er sich durch Önone täuschen[161] lässt und an die Schuld seines Sohnes glaubt. „Le perfide! Il n’a pu s’empêcher de pâlir.“ [162] So wird er zum „blind judge“ [163] und führt selbst durch seinen Fluch den Tod Hippolytos’ herbei.
Die mythologische Entsprechung zur Autorität Theseus’ und ihrer Verletzung durch Hippolytos und Phädra ist der Archetypus des Helden, der die Welt von Ungeheuern befreit. Diese werden bereits in der ersten Szene aufgezählt, so dass dem Symbol eine übergeordnete Bedeutung für die ganze Tragödie zukommt: „Les monstres étouffés, et les brigands punis, | Procuste, Cercyon, et Scirron, et Sinnis, | Et les os dispersés du géant d’Épidaure, | Et la Crète fumant du sang du Minotaure.“ [164]
In die Kategorie des Helden gehört nicht nur Theseus, sondern auch Hippolytos als „digne fils du héros“ [165]. Der zeigt zunächst wenig Interesse am schönen Geschlecht: „L’insensible Hippolyte est-il connu de toi? | Sur quel frivole espoir penses-tu qu’il me plaigne, | Et respecte en moi seule un sexe qu’il dédaigne?“ [166] Der Prinz büßt jedoch in dem Maße an Heldentum ein, in dem seine Liebe zu Aricie wächst: „On vous voit moins souvent, orgueilleux et sauvage | Tantôt faire voler un char sur le rivage, | Tantôt, savant dans l’art par Neptune inventé | Rendre domicile au frein un coursier indompté.“ [167] Später stellt er selbst fest: „Je ne me souviens plus des leçons de Neptune. | Mes seuls gémissements font retentir le bois, | Et mes coursiers oisifs ont oublié ma voix.“ [168] Gleichzeitig werden hier die Pferde und Neptun genannt. Den Gott wird Theseus später gegen seinen Sohn anrufen. Angesichts des Seeungeheuers werden die Pferde Hippolytos’ Stimme nicht mehr gehorchen und er wird zwischen ihnen und dem Wagen den Tod finden. Insofern die Pferde symbolisch für die Libido stehen, wird hier der Verlust der Herrschaft des Menschen über seine Triebe dem Prinzen zum Verhängnis. Diese Verse lassen sich also als Indiz für die Unvereinbarkeit einer bejahenden Liebe (Libido, Natur...) mit befreiendem Heldentum (Destruktion, Kultur...) deuten. Auch Hippolytos verliert seinen Hochmut und sich selbst dadurch, dass er liebt[169]: „Maintenant je me cherche, et ne me trouve plus.“ [170]
Schlussbetrachtungen
Bis hier her habe ich gezeigt, was die Psychoanalyse für die Literaturwissenschaft zu leisten im Stande ist. Es bleibt die Frage offen, was ihr entgeht. Jean Paul Weber kritisiert:
„Das Prinzip solcher Analysen scheint zu sein, daß alles auf den Ödipuskomplex zurück-zuführen ist, und daß, wo etwas nicht in diesen Rahmen paßt, man es mit Gewalt [...] hineinzwängt, mit welchen Hilfsmitteln auch immer.“[171]
Oetjens vertritt eine ähnliche Ansicht:
„Wenn man erst einmal mit der psychoanalytischen Theorie vertraut ist, wird man es verständlicherweise sehr bald müde, den Ödipuskomplex [...] wie das Kaninchen aus dem Zauberhut als besondere Überraschung immer wieder präsentiert zu bekommen.“[172]
Diese Kritik kann eine psychoanalytische Interpretation gerade der Phèdre wenig treffen, da es hier ganz ausdrücklich um das Inzest-Problem geht. Ein Zweifel am Vorgehen Orlandos könnte sich allerdings ob der verdächtig ästhetischen Symmetrie seines Systems der Äquivalenzen erheben. Ist es möglich, dass hier etwas „hineingezwängt“ wurde, das sich in dieser Form im Text nicht findet? Ist es weiterhin möglich, dass uns Symbole entgehen, die in dieses System nicht passen?
Wie kommt es, dass Phädras Tod, der durch das Gift Medeas herbeigeführt wird, sich bei Orlando auf der nicht-mythologischen Ebene situiert? Orlando mag sich dieser Unsauberkeit bewusst sein, denn er bemerkt selbst, hier gebe es ein „mythological element“ [173]. Genügt das schon? Medea ermordet mit dem Gift ihre Rivalin. Um sich an Iason zu rächen, der sie um der politischen Macht Willen verstößt, tötet[174] sie ihre eigenen, geliebten Kinder. Medea steht, mehr noch als Phädra, für eine archaische, vorrationale Zivilisation, nämlich für Kolchis im Kaukasus. Sie bildet den Gegenpol zum rationalen Griechentum. Es ist bemerkenswert, dass Racine den unbestimmten Artikel im Zusammenhang mit dem Gift verwendet: „Un poison que Médée apporta dans Athènes.“ [175] Bei Euripides heißt es:
„Geht, geht! Nicht mehr bin euch anzublicken | ich fähig, sondern erliege dem Übel. Und ich erkenne das Grauenvolle, das ich zu tun gedenke. | Doch stärker als meine vernünftigen Gedanken ist mein Zorn, | der Schuld ist am größten Übel für die Sterblichen.“[176]
In beiden Mythologien stehen sich also eros und ratio exemplarisch gegenüber[177]. Nur ist das Äquivalent zu dieser Verneinung (4) in Phèdre bereits auf der mythologischen Ebene angesiedelt, so dass Orlando in diesem Fall Phädras Tod (1) lediglich als Negation der Figur im Rahmen der manifesten Erzählung betrachtet, ganz gleich, wodurch er herbeigeführt wird. Diese Zuordnung ist willkürlich, denn ähnlich ließe sich auch mit dem Seeungeheuer verfahren, wodurch sich eine genau spiegelbildliche Anordnung der Symbole in Orlandos „System der Äquivalenzen“ ergäbe.
Seiner gar zu griffigen Systematik mag es auch geschuldet sein, dass Orlando das auffällige Phallussymbol des Schwertes beim Geständnis gegenüber Hippolytos übersieht. Hier fordert Phädra den noch verbliebenen Repräsentanten patriarchaler Ordnung (den Racine sie auf elegante Weise im Liebesgeständnis mit Theseus vertauschen lässt) auf, sie mit dem Schwert ob ihres inzestuösen Begehrens und ihrer „Verletzung der Autorität“ umzubringen, genauer gesagt, ins Herz zu stechen: „Voilà mon cœur. C’est là que ta main doit frapper.“ [178] Orlando deutet Phädras Todeswunsch durchgängig als Verneinung ihrer Begierde, gar als Versuch, mit sich die Schuld aus der Welt zu nehmen. Allein, was schert den Liebenden die Welt? Insofern das Schwert als Symbol für maskuline, sowohl kriegerisch-befreiende als auch sexuelle Machtausübung verstanden werden kann, wäre Phädras Bitte als sexuelle Unterwerfung, als Wunsch nach einer tödlich-erlösenden Vereinigung mit dem Geliebten zu interpretieren (dies wäre der Inzest), nicht als Wunsch, die Welt von ihrer Schuld zu befreien (dies wäre die Negation des Inzests). Hippolytos muss sie gerade deshalb selbst jetzt noch zurückweisen. Tatsächlich beginnt Phädra erst hier, zur Verneinung des Objekts ihrer Begierde überzugehen. Sie findet den Hass, den sie bei ihrem Stiefsohn zu schüren suchte, um ihm besser widerstehen zu können, nun in sich selbst. Von diesen Versen an führen die Ereignisse unaufhaltsam in die Katastrophe.
Einschränkend muss man zu dieser Kritik hinzufügen, dass jede theoretische Auseinandersetzung mit einem Kunstwerk die Abstraktion notwendig macht. Versucht man, die literarische Aussage in eine nicht-literarische, gar wissenschaftliche Sprache zu übertragen, so ergeben sich zwingend Vereinfachungen und Unterlassungen. Welchen Sinn machte auch die Kunst, könnte die Wissenschaft ihre Aussagen umfassender und differenzierter formulieren? Die Analyse kann jedoch ein Problem auf den Begriff bringen. So gelingt es Orlando, das Kernproblem der Tragödie in großer Klarheit herauszuarbeiten, nämlich die Gefahr des Abgleitens in Chaos und Anarchie durch das Versagen derjenigen psychosozialen Abwehrformationen, die eine Ordnung gegen und zugleich für den Menschen konstituieren. Dieser kann ohne Ordnung nicht existieren, doch ist er immer neu versucht, sie zu zerstören und mit ihr sich selbst zu verlieren.
Weicht bei Racine die Ordnung auch zuletzt dem Skandal, so wird doch das existentielle Scheitern am Widerstand gegen sich selbst für Phädra zur finalen Manifestation ihrer tragischen Größe.
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Weber, Jean Paul, Theta-Analyse und Psi-Analyse, in: Wolff, R. (Hrsg.), Psychoanalytische Literaturkritik (S. 302-310), München 1975.
Weber, Samuel, Rückkehr zu Freud – Jacques Lacans Ent-stellung der Psychoanalyse, Wien 1990
Freud-Legende – vier Studien zum psychoanalytischen Denken, Wien ²2002
* Der Aufsatz ist in den Bibliotheken nicht verfügbar, jedoch beim Verfasser dieser Arbeit einzusehen.
[...]
[1] Die Termini „Symbol“, „Tiefenpsychologie“ und „Archetypus“ stammen nicht von Freud, sondern von Jung.
[2] Freud, Der Wahn und die Träume 52. Vgl. a.a.O. 14, 82. Die Arbeiten Freuds zitiere ich aus der Studienausgabe, so sie darin enthalten sind (siehe Literaturverzeichnis).
[3] Beide Texte liegen in englischer Übersetzung vor, der erste auch als französische (siehe Literaturverzeichnis).
[4] Orlando, Toward a Freudian Theory of Literature 124. Vgl. Weber, Samuel, Freud-Legende 169-183.
[5] Ebd. Orlando unterscheidet zwischen „communicating“ und „ noncommnicating language“ (z.B. der Traum), die sich durch das Fehlen eines Empfängers auszeichne.
[6] Vgl. Freud, Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse 101-241.
[7] Zu bedenken ist dabei, dass das Ubw selbst nicht Objekt wissenschaftlicher Untersuchung sein kann, da es stets nur Subjekt ist, nicht manifest vorliegt und eine Extrapolation aus bestimmten Elementen der Kommunikation bleibt: „ The human unconscious may be known only insofar as it manifests itself as language.“ (Orlando, Toward... 124) Dies ist aus wissenschaftstheoretischer Sicht bedeutsam, da Aussagen der Psychoanalyse damit praktisch nicht falsifizierbar sind. An den Kriterien des Kritischen Rationalismus gemessen ist die Psychoanalyse somit strenggenommen keine Wissenschaft, was jedoch eher bei einer wissenschafts-theoretischen Verortung der Disziplin interessieren dürfte, als dass es deren Bedeutung für diese Untersuchung schmälern könnte. Samuel Weber zeigt, dass die Psychoanlyse nicht allein auf Beobachtung gründe, sondern auf der „ Deutung der Empirie“. Weber, Samuel, Freud-Legende 21 (Hervorh. und Anführungszeichen i. Org.).
[8] Die erste Veröffentlichung erfolgte noch im selben Jahr: Freud, Sigmund, Die Verneinung, in: Imago, Bd. 11, Nr. 3 (S. 217-222), 1925.
[9] Freud, Die Verneinung 373.
[10] Ebd. (Hervorh. und Anführungszeichen i. Org.).
[11] Lacan, Einführung und Antwort zu einem Vortrag von Jean Hyppolyte über die Verneinung von Freud 71. Vgl. dagegen Weber, Samuel, Rückkehr zu Freud.
[12] Der Zusammenhang mit den Triebregungen in der oralen Phase liegt auf der Hand und wird von Freud auch genannt: „Das will ich essen oder will es ausspucken“ wird im übertragenen Sinne zu „Das will ich in mich einführen und das aus mir ausschließen.“ Freud, Die Verneinung 374.
[13] Freud, Die Verneinung 374.
[14] Die Mutterbrust wird beispielsweise in der oralen Phase zum zentralen Lustobjekt, ohne dass sie in der genitalen Phase noch in dieser Weise verfügbar wäre. Inzestuöse Triebregungen werden (auch) aus diesem Grund verneint. Vgl. Freud, Die Traumdeutung 366, 538-540 und Drei Abhandlungen 126 sowie Marcuse 63f und Lacan, Einführung und Antwort zu einem Vortrag von Jean Hyppolyte über die Verneinung von Freud 78: „Auf eine allgemeine Art und Weise ist die Bedingung dafür, dass für das Subjekt irgend etwas existiert, die Bejahung, eine solche Bejahung, die nicht Negation der Negation ist.“ (Hervorh. i. Org.).
[15] Freud, Die Verneinung 377. Vgl. Ders., Jenseits des Lustprinzips 237f; Notiz über den „Wunderblock“ 369.
[16] Dass Orlando bei der Analyse des Textes nicht auf dieses Modell zurückkommt, ist bedauerlich. Hawcroft (Word as Action 211-238) untersucht die Funktion der Monologe bei Racine und spricht von „self-persuation“, was der Verneinung in ihrer starken Form sehr nahe kommen dürfte.
[17] Orlando, Toward... 9.
[18] Drewermann, Strukturen des Bösen, Bd. 5, Teil 2, 5. Der interne Druck, von dem Orlando spricht, kann als Internalisierung dieser „Verzichtsforderungen“ verstanden werden und wäre dann in Freudscher Terminologie mit dem Über-Ich gleichzusetzen.
[19] Freud, Die Zukunft einer Illusion 144.
[20] Orlando, Toward... 10. Vgl. ebd. 20: „Indeed it calls for the strength of the former to be directly propor-tionate to the latter.”
[21] Zudem habe ich dieses Beispiel gewählt, da das Verbot von Homosexualität, anders als das des Inzests, nicht die fundamentale Voraussetzung jeglicher Zivilisation ist und sich somit das Vorliegen der Triebregung anhand von Zivilisationen zeigen ließe, in denen Homosexualität nicht tabuisiert wird.
[22] Singer 82, Anm. 1. Vgl. Derrida, Grammatologie 312ff. Anders natürlich der KKK 2417-2418, 2457.
[23] Bei Menschen lassen sich homoerotische Neigungen bei überwiegender Heterosexualität besonders offensichtlich bei geistig behinderten Menschen beobachten, da hier die Verneinung oft gestört ist bzw. nicht vorliegt. Auch in Gesellschaften mit anderen Systemen von Moral, in denen Homosexualität nicht tabuisiert ist, wird sie auch nicht unterdrückt. Dies war etwa im antiken Griechenland oder im vorislamischen Arabien der Fall. Drogenkonsum kann die Abwehr durch eine Beeinträchtigung des Bewusstseins stören, weswegen dieser ebenfalls in vielen Gesellschaften strikten Regeln unterworfen ist.
[24] Das Tabu (bzw. Ta-pu) ist ursprünglich ein religiöses Berührungsverbot polynesischer Inselvölker, mit dem Personen geächtet oder Kultstätten geschützt wurden. Dazu ausführlich Freud, Totem und Tabu 295ff. Vgl. den Artikel Thalers in der JF. Ähnliches lässt sich auch im Christentum zeigen: Vgl. etwa Lev. 23, 2-47.
[25] Interessant ist in diesem Zusammenhang, dass in Deutschland homosexuelle Kontakte zwischen Männern nach § 175 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren geahndet werden können (wenn sie von einem Erwachsenen an einem Minderjährigen vorgenommen werden), wohingegen homosexuelle Kontakte zwischen Frauen grundsätzlich straffrei sind. Vgl. auch Freud, Über die Psychogenese eines Falles von weiblicher Homosexualität 257f und KKK 2357, 2359.
[26] Speidel betont, dass das Objekt der Begierde notwendigerweise abstoßend, und nicht verführerisch dargestellt werden muss, um als Bedrohung gelten zu können. Er wählt dazu das Beispiel der Versuchung des Heiligen Antonius (Antonius der Große, 251-356, nicht Antonius von Padua): Es „lässt sich die Diskrepanz zwischen Bezeichnung und Bezeichnetem als Variante einer zur Erhaltung des gesellschaftlichen Friedens unerläßlichen psychosozialen Abwehrformation verstehen. [...] Wäre nämlich anstelle des Teufelsgewürms die damit abgewehrte Bebilderung der eigentlichen Versuchungsphantasien, nämlich [...] unbekleideter Jungfrauen mit liebreizenden Blicken und Leibern dargestellt worden, so wäre die Versuchung nicht als Höllengeburt glaubhaft zu machen gewesen. Der Gegenstand der Versuchung musste also ins Gegenteil verkehrt werden.“ Speidel 4.
[27] In Freudscher Terminologie heißt die Unerfüllbarkeit ihres Wunsches für Phèdre, dass sie diesen verneinen muss, da das Objekt ihrer Begierde für sie nicht verfügbar ist. Der Destruktionstrieb, dem Freud die Verneinung zuschreibt, richtet sich also gegen sie selbst. Vgl. Freud, Die Verneinung 377.
[28] Mauron, L’Inconscient dans l’Œvre et la Vie de Racine 146.
[29] Die Darstellung bei Orlando mag etwas überspitzt sein, da Racine selbst im Vorwort schreibt: „En effet, Phèdre n’est ni tout à fait coupable, ni tout à fait innocente.“ Racine , Préface zu Phèdre, in: Théâtre complet, 649.
[30] Von „ established systems of phallocracy “ spricht Hiscock 43f. Dass es in der vorhistorischer Zeit des Mythos auch matriarchale Kulturen wie etwa gerade die nach Phädras Vater benannte mykenisch- minoische gegeben hat, wäre zu berücksichtigen, will man Phädras Begierde als „ authentique déclaration de guerre entre les sexes “ deuten. Diese Ansicht vertritt Venesoen, Le complexe maternel dans le théâtre de Racine, 61f.
[31] Racine, Œvres, Bd. 3, 263 (zitiert nach: Orlando, Lecture freudienne de Phèdre 28).
[32] Vgl. Derrida, Grammatologie 324f (über Rousseau, Émile ou De l’éducation): „Das Paradox des Verhältnisses zum anderen kommt hier deutlich zum Ausdruck: je mehr man sich mit dem anderen identifiziert, desto stärker empfindet man dessen Leiden als das seinige […].“
[33] Racine , [première] préface zu Andromaque, in: Théâtre complet, 147. Das Vorwort wurde nach den Aus-gaben von 1668 und 1673 durch ein anderes ersetzt.
[34] Auch im Traum scheinen irrationale Wünsche und Begierden zwar auf, werden jedoch selten konkret erfüllt, wie Fromm in Bezug auf Freud betont: „Wenn wir uns jedoch gestatten würden, die Erfüllung dieser Wünsche im Traum voll auszuleben, dann wären diese Träume nicht so rätselhaft und verwirrend. Wir träumen nur selten, dass wir [...] einen Inzest begehen, und selbst wenn wir es tun, so gewährt uns die Erfüllung dieser Wünsche im Traum keine Befriedigung.“ Fromm, Märchen, Mythen, Träume, 208 [67 i. Org.]. Ebenso sieht es Jung: „Das Symbol [...] verliert jeden Sinn, wenn es nicht den Trieb als Widerstand gegen sich hat [...].“ Jung, Symbole der Wandlung, Bd. 5, 291.
[35] Racine , Préface zu Phèdre, in: Théâtre complet, 650f.
[36] Orlando, Toward... 12. Zum Problem der Identifikation des Lesers mit der Figur vgl. Mauron, L’Inconscient... 166.
[37] Mony 18.
[38] Vgl. den im Literaturverzeichnis aufgeführten Artikel Suchers.
[39] Valéry, Bd. 1, 500.
[40] Sambanis 144.
[41] Sambanis 143.
[42] Ich nehme zur Systematisierung eine Nummerierung der Verneinungen vor. Der hier vorgestellte Abwehrmechanismus ist außerhalb des Textes angesiedelt, weswegen ich ihm die Ziffer (-1) zuweise.
[43] In gleicher Weise geht bereits Kris vor, der in Bezug auf die Kunst allgemein feststellt: „There is a sender, there are receivers, there is a message.“ Kris 16. In Anlehnung an Jakobson unterscheidet Orlando im theoretischen Teil dann zwischen message, addresser, addressee, context, code und contact. Orlando, Toward... 126; Vgl. Jakobson 350-377.
[44] Für Freud sind etwa auch die den Neurosen zugrundeliegenden Konflikte an sich ubiquitär, so dass „die Neurosen keinen ihnen eigentümlichen psychischen Inhalt haben, der nicht auch beim Gesunden zu finden wäre.“ (Freud, Über Psychoanalyse 54). „Qualitativ ist also jeder Mensch ‚neurotisch’.“ (Schultz-Hencke 85). Der Neurotiker erfährt lediglich quantitativ gesteigert, was ihm als „Erbbestandteil der Anthropogenese [...] anhaftet, insofern er für sich den Entwicklungsgang der Menschheit wiederholt.“ (Drewermann , Strukturen des Bösen, Bd. 5, Teil 2, 5). Was für den Neurotiker gilt, lässt sich sinngemäß auch für den Träumer und den Schriftsteller (während des Schreibens) sagen. Vgl. Freud, Der Wahn und die Träume 14, 52, 82.
[45] Ein vergleichbare Funktion kommt heute dem Internet zu. Sucht man nach empirischer Evidenz für die Notwendigkeit der geregelten Abfuhr inzestuöser Triebregungen, so findet man diese durch das Eingeben des Wortes „incest“ in eine der üblichen Suchmaschinen oder z.B. (nicht sublim, aber doch nicht -real und somit eine reale Ordnung kaum gefährdend) unter http://www.incest-mpegs.com oder http://www.incest-raped.com.
[46] Zu bedenken ist dabei, dass Phèdre vor dem Beginn der Aufklärung entstand und eine offene Opposition gegen herrschende Moralvorstellungen damit nicht möglich war. Erst in der Romantik ist ein Punkt erreicht, an dem verbotene Leidenschaften ganz offen zum Thema der Kunst werden. Die Auflösung der Form in allen Kunstgattungen steht mit diesem historischen Prozess in engem Zusammenhang, da die Form der Abwehr ebenso wie der Sublimation dient(e). Vgl. dazu Holland , Form als Abwehr, 355ff. Ein Indiz für die starke Präsenz von Verneinungssymbolen könnte also die formale Strenge der Tragödie sein. Vgl. Barthes, Sur Racine 109: „La plus profonde des tragédies raciniennes est aussi la plus formelle.“
[47] Marcuse, Triebstruktur und Gesellschaft 63f. Ihm schwebt eine „Befreiung“ von Repression vor; Kosiek 35.
[48] Lévi-Strauss, Les structures élémentaires de la parenté 3-29. Lévi-Strauss führt alles Universelle beim Menschen auf die Natur, das Individuelle jedoch auf die Kultur zurück. Das Inzestverbot sei vor diesem Hintergrund ein „Skandal“ (a.a.O. 86), da es die einzige kulturelle Norm bilde, die gleichzeitig den Charakter der Universalität aufweise. Vgl. Derrida, Grammatologie 182.
[49] Freud, Totem und Tabu 296. Bezeichnend ist auch der Passus im KKK 2388: „Inzest [...] stellt einen Rückschritt zu tierischem Verhalten dar.“ Vgl. Lev. 18, 7-20; 1 Kor 5, 1.4-5.
[50] Lévi-Strauss, Die elementaren Strukturen... 59. Dieser Übergang vollzieht sich erst heute und wird von (Herrn Sloterdijk und von) renommierter Seite propagiert: Peter Singer lehrt in Harvard. Vgl. Ders. 177-224.
[51] Drewermann, Strukturen …, Bd. 5, Teil 2, 25. Es bleibt unklar, was man sich unter „psychische(r) Energie“ vorzustellen hat (vgl. Mollinger 36-37) und inwiefern sie im Zusammenhang mit der (biologischen?) „Lebensentfaltung“ steht. Auf der vorhergehenden Seite schreibt Drewermann: „Die Sehnsucht nach dem Mutterschoß [...] ist letztlich ein Verlangen nach der Güte und dem Erbarmen Gottes.“ Liest man die beiden Stellen zusammen, dann wäre der Schritt in den Atheismus die Verneinung dieser Sehnsucht im Rahmen der intellektuellen „Urteilsfunktion“ (Freud, Die Verneinung 374) etwa aufgrund des Theodizeeproblems. Diese Interpretation dürfte Drewermann wenig behagen, betont er selbst doch stets, besagter Schritt sei verhängnis-voll. Dass der Gläubige den Atheismus fürchtet, da er ihn nicht kennt, ist ebenso interessant wie die Tatsache, dass der auf die eben beschriebene Weise vom Glauben Abgefallene den Atheismus begrüßen muss, da der Schritt zurück redlicherweise unmöglich ist. Unmöglich ist daher auch ein sinnvoller Diskurs über dieses Thema.
[52] Vgl. Abb. 3.
[53] Orlando, Toward... 17.
[54] Freud, Die Verneinung 374.
[55] Orlando, Toward... 17.
[56] In diesem Schema wäre neben der Legende die Sage, neben dem Mythos das (Volks-) Märchen anzusiedeln. Vgl. Drewermann, Tiefenpsychologie... Bd. 1, 90, 141, 146, 393-413.
[57] Drewermann, Tiefenpsychologie... Bd. 1, 90. Die zweite Bemerkung in runden Klammern stammt von Drewermann selbst.
[58] Bury 38.
[59] Die von mir angeführten Arbeiten Drewermanns (insbesondere Tiefenpsychologie und Exegese) richten sich gegen die etablierte historisch-kritische Deutung der biblischen Wundergeschichten. Die Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche endete für Drewermann im Entzug seiner Lehrerlaubnis in Paderborn, wo er seit dem als Privatdozent tätig ist.
[60] Drewermann, Tiefenpsychologie... Bd. 1, 186. Die erste Bemerkung in runden Klammern ist von Drewermann selbst.
[61] a.a.O. 187.
[62] Drewermann, Tiefenpsychologie... Bd. 2, 36.
[63] Drewermann, Tiefenpsychologie... Bd. 1, 183.
[64] a.a.O. 184.
[65] Orlando , Toward... 21f. Aus diesem Grund weist die psychoanalytische Interpretation des Mythos eine Nähe zum Strukturalismus auf: Da der Mythos „aus der Gesamtheit seiner Varianten besteht, muss die Strukturalanalyse sie alle mit dem gleichen Ernst betrachten.“ Lévi-Strauss, Die Struktur der Mythen, 239, vgl. a.a.O. 240, Abb. 16 und Drewermann, Tiefenpsychologie... Bd. 1, 183 sowie Mauron, Die Psychokritik und ihre Methode 276.
[66] Racine, Phèdre, I, I, 35f. Ich zitiere alle Verse von Racine aus dem Théâtre complet. Die Ausgabe weicht in der Interpunktion von den Œvres ab, die Orlando verwendet (siehe Literaturverzeichnis).
[67] Spitzer bezeichnet Phèdre als „Gestalt gewordenes Oxymoron“. Spitzer Bd. 1, 247. Vgl. Racine, Phèdre, I, III, 310: „Et dérober au jour une flamme si noire.“ Von der „Zusammenführung der Licht- und Schattenseiten menschlicher Existenz“ spricht Sambanis 147. Diese Aussagen erinnern an den Titel eines von Freuds Aufsätzen, nämlich an Die Ichspaltung im Abwehrvorgang.
[68] Vgl. Lacan, Die symbolische Ordnung 279: „Die Perversion situiert sich [...] an der Grenze zur Anerkennung der Ordnung und das ist es, was sie fixiert, sie als solche stigmatisiert.“ (i. Org.: „Ordnung der Anerkennung“).
[69] Vgl. Freud, Die Verneinung 376.
[70] Racine, Phèdre, V, IV, 1516 (in Bezug auf das Seeungeheuer); II, V, 649 (i. Bez. auf den Minotaurus) sowie I, I, 79 und 99; III, V, 938 und 948 und 963 und 970; V, III, 1444-1446 (i. Bez. auf div. prähist. Ungeheuer).
[71] Racine, Phèdre, II, II, 520; III, III, 884; IV, II, 1045 (i. Bez. auf Hippolytos); V, I, 1317 (i. Bez. auf Önone); II, III, 700-703; V, III, 1444-1446 (i. Bez. auf Phädra).
[72] Orlando, Tow ard... 26f.
[73] Racine, Phèdre, V, IV, 1519.
[74] Racine, Phèdre, I, I, 35-36 und V, IV, 1519. Durch die Randlage zu Beginn und am Schluss wird das in den Textstellen Gesagte zusätzlich exponiert. Über sie spannt sich gleichsam der Bogen der Tragödie.
[75] „Mit wilden Tieren symbolisiert der Träumer in der Regel leidenschaftliche Triebe, [...] vor denen (er) [...] sich fürchtet [...] (und) mit einer [...] geringfügigen Verschiebung die Personen selbst, welche die Träger dieser Leidenschaften sind. Von hier ist es nicht weit zu der an den Totemismus anklingenden Darstellung des gefürchteten Vaters [...].“ Freud, Die Traumdeutung, 399 (Hervorhebung i. Org.), vgl. a.a.O. 64.
[76] Gen. 2, 19-20.
[77] Drewermann, Strukturen..., Bd. 5, Teil 2, 45. Vgl. im Zusammenhang damit auch das Gebot, Vater und Mutter zu verlassen, also außerhalb der Familie zu heiraten (Gen. 2, 24) und zur matrilinearen Vererbung des Totems Freud, Totem und Tabu, 296f. Insbesondere die Tötung des Minotaurus durch Theseus entsprich der Gründung der Zivilisation schlechthin, insofern der Minotaurus den Inzest symbolisiert. Destruktion und Zivilisation gehen also Hand in Hand. Vgl. Derrida, Grammatologie 436f: „Der Sprung aus der Natur heraus ist zugleich progressiv und brutal, augenblicklich und endlos.“ (kursiv i. Org.).
[78] Orlando, Toward... 27.
[79] Ebd.
[80] Racine, Phèdre, I, III, 249-252. Übersetzt man cacher wörtlich, so handelt es sich hier trotzdem um die Form der starken Verneinung, da die Erinnerung (souvenir) nicht mehr bewusst fortbestünde, sollte sie tatsächlich vergessen (oublier) werden.
[81] Racine , Phèdre I, I, 46-47.
[82] So Thaler in seinem Artikel über das Tabu.
[83] Orlando führt für die Verneinung des Mythos die Ziffer (7) ein, um in seinem System deren große Entfernung zur Figur der Phèdre zu verdeutlichen. Die Verneinung des Textes durch Racine im Vorwort (-1) nimmt er in sein System nicht auf.
[84] Unter Verdichtung versteht Freud die Tatsache, dass der manifeste Traum normalerweise erheblich kürzer ist als der latente. Vgl. Freud, Vorlesungen... 178ff und Ders., Die Traumdeutung 282ff.
[85] Unter Verschiebung versteht Freud, dass ein Element des manifesten Traums durch ein weit abgelegenes Element im latenten Traum symbolisiert werden kann, die Symbole also im manifesten Traum, was ihre tatsächliche Bedeutung angeht, nicht logisch aufeinanderfolgen. Vgl. Freud, Die Traumdeutung 305ff.
[86] Unter sekundärer Bearbeitung versteht Freud die Tatsache, dass Ungereimtheiten und Lücken im manifesten Traum durch Elemente ausgefüllt werden müssen, welche die Abfolge der Ereignisse sicherstellen, denen aber keinerlei Bedeutung in Hinsicht auf den latenten Traum zukommt. Vgl. Freud, Die Traumdeutung 470ff.
[87] Vgl. Freud, Vorlesungen... 148ff.
[88] Fromm, Märchen, Mythen, Träume 208 [68 i. Org.].
[89] Zur Unterscheidung zwischen manifestem und latentem Traum vgl. Freud, Vorlesungen... 128.
[90] Fromm widerspricht dieser Auffassung wohl auch deshalb so energisch, weil er sie im Widerspruch zu seinem System der Symbole sieht, in dem er zwischen konventionellen, zufälligen und universellen Symbolen unterscheidet. Freud benutze in seinen Deutungen „mehr zufällige als universelle Symbole.“ (Fromm, Märchen, Mythen, Träume 209 [69 i. Org.]). Den universellen Symbolen komme jedoch die größere Bedeutung zu, da einzig bei ihnen eine „innere Beziehung zwischen dem Symbol und dem, was es repräsentiert“ bestehe (a.a.O. 179 [15f i. Org.]). Sollte dies so sein, so wären meine Ausführungen im vorigen Abschnitt sowie die Drewermanns, Lévi-Strauss’ und Orlandos nicht stichhaltig, da die Bedeutung eines universellen Symbols, von gewissen „symbolischen Dialekten“ (a.a.O. 182, [19 i. Org.]) abgesehen, Fromms Ansicht nach nicht changiere. Diese Ansicht ist mindestens strittig. Fromm kann nicht klären, warum nicht ein „zufälliges Symbol“ (etwa eine Geruch, den man mit einem Ort oder einer Person assoziiert) stets von geringerem Gewicht für die Interpretation sein sollte. Zudem dürfte eine so starke Betonung universeller Symbole letztlich zu einem recht mechanisch-deterministischen Verständnis sowohl von Träumen als auch von Texten führen, das Fromm allerdings gerade Freud vorwirft: „Es ist [...] erstaunlich, wie wenig Freud begabt war, die Ausdrucksform des Unbewußten [...] zu verstehen. [...] Entweder bediente er sich eines primitiven Symbolismus, bei dem man stets nur die Wahl hat zwischen dem Männlichen und dem Weiblichen, oder aber er ging in minuziöser Kleinarbeit an die Interpretation von Assoziationen.“ Fromm, Die philosophische Basis der Freudschen Psychoanalyse 227 [29-30 i. Org.]. Vgl. Ders., Der Traum ist die Sprache des universellen Menschen, 311f. Die Verve, mit der Fromm gegen Freud vorzugehen versucht, mag etwas mit seinem Welt- und Menschenbild sowie mit den normativen Vorstellungen von „gut“ und „böse“ zu tun haben, die sich daraus ergeben (Vgl. etwa jede beliebige Stelle aus Die Kunst des Liebens, v.a. im Zusammenhang mit dem Titel des Bandes: „sozialistischer Humanismus und humanistische Ethik“). Das vermeintlich Gute zu introjizieren heißt, das Andere und vermeintlich Böse als Affront nicht nur gegen eine Theorie, sondern gegen sich selbst zu begreifen. Die Kritik Fromms an der Freudschen Psychoanalyse weist also ihrerseits eine interessante psychologische Dimension auf. Darüber hinaus ist dasjenige Gedankengebäude, auf das sich Fromm stützt (der Marxismus), unlängst auf so spektakuläre Weise zusammengestürzt, dass die letzten Vertreter der Frankfurter Schule einen gewissen Erklärungsdruck verspüren dürften, sollten sie beabsichtigen, über ihre Zeit hinaus Wirkung zu entfalten. Bislang ist an Erklärungen aus dem Hause Habermas jedoch nicht viel zu hören gewesen. Daher wird Fromm vorerst mit dem Platz in der Fußnote vorliebnehmen müssen. Rusch (79) wirft Fromm Eklektizismus vor. Vgl. auch Ipperciel 43-85, 209ff.
[91] Spitzer, Bd. 1, 247. Ein Gegensatzpaar Mythos-Logos entspricht dieser Metaphorik.
[92] Vgl. Sambanis 149.
[93] Racine, Phèdre , IV, IV, 1274: „De ce sacré soleil dont je suis descendue?“. Vgl. I, III, 169-173 .
[94] Barthes , Sur Racine 109. Vgl. dagegen Pommier 18, 31.
[95] Vgl. den im Literaturverzeichnis aufgeführten Artikel Suchers über Patrice Chéreaus Inszenierung in Paris, 2003.
[96] Die Negation der Negation ist grundsätzlich von der Bejahung zu unterscheiden: Die erste stellt eine Aufhebung des Abwehrmechanismus da, wohingegen allein die zweite dem Eros zuzurechnen ist. Vgl. Lacan, Einführung und Antwort... 78.
[97] Vgl. Hiscock 43-45.
[98] Orlando, Toward... 31.
[99] Bereits im ersten Vorwort zu Andromaque (Ausgaben von 1668 und 1673) betont Racine – unter zutreffendem Hinweis auf Aristoteles – seine Absicht, die Figuren mit einer „ bonté médiocre “ auszustatten. Racine , [première] préface zu Andromaque, in: Théâtre complet, 147.
[100] Racine, Phèdre, I, I, 23; Vgl. a.a.O. 20-21.
[101] Sowohl die Darstellung des Seeungeheuers als auch die des grausamen Todes widerspricht den Regeln der bienscéance und erfolgt daher indirekt im Botenbericht des Théramène. Racine, Phèdre, V, VI, 1498-1570.
[102] Racine, Phèdre, I, III, 153-205.
[103] Racine, Phèdre, II, V, 634-710.
[104] Lacan, Einführung und Antwort zu einem Vortrag von Jean Hyppolyte über die Verneinung von Freud 71.
[105] Racine, Phèdre, I, III, 250 und II, V, 634-662.
[106] Lacan beschreibt die Überwindung der Abwehr im Sprechen: „Dieser enthüllende Moment der fundamentalen Widerstandsbeziehung [...] führt uns [...] auf eine Frage, die sich zwischen diesen zwei Begriffen polarisieren kann – dem Ego, dem Sprechen.“ Lacan, Einführung und Antwort... 72. Zu Stil und Sprache Racines vgl. Hawcroft, Le langage racinien 66f.
[107] Hier wird das Ende des Mythos selbst noch im Mythos erzählt.
[108] Eros und pouvoir als Gegenkräfte in Britannicus und in Corneilles Medea behandelt ausführlich Jackson 7f, 67ff, 83ff.
[109] Vgl. zum Archetypus des Helden Mollinger 64-71 (anhand der Lyrik von Wallace Stevens).
[110] Racine, Phèdre, I, II, 147.
[111] Racine, Phèdre, I, III, 179-181. Vgl. I, III, 283; II, V, 675; III, III, 792; IV, VI, 1264; V, V, 1470.
[112] Vgl. Barthes, Das Autoritätsverhältnis bei Racine, 289f: „Die wesentliche Beziehung (in allen Racineschen Tragödien, d. V.) ist eine Autoritätsbeziehung. Die Liebe dient nur dazu, diese sichtbar zu machen.“
[113] Racine, Phèdre, III, I, 759-760.
[114] Orlando, Toward... 42.
[115] Vgl. Racine, Phèdre, I, III, 283, 301; II, III, 687; II, III, 697, sowie Racine, Préface zu Phèdre, in: Théâtre complet, 649: „Elle fait tous ses efforts pour la (sa passion, d. V.) surmonter.“
[116] Racine, Phèdre, I, III, 290-291.
[117] Racine, Phèdre, I, III, 154-156. Es ist überhaupt nicht abwegig, eine Verneinung hier so konkret physisch vorfinden zu wollen. Fälle, in denen Opfer sexuellen Missbrauchs Essstörungen entwickeln, da sie ihren Körper als Sitz der (internalisierten) Schuld verneinen, sind keine Seltenheit. Fälle von Suizid kommen ebenso vor.
[118] Racine, Phèdre, I, V, 340-342.
[119] Hiscock 43.
[120] Racine, Phèdre, I, V, 350.
[121] Vgl. Orlando, Toward... 47.
[122] Vgl. Racine, Phèdre, II, V, 700; V, IV, 1527.
[123] Racine, Phèdre, II, V, 700-704.
[124] Drewermann, Strukturen..., Bd. 6, Teil 2, 274.
[125] Racine, Phèdre, IV, IV, 1271-1272.
[126] Vgl. Racine, Andromaque, IV, III, 1169-1174.
[127] Vgl. Racine, Andromaque, V, V, 1560.
[128] Racine, Phèdre, V, 1, 1317.
[129] Racine, Phèdre, IV, VI, 1276-1277.
[130] Racine, Phèdre, V, scène dernière, 1643-1644
[131] Racine, Phèdre, I, I, 45-46.
[132] Racine, Phèdre, I, II, 148-149.
[133] Racine, Phèdre, IV, II 1112-1113.
[134] Vgl. Racine, Phèdre, II, V, 710. Handelt es sich hier um ein Symbol für die „established systems of phallocracy“ (Hiscock 43) , die durch Phädras Tod bestätigt würden? Orlando geht darauf nicht ein. Ich werde im Rahmen der „Schlussbetrachtungen“ auf diese äußerst interessante Szene zurückkommen.
[135] Racine, Phèdre, II, V, 713.
[136] Racine, Phèdre, III, I, 740.
[137] Racine, Phèdre, III, IV, 920.
[138] vgl. Lacan, Einführung und Antwort... 71ff: „Ich habe Ihnen gleichfalls die Bedeutung des nicht-gesagten, weil zurückgewiesenen, weil vom Subjekt verworfenen Sprechens gezeigt.“ (Hervorhebung i. Org.).
[139] Racine, Phèdre, I, III, 205-208.
[140] Racine, Phèdre, I, III, 262.
[141] Racine, Phèdre, I, III, 264.
[142] Racine, Phèdre, II, V, 603-604.
[143] Racine, Phèdre, II, V, 634.
[144] Racine, Phèdre, II, V, 641.
[145] Vgl. Sucher: „Die Wahrheit ziemt sich nicht“.
[146] Racine, Phèdre, II, V, 661-662.
[147] Orlando, Toward … 89.
[148] Racine, Phèdre, I, I, 3: „Depuis plus de six mois éloigné de mon père...“
[149] Hiscock 43.
[150] Racine, Phèdre, I, I, 105-106.
[151] Vgl. Racine, Phèdre, II, II, 539: „Depuis prés de six mois honteux, désespéré...“
[152] Hiscock 45.
[153] Racine, Phèdre, IV, I, 992
[154] Racine, Phèdre, II, V, 684 (Phädra zu Hippolytos).
[155] Racine, Phèdre, I, I, 111 (Hippolytos zu Théramène).
[156] Racine, Phèdre, I, I, 50 (Hippolytos zu Théramène).
[157] Racine, Phèdre, III, V, 953-954 (Theseus nach seiner Rückkehr).
[158] Vgl. Hiscock 43.
[159] Vgl. zum Begriff den maßgeblichen Artikel Strothmanns im Neuen Pauly, Bd. 9, 396 (Die Realency-clopädie der classischen Altertumswissenschaft weist keinen Eintrag auf) sowie Alföldi 40ff.
[160] Die Gründung Roms ist eine wichtige Facette des Begriffs pater patriae bei seiner Monopolisierung durch Augustus, der das cognomen (Sueton, Augustus, 58, 1) anstelle des Romulus-Namens annahm. Vgl. dazu Ungern-Sternberg 167ff.
[161] Vgl. Racine, Phèdre, IV, I, 1014-1022 (Önones verleumderische Rede).
[162] Racine, Phèdre, IV, I, 1023 (Theseus).
[163] Orlando, Toward... 97.
[164] Racine, Phèdre, I, I, 79-83.
[165] Racine, Phèdre, II, VI, 700.
[166] Racine, Phèdre, II, I, 400-403 (Aricie zu Ismène).
[167] Racine, Phèdre, I, I, 129-132 (Théramène zu Hippolytos).
[168] Racine, Phèdre, II, II, 550-552 (Hippolytos zu Aricie).
[169] Die Inkompatiblität nur zu Fromms Die Kunst des Liebens wird offensichtlich, schlägt man nur eine beliebige Seite dieses Bestsellers auf. S.o. Anm. 90.
[170] Racine, Phèdre, II, III, 548 (Hippolytos zu Aricie).
[171] Weber, Jean Paul, 303.
[172] Oetjens 8.
[173] Orlando, Toward … 54.
[174] Nicht mit dem Gift, sondern mit dem Schwert. Vgl. Euripides, Medea, 5. Epeisodion, 1244.
[175] Racine, Phèdre, V, scène dernière, 1638 (Unterstreichung vom Autoren diese Textes). Vor allem fand dies alles wenigstens bei Euripides und Seneca in Korinth statt, nicht in Athen. So ist das Gift hier im übertragenen Sinn zu verstehen.
[176] Euripides, Medea, 5. Epeisodion, 1076-1080. Ich habe mir erlaubt, die Übersetzung sprachlich zu glätten.
[177] Auch in der von Orlando angeführten Anekdote werden Medea und Phädra in einem Atemzug genannt. Vgl. Anm. 31. Der Mythos ist hier selbst schon eine Rationalisierung, da er die ratio thematisiert.
[178] Racine, Phèdre, II, III, 704.
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- Christof Wockenfuß (Author), 2003, Strukturen symbolischer Verneinung in Jean Racines Phèdre, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/109124
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